Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.300/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_300/2017  
 
 
Urteil vom 1. Februar 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, 
Gerichtsschreiberin Betschart. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Susanne Friedauer, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich 
vom 28. Februar 2017 (IV.2016.00284). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1979 geborene A.________ ist Mutter dreier Kinder (geb. 2000, 2005 und
2010). Zuletzt war sie als Mitarbeiterin "Kasse/KD/Admin" in einem Pensum von
wöchentlich 15 Stunden bei der Firma B.________ tätig. Am 2. September 2014
meldete sie sich unter Hinweis auf Depressionen bei der Invalidenversicherung
zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich (im Folgenden:
IV-Stelle) klärte die erwerblichen und medizinischen Verhältnisse ab. Nach
durchgeführtem Vorbescheidverfahren verneinte die IV-Stelle mit Verfügung vom
29. Januar 2016 einen Anspruch auf eine Invalidenrente. 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich mit Entscheid vom 28. Februar 2017 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, es sei ihr eine Invalidenrente zuzusprechen. 
Die IV-Stelle und das Sozialversicherungsgericht schliessen auf Abweisung der
Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine
Stellungnahme. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S.
280 f.; 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG
). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von 
Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Überdies muss die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG).
 
 
1.2.   
 
1.2.1. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen im Verfahren vor Bundesgericht
nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu
Anlass gibt (unechte Noven; Art. 99 Abs. 1 BGG), was in der Beschwerde näher
darzulegen ist (Urteil 9C_748/2014 vom 14. April 2015 E. 2.1 mit Hinweis).
Tatsachen oder Beweismittel, die erst nach dem angefochtenen Entscheid sich
ereignet haben oder entstanden sind (echte Noven), können nicht durch dieses
Erkenntnis veranlasst worden sein und sind deshalb von vornherein unzulässig (
BGE 140 V 543 E. 3.2.2.2 S. 548). Kausal durch den vorinstanzlichen Entscheid
verursacht oder rechtswesentlich und damit zulässig sind Sachumstände, die im
kantonalen Entscheid neu und erstmals Rechtserheblichkeit gewinnen, indem sich
die kantonale Instanz auf einen Rechtstitel beruft, der von den Parteien bis
dahin nicht thematisiert wurde, und ihn ihrem Urteil als massgebliches
Entscheidmotiv zugrunde legt (vgl. Urteile 8C_184/2009 vom 25. August 2009 E.
4.3.1 mit Hinweis, in: ARV 2010 S. 141; 9C_920/2008 vom 16. April 2009 E. 2,
nicht publ. in: BGE 135 V 163 aber in: SVR 2009 BVG Nr. 30 S. 109; zum Ganzen
s. auch: MEYER/DORMANN, Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011,
N. 44 ff. zu Art. 99 BGG).  
 
1.2.2. Während die IV-Stelle das Leistungsbegehren mit der Begründung
abgewiesen hatte, die Arbeitsunfähigkeit sei durch invaliditätsfremde Faktoren
ausgelöst worden, begründete das kantonale Gericht die Leistungsverweigerung
neu mit der Nichtausschöpfung aller von fachärztlicher Seite empfohlenen
Therapiemöglichkeiten. Allerdings hatte es zuvor die behandelnde Ärztin, med.
pract. C.________, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, nicht zu
den Gründen des Verzichts auf diese konkreten Therapievorschläge befragt. Die
Versicherte sah sich somit erst durch den vorinstanzlichen Entscheid
veranlasst, eine Stellungnahme von med. pract. C.________ einzureichen. Deren
Bericht vom 20. April 2017 ist daher im letztinstanzlichen Verfahren als neues
Beweismittel zu berücksichtigen.  
 
 
2.   
 
2.1. Streitig ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, indem es den
Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine Invalidenrente verneinte. Dabei ist im
Wesentlichen zu prüfen, ob sich die unbestrittene mittelgradige depressive
Episode (ICD-10 F32.1) invalidisierend auswirkt.  
 
2.2. Die Vorinstanz hat die für die Beurteilung der Streitsache massgeblichen
Rechtsgrundlagen zutreffend dargelegt, worauf verwiesen wird. Dies betrifft
namentlich die Bestimmungen und Grundsätze zu den Begriffen der Invalidität (
Art. 8 Abs. 1 ATSG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 IVG) und der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7
Abs. 2 ATSG), zum Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 IVG) sowie zu den
Anforderungen an beweiskräftige medizinische Berichte und Gutachten (BGE 134 V
231 E. 5.1 S. 232).  
 
3.   
 
3.1. Das kantonale Gericht stellte auf die bisherige Rechtsprechung des
Bundesgerichts ab, wonach bei leichten bis mittelschweren Störungen aus dem
depressiven Formenkreis, seien sie im Auftreten rezidivierend oder episodisch,
angenommen wird, dass - aufgrund der nach gesicherten psychiatrischen Erfahrung
regelmässig guten Therapierbarkeit - keine invalidenversicherungsrechtlich
relevante Einschränkung der Arbeitsfähigkeit resultiere (statt vieler: BGE 140
V 193 E. 3.3 S. 197; Urteil 9C_13/2016 vom 14. April 2016 E. 4.2, in: SVR 2016
IV Nr. 52 S. 176). Eine leichte bis mittelschwere depressive Störung sei mithin
nur als invalidisierend zu werten, wenn sie schwer und therapeutisch nicht
(mehr) angehbar sei, was voraussetzt, dass keine therapeutische Option mehr und
somit eine Behandlungsresistenz bestehe (vgl. BGE 141 V 281 E. 4.3.1.2 S. 299
f.; Urteil 8C_222/2017 vom 6. Juli 2017 E. 5.2).  
 
3.2. In Würdigung der ärztlichen Berichte gelangte die Vorinstanz zur
Überzeugung, dass die bei der Beschwerdeführerin diagnostizierte mittelgradige
depressive Episode therapierbar sei. Zwar stehe die Beschwerdeführerin seit
Juli 2014 bei med. pract. C.________ in psychiatrischer Behandlung. Allerdings
könne selbst unter der Voraussetzung eines wöchentlichen Therapieintervalls
nicht von einem therapieresistenten Leiden gesprochen werden, weil die
Beschwerdeführerin es bis anhin unterlassen habe, weitere Massnahmen mit
anderem therapeutischen Ansatz umzusetzen. Insbesondere hätten die Fachleute
des Instituts D.________, Klinik E.________ (wo die Beschwerdeführerin vom 25.
September bis 11. November 2014 stationär behandelt worden war), eine ambulante
Ergotherapie und eine sportliche Betätigung im Sinn eines antidepressiven
Trainings empfohlen, und auch med. pract. C.________ habe im Bericht vom 6.
Januar 2015 eine Ergotherapie sowie die Behandlung in einer Tagesklinik
befürwortet. Doch habe die Beschwerdeführerin keine dieser Behandlungen
aufgenommen. Dies wäre jedoch angezeigt, weil sie gegenüber Dr. med. F.________
angegeben habe, dass ihr Bewegung an der frischen Luft gut tue. Ausserdem
hätten sowohl die Fachleute des Instituts D.________ als auch med. pract.
C.________ von einer Besserung des Gesundheitszustands unter
psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung berichtet. Daher könne der
Beurteilung von Dr. med. F.________, wonach das Störungsbild der
Beschwerdeführerin als therapieresistent erscheine, nicht gefolgt werden, zumal
dieser keine Angaben dazu gemacht habe, weshalb die vorgeschlagenen weiteren
Behandlungen nicht zu einer Besserung führen könnten.  
 
4.   
 
4.1. Im kürzlich ergangenen Urteil 8C_841/2016 vom 30. November 2017 (zur
Publikation vorgesehen) gab das Bundesgericht seine bisherige Rechtsprechung zu
den leichten bis mittelschweren Depressionen (BGE 140 V 538 E. 4.5 S. 541 mit
Hinweisen) auf. Zur Begründung führte es Folgendes aus:  
 
4.1.1. Gemäss dem Grundsatzurteil BGE 127 V 294 E. 4c S. 298 steht in der
Invalidenversicherung die Therapierbarkeit eines Leidens dem Eintritt einer
rentenbegründenden Invalidität nicht entgegen (vgl. auch Urteile 8C_222/2017
vom 6. Juli 2017 E. 5.2; 9C_682/2016 vom      16. Februar 2017 E. 3.2; 8C_349/
2015 vom 2. November 2015 E. 3.1), weil die Behandelbarkeit, für sich allein
betrachtet, nichts über den invalidisierenden Charakter einer psychischen
Störung, so auch eines depressiven Leidens, aussagt (vgl. auch  RAHEL SAGER,
Die bundesgerichtliche Rechtsprechung betreffend Depressionen, in: SZS 2015 S.
317 f.). Zudem muss gemäss diesem Urteil in jedem Einzelfall eine
Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit unabhängig von der diagnostischen
Einordnung eines Leidens und grundsätzlich unbesehen der Ätiologie ausgewiesen
und in ihrem Ausmass bestimmt sein. Entscheidend ist die Frage, ob es der
versicherten Person zumutbar ist, eine Arbeitsleistung zu erbringen, was sich
nach einem weitgehend objektivierten Massstab beurteilt (BGE 127 V 294 E. 4b/cc
S. 297 f. i.f.; wiedergegeben in BGE 139 V 547 E. 5.2 S. 555). Die
objektivierte Zumutbarkeitsbeurteilung fand in Art. 7 Abs. 2 ATSG ihren
gesetzlichen Niederschlag. Die in BGE 127 V 294 getroffenen grundsätzlichen
Aussagen zur Behandelbarkeit einer psychischen Erkrankung haben weiterhin
Bestand. Eine Abkehr hiervon drängt sich nicht auf (Urteil 8C_841/2016 vom 30.
November 2017 E. 4.2.1, zur Publikation vorgesehen).  
 
4.1.1.1. Die dargelegten Grundsätze stehen in Einklang mit der Rechtsprechung
zu den psychosomatischen Leiden gemäss BGE 141 V 281. Danach finden
hinsichtlich der Anspruchsprüfung anhand des Indikatorenkatalogs die Aspekte
von Behandlungserfolg oder -resistenz (in der Kategorie "funktioneller
Schweregrad") und ergänzend dazu, mit Blick auf den anamnestisch ausgewiesenen
Leidensdruck, die Inanspruchnahme von therapeutischen Optionen (in der
Kategorie "Konsistenz") beweisrechtlich als Indizien Beachtung. Die
grundsätzlich gegebene Therapierbarkeit ist demnach bei somatoformen und
gleichgestellten Störungen kein Ausschlussgrund für die Bejahung einer
Invalidität. Sie ist vielmehr (als Indiz) in die gesamthaft vorzunehmende
allseitige Beweiswürdigung mit einzubeziehen (Urteil 8C_841/2016 vom 30.
November 2017 E. 4.2.2, zur Publikation vorgesehen).  
 
4.1.2. Aus medizinischer Warte können funktionelle Beeinträchtigungen durch
somatoforme/funktionelle Störungen und durch solche depressiver Natur gleich
gross sein. Die Objektivier- und Beweisbarkeit ist bei der Feststellung
somatoformer Störungen und vergleichbarer Leiden eingeschränkt, worin sie sich
aber nicht von anderen psychischen Störungen unterscheiden (PETER HENNINGSEN,
Probleme und offene Fragen in der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit bei
Probanden mit funktionellen Körperbeschwerdesyndromen, in: SZS 2014    S. 527
f.). Fest steht, dass viele depressive Erkrankungen prinzipiell durch
Antidepressiva und Psychotherapie behandelbar sind, wobei offenbar bloss etwa
in der Hälfte der behandelten Fälle von einer adäquaten Depressionsbehandlung
nach psychiatrischen Standards ausgegangen werden kann (SCHWEIZERISCHES
GESUNDHEITSOBSERVATORIUM/OBSAN, Depressionen in der Schweizer Bevölkerung,
OBSAN-Bericht 56, Neuchâtel 2013, S. 16; vgl. auch die Behandlungsempfehlungen
der Schweizerischen Gesellschaft für Angst und Depression [SGAD] und der
Schweizerischen Gesellschaft für Biologische Psychiatrie [SGBP] in
Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und
Psychotherapie [SGPP]). Selbst wenn in der Mehrzahl der Fälle depressive
Episoden, adäquat behandelt, günstig verlaufen und es zu einer vollständigen
Remission oder Teilremission innert weniger Monate kommt, liegen dennoch trotz
lege artis durchgeführten Behandlungsmassnahmen chronische Verläufe mit über
zweijähriger Dauer vor, wobei komorbide Leiden die Behandlungsdauer wesentlich
beeinflussen können (SCHLEIFER et al., Der Begriff der Behandlungsresistenz bei
unipolaren depressiven Störungen aus medizinischer und aus rechtlicher Sicht -
eine Standortbestimmung im Nachgang zu BGE 9C_13/2016, in: HAVE 3/2017 S. 272
f.; sowie  SCHWEIZERISCHES GESUNDHEITSOBSERVATORIUM/OBSAN, a.a.O., S. 16; zum
Ganzen: Urteil 8C_841/2016 vom 30. November 2017 E. 4.3, zur Publikation
vorgesehen).  
 
4.1.3. Aus rechtlicher Sicht ergibt sich aus diesen Darlegungen, dass die
Frage, ob bei Erkrankungen aus dem depressiven Formenkreis eine
invalidenversicherungsrechtlich relevante Einschränkung der Arbeitsfähigkeit
resultiert, ebenso wenig wie bei somatoformen Störungen, allein mit Bezug auf
das Kriterium der Behandelbarkeit beantwortet werden kann. Zwar gilt die Frage,
ob eine Therapie durchgeführt wird, auch im Rahmen der medizinischen
Begutachtung als Indiz für den Leidensdruck der versicherten Person und damit
für den Schweregrad der Störung (WOLFGANG HAUSOTTER, Psychiatrische und
psychosomatische Begutachtung für Gerichte, Sozial- und private Versicherungen,
Frankfurt 2016, S. 193). Mit dem Hinweis auf eine "regelmässig gute
Therapierbarkeit" bei leichten bis mittelschweren Störungen direkt auf eine
fehlende invalidenversicherungsrechtlich relevante Einschränkung der
Arbeitsfähigkeit zu schliessen, greift aber zu kurz und blendet wesentliche
medizinische Aspekte dieses Krankheitsgeschehens in sachlich unbegründeter
Weise aus (vgl. EVA SLAVIK, Invalidenrentenanspruch bei depressiven
Erkrankungen, in: Jusletter vom 4. September 2017, Rz. 50 mit Hinweis auf Fn.
71; ULRIKE HOFFMANN-RICHTER, Psychische Beeinträchtigungen in der
Rechtsprechung, in: Ueli Kieser [Hrsg.], Sozialversicherungsrechtstagung 2015,
S. 77 f.). Die Therapierbarkeit vermag demnach keine abschliessende evidente
Aussage über das Gesamtmass der Beeinträchtigung und deren Relevanz im
invalidenversicherungsrechtlichen Kontext zu liefern. Einen Gesundheitsschaden
allein gestützt auf das Argument der fehlenden Therapieresistenz unbesehen
seiner funktionellen Auswirkungen als invalidenversicherungsrechtlich nicht
relevant einzustufen, mit der Konsequenz eines Ausschlusses von
Rentenleistungen, ist weder sachlich geboten noch medizinisch abgestützt. Die
Therapierbarkeit eines Leidens stellt kein taugliches Kriterium für rechtliche
Differenzierungen im Sinn der in Frage stehenden Rechtsprechung dar. Die
Feststellung, dass leichte bis mittelgradige depressive Störungen
rezidivierender oder episodischer Natur einzig dann als invalidisierende
Krankheiten in Betracht fallen, wenn sie erwiesenermassen therapieresistent
sind, ist daher in dieser absoluten Form unzutreffend und steht einer
objektiven, allseitigen Abklärung und Beurteilung der funktionellen
Einschränkungen der Krankheit im Einzelfall entgegen. Zusammenfassend bestehen
damit nach vertiefender Auseinandersetzung mit der Sach- und Rechtslage und der
dabei gewonnenen besseren Einsicht hinreichend gewichtige Gründe, die bisherige
Rechtsprechung zu den leichten bis mittelschweren Depressionen fallen zu lassen
(BGE 140 V 538 E. 4.5 S. 541 mit Hinweisen; zum Ganzen: Urteil 8C_841/2016 vom
30. November 2017 E. 4.4, zur Publikation vorgesehen).  
 
4.1.4. Zur Frage, wie bei der Prüfung eines rentenbegründenden
Gesundheitsschadens bei einem depressiven Geschehen inskünftig vorzugehen sei,
führte das Bundesgericht im Urteil 8C_841/2016 vom 30. November 2017 weiter
aus:  
 
4.1.4.1. Unterliegen die depressiven Geschehen, losgelöst von der Frage ihrer
Ausprägung, den gleichen Schwierigkeiten hinsichtlich Objektivier- und
Beweisbarkeit wie alle psychischen Störungen, rechtfertigt sich - auch mit
Blick auf die materielle Beweislast der die Invalidenrente beanspruchenden
Person - keine gesonderte Beurteilung leichter bis mittelschwerer Störungen aus
dem depressiven Formenkreis. Mit der Annahme, dass aus medizinischer Sicht
generell für psychische Leiden eine beschränkte Objektivier- und Beweisbarkeit
gilt und nachdem auch aus rechtlicher Sicht grundsätzlich alle psychischen
Erkrankungen im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Arbeits- und
Erwerbsfähigkeit den somatoformen Schmerzstörungen und vergleichbaren
psychosomatischen Leiden gleichzustellen sind (Urteil 8C_130/2017 vom 30.
November 2017, zur Publikation vorgesehen), drängt sich ein einheitliches
Vorgehen zur Beurteilung eines Anspruchs auf Invalidenrente im Rahmen dieser
Problematik auf. Dies gilt umso mehr, als auch die Abgrenzung somatoformer oder
funktioneller Störungen von depressiven Leiden im Rahmen der Begutachtung
häufig Probleme bereitet (WOLFGANG HAUSOTTER, Begutachtung somatoformer und
funktioneller Störungen, 2. Aufl. 2004, S. 369; zum Ganzen: Urteil 8C_841/2016
vom 30. November 2017 E. 4.5.1, zur Publikation vorgesehen).  
 
4.1.4.2. Bei leichten bis mittelschweren depressiven Störungen ist, wie bei
jeder geltend gemachten gesundheitsbedingten Erwerbsunfähigkeit demnach im
Einzelfall (einzig) danach zu fragen, ob und wie sich die Krankheit
leistungslimitierend auswirkt, wobei eine anspruchs-, insbesondere
rentenbegründende Invalidität jedenfalls eine psychiatrische, lege artis
gestellte Diagnose voraussetzt (BGE 141 V 281 E. 2 S. 285 ff.; vgl. dazu auch 
ANDREAS STEVENS, Genügt die Beschwerdeschilderung als Krankheitsnachweis?, in:
Grenzwertige psychische Störungen, Wolfgang Vollmoeller [Hrsg.], 2004 S. 27
ff.). Denn gerade mit Blick darauf, dass auch bei einem depressiven Leiden
soziale Belastungen, die direkt negative funktionelle Folgen zeitigen,
auszuklammern sind, setzt die vorzunehmende Abgrenzung zu reaktiven,
invaliditätsfremden Geschehen auf psychosoziale Belastungen eine
nachvollziehbare Diagnosestellung voraus. Nicht zuletzt im Sinn der
Einzelfallgerechtigkeit ist es sach- und systemgerecht, solche Leiden ebenfalls
einem strukturierten Beweisverfahren nach BGE 141 V 281 zu unterziehen.
Entscheidend ist dabei, unabhängig von der diagnostischen Einordnung ihres
Leidens, ob es der leistungsansprechenden, materiell beweisbelasteten
versicherten Person gelingt, auf objektivierter Beurteilungsgrundlage den
Beweis einer rechtlich relevanten Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit zu erbringen
(BGE 141 V 281 E. 3.7.2 S. 295 f.). Wie bei den somatoformen Schmerzstörungen
und vergleichbaren psychosomatischen Leiden verbleiben aber Verlauf und Ausgang
von Therapien als wichtige Schweregradindikatoren. Dementsprechend ist es
Aufgabe des medizinischen Sachverständigen, nachvollziehbar aufzuzeigen,
weshalb trotz lediglich leichter bis mittelschwerer Depression und an sich
guter Therapierbarkeit der Störung im Einzelfall funktionelle
Leistungseinschränkungen resultieren, die sich auf die Arbeitsfähigkeit
auswirken. Zudem haben medizinische Studien gezeigt, dass eine adäquate,
leitlinienkonforme antidepressive Therapie als eine notwendige Voraussetzung
für günstige Verläufe hinsichtlich Arbeitsfähigkeit und Wiedereingliederung
anzusehen ist (GESUNDHEITSOBSERVATORIUM/OBSAN, a.a.O. S. 19,  FULVIA ROTA, Zur
Notwendigkeit und Wirksamkeit langdauernder Psychotherapien, JaSo 2015, S. 233
ff.). Eine konsequente, adäquate psychotherapeutische Therapie des depressiven
Geschehens ist dabei nach medizinischer Ansicht wie auch im Rahmen der
sozialversicherungsrechtlichen Schadenminderungspflicht zumutbar (BGE 127 V 294
E. 4b/cc S. 297;  HAUSOTTER, Psychiatrische und psychosomatische
Begutachtung,      S. 195; zum Ganzen: Urteil 8C_841/2016 vom 30. November
2017    E. 4.5.2, zur Publikation vorgesehen).  
 
4.2. In übergangsrechtlicher Hinsicht ist sinngemäss wie in BGE 141 V 281 und
137 V 210 vorzugehen. Demnach verlieren gemäss altem Verfahrensstandard
eingeholte Gutachten nicht per se ihren Beweiswert. Vielmehr ist im Rahmen
einer gesamthaften Prüfung des Einzelfalls mit seinen spezifischen
Gegebenheiten und den erhobenen Rügen entscheidend, ob ein abschliessendes
Abstellen auf die vorhandenen Beweisgrundlagen vor Bundesrecht standhält (BGE
141 V 281 E. 8 S. 309; 137 V 210 E. 6 S. 266). Mithin ist in jedem einzelnen
Fall zu prüfen, ob die beigezogenen administrativen und/oder gerichtlichen
Sachverständigengutachten - gegebenenfalls im Kontext mit weiteren
fachärztlichen Berichten - eine schlüssige Beurteilung im Licht der
massgeblichen Indikatoren erlauben oder nicht. Je nach Abklärungstiefe und
-dichte kann zudem unter Umständen eine punktuelle Ergänzung genügen.  
 
5.  
 
5.1. Vorliegend hat die Vorinstanz zwar zutreffend dargelegt, dass die
Beschwerdeführerin nicht sämtliche ihr zumutbaren Therapieoptionen ausschöpft,
so dass keine Therapieresistenz gegeben ist. Allerdings ergibt sich aus der
geänderten Rechtsprechung, dass eine invalidenversicherungsrechtlich relevante
psychische Gesundheitsschädigung nicht allein mit dem Argument der fehlenden
Therapieresistenz ausgeschlossen werden darf. Zu prüfen bleibt, ob sich die
weiteren Indikatoren anhand der medizinischen Akten verifizieren lassen.  
 
5.2. Die Vorinstanz erachtete das Gutachten des Dr. med. F.________ vom 12.
Oktober 2015 grundsätzlich als beweiskräftig. Soweit dieser das Störungsbild
der Beschwerdeführerin als therapieresistent einschätzte, folgte sie dem
Gutachter jedoch nicht, weil er von einem vierwöchentlichen Therapieintervall
ausging (wobei er jedoch ebenfalls wöchentliche Therapiesitzungen empfahl).
Auch machte er keine Angaben dazu, weshalb die von den Fachleuten des Instituts
D.________ und med. pract. C.________ vorgeschlagenen weiteren Behandlungen
nicht zu einer Besserung führen könnten. Mit Blick auf die Verwertbarkeit
dieses Gutachtens unter der geänderten Rechtsprechung gilt es ausserdem zu
beachten, dass Dr. med. F.________ von der Krankentaggeldversicherung mit der
medizinischen Beurteilung der laufenden Arbeitsunfähigkeit beauftragt worden
war. Sein Fokus war daher ein anderer als bei einer Beurteilung im Rahmen der
Prüfung eines invalidenversicherungsrechtlichen Rentenanspruchs, so dass seine
Einschätzung betreffend die (mindestens im Beurteilungszeitpunkt, eventuell
auch längerfristig) aufgehobene medizinisch-theoretische Arbeitsfähigkeit nicht
ohne Weiteres übernommen werden kann.  
 
 
5.3. Im Rahmen der Indikatorenprüfung behalten die Ausführungen der Vorinstanz
zur Therapieresistenz (vgl. BGE 141 V 281 E. 4.3.1.2 S. 299 ff.) ihre
Gültigkeit. Zu den weiteren Indikatoren lässt sich den Akten Folgendes
entnehmen: Mit Bezug auf den Gesundheitsschaden (vgl. BGE 141 V 281 E. 4.3.1.1
S. 298 f.) ist zunächst festzuhalten, dass sowohl die behandelnden Ärztinnen
als auch der Gutachter einhellig von einer mittelgradigen depressiven Episode
(ICD-10 F.32.1) ausgehen, die seit mittlerweile mehr als drei Jahren andauert,
wobei die behandelnde Psychiaterin von einer anfänglich schweren depressiven
Episode berichtet. Anzeichen für eine Aggravation oder Simulation stellte der
Gutachter keine fest. Mit Blick auf die Entstehung der Krankheit ergibt sich
aus den Unterlagen, dass die Beschwerdeführerin krankgeschrieben wurde, nachdem
sie am 25. März 2014 die (ihrer Ansicht nach ungerechtfertigte) Kündigung des
Arbeitsverhältnisses erhalten hatte. Hinsichtlich allfälliger Komorbiditäten
spricht die behandelnde Ärztin von einer posttraumatischen Belastungsstörung
(PTBS; ICD-10 F43.1) nach körperlicher Gewalt und emotionaler Verwahrlosung in
der Kindheit, und auch die Fachleute des Instituts D.________ und Dr. med.
F.________ äusserten einen ähnlichen Verdacht. Jedoch fehlen weitere Angaben
hierzu, so dass weder zu dieser Diagnose noch zu deren allfälligen Auswirkungen
auf die Ressourcen der Beschwerdeführerin gesicherte Aussagen möglich sind
(vgl. BGE 141 V 281 E. 4.3.1.3 S. 300 f.). Im Komplex Persönlichkeit
diagnostizierten die Fachleute des Instituts D.________ eine Akzentuierung von
Persönlichkeitszügen mit histrionischen Anteilen seit der Kindheit/Jugend
(ICD-10 Z73.1). Dabei handelt es sich zwar, wie die Vorinstanz zutreffend
ausführt, um eine Z-Kodierung, die als solche nicht unter den Begriff des
rechtserheblichen Gesundheitsschadens fällt (vgl. Urteil 8C_588/2015 vom 22.
Dezember 2015 E. 4.2.4). Allerdings kann ein solcher Faktor den
Gesundheitszustand und das Leistungsvermögen ebenfalls beeinflussen. Auch
hierzu lässt sich den Akten keine zuverlässige Aussage entnehmen (vgl. BGE 141
V 281 E. 4.3.2 S. 302). Weiter gilt es im sozialen Kontext (vgl. BGE 141 V 218
E. 4.3.3 S. 303) zu beachten, dass die Betreuung der drei Kinder, von denen das
erste mit einem Sauerstoffmangel und das zweite als Frühgeburt zur Welt
gekommen sei, während das dritte eine retardierte Entwicklung aufweise, die
Beschwerdeführerin offenbar stark in Anspruch nimmt. Doch werde sie von ihren
Familienangehörigen unterstützt. Unter dem Aspekt der Konsistenz (BGE 141 V 281
E. 4.4 S. 303 f.) lassen sich der Schilderung des Tagesablaufs gewisse
Einschränkungen in der Haushaltsführung und in den Alltagsaktivitäten
entnehmen. So sei sie schnell erschöpft und vergesse gelegentlich Termine. In
diesem Zusammenhang ist sodann einerseits erneut darauf hinzuweisen, dass die
Beschwerdeführerin nicht alle ihr zumutbaren und empfohlenen therapeutischen
Möglichkeiten in Anspruch nimmt, was auch auf invaliditätsfremde Faktoren wie
die Belastung durch Haushalt und Kinderbetreuung zurückzuführen ist.
Andererseits zeugt der Umstand, dass sie sich immerhin im Wochenrhythmus
psychiatrisch-psychotherapeutisch behandeln lässt und die verordneten
Medikamente einnimmt, doch von einem gewissen Leidensdruck.  
 
5.4. Zusammenfassend bestehen zwar starke Anhaltspunkte gegen eine
Therapieresistenz; zudem scheinen auch gewisse Ressourcen vorhanden zu sein;
allerdings sprechen verschiedene Umstände für eine reduzierte
Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin und damit eher für einen
invalidisierenden Gesundheitsschaden. Schlüssige medizinische Ausführungen, die
eine zuverlässige Beurteilung der Arbeitsfähigkeit im nunmehr anzuwendenden
strukturierten Beweisverfahren nach BGE 141 V 208 erlauben würden, liegen somit
nicht vor. Die Sache ist daher an die Verwaltung zurückzuweisen, damit sie ein
den Grundsätzen von BGE 141 V 281 entsprechendes psychiatrisches Gutachten
einhole, wobei auf die Fragen nach Therapieerfolg bzw. -resistenz und nach
invaliditätsfremden psychosozialen und soziokulturellen Faktoren ein besonderes
Augenmerk zu richten sein wird. Gestützt auf dieses Gutachten wird sie in
Berücksichtigung des gesundheitlichen Verlaufs erneut über die Sache zu
entscheiden haben.  
 
6.   
Die Rückweisung der Sache zu erneuter Abklärung gilt für die Frage der
Auferlegung der Gerichtskosten sowie der Parteientschädigung als vollständiges
Obsiegen im Sinn von Art. 66 Abs. 1 und, Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG (Art. 68 Abs.
2 BGG; BGE 141 V 281 E. 11.1 S. 312). Mithin hat die unterliegende IV-Stelle
die Gerichtskosten zu tragen und der Beschwerdeführerin eine
Parteientschädigung auszurichten. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 28. Februar 2017 und die
Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 29. Januar 2016 werden
aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verfügung an die IV-Stelle des Kantons
Zürich zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Die Sache wird zur Neuverlegung der Gerichtskosten und der Parteientschädigung
des vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich zurückgewiesen. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 1. Februar 2018 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Betschart 

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