Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.35/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
8C_35/2017         

Urteil vom 4. August 2017

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Bundesrichterin Viscione,
Gerichtsschreiber Nabold.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Noëlle Cerletti,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid
des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 21. November 2016.

Sachverhalt:

A. 
Die 1978 geborene A.________ war zuletzt als Mitarbeiterin in der Pflege im
Zentrum B.________ erwerbstätig gewesen, als sie sich am 27. Juli 2012 unter
Hinweis auf eine seit April 2009 bestehende Depression bei der IV-Stelle des
Kantons Zürich zum Leistungsbezug anmeldete. Die IV-Stelle sprach der
Versicherten ein Jobcoaching und Support am Arbeitsplatz zu, verneinte indessen
mit Verfügung vom 2. März 2015 einen Rentenanspruch, da aus medizinischer Sicht
gut behandelbare Befunde vorliegen würden, welche keinen erheblichen und länger
andauernden Gesundheitsschaden mit Einschränkungen der Arbeits- und
Leistungsfähigkeit begründeten.

B. 
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 21. November
2016 ab.

C. 
Mit Beschwerde beantragt A.________, ihr sei unter Aufhebung der Verfügung und
des kantonalen Gerichtsentscheides eine Dreiviertelsrente der
Invalidenversicherung zuzusprechen, eventuell sei die Sache zu weiteren
Abklärungen an die Vorinstanz oder die Verwaltung zurückzuweisen. Gleichzeitig
stellt A.________ ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).

1.2. Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen
nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu
Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).
Die beschwerdeführende Partei, welche die Sachverhaltsfeststellungen der
Vorinstanz anfechten will, muss substanziiert darlegen, inwiefern die
Voraussetzungen einer Ausnahme gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG gegeben sind und das
Verfahren bei rechtskonformer Ermittlung des Sachverhalts anders ausgegangen
wäre; andernfalls kann ein Sachverhalt, der vom im angefochtenen Entscheid
festgestellten abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1
S. 18 mit Hinweisen).

2.

2.1. Der Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung setzt unter anderem
voraus, dass die versicherte Person invalid oder von Invalidität unmittelbar
bedroht ist. Invalidität ist gemäss Art. 8 Abs. 1 ATSG die voraussichtlich
bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit.

2.2. Bei den vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit der versicherten Person handelt es sich grundsätzlich um
Entscheidungen über Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Dagegen ist
die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln nach
Art. 61 lit. c ATSG Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; Urteil
I 865/06 vom 12. Oktober 2007 E. 3.2).

2.3. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, als
sie einen Rentenanspruch der Versicherten verneinte, wie dies schon von der
Beschwerdegegnerin am 2. März 2015 verfügt worden war.

3.

3.1. Das kantonale Gericht hat in umfassender Würdigung der medizinischen Akten
den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin für den hier interessierenden
Zeitpunkt bis zum Erlass der Verfügung der IV-Stelle (vgl. BGE 132 V 215 E.
3.1.1 S. 220) in für das Bundesgericht verbindlicher Weise festgestellt und
daraus gefolgert, dass sie nicht an einem invalidisierenden Gesundheitsschaden
litt. Tatsächlich kann die vorinstanzliche Feststellung, wonach das Leiden der
Beschwerdeführerin zwar zeitweise als schwere, in der Zeit davor und derjenigen
danach bloss als leichte depressive Episode zu klassieren war, nicht als
zweifellos unrichtig bezeichnet werden. Allerdings gilt der Grundsatz, wonach
leichte Depressionen keinen invalidenversicherungsrechtlich relevanten
Gesundheitsschaden verursachen können, nicht absolut.

3.2. So kann auch eine leichte depressive Episode im Einzelfall die
Arbeitsfähigkeit unter anderem dann erheblich beeinträchtigen, wenn sie
zusammen mit anderen Befunden - wie etwa einer ernsthaften
Persönlichkeitsstörung - auftritt (vgl. Urteil 8C_808/2009 vom 4. Januar 2011
E. 4.3 mit weiterem Hinweis). Zwar diagnostizierte die behandelnde Psychologin,
lic. phil. C.________, in ihrem Bericht vom 23. April 2015 neben der
depressiven Episode auch eine emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom
Borderline-Typus (ICD-10: F60.31). Im Zeitpunkt dieser Diagnose war die
Versicherte bereits 37 Jahre alt und seit vier Jahren in Behandlung bei der
diagnostizierenden Psychologin. In den übrigen medizinischen Akten finden sich
keine Hinweise auf eine entsprechende Störung. Insbesondere haben sich solche
auch nicht während der stationären Behandlung im Jahr 2013 ergeben. Wie das
kantonale Gericht unter Hinweis darauf, dass Persönlichkeitsstörungen
typischerweise bereits in deutlich jüngerem Alter in Erscheinung treten,
zutreffend erwogen hat, ist die Diagnose damit nicht nachvollziehbar.

3.3. Daneben könnte praxisgemäss eine leichte depressive Episode unter
Umständen invalidenversicherungsrechtlich von einer gewissen Relevanz sein,
wenn sie sich trotz konsequenter Therapie ausnahmsweise als therapieresistent
erweisen würde (vgl. Urteil 8C_814/2016 vom 3. April 2017 E. 5.3.2 mit weiteren
Hinweisen). Aufgrund der vorinstanzlichen Feststellungen liess sich die
Beschwerdeführerin erst einige Monate vor der rentenablehnenden Verfügung
regelmässig psychotherapeutisch behandeln, während sie vorher die
Therapiesitzungen teilweise verschlafen oder vergessen hatte. Sodann wurde ein
bestimmtes Medikament trotz insgesamt guter Verträglichkeit ersatzlos
abgesetzt. Unter diesen Umständen mangelt es bereits an einer konsequenten
Therapie im Sinne der zitierten Rechtsprechung. Zudem zeigt der
Krankheitsverlauf, dass die Versicherte, soweit sie Therapiemassnahmen in
Anspruch nahm, auf diese auch gut ansprach. Entgegen den Ausführungen der
Beschwerdeführerin bildet der von ihr angerufene Entscheid einer kantonalen
Instanz keinen ausreichenden Grund, in Ausdehnung der bisherigen Praxis auch in
weiteren Fällen einen invalidisierenden Charakter einer leichten Depression
anzuerkennen. Somit hat das kantonale Gericht nicht gegen Bundesrecht
verstossen, als es in zulässiger antizipierter Beweiswürdigung (vgl. BGE 136 I
229 E. 5.3 S. 236) auf weitere Abklärungsmassnahmen verzichtet und einen
invalidisierenden Gesundheitsschaden verneint hat. Die Beschwerde der
Versicherten ist abzuweisen.

4. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Ihrem Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege ist stattzugeben, da die entsprechenden
gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Es wird
indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die
begünstigte Partei der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn
sie später dazu in der Lage ist.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwältin Noëlle Cerletti wird als unentgeltliche Anwältin bestellt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.

4. 
Der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin wird aus der Bundesgerichtskasse
eine Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 4. August 2017
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Nabold

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