Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.382/2017
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2017
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2017


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

[displayimage]       
8C_382/2017            

 
 
 
Urteil vom 25. August 2017  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, 
Gerichtsschreiber Hochuli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Jan Herrmann, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Basel-Stadt vom 4. April 2017. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________, geboren 1976, ist gelernter Koch. Seit 1998 war er im Wesentlichen
- abgesehen von wiederholten Unterbrüchen infolge Arbeitslosigkeit - als Koch
erwerbstätig. Während der seit 17. Oktober 2014 andauernden Arbeitslosigkeit
war er obligatorisch bei der Schweizerischen Unfallversicherung (Suva) gegen
die Folgen von Unfällen und Berufskrankheiten versichert. Am 2. Juni 2015
rutschte er auf einer Treppe aus. Dabei zog er sich eine Verletzung am oberen
Sprunggelenk rechts zu. Die Suva anerkannte ihre Leistungspflicht und erbrachte
die gesetzlichen Leistungen. Per 30. April 2016 stellte sie die Heilbehandlung
und Taggeldleistungen ein und schloss den Fall folgenlos ab (Verfügung vom 16.
März 2016). Daran hielt die Suva auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid
vom 14. September 2016). 
 
B.   
Die hiegegen erhobene Beschwerde des A.________ hiess das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 4. April
2017 gut. Es sprach ihm ab 1. Mai 2016 basierend auf einer unfallbedingten
Erwerbseinbusse von 13 % eine entsprechende Invalidenrente zu. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die Suva die
Aufhebung des angefochtenen Gerichtsentscheids. 
Während Vorinstanz und Beschwerdegegner auf Beschwerdeabweisung schliessen,
verzichtet das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).  
 
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).  
 
2.   
Strittig ist, ob das kantonale Gericht - im Gegensatz zur Suva - zu Recht einen
Anspruch auf eine Invalidenrente bejaht hat. 
 
2.1. Fest steht, dass dem Versicherten die angestammte Tätigkeit als Koch nicht
mehr zumutbar ist. Gemäss kreisärztlicher Abschlussuntersuchung vom 1. März
2016 kann er jedoch selbstbestimmt wechselbelastende leichte, gelegentlich auch
mittelschwere Tätigkeiten (nur ausnahmsweise in der Hocke, ohne Klettern auf
Leitern und Gerüsten) ohne zeitliche Einschränkungen ausüben. Unbestritten ist
ferner das trotz des Gesundheitsschadens erzielbare Einkommen
(Invalideneinkommen), welches die Suva auf der Grundlage der Zahlen der
Schweizerischen Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik (LSE) 2014,
Tabelle TA1, Zeile Total, Zentralwert für Männer auf dem Kompetenzniveau 1,
abstützte. Ausgehend von diesem tabellarischen Wert von Fr. 5'312.- gelangten
Suva und Vorinstanz übereinstimmend unter Berücksichtigung eines
leidensbedingten Abzuges von 10 % sowie nach Umrechnung auf die
durchschnittliche betriebsübliche Wochenarbeitszeit und Anpassung um die
zwischenzeitliche Nominallohnentwicklung für das Vergleichsjahr 2016 auf ein
zumutbares Jahreseinkommen von Fr. 60'347.-.  
 
2.2. Im Rahmen des unbestritten durch Einkommensvergleich zu ermittelnden
Invaliditätsgrades ist ausschliesslich zu prüfen, wieviel der Versicherte im
Jahre 2016 hypothetisch ohne Gesundheitsschaden mutmasslich verdient hätte
(Valideneinkommen). Während die Suva dieses Einkommen anhand der
Verdienstverhältnisse im Zeitpunkt des Unfalles basierend auf den Leistungen
der Arbeitslosenversicherung auf Fr. 63'888.- ermittelte, ging das kantonale
Gericht von Fr. 69'295.- aus. Es stützte die Bestimmung des Valideneinkommens
auf die Lohnangaben gemäss LSE 2014, Tabelle TA1, Zeile 55-56 (Gastgewerbe/
Beherbergung und Gastronomie) für Männer auf dem Kompetenzniveau 3.  
 
2.3. Die Beschwerdeführerin beanstandet die vorinstanzliche Anwendung der
LSE-Tabellenlöhne (LSE 2014, Tabelle TA1, Zeile 55-56 [Gastgewerbe/Beherbergung
und Gastronomie] für Männer) bei der Ermittlung des Valideneinkommens nur
insoweit, als die Berücksichtigung des Kompetenzniveaus 3 Bundesrecht verletze.
Praxisgemäss rechtfertige eine langjährige Berufserfahrung nicht einmal die
Einstufung auf dem Kompetenzniveau 2.  
 
2.3.1. Bei der Bestimmung des Valideneinkommens wird in der Regel am zuletzt
erzielten, nötigenfalls der Teuerung und der realen Einkommensentwicklung
angepassten Verdienst angeknüpft, da es empirischer Erfahrung entspricht, dass
die bisherige Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden fortgesetzt worden wäre;
Ausnahmen müssen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt sein (BGE 129 V
222 E. 4.3.1 S. 224). Ist ein konkreter Lohn nicht eruierbar, war die
versicherte Person zur Zeit des Unfalls arbeitslos oder hätte sie ihre
bisherige Stelle auch ohne den Unfall in der Zeit bis zum Rentenbeginn
verloren, können die Zahlen der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung des
Bundesamts für Statistik (LSE) herangezogen werden (vgl. Urteil 9C_501/2013 vom
28. November 2013 E. 4.2). Insbesondere um eine berufliche Weiterentwicklung
mit einem daraus resultierenden höheren Einkommen mitzuberücksichtigen, müssen
konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben sein, dass ohne gesundheitliche
Beeinträchtigung ein beruflicher Aufstieg und ein entsprechend höherer
Verdienst tatsächlich realisiert worden wären (Urteil 8C_728/2016 vom 21.
Dezember 2016 E. 3.1 mit Hinweisen).  
 
2.3.2. Die Vorinstanz verneinte nach nicht zu beanstandender Beweiswürdigung
zutreffend konkrete Anhaltspunkte, welche mit dem erforderlichen Beweisgrad der
überwiegenden Wahrscheinlichkeit auf eine tatsächlich absolvierte berufliche
Weiterbildung schliessen liessen. Der gelernte Koch sei seit 2007 selten länger
als ein Jahr bei demselben Arbeitgeber geblieben und habe dazwischen immer
wieder Arbeitslosenentschädigung bezogen. Zu Recht stellte das kantonale
Gericht demnach nicht auf die vom Versicherten für den Gesundheitsfall geltend
gemachte Lohnentwicklung ab.  
 
2.3.3. Trotz dieser Tatsachenfeststellungen ging die Vorinstanz davon aus, der
LSE-Tabellenlohn des (zweithöchsten) Kompetenzniveaus 3 entspreche den
Einkommensverhältnissen, mit welchen der Beschwerdegegner ausgehend von seiner
angestammten Tätigkeit im Jahre 2016 ohne Unfallfolgen hätte rechnen können.
Das kantonale Gericht begründete dieses Vorgehen einzig damit, der gelernte
Koch verfüge über fast zwanzig Jahre Arbeitserfahrung. Allein eine mehrjährige
Berufserfahrung - ohne formale Weiterbildungen oder andere während der
Berufsausübung erworbene besondere Qualifikationen (Urteil 8C_728/2016 vom 21.
Dezember 2016 E. 3.3 i.f.) - vermag jedoch auch nach ursprünglich absolvierter
Berufslehre nicht eine höhere Einstufung über das Kompetenzniveau 2 hinaus zu
rechtfertigen, sofern nicht die konkreten Verdienstverhältnisse aus der
angestammten Tätigkeit vor dem Unfall oder andere Umstände auf eine
entsprechende Lohnkarriere schliessen lassen. Insbesondere ist nicht
nachvollziehbar, weshalb die Vorinstanz im Rahmen einer bundesrechtskonformen
umfassenden Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG) nicht auch die seit 2007 kaum
länger als jeweils ein Jahr dauernden Anstellungsphasen mit wiederholter
Arbeitslosigkeit (E. 2.3.2 hievor) in Betracht zog. Ebenso verweist die
Beschwerdeführerin zu Recht auf den bei den vorinstanzlichen Akten liegenden
Auszug aus dem individuellen Konto. Daraus geht klar hervor, dass der
Versicherte aus der erwerblichen Verwertung seiner Arbeitskraft niemals ein
höheres Jahreseinkommen als rund Fr. 55'000.- erzielt hat. Der Beschwerdegegner
kann auch aus dem Urteil 8C_842/2014 vom 4. März 2015 E. 2.4.3.1 nichts zu
seinen Gunsten ableiten. Denn in jenem Fall waren hohe Saläre - im Gegensatz zu
den Einkommensverhältnissen des Versicherten - bereits vor dem Unfall
ausgewiesen.  
 
2.3.4. Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz die für die Bestimmung des
Valideneinkommens massgebenden bundesrechtlichen Grundsätze (vgl. E. 2.3.1
hievor) verletzt, indem sie im Widerspruch zu den eigenen Feststellungen
betreffend Lohnkarriere (vgl. hievor E. 2.3.2) das Valideneinkommen unter
Bezugnahme auf die höheren LSE-Tabellenlöhne des Kompetenzniveaus 3 ermittelte.
Die Beschwerdeführerin macht demgegenüber zutreffend geltend, der für den
Einkommensvergleich ausschlaggebende Validenlohn sei (unter Berücksichtigung
der im Übrigen unbestrittenen Faktoren für das Jahr 2016) auf der Basis des
Kompetenzniveaus 2 auf Fr. 54'689.- festzusetzen. Dieser Vergleichswert
entspreche den zuverlässig dokumentierten, tatsächlichen
Einkommensverhältnissen vor dem Unfall. Ohne Anhaltspunkte für die Hypothese,
dass der Versicherte 2016 ohne Unfallfolgen ein deutlich höheres
Erwerbseinkommen realisiert hätte, ist demnach auf das von der
Beschwerdeführerin dargelegte Valideneinkommen von Fr. 54'689.- abzustellen.
Gegenüber dem unbestritten zumutbaren Invalideneinkommen von Fr. 60'347.-
erleidet der Beschwerdegegner somit keine unfallbedingte Erwerbseinbusse. Die
Suva hat demzufolge zu Recht einen Rentenanspruch verneint. Der angefochtene
Entscheid ist daher aufzuheben und der Einspracheentscheid der Suva vom 14.
September 2016 im Ergebnis zu bestätigen.  
 
3.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem
unterliegenden Beschwerdegegner auferlegt (Art. 65 Abs. 4 lit. a in Verbindung
mit Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts
des Kantons Basel-Stadt vom 4. April 2017 wird aufgehoben und der
Einspracheentscheid der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) vom
14. September 2016 bestätigt. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 25. August 2017 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Hochuli 

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben