Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.409/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_409/2017  
 
 
Urteil vom 21. März 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Bundesrichterin Viscione. 
Gerichtsschreiberin Polla. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Leo Sigg, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, 
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegnerin, 
 
Allianz Suisse Sammelstiftung BVG, 
Hohlstrasse 556, 8048 Zürich. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau 
vom 13. April 2017 (VBE.2016.782). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Der 1969 geborene A.________ ist seit September 1997 als Maurer/
Vorarbeiter beim Baugeschäft B.________ AG tätig. Im November 2002 reduzierte
er das Arbeitspensum auf 50 %. Wegen Schmerzen im Rücken und in den Füssen
meldete er sich am 4. Februar 2003 bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Nach medizinischen und erwerblichen Abklärungen sprach ihm
die IV-Stelle des Kantons Aargau mit Verfügung vom 29. März 2004 ab 1. November
2002 eine halbe Invalidenrente zu. Im Zuge eines im März 2012 von Amtes wegen
eingeleiteten Revisionsverfahrens liess ihn die IV-Stelle bei den Dres. med.
C.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, und D.________,
Facharzt für Allgemeine Innere Medizin und Rheumatologie, bidisziplinär
untersuchen (Expertise vom 12. März 2013). Gestützt darauf hob die IV-Stelle
die halbe Rente in Anwendung von lit. a Abs. 1 der Schlussbestimmungen der
Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung vom 18. März 2011
(6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket [SchlB IVG]) auf (Verfügung vom 6.
August 2014). Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau hiess mit Entscheid
vom 12. Mai 2015 die dagegen geführte Beschwerde teilweise gut und wies die
Sache zwecks weiterer Abklärungen hinsichtlich Arbeitsfähigkeit in einer
leidensadaptierten Tätigkeit und zur Durchführung eines Einkommensvergleichs an
die IV-Stelle zurück. Auf eine dagegen gerichtete Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten trat das Bundesgericht mit Urteil 8C_489
/2015 vom 23. Juli 2015 nicht ein.  
 
A.b. Nach einer weiteren bidisziplinären rheumatologisch-psychiatrischen
Begutachtung bei der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) Zentralschweiz,
Luzern, vom 27. April 2016 hob die IV-Stelle den Anspruch auf eine
Invalidenrente per 30. September 2014 auf (Verfügung vom 11. November 2016).  
 
B.   
Die Beschwerde des A.________ wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau
mit Entscheid vom 13. April 2017 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei die IV-Stelle
zu verpflichten, ihm weiterhin eine halbe Invalidenrente zuzusprechen.
Eventualiter sei die Sache zur nochmaligen Abklärung an die IV-Stelle
zurückzuweisen. 
Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt. 
 
D.   
Das Bundesgericht hat die Angelegenheit am 21. März 2018 öffentlich beraten. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung
des Sachverhalts durch die Vorinstanz nur, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (
Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von 
Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
1.2. Lit. a Abs. 1 SchlB IVG betreffend die Überprüfung von Renten, die bei
pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne
nachweisbare organische Grundlage gesprochen wurden, ist im hier angefochtenen
sowie im Entscheid der Vorinstanz vom 12. Mai 2015 (E. 1) unter Hinweis auf die
hiezu ergangene Rechtsprechung (BGE 139 V 547 E. 10.1 S. 568) zutreffend
wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.  
 
2.   
Streitig ist, ob das kantonale Gericht die von der IV-Stelle am 11. November
2016 verfügte Aufhebung der bisherigen Rente zu Recht bestätigte. Aufgrund der
Erwägungen der Vorinstanz steht fest und ist im Übrigen unbestritten geblieben,
dass die Voraussetzungen für eine Rentenüberprüfung nach lit. a Abs. 1 SchlB
IVG vorliegen. Ebenfalls steht nicht in Frage, dass dem Gutachten der MEDAS vom
27. April 2016 in medizinischer Hinsicht Beweiswert zukommt. Umstritten ist
einzig die von den Experten vorgenommene Arbeitsfähigkeitsschätzung. 
 
3.   
Der Beschwerdeführer rügt, die vorinstanzliche Feststellung, es bestehe kein
organisches Korrelat für die geklagten Beschwerden, sei aktenwidrig. Die
Arbeitsfähigkeit als Bauarbeiter sei aus somatischer Sicht erheblich
eingeschränkt. Auch Schmerzen, deren Ursachen nicht vollumfänglich geklärt
werden könnten, seien geeignet, die Arbeitsfähigkeit massiv einzuschränken,
wovon auch BGE 141 V 281 ausgehe. Das kantonale Gericht habe bundesrechtswidrig
die aktenkundigen Verdeutlichungstendenzen nicht wie geboten ausser Acht
gelassen, sondern mit Blick auf die Ausprägung der Befunde und Symptome
gewertet. Verletzt seien Art. 8 Abs. 2 BV und Art. 14 in Verbindung mit Art. 8
EMRK, weil die Vorinstanz eine vollständige Arbeitsfähigkeit angenommen habe
aufgrund des Umstands, dass der Versicherte zu 50 % tätig sei und an einer
somatoformen Schmerzstörung leide. Dr. med. E.________ habe ferner drei Gründe
genannt, weshalb eine psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung vorliegend
nicht erfolgversprechend sei, nämlich wegen des Migrationshintergrundes, der
Persönlichkeitsstruktur sowie der Sozialisation des Versicherten. Die
Qualifizierung prognostischer Behandelbarkeit (Therapierbarkeit) einer
psychischen Störung als Ausschlussgrund für die Entstehung eines
Rentenanspruchs stehe dem Sinn und Zweck dieser Leistungsart entgegen. Es sei
bezüglich einer im Rahmen der Schadenminderungspflicht notwendig erachteten
psychiatrischen Therapie nie ein Mahn- und Bedenkzeitverfahren durchgeführt
worden. Der medizinische Nachweis, dass eine solche Therapie die Arbeits- und
Erwerbsfähigkeit steigern könne, sei nicht erbracht. Die vorinstanzliche
Abweichung von der medizinischen Einschätzung mit der Begründung, die
gutachterliche Indikatorenprüfung sei nicht schlüssig, verletze Bundesrecht.
Sofern das Gutachten widersprüchlich und nicht nachvollziehbar sei, wäre das
kantonale Gericht gehalten gewesen, die Sache zur nochmaligen Abklärung der
offenen Punkte an die IV-Stelle zurückweisen oder durch eigene Rückfragen an
die Gutachter die medizinischen Unklarheiten zu beseitigen. 
 
4.  
 
4.1. Anfechtungsobjekt vor Bundesgericht sind die Entscheide der in Art. 86 BGG
genannten Vorinstanzen (HANSJÖRG SEILER, in: Seiler/von Werdt/Güngerich/
Oberholzer, Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2. Aufl. 2015, N 19 zu Art. 82).
Hauptaufgabe des Bundesgerichts ist die Rechtskontrolle (Art. 189 BV). Es prüft
daher die Sachverhaltsfeststellung nicht wie eine Appellationsinstanz in freier
Weise, sondern grundsätzlich nur eingeschränkt. Es soll sich auf die von der
Vorinstanz getroffene Sachverhaltsfeststellung abstützen und sich auf seine
Hauptaufgabe, die Rechtskontrolle, beschränken (Art. 105 BGG). Aus dem
Gesetzestext geht hervor, dass die Sachverhaltskontrolle auf "offensichtlich
unrichtige" Feststellungen begrenzt ist, weshalb es nicht dem Bundesgericht
obliegt, die Akten auf entsprechende Anhaltspunkte hin zu untersuchen (ULRICH
MEYER/JOHANNA DORMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl.
2011, N. 36 ff. zu Art. 105 BGG, NICOLAS VON WERDT, a.a.O., N. 9 zu Art. 105).
Für die Rüge der offensichtlich unrichtigen Sachverhaltsfeststellung gilt das
strenge Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG). Dabei ist zudem zu berücksichtigen,
dass das Sachgericht im Bereich der Beweiswürdigung über einen erheblichen
Ermessensspielraum verfügt (BGE 120 Ia 3a E. 4b; NICOLAS VON WERDT, a.a.O., N.
14 f. zu Art. 105).  
 
4.2. Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich
unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und
augenfällig unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Es liegt noch keine
offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in
Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erscheint (vgl. BGE 129 I
8 E. 2.1 S. 9; Urteil 9C_838/2016 vom 3. März 2017 E. 5.1). Diese Grundsätze
gelten auch in Bezug auf die konkrete Beweiswürdigung (Urteil 9C_222/2016 vom
19. Dezember 2016 E. 1.2 mit Hinweis); in diese greift das Bundesgericht auf
Beschwerde hin nur bei Willkür (zu diesem Begriff BGE 137 I 1 E. 2.4 S. 5 mit
Hinweisen) ein, insbesondere wenn die Vorinstanz offensichtlich unhaltbare
Schlüsse zieht, erhebliche Beweise übersieht oder solche grundlos ausser Acht
lässt (BGE 132 III 209 E. 2.1 S. 211). Solche Mängel sind in der Beschwerde
aufgrund des strengen Rügeprinzips (E. 4.1 hiervor) klar und detailliert
aufzuzeigen (BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261 f.). Auf ungenügend begründete Rügen
oder bloss allgemein gehaltene appellatorische Kritik am angefochtenen
Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246 mit
Hinweis).  
 
4.3. Neben den durch den Rechtsanwender zu prüfenden allgemeinen
beweisrechtlichen Vorgaben an ein Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V
351 E. 3a S. 352) ergibt sich aus BGE 141 V 281 Folgendes: Die ärztliche
Arbeitsfähigkeitsschätzung, zumindest ohne einlässliche Befassung mit den
spezifischen normativen Vorgaben und ohne entsprechende Begründung, kann zwar
den rechtlich geforderten Beweis des Vorliegens einer Erwerbsunfähigkeit (Art.
7 Abs. 2 ATSG) nicht erbringen, weil sie weitgehend vom Ermessen des
medizinisch-psychiatrischen Sachverständigen abhängt. Die medizinische
Einschätzung der Arbeitsfähigkeit ist aber eine wichtige Grundlage für die
anschliessende juristische Beurteilung der Frage, welche Arbeitsleistung der
versicherten Person noch zugemutet werden kann (BGE 140 V 193 E. 3.2 S. 195).
Dabei gilt, dass die versicherte Person als grundsätzlich gesund anzusehen ist
und sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen kann (vgl. BGE 141 V 281 E. 3.7.2 S.
295 f.). Hinsichtlich der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit haben sich sowohl
die medizinischen Sachverständigen als auch die Organe der Rechtsanwendung bei
ihrer Einschätzung des Leistungsvermögens an den normativen Vorgaben zu
orientieren; die Gutachter im Idealfall gemäss der entsprechend formulierten
Fragestellung (BGE 141 V 281 E. 5.2 S. 306 f.). Die Rechtsanwender prüfen die
medizinischen Angaben frei insbesondere daraufhin, ob die Ärzte sich an die
massgebenden normativen Rahmenbedingungen gehalten haben und ob und in welchem
Umfang die ärztlichen Feststellungen anhand der rechtserheblichen Indikatoren
auf Arbeitsunfähigkeit schliessen lassen (BGE 143 V 418 E. 6 S. 426 f.). Im
Rahmen der Beweiswürdigung obliegt es den Rechtsanwendern zu überprüfen, ob in
concreto ausschliesslich funktionelle Ausfälle bei der medizinischen
Einschätzung berücksichtigt wurden und ob die Zumutbarkeitsbeurteilung auf
einer objektivierten Grundlage erfolgte (BGE 141 V 281 E. 5.2.2; Art. 7 Abs. 2
ATSG). Es soll keine losgelöste juristische Parallelüberprüfung nach Massgabe
des strukturierten Beweisverfahrens stattfinden (BGE 141 V 281 E. 5.2.3; vgl.
auch ANDREAS TRAUB, in: Ueli Kieser [Hrsg.], Sozialversicherungsrechtstagung
2016, S. 142 Ziff. 3.3.3), sondern im Rahmen der Beweiswürdigung überprüft
werden, ob die funktionellen Auswirkungen medizinisch anhand der Indikatoren
schlüssig und widerspruchsfrei festgestellt wurden und somit den normativen
Vorgaben Rechnung tragen (BGE 141 V 281 E. 6 S. 307 f.; Urteil 8C_260/2017 vom
1. Dezember 2017 E. 4.2.4). Entscheidend bleibt letztlich immer die Frage der
funktionellen Auswirkungen einer Störung, welche im Rahmen des
Sozialversicherungsrechts abschliessend nur aus juristischer Sicht beantwortet
werden kann. Nach BGE 141 V 281 kann somit der Beweis für eine lang andauernde
und erhebliche gesundheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nur dann als geleistet
betrachtet werden, wenn die Prüfung der massgeblichen Beweisthemen im Rahmen
einer umfassenden Betrachtung ein stimmiges Gesamtbild einer Einschränkung in
allen Lebensbereichen (Konsistenz) für die Bejahung einer Arbeitsunfähigkeit
zeigt. Fehlt es daran, ist der Beweis nicht geleistet und nicht zu erbringen,
was sich nach den Regeln über die (materielle) Beweislast zuungunsten der
rentenansprechenden Person auswirkt (BGE 143 V 418 E. 6 S. 427).  
 
5.  
 
5.1. Das kantonale Gericht legte in nicht zu beanstandender Weise dar, warum es
die Arbeitsfähigkeitsschätzung der Experten aus rechtlichen Gründen nicht
übernahm. Aus somatischer Sicht wurden mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit
chronische unspezifische Rückenschmerzen, persistierende Vorderarmschmerzen mit
Muskelverhärtung rechts, ein subacromiales Impingement rechte Schulter, eine
Gonarthrose beidseits sowie eine Enthesiopathie der Plantaraponeurose
diagnostiziert. Der rheumatologische Gutachter Dr. med. F.________ erwähnte ein
phasenweise appellativ-demonstratives Verhalten und wies auf einen grossen
subjektiven Leidensdruck hin, der in Diskrepanz zum Ausmass der
objektivierbaren krankhaften Veränderungen am Bewegungsapparat stehe. Die
rheumatologischen Befunde bewirkten streng genommen keine Verminderung der
Arbeitsfähigkeit, worauf das kantonale Gericht bereits hinwies. Aus den
Darlegungen im Gutachten wird deutlich, dass - auch wenn die erwähnten
somatischen Leiden bei den Diagnosen mit wesentlicher Einschränkung der
Arbeitsfähigkeit aufgeführt wurden - sich die geltend gemachten Einschränkungen
aus objektiver Sicht nur in Bezug auf das noch zumutbare Tätigkeitsprofil
auswirken und nicht den zumutbaren zeitlichen Umfang einer adaptierten
Tätigkeit betreffen. Dass das Schmerzleiden damit (auch) einen somatischen
Hintergrund hat, wird vom kantonalen Gericht nicht in Abrede gestellt. Ein
organisches Korrelat, mit dem die angegebenen Beschwerden hinreichend zu
erklären wären, schloss die Vorinstanz gestützt auf die gutachterlichen Angaben
jedoch korrekt aus. Zu beurteilen bleiben daher die funktionellen Auswirkungen
der psychischen Erkrankung.  
 
5.2.  
 
5.2.1. Der psychiatrische Gutachter Dr. med. E.________ äusserte sich
hinsichtlich des Komplexes "Gesundheitsschädigung" nicht zur Ausprägung der
diagnostischen Befunde und Symptome, wie das kantonale Gericht feststellte. In
diesem Zusammenhang wies er auf Persönlichkeitszüge hin, die pathognomonisch
für Menschen seien, die unter Disstress zu psychosomatovegetativen
Reaktionsbildungen neigten. Dadurch - wie auch insgesamt - wurde jedoch nichts
über die konkrete Ausprägung und, damit zusammenhängend, über den funktionellen
Schweregrad der chronischen Schmerzstörung ausgesagt. Nachdem der Psychiater in
seiner Beurteilung die akzentuierten Persönlichkeitszüge, welchen die Experten
keine Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit beimassen, in den Vordergrund rückte,
durfte das kantonale Gericht von einer eher geringen Ausprägung der für die
diagnostizierte chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen
Faktoren relevanten Befunde ausgehen und die gutachterlich beobachteten
Verdeutlichungstendenzen, ohne Bundesrecht zu verletzen, als Indizien hierfür
werten (vgl. Urteil 9C_632/2017 vom 5. Dezember 2016 E. 3.1). Einen
Ausschlussgrund (dazu BGE 140 V 193 E. 3.3 S. 197) nahm das kantonale Gericht
damit und mit der Feststellung, dass der Versicherte zu 50 % arbeitet, gerade
nicht an. Auch wenn der akzentuierten Persönlichkeitsstruktur nach den
Darlegungen des Dr. med. E.________ ressourcenhemmende Wirkung beizumessen ist
und sie somit gestützt auf E. 8.1 des bereits erwähnten BGE 143 V 418 als
rechtlich bedeutsame Komorbidität aufgefasst werden kann, geht aus dem
Gutachten nicht hervor, weshalb sich daraus in Wechselwirkung mit der
chronischen Schmerzstörung eine Leistungseinbusse im attestierten Ausmass
ergeben soll. Dr. med. E.________ sah selbst keine psychiatrische Komorbidität
mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit als gegeben an. Medizinisch-theoretisch
erachtete er überdies eine Steigerung der zeitlichen Präsenz als zumutbar, auch
wenn er auf den damit einhergehenden Disstress mit psychischer Belastung
hinwies. Mit Blick auf die Nichtinanspruchnahme einer psychotherapeutischen
Behandlung ist mit dem kantonalen Gericht nicht nachvollziehbar, weshalb der
Migrationshintergrund, die Persönlichkeitsstruktur sowie die Sozialisation des
Versicherten gegen eine erfolgsversprechende psychotherapeutische Behandlung
sprechen sollen. Schlüssig ist hingegen, wenn ausgeführt wurde, dass eine
langjährige Chronifizierung des Leidens bei einem somatisch fixierten
Krankheitskonzept mit wenig intellektuellen Ressourcen insgesamt zu einer
schlechten Prognose mit geringen Erfolgsaussichten führe. Selbst wenn damit von
einer Behandlungsresistenz auszugehen wäre, ist daraus nicht zu folgern, dass
dieses Leiden die funktionelle Leistungsfähigkeit im attestierten Ausmass
einschränkt. Nichts anderes lässt sich aus den Darlegungen der Vorinstanz zur
Behandelbarkeit des Leidens ableiten. Sie verneinte einen psychischen
Gesundheitsschaden mit Krankheitswert im Sinne von Art. 4 Abs. 1 IVG denn auch
nicht wegen unausgeschöpfter Behandlungsressourcen, weshalb auch die
diesbezüglichen Rügen zu einem nicht durchgeführten Mahn- und
Bedenkzeitverfahren fehlgehen.  
 
5.2.2. Die Vorinstanz gelangte ferner zum Schluss, der soziale Kontext weise in
Bezug auf die Familienverhältnisse und die weiterhin ausgeübte Tätigkeit als
Bauarbeiter Ressourcen aus, auf die der Versicherte zurückgreifen könne, indem
er sich in der Familie und bei der Arbeit gut integriert fühle. Er werde von
Arbeitgeber und Kunden gleichermassen geschätzt. Der psychiatrische Experte
bezeichnete denn auch Sicherheit, respektvoller Umgang und hohes
Zugehörigkeitsgefühl als wichtige Ressourcen, die ihn psychisch belastbarer
machten. Durch die gute Integration sei er besser in der Lage, seine Affekte zu
kontrollieren, was im familiären Kontext nicht immer der Fall scheine. Diese
erhöhte psychische Belastbarkeit habe wiederum Auswirkung auf die
Schmerzperzeption. Soweit die Vorinstanz zu den Komplexen "Persönlichkeit" und
"sozialer Kontext" dementsprechend annahm, es überwögen vorhandene Ressourcen,
vermag der Beschwerdeführer keine willkürliche Sachverhaltsfeststellung
aufzuzeigen, zumal der Gutachter hinsichtlich der geltend gemachten belasteten
familiären Situation, trotz des Vorliegens einer teilweise schwierigen
Beziehungskonstellation, auf die gute Integration in der Familie hinwies.  
 
6.  
 
6.1. Die vorinstanzliche Würdigung des Gutachtens zeigt in Anwendung der
Rechtsprechung schlüssig auf, weshalb die vom psychiatrischen Sachverständigen
gestellte Diagnose einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und
psychischen Faktoren trotz medizinisch attestierter 50%iger Arbeitsunfähigkeit
keine IV-relevante Einschränkung zu begründen vermag. Eine Abweichung hiervon
bzw. eine andere Würdigung des Sachverhalts steht dem Bundesgericht nur zu,
wenn die Vorinstanz den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt und
hieraus offensichtlich unrichtige Schlüsse gezogen hat. Es reicht nicht aus,
die von der Vorinstanz gezogenen Schlüsse als willkürlich zu bezeichnen, wenn
sie nicht mit den Darstellungen des Beschwerdeführers übereinstimmen. Der
Beschwerdeführer vermag sodann nicht darzulegen, inwiefern die Erwägungen im
angefochtenen Entscheid Bundesrecht verletzen. Folglich ist es nicht die
Aufgabe des Bundesgerichts, wie ein Sachgericht, die gesamte Aktenlage erneut
zu würdigen. Hingegen hat es den angefochtenen Entscheid dahingehend zu prüfen,
ob die Vorinstanz in Anwendung der normativen Vorgaben die Rechtsprechung des
Bundesgerichts umgesetzt und im Rahmen der Beweiswürdigung eine korrekte
Sachverhaltsfeststellung vorgenommen hat. Indem das kantonale Gericht nicht
etwa eine losgelöste juristische Parallelprüfung der Indikatoren vornahm,
sondern anhand der medizinischen Indikatorenprüfung schlüssig die massgeblichen
Beweisthemen im Rahmen einer umfassenden Betrachtung eines stimmigen
Gesamtbildes abhandelte und aufwies, wo die ärztlichen Darlegungen nicht mit
den normativen Vorgaben übereinstimmen, schloss es rechtsprechungsgemäss, dass
aus juristischer Sicht der medizinisch attestierten Arbeitsunfähigkeit nicht
gefolgt werden kann (BGE 141 V 281 E. 5.2. S. 306 f. und 140 V 193). Demnach
stellt es keine Rechtsverletzung dar, wenn es der gutachterlich attestierten
50%igen Arbeitsunfähigkeit die rechtliche Relevanz absprach und feststellte, es
liege kein invalidisierender Gesundheitsschaden vor.  
 
6.2. Mit dieser Feststellung verletzte die Vorinstanz zudem weder das
Diskriminierungsverbot (Art. 14 EMRK) noch den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art.
8 Abs. 2 BV). Nach dem Gesagten besteht kein Anlass zu weiteren Abklärungen.
Die Beschwerde ist unbegründet.  
 
7.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Kosten zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der Allianz Suisse Sammelstiftung BVG, dem
Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 21. März 2018 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla 

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