Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.352/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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8C_352/2017            

 
 
 
Urteil vom 9. Oktober 2017  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, 
Gerichtsschreiber Jancar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, Mexiko, 
vertreten durch Rechtsanwalt Josef Flury, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle für Versicherte im Ausland IVSTA, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203
Genf, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung 
(Arbeitsunfähigkeit, Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung III, 
vom 29. März 2017 (C-6977/2014). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Der 1958 geborene A.________ war seit 1987 selbstständiger
Karrosseriespengler. Am 8. September 1994 erlitt er einen Autounfall, als
dessen Folgen eine Distorsion der Halswirbelsäule und eine Kontusion der
Lenden- sowie Brustwirbelsäule diagnostiziert wurden. Am 5. Oktober 1995
meldete er sich bei der IV-Stelle Luzern zum Leistungsbezug an. Am 31. Juli
1996 verfügte diese eine Umschulung des Versicherten in Form einer einjährigen
Handelsschule. Mit Verfügung vom 6. November 1996 sprach sie ihm ab 1.
September 1995 bis 31. März 1996 eine ganze Invalidenrente zu. Eine solche
sprach sie ihm mit Verfügung vom 25. Juni 1998, sodann auch für die Zeit ab 1.
September 1997 zu eine ganze Invalidenrente. Dies bestätigte sie revisionsweise
am 17. Mai 2004.  
 
A.b. Im März 2006 hob die IV-Stelle ein weiteres Revisionsverfahren an. Sie zog
unter anderem die Berichte vom 12. November 2005 und 10. Mai 2006 betreffend
die von den Generali Versicherungen (nachfolgend Generali) als
Haftpflichtversicherer veranlasste Observation des Versicherten bei. Mit
Verfügung vom 9. Juli 2007 hob die IV-Stelle die Rente per 1. September 2006
auf. Mit Verfügung vom 18. September 2007 forderte sie vom Versicherten die im
September 2006 ausgerichtete Rente zurück. Die gegen diese Verfügungen
geführten Beschwerden hiess das frühere Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
heute Kantonsgericht Luzern, gut, soweit es darauf eintrat. Es hob sie auf und
wies die Sache an die IV-Stelle zurück, damit sie, nach erfolgten Abklärungen
im Sinne der Erwägungen, über den Rentenanspruch neu verfüge (Entscheid vom 14.
Oktober 2009). Die Verwaltung holte ein interdisziplinäres Gutachten der MEDAS
Oberaargau, Langenthal, vom 19. September 2011 mit Stellungnahme vom 15. August
2013 ein. Am 22. August 2013 teilte der Versicherte der IV-Stelle mit, er lebe
in Mexiko. Diese überwies die Akten deshalb der IV-Stelle für Versicherte im
Ausland, welche die Rente mit Verfügung vom 28. Oktober 2014 ab 1. Mai 2006
aufhob.  
 
B.   
Die hiergegen geführte Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit
Entscheid vom 29. März 2017 ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt der
Versicherte, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei das
Observationsmaterial als unzulässig aus dem Recht zu weisen; die Sache sei an
die IV-Stelle zwecks Einholung eines neuen neutralen polydisziplinären
Gutachtens, eventuell an die Vorinstanz zwecks Einholung eines neutralen
Gerichtsgutachtens zurückzuweisen; subeventuell sei dem Versicherten ab 1. Mai
2006 bis Ende 2013 eine ganze Rente und ab 1. Januar 2014 mindestens eine
Dreiviertelsrente zuzusprechen; allenfalls sei die IV-Stelle zu verpflichten,
einen konkreten Einkommensvergleich durchzuführen und den Anspruch auf eine
Invalidenrente zu prüfen. 
 
Die IV-Stelle schliesst auf Beschwerdeabweisung. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf Vernehmlassung. Mit Eingabe vom 13.
September 2017 hält der Versicherte an der Beschwerde fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine
Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet
das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es -
offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten
Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt
seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (
Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art.
105 Abs. 2 BGG). Rechtsfragen sind die vollständige Feststellung erheblicher
Tatsachen, die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes bzw. der
Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG und der Anforderungen an den
Beweiswert von Arztberichten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232). Bei den aufgrund
dieser Berichte getroffenen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit und bei der konkreten Beweiswürdigung geht es um
Sachverhaltsfragen (nicht publ. E. 1 des Urteils BGE 141 V 585). 
 
2.   
Der Versicherte ist italienischer Staatsangehöriger. Ungeachtet des am 1. Juni
2002 in Kraft getretenen Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der
Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft
und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA) ist
materiell schweizerisches Recht anzuwenden (BGE 130 V 253 E. 2.4 S. 257, 128 V
315; Urteil 8C_300/2015 vom 10. November 2015 E. 2). 
 
3.   
Das Bundesverwaltungsgericht hat richtig erkannt, dass in zeitlicher Hinsicht
grundsätzlich diejenigen (materiellen) Rechtssätze massgebend sind, die bei der
Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung hatten (BGE 132 V
215 E. 3.1.1 S. 220). Zu ergänzen ist, dass weder das am 1. Januar 2003 in
Kraft getretene ATSG noch die am 1. Januar 2004 in Kraft getretene 4.
IV-Revision noch die am 1. Januar 2008 in Kraft getretene 5. IV-Revision
substanzielle Änderungen bei der Invaliditätsbemessung gebracht haben (BGE 130
V 343; SVR 2009 IV Nr. 28 S. 79, 8C_576/2008 E. 2.2; Urteil 8C_106/2013 vom 31.
Mai 2013 E. 2). Weiter hat das Verwaltungsgericht die rechtlichen Grundlagen
betreffend die Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), die Invalidität (Art. 8 Abs. 1
ATSG; Art. 4 Abs. 1 IVG), den Rentenanspruch (Art. 28 Abs. 2 und Art. 29 Abs. 4
IVG in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung; vgl. auch Art. 28 Abs. 1 IVG
in der bis Ende 2007 gültig gewesenen Fassung), die Rentenrevision (Art. 17
Abs. 1 ATSG; BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 10, 134 V 131 E. 3 S. 132) und den
Beweiswert von Arztberichten (vgl. E. 1 hiervor) richtig dargelegt. Gleiches
gilt bezüglich der rückwirkenden Rentenaufhebung oder -herabsetzung infolge
einer für den Leistungsbezug kausalen Meldepflichtverletzung seitens der
versicherten Person (Art. 88 ^bis Abs. 2 lit. b IVV in der bis Ende 2014
geltend, hier anwendbaren Fassung; BGE 142 V 259 E. 3.2.1 S. 261, 118 V 214 E.
2a S. 218; Urteil 8C_601/2016 vom 29. November 2016 E. 6.1). Darauf wird
verwiesen.  
 
4.   
Strittig und zu prüfen ist, ob die von der IV-Stelle mit Wirkung ab 1. Mai 2006
verfügte und vom kantonalen Gericht bestätigte Rentenaufhebung vor Bundesrecht
standhält. 
 
4.1.  
 
4.1.1. Unbestritten ist, dass in zeitlicher Hinsicht die auf einer materiellen
Prüfung des Rentenanspruchs beruhende rechtskräftige Verfügung vom 17. Mai 2004
den Ausgangspunkt für die Beurteilung bildet, ob eine erhebliche Verbesserung
des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers eingetreten ist (BGE 133 V 108).
Im Rahmen dieser Verfügung ging die IV-Stelle davon aus, der Beschwerdeführer
sei in einer angepassten Tätigkeit zu 50 % arbeitsfähig, was zu einem
Invaliditätsgrad von 80 % und damit wiederum zu einen Ausgang auf eine ganze
Rente führte.  
 
4.1.2. Im interdisziplinären (neuropsychologischen, orthopädischen und
neurologischen) MEDAS-Gutachten vom 19. September 2011 wurden folgende
Diagnosen mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit gestellt: Chronisches
zerviko-zephales und zervikales Rückenschmerzsyndrom (ICD-10 M53.1); lumbales
Rückenschmerzsyndrom (ICD-10 M54.86); Chondromalazie rechtes Kniegelenk (ICD-10
M24.16). Weiter wurde ausgeführt, in der angestammten Tätigkeit als
selbstständiger Autospengler sei der Beschwerdeführer aus neurologischer Sicht
höchstens zu 20 % eingeschränkt. Eine körperlich mittelschwere Tätigkeit ohne
zusätzliche spezielle Anforderung an das Arbeitsplatzprofil sei ihm zu 8,5
Stunden pro Tag ohne verminderte Leistungsfähigkeit zumutbar.  
 
4.2. Das Bundesverwaltungsgericht erwog im Wesentlichen, im Urteil vom 18.
Oktober 2016 in Sachen Vukota-Bojic gegen die Schweiz (61838/10) habe der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR; dritte Kammer) entschieden,
dass es für die im Rahmen der obligatorischen Unfallversicherung veranlasste
Observation einer versicherten Person an einer gesetzlichen Grundlage fehle.
Dieses Urteil sei hier nicht einschlägig, da die Observation vom
Haftpflichtversicherer veranlasst worden sei und die IV-Stelle sie habe
berücksichtigen dürfen. Zudem habe der Versicherte die Verwertbarkeit des
Observationsmaterials nicht gerügt. Weiter führte die Vorinstanz aus, das
MEDAS-Gutachten vom 19. September 2011 erfülle die praxisgemässen Anforderungen
an eine medizinische Beurteilungsgrundlage. Die Observationsunterlagen seien
den MEDAS-Gutachtern nicht unterbreitet worden, da sie diese weder in der
Auflistung der Aktenlage erwähnt noch darauf in ihrer Beurteilung Bezug
genommen hätten. Sie hätten jedoch unabhängig davon erhebliche Ungereimtheiten
zwischen dem Verhalten sowie den Angaben des Beschwerdeführers und den
objektiven Untersuchungsbefunden festgestellt. Allein schon aus den
medizinischen Akten ergäben sich zahlreiche Unstimmigkeiten und Inkonsistenzen,
die gegen das Vorliegen eines invalidisierenden Gesundheitsschadens sprächen.
Das vorliegend verwertbare Observationsmaterial bestätige dieses Ergebnis,
liefere darüber hinaus aber keine neuen Erkenntnisse, die nicht bereits aus den
medizinischen Akten hervorgingen. Entsprechend liege eine erhebliche
Verbesserung des Gesundheitszustandes vor, wobei nicht zu beanstanden sei, dass
die IV-Stelle angenommen habe, diese sei seit dem Zeitpunkt des
Observationsabschlusses im Mai 2006 eingetreten. Die Rentenaufhebung sei somit
grundsätzlich gerechtfertigt. Aus dem Observationsmaterial ergebe sich, dass
der Beschwerdeführer ohne Einschränkungen habe Auto fahren können, oft
unterwegs gewesen sei, verschiedene Aktivitäten habe bewältigen können und auf
der Herbstmesse sogar im "Putschauto" mitgefahren sei. Dass sich sein
Gesundheitszustand verbessert habe, ergebe sich auch aus dem MEDAS-Gutachten
vom 19. September 2011. Gerade die wiedererlangte Kopfbeweglichkeit und das an
den Tag gelegte Aktivitätsniveau seien wesentliche Verbesserungen des
Gesundheitszustandes, die der Versicherte der IV-Stelle hätte melden müssen.
Indem er dies unterlassen habe, habe er eine mindestens leicht fahrlässige und
damit schuldhafte Meldepflichtverlsetzung begangen, die kausal für die
Weiterausrichtung der Rente gewesen sei. Denn die IV-Stelle habe erst später -
nämlich aufgrund ihres Akteneinsichtsgesuchs vom 21. Juni 20016 - von der durch
die Generali durchgeführten Observation Kenntnis erhalten. Demnach sei infolge
einer Meldepflichtverletzung die rückwirkende Rentenaufhebung ab 1. Mai 2006
zulässig.  
 
5.  
 
5.1. Der Versicherte macht geltend, seine Beschwerde gegen die Verfügung vom
28. Oktober 2014 habe er am 28. November 2014 eingereicht. Damals seien
Observationen nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung noch zulässig gewesen.
Deshalb habe er diesen Punkt vorinstanzlich nicht gerügt. Entgegen der
Vorinstanz sei davon auszugehen, dass den MEDAS-Gutachtern das
Observationsmaterial bekannt gewesen sei, auch wenn sie es im Gutachten nicht
erwähnt hätten. Denn sie hätten auf den vorinstanzlichen Entscheid vom 14.
Oktober 2009 hingewiesen, worin die Observation beurteilt worden sei. Zudem
habe der Chefarzt der MEDAS Oberaargau damals sehr eng mit der IV-Stelle Luzern
zusammen gearbeitet, weshalb die MEDAS mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit von der Observation des Beschwerdeführers Kenntnis gehabt
und sie berücksichtigt habe. Gestützt auf das EGMR-Urteil vom 18. Oktober 2016
seien die Observationsakten und somit auch das sie berücksichtigende
MEDAS-Gutachten vom 19. September 2011 aus dem Recht zu weisen.  
 
5.2. Im bereits erwähnten Urteil vom 18. Oktober 2016 (vgl. E. 4.2 hiervor)
befand der EGMR über die EMRK-Konformität einer Observation einer versicherten
Person, die im Auftrag eines (sozialen) Unfallversicherers durch einen
Privatdetektiv erfolgt war. Er erkannte, dass mit Art. 28 und Art. 43 ATSG
sowie mit Art. 96 UVG, trotz des durch Art. 28 ZGB und Art. 179 ^quater StGB
vermittelten Schutzes von Persönlichkeit und Privatbereich, eine ausreichende
gesetzlichen Grundlage für eine Observation nicht besteht, weshalb er auf eine
Verletzung von Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privatlebens) schloss (Rz. 72
ff. des EGMR-Urteils). Hingegen verneinte er eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 1
EMRK (Gebot eines fairen Verfahrens) durch die erfolgte Verwendung der
Observationsergebnisse. Dafür war ausschlaggebend, dass bei der Beurteilung des
Leistungsanspruchs im Rahmen des streitigen sozialversicherungsrechtlichen
Verfahrens nicht allein auf sie abgestellt wurde und seitens der versicherten
Person Einwände möglich waren, namentlich gegen ihre Echtheit und Verwendung
sowie bezüglich der Beweiseignung und -qualität. Als bedeutsam galten zudem die
Umstände, unter denen der Beweis gewonnen wurde und welchen Einfluss dieser auf
den Verfahrensausgang hatte (Rz. 91 ff. des EGMR-Urteils; Urteil 8C_45/2017 vom
26. Juli 2017 E. 4.2).  
 
5.3.  
 
5.3.1. Das Bundesgericht seinerseits hat nunmehr unter Berücksichtigung der
betreffenden Erwägungen des EGMR entschieden, dass es trotz Art. 59 Abs. 5 IVG
("Zur Bekämpfung des ungerechtfertigten Leistungsbezugs können die IV-Stellen
Spezialisten beiziehen") auch im Bereich der Invalidenversicherung an einer
ausreichenden gesetzlichen Grundlage fehlt, die die Observation umfassend klar
und detailliert regelt. Folglich verletzen solche Handlungen, seien sie durch
den Unfallversicherer oder durch eine IV-Stelle veranlasst, Art. 8 EMRK bzw.
den einen im Wesentlichen gleichen Gehalt aufweisenden Art. 13 BV. Insofern
kann insbesondere auch an BGE 137 I 327 nicht weiter festgehalten werden (vgl.
zum Ganzen: Urteil 9C_806/2016 vom 14. Juli 2017, zur Publikation vorgesehen;
Urteil 8C_45/2017 E. 4.3.1).  
 
5.3.2. Was die Verwendung des im Rahmen der widerrechtlichen Observation
gewonnenen Materials anbelangt, richtet sich diese allein nach schweizerischem
Recht. Der EGMR prüft dabei nur, ob ein Verfahren insgesamt fair im Sinne von 
Art. 6 Abs. 1 EMRK gewesen ist (vgl. E. 5.2 hiervor). In diesem Zusammenhang
hat das Bundesgericht im soeben vermerkten Urteil 9C_806/2016 im Wesentlichen
erkannt, dass die Verwertbarkeit der Observationsergebnisse (und damit auch der
gestützt darauf ergangenen weiteren Beweise) grundsätzlich zulässig ist, es sei
denn, bei einer Abwägung der tangierten öffentlichen und privaten Interessen
würden diese überwiegen (vgl. E. 5.1.1). Mit Blick auf die gebotene
Verfahrensfairness hat es sodann in derselben Erwägung eine weitere
Präzisierung angebracht: Unter Hinweis auf das Urteil 8C_239/2008 vom 17.
Dezember 2009 E. 6.4.2 Abs. 2 und die darin enthaltene Anlehnung an die
strafprozessuale Rechtsprechung (vgl. BGE 131 I 272 E. 4.2 S. 279) hat es daran
erinnert, dass eine gegen Art. 8 EMRK verstossende Videoaufnahme verwertbar
ist, solange Handlungen des "Beschuldigten" aufgezeichnet werden, die er aus
eigenem Antrieb und ohne äussere Beeinflussung machte und ihm keine Falle
gestellt worden war. Ferner hat es erwogen, dass von einem absoluten
Verwertungsverbot wohl immerhin insoweit auszugehen ist, als es um
Beweismaterial geht, das im nicht öffentlich frei einsehbaren Raum
zusammengetragen wurde, was im konkreten Fall jedoch nicht zu beurteilen war
(vgl. E. 5.1.3 mit Hinweis auf Urteil 8C_830/2011 vom 9. März 2012 E. 6.4;
Urteil 8C_45/2017 E. 4.3.2).  
 
5.3.3. Bei seinem Entscheid, die Verwertbarkeit des rechtswidrig erlangten
Observationsmaterials hauptsächlich von einer Interessenabwägung zwischen
privaten und öffentlichen Interessen abhängen zu lassen, war für das
Bundesgericht nebst anderem die Annahme ausschlaggebend, dass das Manko
hinsichtlich einer in allen Belangen genügenden gesetzlichen Grundlage rasch
behoben werden soll (vgl. E. 5.1.1 des Urteils 9C_806/2016 mit Hinweis auf den
erläuternden Bericht des BSV vom 22. Februar 2017 zur Eröffnung des
Vernehmlassungsverfahrens über die Revision des ATSG, S. 5 f. unten). In
rechtlicher Hinsicht hat es zudem auf Art. 152 Abs. 2 der am 1. Januar 2011 in
Kraft getretenen schweizerischen Zivilprozessordnung verwiesen (vgl. dazu BGE
140 III 6 E. 3.1 S. 8 f. mit Hinweisen), mit der nebst dem Strafprozessrecht
ein weiterer Teil des Verfahrensrechts aktualisiert wurde (Urteil 8C_45/2017 E.
4.3.3).  
 
5.3.4. Die so für den Bereich des sozialversicherungsrechtlichen
Verwaltungsverfahrens gewonnene Lösung mit einer Abwägung der infrage stehenden
Interessen entspricht inhaltlich dem Konzept, das der Gesetzgeber für den
Bereich des Zivilrechts gemäss Art. 28 Abs. 2 ZGB verfolgt. Es verträgt sich
zudem mit Stimmen im öffentlich-rechtlichen Schrifttum, die in diesem
Zusammenhang - nebst der Interessenabwägung - folgerichtig auch die
Unverletzlichkeit des Kerngehalts der Grundrechte vorbehalten (vgl. KÖLZ/HÄNER/
BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl.
2013, S. 169 Rz. 481; vgl. zum Ganzen auch Urteile 8C_735/2106 vom 27. Juli
2017 E. 5.3 Ingress und E. 5.3.3-5.3.5, Urteil 8C_45/2017 E. 4.3.4).  
 
5.4. In diesem Lichte ist zum Begehren des Beschwerdeführers auf
Nichtberücksichtigung der Observationsakten Folgendes zu erwägen:  
 
5.4.1. Aufgrund der Akten liess die Generali den Beschwerdeführer observieren,
weil sie aufgrund eines anonymen Hinweises Zweifel an seinem Krankheitsbild
hatte. In dieser Hinsicht ist davon auszugehen, dass die Observation aufgrund
konkreter Anhaltspunkte objektiv geboten war (vgl. BGE 137 I 327 E. 5.4.2.1 S.
332; Urteil 8C_45/2017 E. 4.4.1).  
 
5.4.2. Die Bobachtungen des Beschwerdeführers fanden zwischen dem 8. September
2005 und dem 1. Mai 2006 an zwölf Tagen statt. An neun davon kam es zu
Videoaufzeichnungen. Die Beobachtungen bezogen sich auf sein Alltagsverhalten
(z.B. Einkaufen, Autofahren, Spazieren allein oder mit anderen Personen sowie
mit Hunden). Dass eine Observation in nicht öffentlich frei zugänglichen Räumen
erfolgt wäre, ist weder behauptet noch ersichtlich. Auch unter diesem
Gesichtspunkt besteht demnach kein Grund für ein Verwertungsverbot (Urteil
8C_45/2017 E. 4.4.2).  
 
5.4.3. Der zeitliche Umfang des Eingriffs in die Privatsphäre des
Beschwerdeführers war verhältnismässig gering. Die Überwachung erfolgte zwar
gezielt und nicht bloss zufällig, dafür aber weder andauernd noch systematisch
über einen längeren Zeitraum hinweg. Damit und vor allem mit Blick auf die
aufgezeichneten (sehr) alltäglichen Verrichtungen und Handlungen kann insgesamt
bei bloss geringfügiger Tangierung der Privatsphäre jedenfalls nicht von einer
schweren Verletzung der Persönlichkeit ausgegangen werden (vgl. BGE 137 I 327
E. 5.6 S. 334). Dem gegenüber zu stellen gilt es das Interesse des
Versicherungsträgers und der Versichertengemeinschaft, unrechtmässige
Leistungsbezüge abzuwenden. Dieses ist unter den hier gegebenen Umständen höher
zu gewichten als das Interesse des Beschwerdeführers an einer unbehelligten
Privatsphäre (vgl. BGE 137 I 327 E. 5.6 S. 335). Damit können im vorliegenden
Fall die ohne ausreichende gesetzliche Grundlage erhobenen
Observationsergebnisse in Form des entsprechenden Berichts sowie der Foto- und
Videoaufnahmen verwertet werden, zumal der Kerngehalt von Art. 13 BV bei der
hier gegebenen Überwachung und der damit verbundenen geringen Eingriffsschwere
ebenfalls unangetastet blieb (vgl. BGE 137 I 327 E. 5.6 S. 335; Urteil 8C_45/
2017 E. 4.4.3).  
 
5.5. Damit ist als Erstes festzustellen, dass die im Falle des
Beschwerdeführers erfolgte Observation allenfalls rechtswidrig, das heisst in
Verletzung der Rechte gemäss Art. 8 EMRK und Art. 13 BV erfolgt war. Hingegen
folgt aus der Abwägung der dadurch tangierten Interessen, dass einer Verwendung
der Observationsergebnisse - namentlich auch aus Sicht von Art. 6 Ziff. 1 EMRK
- nichts im Wege steht.  
 
5.6. Demnach kann die von der Vorinstanz bejahte Frage offen bleiben, ob die
IV-Stellen berechtigt sind, das Ergebnis einer von einem Haftpflichtversicherer
veranlassten Observation ohne Rücksicht auf die Vorgaben des EGMR-Urteils vom
18. Oktober 2016 und des zur Publikation vorgesehenen bundesgerichtlichen
Urteils 9C_806/2016 zu verwerten (siehe auch Urteil 8C_192/2017 vom 25. August
2017 E. 5.3).  
 
6.  
 
6.1. Der Beschwerdeführer bestreitet eine Verbesserung seines
Gesundheitszustandes. Er beruft sich auf das von ihm in Auftrag gegebene
Gutachten des Prof. Dr. med. B.________, FMH Physikalische Medizin und
Rehabilitation, Luzern, vom 9. Juli 2007, wonach er in einer angepassten
Tätigkeit bloss zu 50 % arbeitsunfähig sei. Die Vorinstanz habe dieses
Gutachten zwar gewürdigt, aber dem MEDAS-Gutachten vom 11. September 2011 den
Vorzug gegeben. Diese Beweiswürdigung sei willkürlich, da dieses Gutachten
nicht einleuchtend sei und sich über einen in der Vergangenheit liegenden
Zeitraum auslasse, ohne darzulegen, weshalb die medizinische Unterlagen in der
Zeit von 2004 bis 2009 nicht plausibel seien.  
 
Im MEDAS-Gutachten vom 11. September 2009 wurde dargelegt, weshalb der
Einschätzung des Prof. Dr. med. B.________ nicht gefolgt werden könne. Wenn die
Vorinstanz hierauf abstellte, ist dies für das Bundesgericht grundsätzlich
verbindlich. 
 
6.2. Insgesamt ist es nicht zu bemängeln, dass die Vorinstanz beim
Beschwerdeführer das Vorliegen eines invalidisierenden Gesundheitsschadens
verneinte (vgl. E. 4.2 hiervor). Dadurch verliert das von ihr ins Feld geführte
MEDAS-Gutachten vom 11. September 2011 - worin von einer 20%igen
Leistungseinschränkung in der angestammten Tätigkeit ausgegangen wurde (vgl. E.
4.1.2 hiervor) - nicht per se an Beweiswert (nicht publ. E. 6.1 des Urteils BGE
142 V 342, veröffentlicht in SVR 2016 IV Nr. 41 S. 131; Urteil 8C_444/2016 vom
31. Oktober 2016 E. 6.2.4). Nicht zu beanstanden ist auch die vorinstanzliche
Feststellung, dass die Rente infolge einer Meldepflichtverletzung seitens des
Beschwerdeführers rückwirkend ab 1. Mai 2006 aufzuheben ist (siehe E. 4.2
hiervor). Denn der Beschwerdeführer erhebt keine konkreten Rügen, aus denen
sich ergäbe, dass das Bundesverwaltungsgericht Bundesrecht verletzt oder den
Sachverhalt offensichtlich unrichtig oder sonstwie bundesrechtswidrig
festgestellt hätte. Von willkürlicher Beweiswürdigung der Vorinstanz kann
entgegen dem Versicherten ebenfalls keine Rede sein.  
 
6.3. Da von weiteren medizinischen Abklärungen keine entscheidrelevanten
Ergebnisse zu erwarten sind, durfte darauf verzichtet werden. Dies verstösst
weder gegen den Untersuchungsgrundsatz (Art. 61 lit. c ATSG) noch gegen den
Grundsatz der Waffengleichheit (Art. 6 EMRK) noch gegen den Anspruch auf
rechtliches Gehör bzw. Beweisabnahme (Art. 29 Abs. 2 BV; antizipierte
Beweiswürdigung; BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236; Urteil 8C_303/2017 vom 5.
September 2017 E. 8).  
 
7.   
Mangels eines invalidisierenden Gesundheitsschadens (E. 6.2 hiervor) ist der
Einwand des Beschwerdeführers unbehelflich, entgegen dem MEDAS-Gutachten vom
11. September 2011 seien ihm Tätigkeiten am Fliessband, als Schadeninspektor
und als Securitaswächter unzumutbar. Aus dem gleichen Grund entfällt die
Vornahme eines Einkommensvergleichs zwecks Ermittlung des Invaliditätsgrades. 
 
8.   
Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG
). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung III,
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 9. Oktober 2017 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Jancar 

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