Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.262/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
8C_262/2017        

Urteil vom 8. August 2017

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterinnen Heine, Viscione,
Gerichtsschreiberin Betschart.

Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
vertreten durch AXA-ARAG Rechtsschutz AG,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Rückerstattung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 22. März 2017.

Sachverhalt:

A. 
Der 1969 geborene A.A.________ war von August 1989 bis Februar 2008 mit
B.A.________ (heute: B.B.________) verheiratet. Mit Verfügung vom 25. Januar
2012 gewährte die IV-Stelle des Kantons Zürich (im Folgenden: IV-Stelle)
B.B.________ basierend auf einem Invaliditätsgrad von 78 % mit Wirkung ab 1.
Mai 2010 eine ganze Invalidenrente sowie akzessorische Kinderrenten für die
beiden Kinder, Sohn C.A.________ und Tochter D.A.________, die sich noch in
Ausbildung befanden. Da beide Kinder beim Vater lebten, wurden diesem die
Kinderrenten ausbezahlt.
Im Rahmen eines ab Ende 2012 von Amtes wegen durchgeführten Revisionsverfahrens
bestätigte die IV-Stelle den unveränderten Anspruch der B.B.________ auf eine
ganze Rente mit Schreiben vom 17. August 2015. Nach Durchführung des
Vorbescheidverfahrens forderte die IV-Stelle mit Verfügung vom 29. Januar 2016
von A.A.________ die Rückerstattung von zu viel ausgerichteten Kinderrenten in
der Höhe von Fr. 21'454.- mit der Begründung, sie habe erst im Oktober 2015
bemerkt, dass die Rente für seine Tochter fälschlicherweise immer noch
ausbezahlt werde, obwohl die Tochter ihre Ausbildung bereits im August 2013
abgeschlossen habe und der Anspruch auf Kinderrente daher im August 2013
geendet habe.

B. 
Mit Entscheid vom 22. März 2017 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich die dagegen erhobene Beschwerde ab.

C. 
A.A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen.
Er beantragt, der Entscheid vom 22. März 2017 sei aufzuheben und die
Rückforderung der ab 1. September 2013 zu Unrecht ausgerichteten Kinderrenten
zufolge Verjährung (Verwirkung) abzuschreiben.
Das Bundesgericht holte die vorinstanzlichen Akten ein. Ein Schriftenwechsel
wurde nicht durchgeführt.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es -
unter Beachtung der Begründungspflicht nach Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG -
grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 247 E. 1.6 S.
280 mit Hinweisen). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann
eine - für den Ausgang des Verfahrens entscheidende (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) -
Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Es steht fest und ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer die von der
Beschwerdegegnerin zurückgeforderten Kinderrenten von September 2013 bis
Oktober 2015 in der Höhe von Fr. 21'454.- zu Unrecht bezog, nachdem die Tochter
ihre Ausbildung im August 2013 abgeschlossen hatte, und er diesen Betrag daher
im Sinne von Art. 25 Abs. 1 ATSG - vorbehältlich eines Erlasses - grundsätzlich
zurückzuerstatten hat. Streitig und zu prüfen ist, ob die
Rückerstattungsforderung nach Art. 25 Abs. 2 ATSG verwirkt ist.

3.

3.1. Gemäss Art. 25 Abs. 2 erster Satz ATSG erlischt der Rückforderungsanspruch
mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Versicherungseinrichtung davon
Kenntnis erhalten hat, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Jahren nach der
Entrichtung der einzelnen Leistung. Bei den genannten Fristen handelt es sich
um Verwirkungsfristen (BGE 140 V 521 E. 2 S. 525 mit Hinweisen). Nach der
Rechtsprechung ist für den Beginn der relativen einjährigen Verwirkungsfrist (
BGE 133 V 579 E. 4.1 S. 582) nicht das erstmalige unrichtige Handeln und die
daran anknüpfende unrechtmässige Leistungsausrichtung massgebend. Abzustellen
ist vielmehr auf jenen Tag, an dem der Versicherungsträger später bei der ihm
gebotenen und zumutbaren Aufmerksamkeit den Fehler hätte erkennen können
("Wahrnehmung der Unrichtigkeit der Leistungsausrichtung aufgrund eines
zusätzlichen Indizes"; BGE 122 V 270 E. 5b/aa S. 276) - oder erkannt hat - und
dass die Voraussetzungen für eine Rückerstattung gegeben sind (vgl. auch BGE
140 V 521 E. 2.1 S. 525; 139 V 6 E 4.1 S. 8). Dies ist der Fall, wenn alle im
konkreten Einzelfall erheblichen Umstände zugänglich sind, aus deren Kenntnis
sich der Rückforderungsanspruch dem Grundsatz nach und in seinem Ausmass
gegenüber einer bestimmten rückerstattungspflichtigen Person ergibt (Urteil
9C_195/2014 vom 3. September 2014 E. 2.1 in: SVR 2015 IV Nr. 5 S. 10 mit
Hinweisen).

3.2. Verfügt der Versicherungsträger (oder das Durchführungsorgan) über
genügende Hinweise auf einen möglichen Rückforderungsanspruch, sind die
Unterlagen aber noch unvollständig, hat er die noch erforderlichen Abklärungen
innert angemessener Zeit vorzunehmen. Bei Säumnis ist der Beginn der
Verwirkungsfrist auf den Zeitpunkt festzusetzen, in welchem die Verwaltung mit
zumutbarem Einsatz ihre unvollständige Kenntnis so zu ergänzen im Stande
gewesen wäre, dass der Rückforderungsanspruch hätte geltend gemacht werden
können (Urteil 9C_447/2016 vom 1. März 2017 E. 4.2.2 m.H. auf Urteil 9C_999/
2009 vom 7. Juni 2010 E. 3.2.2, in: SVR 2011 EL Nr. 7 S. 21).

4. 

4.1. Gestützt auf die Akten und die unbestrittene Darstellung des
Beschwerdeführers erstellte die Vorinstanz folgenden zeitlichen Ablauf: Die
Beschwerdegegnerin habe den Lehrvertrag der Tochter des Beschwerdeführers
erstmals am 7. November 2011 im Rahmen der Rentenzusprache zu den Akten
genommen. Daraus ergebe sich eine voraussichtliche Ausbildungsdauer vom 2.
August 2010 bis 1. August 2013. Der Vertrag sei am 12. Juli 2012 ein zweites
Mal in die Akten aufgenommen worden. Gemäss den Ausführungen des
Beschwerdeführers habe die Beschwerdegegnerin damals die Kinderrente für die
Tochter zufolge Ausbildungsende per Ende August 2012 einstellen wollen, doch
habe der Beschwerdeführer sie darauf hingewiesen, dass die Ausbildung erst im
August 2013 enden werde. Im Rahmen des Rentenrevisionsverfahrens, welches im
November 2012 eingeleitet worden sei, habe die Beschwerdegegnerin Ende Oktober
2015 bemerkt, dass weiterhin monatlich eine Kinderrente für die Tochter
ausbezahlt werde und den Beschwerdeführer angefragt, ob sich seine Tochter
weiterhin in Ausbildung befinde. Dieser habe anlässlich einer persönlichen
Vorsprache am 28. Oktober 2015 mitgeteilt, dass sich seine Tochter seit
September 2013 nicht mehr in Ausbildung befinde.

4.2. In Würdigung dieses Hergangs hielt das kantonale Gericht fest, dass aus
der zweifachen Einreichung des Lehrvertrags nicht geschlossen werden dürfe, die
Beschwerdegegnerin hätte bereits in diesen Zeitpunkten Kenntnis des
Rückforderungsanspruchs erhalten. Auch hätten sich keine Abklärungen über den
Bildungsweg der Tochter aufgedrängt, zumal sich die Tochter damals noch in
Ausbildung befunden und mindestens ein weiteres Lehrjahr habe absolvieren
müssen. Des Weiteren führte die Vorinstanz aus, dass es genügt hätte, wenn die
Beschwerdegegnerin die Frage betreffend die Ausbildung der Tochter während des
im November 2012 eingeleiteten Revisionsverfahrens geprüft hätte. Der
frühestmögliche Zeitpunkt, in dem die Beschwerdegegnerin bei der gebotenen
Aufmerksamkeit Kenntnis vom Rückforderungsanspruch hätte haben können, könne
somit der Abschluss des Revisionsverfahrens sein, mithin der Erlass der
Verfügung vom 17. August 2015. Die massgebliche Frist habe daher frühestens ab
diesem Datum zu laufen begonnen und sei mit Erlass des Vorbescheids am 11.
November 2015 gewahrt worden.

5.

5.1. Der Beschwerdeführer beruft sich vor Bundesgericht erstmals auf ein
Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 3. Juli 2014, in dem ihm mitgeteilt worden
sei, dass die Ausbildung seines Sohnes im August 2014 ende und die Kinderrente
zur IV-Rente seiner früheren Gattin daher im August 2014 letztmals ausbezahlt
werde. Daraus will er ableiten, dass die Beschwerdegegnerin den Fehler
betreffend die Kinderrente für die Tochter mit der gebotenen Aufmerksamkeit
bereits im Juli 2014 hätte feststellen und korrigieren können. Der Beginn der
Verwirkungsfrist sei daher auf den 3. Juli 2014 festzulegen, womit der Anspruch
auf Rückerstattung der zu Unrecht bezogenen Kinderrenten verwirkt sei.

5.2. Damit macht der Beschwerdeführer eine neue Tatsache bzw. ein neues
Beweismittel geltend. Solche neuen Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit
vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt
(unechte Noven; Art. 99 Abs. 1 BGG), was in der Beschwerde näher darzulegen ist
(Urteil 8C_794/2016 vom 28. April 2017 E. 2.3.1 mit Hinweis). Der
Beschwerdeführer zeigt allerdings nicht auf, inwiefern erst der angefochtene
Entscheid ihn dazu bewogen hätte, sich auf diesen Umstand zu berufen, oder dass
ihm dies in den vorhergehenden Verfahrensstadien trotz hinreichender Sorgfalt
prozessual unmöglich bzw. objektiv unzumutbar gewesen wäre (vgl. Urteil 8C_71/
2016 vom 1. Juli 2016 E. 2.2.3 mit Hinweisen).
Das Vorbringen ist daher als unechtes Novum nicht beachtlich. Selbst wenn es
aber, entgegen dem eben Gesagten, zu berücksichtigen wäre, könnte der
Beschwerdeführer daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten, gebietet es die von
einer IV-Stelle zu erwartende Sorgfalt doch nicht, dass bei der Überprüfung der
Berechtigung einer einzelnen Zusatzrente stets auch die Rechtmässigkeit aller
anderen Zusatzrenten zu kontrollieren wäre.

5.3. Abgesehen davon ficht der Beschwerdeführer die Sachverhaltsfeststellungen
der Vorinstanz nicht an, sondern bestätigt diese im Wesentlichen. Im Übrigen
erweist sich die rechtliche Würdigung durch das kantonale Gericht als
zutreffend, so dass die Beschwerde abzuweisen ist.

6. 
Die offensichtlich unbegründete Beschwerde wird im vereinfachten Verfahren nach
Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG - mit summarischer Begründung unter Verweis auf den
kantonalen Entscheid (Art. 102 Abs. 1 und Art. 109 Abs. 3 BGG) - erledigt.

7. 
Die Kosten des Verfahrens sind vom unterliegenden Beschwerdeführer zu tragen
(Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 8. August 2017

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Betschart

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