Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.313/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
8C_313/2017        

Urteil vom 4. August 2017

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterinnen Heine, Viscione,
Gerichtsschreiber Nabold.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Jean Baptiste Huber,
Beschwerdeführerin,

gegen

Swica Gesundheitsorganisation, Boulevard de Grancy 39, 1001 Lausanne,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Invalidenrente, Revision),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom
28. Februar 2017.

Sachverhalt:

A. 
Die 1979 geborene A.________ war als Call Center Agent der B.________ AG bei
der SWICA Versicherungen AG (heute: SWICA Gesundheitsorganisation; nachstehend:
SWICA) gegen die Folgen von Unfällen versichert, als sich am 13. Mai 2002 das
Auto, in dem sie sich als Beifahrerin befand, auf einer Autobahn mehrmals
überschlug. Die SWICA anerkannte ihre Leistungspflicht für die Folgen dieses
Ereignisses und erbrachte die gesetzlichen Leistungen; insbesondere sprach sie
der Versicherten mit Verfügung vom 9. Oktober 2006 eine
Integritätsentschädigung bei einer Einbusse von 15 % und ab 1. Oktober 2006
eine Rente bei einem Invaliditätsgrad von 28 % zu.

Im Rahmen eines Revisionsverfahrens liess die SWICA die Versicherte
polydisziplinär begutachten (Gutachten der Medexperts AG, St. Gallen vom 2.
Juli 2015). Daraufhin stellte die SWICA die laufende Invalidenrente mit
Verfügung vom 18. Dezember 2015 und Einspracheentscheid vom 26. August 2016 per
31. Januar 2016 ein.

B. 
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht
des Kantons Aargau mit Entscheid vom 28. Februar 2017 ab.

C. 
Mit Beschwerde beantragt A.________, die SWICA sei unter Aufhebung des
Einsprache- und des kantonalen Gerichtsentscheides zu verpflichten, ihre
Rentenleistungen auch weiterhin zu erbringen.

Während die SWICA auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:

1. 

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht zu Recht die
Rentenaufhebung der Unfallversicherung auf den 31. Januar 2016 hin bestätigt
hat.

3. 

3.1. Ist eine versicherte Person infolge des Unfalles mindestens zu 10 %
invalid, so hat sie gemäss Art. 18 Abs. 1 UVG Anspruch auf eine Invalidenrente.
Ändert sich der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines
Rentenbezügers erheblich, so wird gemäss Art. 17 Abs. 1 ATSG die Rente von
Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft entsprechend erhöht,
herabgesetzt oder aufgehoben.

3.2. Eine Rentenherabsetzung oder Aufhebung im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG
setzt eine anspruchserhebliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse voraus,
welche entweder in einer objektiven Verbesserung des Gesundheitszustandes mit
entsprechend gesteigerter Arbeitsfähigkeit oder in geänderten erwerblichen
Auswirkungen einer im Wesentlichen gleich gebliebenen
Gesundheitsbeeinträchtigung liegen kann. Demgegenüber stellt eine bloss
abweichende Beurteilung eines im Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhaltes
keine revisionsrechtlich relevante Änderung dar (BGE 112 V 371E. 2b S. 372
unten; in BGE 136 V 216 nicht publizierte E. 3.2 des Urteils 8C_972/2009,
publiziert in: SVR 2011 IV Nr. 1 S. 1 mit Hinweis).

4.

4.1. Das kantonale Gericht hat erwogen, im Gutachten der MEDAS Zentralschweiz
vom 29. Juli 2004 hätten die medizinischen Experten festgehalten, aus
neurologischer, neuropsychologischer und rheumatologischer Sicht sei noch eine
Besserung des Gesundheitszustandes zu erwarten. Da die Medexperts-Gutachter im
aktuellen polydisziplinären Gutachten der Beschwerdeführerin aufgrund
umfassender Prüfung aller beteiligten Fachrichtungen eine volle
Arbeitsfähigkeit in jeglicher Tätigkeit attestierten, sei ein Revisionsgrund im
Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG hinreichend nachgewiesen.

4.2. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend geltend macht, wird in der
dargelegten vorinstanzlichen Argumentation ein Doppeltes übersehen: Zum einen
rechneten die Gutachter im Jahre 2004 mit einer Besserung der Beschwerden bis
Mitte 2005; die Rentenzusprache im Oktober 2006 erfolgte offenkundig auch auf
der Einschätzung des behandelnden Rheumatologen, Dr. med. C.________, vom 2.
Juli 2005, wonach diese Besserung nicht eingetreten und nunmehr auch nicht mehr
zu erwarten sei. Zum andern verhält es sich nicht so, dass die
Medexperts-Gutachter nicht zur Frage einer Veränderung des Gesundheitszustandes
Stellung genommen hätten. Vielmehr hielten diese ausdrücklich fest, seit der
Begutachtung durch die MEDAS Zentralschweiz habe sich bezüglich der
Beschwerdesymptomatik und des Befundes keine wesentliche Änderung eingestellt.
In solchen Fällen kann die vom kantonalen Gericht angeführte Praxis, wonach es
zur Bestätigung einer prognostizierten Verbesserung des Gesundheitszustandes
ausreicht, wenn nunmehr ein beweistaugliches Gutachten mit unmissverständlich
attestierter Arbeitsfähigkeit vorliegt (Urteile 9C_459/2014 vom 28. Oktober
2014 E. 3.3 und 8C_959/2012 vom 3. April 2013 E. 2.3 mit Hinweis), keine
Geltung haben. Die erwähnte Rechtsprechung bezieht sich nur auf Fälle, in denen
sich das neue Gutachten nicht ausdrücklich zur Frage einer Verbesserung
äussert, nicht jedoch auf solche Gutachten, in denen wie hier eine Verbesserung
explizit verneint wird. Im vorliegenden Fall stellt die Neubegutachtung somit -
und dies wird von den Experten implizit selber eingeräumt - bloss eine
abweichende Beurteilung eines im Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhaltes
dar. Ist keine revisionsrechtlich relevante Sachverhaltsänderung nachgewiesen,
so entfällt die Möglichkeit einer Revision nach Art. 17 Abs. 1 ATSG. Anzumerken
bleibt, dass aufgrund der dargelegten damaligen Aktenlage auch die Annahme, bei
Erlass der rentenzusprechenden Verfügung im Oktober 2006 sei von einer
Fortsetzung der medizinischen Behandlung keine namhafte Besserung des
Gesundheitszustandes mehr zu erwarten gewesen, jedenfalls nicht als zweifellos
unrichtig erscheint.

4.3. Fehlt es demnach an einem Revisionsgrund im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG,
hat die Beschwerdegegnerin ihre Rentenleistungen weiterhin zu erbringen. Die
Beschwerde der Versicherten ist demnach gutzuheissen und der Einsprache- und
der kantonale Gerichtsentscheid sind ersatzlos aufzuheben.

5. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 1 BGG). Die Gerichtskosten
werden der Beschwerdegegnerin als unterliegender Partei auferlegt (Art. 66 Abs.
1 BGG). Sie hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung auszurichten
(Art. 66 Abs. 1 und 2 BGG).
 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des
Kantons Aargau vom 28. Februar 2017 und der Einspracheentscheid der Swica
Gesundheitsorganisation vom 26. August 2016 werden aufgehoben.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen
Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons Aargau zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 4. August 2017

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Nabold

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