Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.439/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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8C_439/2017            

 
 
 
Urteil vom 6. Oktober 2017  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiberin Hofer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Benno Lindegger, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St.
Gallen 
vom 10. Mai 2017 (UV 2015/55). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1953 geborene A.________ war bei der Gemeinde Eschenbach als Klärwärter
tätig und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva)
gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 18. August 2013 stolperte er beim
Hinaufsteigen einer Treppe und fiel auf die rechte Seite. Die MRI-Untersuchung
der rechten Schulter vom 29. November 2013 zeigte einen Unterrandeinriss der
Supraspinatussehne, eine ansatznahe Tendinopathie der Infraspinatussehne und
eine AC-Gelenksarthrose. Am 6. März 2014 wurde der Versicherte an der Schulter
operiert. Die Suva erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Gestützt auf die
medizinische Zumutbarkeitsbeurteilung des Suva-Kreisarztes Dr. med. B.________,
Facharzt FMH für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des
Bewegungsapparates, vom 13. November 2014 sprach sie A.________ mit Verfügung
vom 30. März 2015 mit Wirkung ab 1. April 2015 auf der Basis eines
Invaliditätsgrades von 35 Prozent eine Invalidenrente zu. Zudem richtete sie
aufgrund einer Integritätseinbusse von 12.5 Prozent eine
Integritätsentschädigung von Fr. 15'750.- aus. Daran hielt sie mit
Einspracheentscheid vom 10. August 2015 fest. 
 
B.   
Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen mit Entscheid vom 10. Mai 2017 teilweise gut und verpflichtete die Suva,
A.________ eine Invalidenrente basierend auf einem Invaliditätsgrad von 39
Prozent auszurichten. Zur Festsetzung der Rentenleistung wies es die Sache an
die Suva zurück. 
 
C.   
Die Suva führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben. 
Während die Vorinstanz auf eine Vernehmlassung verzichtet, lässt A.________
Abweisung der Beschwerde beantragen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde an das Bundesgericht ist zulässig gegen Endentscheide, das
heisst gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen (Art. 90 BGG), und
gegen Teilentscheide, die nur einen Teil der gestellten Begehren behandeln,
wenn diese unabhängig von den anderen beurteilt werden können, oder die das
Verfahren nur für einen Teil der Streitgenossen und Streitgenossinnen
abschliessen (Art. 91 BGG). Gegen selbstständig eröffnete Vor- und
Zwischenentscheide ist hingegen die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die
Zuständigkeit oder den Ausstand betreffen (Art. 92 BGG), einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn
die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit
einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges
Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG).
Rückweisungsentscheide, mit denen eine Sache zur neuen Entscheidung an die
Vorinstanz zurückgewiesen wird, sind Zwischenentscheide, die nur unter den
genannten Voraussetzungen beim Bundesgericht angefochten werden können (BGE 133
V 477 E. 4.2 S. 481 f.). Anders verhält es sich nur dann, wenn der unteren
Instanz, an welche zurückgewiesen wird, kein Entscheidungsspielraum mehr
verbleibt und die Rückweisung nur noch der Umsetzung des oberinstanzlich
Angeordneten dient (BGE 140 V 282 E. 4.2 S. 285 f.; SVR 2008 IV Nr. 39 S. 131,
9C_684/2007 E. 1.1).  
 
1.2. Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Entscheid die Rentenhöhe
verbindlich festgelegt. Die Rückweisung dient nur noch der Berechnung des
Rentenbetrags. Dabei handelt es sich in aller Regel um rein rechnerische
Fragen, bei denen der Suva kein Entscheidungsspielraum verbleibt. Materiell
handelt es sich somit um einen Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG. Die
Beschwerde der Suva ist daher zulässig.  
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).  
 
2.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).  
 
3.   
Strittig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht den Einspracheentscheid
vom 10. August 2015 aufhob und den Rentenanspruch des Beschwerdegegners
basierend auf einem Invaliditätsgrad von 39 Prozent festsetzte. 
 
4.  
 
4.1. Die Vorinstanz hielt unbestritten fest, gemäss Zumutbarkeitsprofil von
Kreisarzt Dr. med. B.________ könne der Versicherte aufgrund der Unfallfolgen
im Bereich der rechten Schulter keine schweren Arbeiten mehr ausüben. Hingegen
sei es ihm weiterhin möglich, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit
limitierter Gewichtsbelastung zu verrichten. Überkopf- und
Armvorhaltetätigkeiten und Tätigkeiten mit vermehrter Vibrationsbelastung seien
nicht mehr möglich. Nach Einschätzung des Kreisarztes können beidseitig
Gewichte bis 20 kg bis zur Gürtellinie angehoben und gehalten werden.
Einseitiges Anheben und Halten von Gewichten ist bis 5 kg auf Gürtelhöhe
möglich.  
 
4.2. Im Rahmen des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG) ging die Vorinstanz beim
Valideneinkommen gestützt auf die Angaben der ehemaligen Arbeitgeberin für das
Jahr 2015 von Fr. 98'200.70 aus. Für das Invalideneinkommen stellte sie auf den
Durchschnittslohn (Zentralwert) für Männer für einfache Tätigkeiten
körperlicher oder handwerklicher Art (Kompetenzniveau 1 der vom Bundesamt für
Statistik herausgegebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung [LSE] 2012,
Tabelle TA1, Privater Sektor Schweiz) ab. Umgerechnet auf die
gesamtwirtschaftlich betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit 2015 von 41.7
Stunden und unter Aufrechnung der Nominallohnentwicklung 2013 bis 2015 ergab
dies einen Jahreslohn von Fr. 66'688.-. Während die Suva einen leidensbedingten
Abzug von 5 Prozent gewährt und einen Invaliditätsgrad von 35 Prozent errechnet
hatte, erachtete das kantonale Gericht einen Abzug vom Tabellenlohn von 10
Prozent als angebracht. Der höhere Tabellenlohnabzug rechtfertige sich aufgrund
der über die quantitative Belastungsbeschränkung hinausgehenden qualitativen
Einschränkungen. Zusätzlich sei zu berücksichtigen, dass der Durchschnittslohn
der Männer seit der LSE 2012 im Kompetenzniveau 1 im Verhältnis zur
Nominallohnentwicklung spürbar höher sei als derjenige der Männer in der LSE
2010 im Anforderungsniveau 4. Dies sei offenbar mit einer erhöhten Gewichtung
von Schwerarbeiterlöhnen über alle Sektoren zu begründen. Da der Versicherte
keine schweren Tätigkeiten mehr ausüben könne, sei diesem Umstand mit einem
zusätzlichen Abzug Rechnung zu tragen. Überdies sei auch das fortgeschrittene
Alter des Versicherten zu berücksichtigen. Daraus resultiere ein
Invaliditätsgrad von gerundet 39 Prozent.  
 
5.  
 
5.1. Die Beschwerde der Suva richtet sich gegen die Höhe des Abzugs vom
Tabellenlohn.  
 
5.2. Wird das Invalideneinkommen auf der Grundlage von statistischen
Durchschnittswerten ermittelt, ist der entsprechende Ausgangswert
(Tabellenlohn) allenfalls zu kürzen. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen
werden, dass persönliche und berufliche Merkmale, wie Art und Ausmass der
Behinderung, Lebensalter, Dienstjahre, Nationalität oder Aufenthaltskategorie
und Beschäftigungsgrad Auswirkungen auf die Lohnhöhe haben können. Aufgrund
dieser Faktoren kann die versicherte Person die verbliebene Arbeitsfähigkeit
auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt möglicherweise nur mit
unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg verwerten (BGE 126 V 75 E. 5b/aa in
fine S. 80). Der Abzug soll aber nicht automatisch erfolgen. Er ist unter
Würdigung der Umstände im Einzelfall nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft
zu schätzen und darf 25 Prozent nicht übersteigen (BGE 135 V 297 E. 5.2 S. 301;
134 V 322 E. 5.2 S. 327 f.; 126 V 75 E. 5b/bb-cc S. 80). Die Rechtsprechung
gewährt insbesondere dann einen Abzug auf dem Invalideneinkommen, wenn eine
versicherte Person selbst im Rahmen körperlich leichter Hilfsarbeitertätigkeit
in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist (BGE 126 V 75 E. 5a/bb S. 78).  
 
5.3. Ob ein (behinderungsbedingt oder anderweitig begründeter) Abzug vom
Tabellenlohn vorzunehmen ist, stellt eine vom Bundesgericht frei überprüfbare
Rechtsfrage dar (Urteil 8C_652/2008 vom 8. Mai 2009 E. 4, nicht publ. in: BGE
135 V 297). Dagegen ist die Höhe des (im konkreten Fall grundsätzlich
angezeigten) Abzugs eine Ermessensfrage und daher letztinstanzlich nur bei
Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder -unterschreitung korrigierbar (BGE
137 V 71 E. 5.1 S. 72 f.; 132 V 393 E. 3.3 S. 399; Urteil 8C_477/2016 vom 23.
November 2016 E. 4.1).  
 
5.4. Das Bundesgericht hat sich in BGE 142 V 178 zur Festsetzung der
hypothetischen Einkommen aufgrund der LSE 2012 geäussert. Neu wird nach Berufen
(Skill Levels) differenziert statt nach den bisherigen Anforderungsniveaus 1
bis 4 der Stelle. Das statistische Einkommen nach TA1 Kompetenzniveau 1 der LSE
2012 zeigt bei den Männern gegenüber dem Tabellenlohn nach TA1
Anforderungsniveau 4 der LSE 2010 ein Plus von 6.3 Prozent. Dieses stimmt nicht
mit der Lohnentwicklung von 2010 bis 2012 überein. Das Bundesgericht hat jedoch
erkannt, dass die LSE 2012 insbesondere im Rahmen einer erstmaligen
Invaliditätsbemessung zur Festlegung der Vergleichseinkommen nach Art. 16 ATSG
grundsätzlich als Beweis geeignet sei (BGE 142 V 178 E. 2.5.7 S. 188). Im
erwähnten Urteil hat das Bundesgericht festgehalten, neun Berufsgruppen von 1
Führungskräfte bis 9 Hilfsarbeitskräfte in Verbindung mit den Aspekten
Ausbildung, Erfahrung, Aufgaben und Pflichten ("Task and Duties") hätten zur
Einreihung der Stelle - als dem "ausgeübten Beruf" im Unternehmen - in die
Skill Levels 4 bis 1 geführt. Die Berufe der Gruppen 1 bis 9 seien den
Kompetenzen 4 bis 1 zugeordnet worden, so namentlich die Berufe der Gruppen 9
Hilfsarbeitskräfte als "Einfache Tätigkeiten körperlicher oder handwerklicher
Art" dem Kompetenzniveau 1 (BGE 142 V 178 E. 2.5.3.2 S. 185). Daraus ist zu
schliessen, dass die Lohnunterschiede zwischen dem Anforderungsniveau 4 der LSE
2010 und dem Kompetenzniveau 1 der LSE 2012 (TA1) auf die neu erfolgte
Differenzierung nach Skill Levels zurückzuführen ist. In den Erläuterungen der
LSE wird auf S. 11 unter dem Titel "Löhne gemäss Berufsgruppen, 2012"
ausgeführt, am anderen Ende der Lohnskala stünden Hilfsarbeitskräfte, die wie
das Reinigungspersonal, Hilfskräfte in der Landwirtschaft, im Bau sowie in der
Nahrungsmittelzubereitung tätig sind und einen Lohn von Fr. 4'856.- pro Monat
erhalten. In dieser Kategorie erzielten die Hilfskräfte im Bau mit Fr. 5'286.-
pro Monat den höchsten Lohn. Entgegen der Vermutung der Vorinstanz deutet
nichts auf eine höhere Gewichtung von Schwerarbeiterlöhnen bei der LSE 2012
hin. Der Standpunkt des kantonalen Gerichts lässt sich auch nicht einfach mit
der Definition des Kompetenzniveaus 1 als "einfache Tätigkeiten körperlicher
oder handwerklicher Art" begründen.  
 
5.5. Der Beschwerdegegner kann die mit häufigem Heben schwerer Gegenstände und
das rechte Schultergelenk belastenden Überkopfarbeiten verbundene bisherige
Tätigkeit als Mitarbeiter der Entsorgungsstelle und verantwortlicher Leiter für
die Kläranlage gemäss kreisärztlicher Beurteilung vom 13. November 2014 nicht
mehr ausüben. Die gesundheitlich bedingte Unmöglichkeit, weiterhin körperlich
schwere Arbeiten zu verrichten, führt nicht automatisch zu einer Verminderung
des hypothetischen Invalidenlohns. Vielmehr ist der Umstand allein, dass nur
mehr leichte bis mittelschwere Arbeiten zumutbar sind, auch bei eingeschränkter
Leistungsfähigkeit kein Grund für einen zusätzlichen leidensbedingten Abzug,
weil der Tabellenlohn im Kompetenzniveau 1 bereits eine Vielzahl von leichten
und mittelschweren Tätigkeiten umfasst (Urteil 8C_805/2016 vom 22. März 2017 E.
3.4.2; 9C_386/2012 vom 18. September 2012 E. 5.2).  
 
5.6.  
 
5.6.1. Nach den Feststellungen der Vorinstanz stand der Beschwerdegegner im
Zeitpunkt des Rentenbeginns am 1. April 2015 kurz vor seinem 62. Geburtstag.
Der Bundesrat hat gestützt auf Art. 18 Abs. 2 UVG in Art. 28 Abs. 4 UVV eine
besondere Regelung getroffen für die Ermittlung des Invaliditätsgrades bei
Versicherten, welche die Erwerbstätigkeit nach dem Unfall altershalber nicht
mehr aufnehmen (Variante I) oder bei denen sich das vorgerückte Alter erheblich
als Ursache der Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit auswirkt (Variante II).
In diesen Fällen sind gemäss Art. 28 Abs. 4 UVV für die Bestimmung des
Invaliditätsgrades die Erwerbseinkommen massgebend, die ein Versicherter im
mittleren Alter bei einer entsprechenden Gesundheitsschädigung erzielen könnte.
Die Vorinstanz verneinte die Anwendbarkeit von Art. 28 Abs. 4 UVV, da keine
Anhaltspunkte für eine physiologische Altersgebrechlichkeit vorlägen noch
ersichtlich sei, dass dieser verglichen mit anderen Ursachen der
Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit eine wesentliche Bedeutung zukäme. Dies
blieb letztinstanzlich unbestritten.  
 
5.6.2. Gemäss den Erwägungen des kantonalen Gerichts sind über 50-jährige
Personen, die infolge gesundheitlicher Beeinträchtigung aus der Berufskarriere
gerissen werden, bei der Verwertung einer Restarbeitsfähigkeit in anderen
Tätigkeiten mit zahlreichen lohnwirksamen Nachteilen konfrontiert, insbesondere
in Bezug auf hohe Lohnnebenkosten für die Arbeitgeber, längere
gesundheitsbedingte Absenzen, schlechtere Anpassungs- und
Angewöhnungsfähigkeit, kürzere Aktivitätsdauer, Entwertung des
Erfahrungswissens und zu beachtende GAV-Bestimmungen wie vorzeitige
Pensionierung, längerer Ferienanspruch, längere Kündigungsfristen. Ferner seien
bei älteren Personen diverse Arbeitsanforderungen zu vermeiden, was das
Spektrum adaptierter Tätigkeiten zusätzlich einschränke. Hinzu komme, dass
behinderungsgerechte Arbeitsplätze von Invaliden in jungem und mittlerem Alter
ebenfalls stark nachgefragt würden. In Nachachtung dieser Nachteile und der
damit einhergehenden Verminderung des zu erwartenden Entgelts werde in den
bundesgerichtlichen Urteilen jeweils in Erinnerung gerufen, dass das Alter bei
der Bemessung des Tabellenlohnes zu berücksichtigen sei. Zur Begründung
verweist die Vorinstanz auf BGE 129 V 472 E. 4.2.3 S. 481 und BGE 134 V 322 E.
5.2 S. 327 (vgl. auch PHILIPP GEERTSEN, Der Tabellenlohnabzug, in: Kieser/
Lendfers [Hrsg.], Jahrbuch zum Sozialversicherungsrecht 2012, S. 139 ff. S. 143
f.). Somit wäre gemäss kantonalem Gericht das Merkmal "Alter" beim Abzug vom
Tabellenlohn zu berücksichtigen gewesen.  
 
5.6.3. In SVR 2016 UV Nr. 39 S. 131, 8C_754/2015 E. 4.3 hat das Bundesgericht
offen gelassen, ob das Merkmal "Alter" in der Unfallversicherung grundsätzlich
überhaupt einen Abzug vom Tabellenlohn rechtfertigen kann und dies mit Blick
auf Art. 28 Abs. 4 UVV als fraglich bezeichnet. Im Urteil 8C_307/2017 vom 26.
September 2017 hat das es klargestellt, die zur Anwendbarkeit der Variante II
von Art. 28 Abs. 4 UVV vorausgesetzte erhebliche Auswirkung des Alters als
Ursache der Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit könne einerseits aus
medizinischer Sicht in einer physiologischen Altersgebrechlichkeit in dem Sinne
auftreten, dass die Einschränkung der Arbeitsfähigkeit durch den erlittenen
Unfall und seine Folgen bei einer Person im mittleren Alter geringer
ausgefallen wäre. Der Altersfaktor könne sich andererseits aber auch erwerblich
auswirken, indem beispielsweise die Wiedereingliederung schwieriger sei, eine
Umschulungsmassnahme nicht (mehr) gewährt werde oder sich kein Arbeitgeber mehr
finde, welcher eine Person kurz vor dem AHV-Alter mit gesundheitlichen
Einschränkungen einstellen würde. Das Bundesgericht bejahte im Urteil 8C_307/
2017 die Anwendbarkeit von Art. 28 Abs. 4 UVV, da das vorgerückte Alter die
Versicherte offensichtlich daran gehindert habe, eine leidensangepasste
Tätigkeit aufzunehmen. Es prüfte sodann, ob mit Blick auf die gesundheitlichen
Einschränkungen der Versicherten ein Abzug vom Tabellenlohn vorzunehmen sei und
verneinte dies aufgrund der konkreten Umstände.  
 
5.6.4. Die im Urteil 8C_754/2015 offen gelassene Frage, ob das Merkmal "Alter"
in der obligatorischen Unfallversicherung grundsätzlich überhaupt einen Abzug
vom Tabellenlohn rechtfertigen könnte, oder ob die Einflüsse der Altersfaktoren
auf die Erwerbsfähigkeit in diesem Versicherungsbereich allein im Rahmen einer
Anwendung der Sonderregelung von Art. 28 Abs. 4 UVV Berücksichtigung finden,
musste das Bundesgericht im Urteil 8C_307/2017 nicht beurteilen. Sie kann auch
im vorliegenden Fall offen bleiben, da die Voraussetzungen für einen
altersbedingten Abzug vom Tabellenlohn ohnehin nicht erfüllt sind. Ob das
Merkmal "Alter" einen Abzug vom Tabellenlohn rechtfertigt, ist jeweils unter
Berücksichtigung aller konkreter Umstände des Einzelfalls zu prüfen (Urteile
9C_366/2015 vom 22. September 2015 E. 4.3.2; 9C_334/2013 vom 24. Juli 2013 E.
3). Dies gilt insbesondere im Bereich der Hilfsarbeiten auf dem hypothetischen
ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 16 ATSG), wo sich ein fortgeschrittenes Alter
nicht zwingend lohnsenkend auswirken muss. Hilfsarbeiten werden auf dem
massgebenden ausgeglichenen Stellenmarkt altersunabhängig nachgefragt (Urteile
8C_403/2017 vom 25. August 2017 E. 4.4.1; 8C_805/2016 vom 22. März 2017 E.
3.4.3). Der Beschwerdegegner ist ausgebildeter Maschinenmechaniker und weist
eine langjährige Berufserfahrung als Klärwärter auf. Davon kann er auf dem
ausgeglichenen Arbeitsmarkt profitieren und somit den Anpassungs- und
Angewöhnungsaufwand minimal halten. Zudem fehlen Hinweise, wonach er in seiner
Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit beeinträchtigt wäre. Dies ist auch mit
Blick auf die kürzere Aktivitätsdauer positiv zu werten. Was die weiteren von
der Vorinstanz erwähnten, sich bei der Wiedereinstellung älterer Arbeitnehmer
möglicherweise lohnwirksam auswirkenden Faktoren wie hohe Lohnnebenskosten für
die Arbeitgeber, längere gesundheitliche Absenzen, vorzeitige Pensionierung,
längerer Ferienanspruch und längere Kündigungsfristen betrifft, mag es zwar
zutreffen, dass Arbeitnehmer in fortgeschrittenem Alter nach einem
gesundheitlich bedingten Stellenverlust deswegen Lohneinbussen in Kauf nehmen
müssen (vgl. dazu GEERTSEN, a.a.O., S. 143 ff). Mangels zuverlässiger
statistischer Grundlagen, welche die lohnwirksamen Nachteile des
fortgeschrittenen Alters bei einem Stellenverlust aufzeigen, kann dies indessen
nicht generell-abstrakt beurteilt werden. Mit Bezug auf den über gute
berufliche Qualifikationen verfügenden Beschwerdegegner fehlen ausreichende
Anhaltspunkte dafür, dass er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufgrund seines
Alters verglichen mit anderen Beschäftigen seiner Alterskategorie mit einem
geringeren Lohn rechnen müsste. Dies wird insbesondere auch im angefochtenen
Entscheid nicht näher dargetan. Ein Abzug vom Tabellenlohn wegen des Alters
lässt sich daher nicht begründen.  
 
5.7. Zusammenfassend ergibt sich, dass weder der Systemwechsel bei der LSE noch
das Alter des Beschwerdeführers einen Einfluss auf das Invalideneinkommen
haben. Der von der Vorinstanz vorgenommene Abzug von insgesamt 10 Prozent
erweist sich daher als bundesrechtswidrig. Somit bleibt es beim von der Suva
veranschlagten leidensbedingten Abzug von 5 Prozent und einem Invaliditätsgrad
von 35 Prozent. Die Beschwerde ist somit begründet.  
 
6.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdegegner die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist
nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des
Kantons St. Gallen vom 10. Mai 2017 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid
der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) vom 10. August 2015
bestätigt. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 6. Oktober 2017 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Hofer 

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