Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.260/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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8C_260/2017            

 
 
 
Urteil vom 1. Dezember 2017  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiberin Polla. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin MLaw Stephanie C. Elms, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom
1. März 2017 (VBE.2016.712). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________ meldete sich erstmals 2006 bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Gestützt auf ein polydisziplinäres Gutachten vom 9. November
2009 des ABI Ärztliches Begutachtungsinstitut GmbH verneinte die Verwaltung den
Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung (Verfügung vom 19. Juli
2010). Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des
Kantons Aargau mit Entscheid vom 15. September 2011 ab. Das Bundesgericht
bestätigte die Rentenabweisung mit Urteil 8C_861/2011 vom 8. Juni 2012.  
 
A.b. Am 31. Oktober 2013 meldete sich A.________ erneut bei der
Invalidenversicherung an und machte eine Verschlechterung des
Gesundheitszustands geltend. Die IV-Stelle trat auf das Begehren ein und
tätigte Abklärungen in erwerblicher und medizinischer Hinsicht. Nach Einholung
eines polydisziplinären Gutachtens des Swiss Medical Assessment- and Business
Center (SMAB) vom 30. Mai 2016 und einer ergänzenden
psychiatrischen-gutachterlichen Beurteilung durch das SMAB vom 17. August 2016
verneinte die IV-Stelle mit Verfügung vom 17. Oktober 2016 einen Rentenanspruch
abermals.  
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau mit Entscheid vom 1. März 2017 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde führen und beantragen, es seien ihr Leistungen nach
IVG zuzusprechen, eventualiter sei die Sache zwecks Neubeurteilung an die
Vorinstanz zur Einholung eines Gerichtsgutachtens zurückzuweisen. Ferner
ersucht sie um unentgeltliche Rechtspflege. 
Das Bundesgericht führt keinen Schriftenwechsel durch. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG
; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist
aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der
angefochtene Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell-
und beweisrechtlichen Grundlagen (u.a.) Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a
BGG), einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften
Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht zu Recht die Verfügung vom
17. Oktober 2016, wonach kein Rentenanspruch besteht, bestätigte. 
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz erkannte gestützt auf BGE 125 V 351 E. 3a und BGE 134 V 231
E. 5.1, dass dem umstrittenen psychiatrischen Teilgutachten der Dr. med.
B.________, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 26. April 2016
volle Beweiskraft zuzuerkennen sei. Die am 16. Juni 2016 erstatteten neuen
Qualitätsrichtlinien für versicherungspsychiatrische Gutachten der
Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP) änderten
daran nichts. Demnach leide die Versicherte an einer depressiven Störung,
gegenwärtig leichtgradige bis mittelgradige Episode, ohne somatisches Syndrom
(ICD-10 F32.10), an einer Benzodiazepinabhängigkeit (ICD-10 F13.2), an einer
akzentuierten Persönlichkeit mit schizotypen-dependenten Anteilen (ICD-10 Z73),
an einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren
(ICD-10 F45.41) sowie an einer bekannten Essstörung im Sinne einer Bulimie/
Anorexie, zurzeit remittiert (ICD-10 F50). Das kantonale Gericht stellte auf
die von den Gutachtern aus polydisziplinärer, aber insbesondere psychiatrischer
Sicht attestierte 80%ige Arbeitsfähigkeit in der angestammten wie auch in einer
leidensangepassten Tätigkeit ab und bestätigte die rentenverneinende Verfügung
vom 17. Oktober 2016.  
 
3.2. Beschwerdeweise wird vor Bundesgericht erneut eine Verletzung des
Untersuchungsgrundsatzes nach Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG geltend
gemacht. Das Bundesgericht habe mit BGE 141 V 281 erkannt, die im Urteil
aufgestellten Indikatoren seien lediglich subsidiär zu den Qualitätsleitlinien
für psychiatrische Gutachten in der Eidgenössischen Invalidenversicherung der
Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP)
anzuwenden. Des Weiteren rügt die Beschwerdeführerin, die SMAB-Gutachter hätten
sich nicht mit den Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Diagnosen
auseinandergesetzt. Zudem hätte mindestens eine mittelgradige bis schwere
depressive Störung diagnostiziert und folglich eine höhere Arbeitsunfähigkeit
attestiert werden müssen.  
 
3.3. Die Vorinstanz hielt richtig fest, dass mit den Indikatoren der Rahmen der
normativ massgeblichen Gesichtspunkte gesteckt wurde, innerhalb welchem die
Begutachtungspraxis durch konkretisierende Leitlinien der medizinischen
Fachgesellschaften angeleitet werden soll (BGE 141 V 281 E. 5.1.2 S. 305). Die
Rechtsprechung hat die Qualitätsleitlinien als anerkannten Standard für eine
sachgerechte und rechtsgleiche (versicherungs-) psychiatrische Begutachtung
bezeichnet. Sie verstehen sich als Empfehlung, wovon im begründeten Einzelfall
abgewichen werden kann. Ein sich formal und inhaltlich nach den Leitlinien
richtendes Gutachten soll demnach den Regelfall bilden. Als Standard bei der
Begutachtung sind die Leitlinien dem Rechtsanwender bei der Beurteilung der
Gutachtensqualität nützlich (BGE 140 V 260 E. 3.2.2 S. 262 mit Hinweisen;
9C_276/2016 vom 19. August 2016 E. 3.2). Sie sollen die gutachterliche
Ermessensausübung strukturieren und diese - insbesondere für die
Rechtsanwendung - nachvollziehbar machen (HANS-JAKOB MOSIMANN, Beitrag der
Leitlinien für die Rechtsprechung, SZS 2016 S. 512 f.). Die neuen Leitlinien
der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP) vom
16. Juni 2016 können die Indikatoren für eine strukturierte Beurteilung des
Beweisthemas somit nicht überholen.  
Vorliegend datiert das Gutachten vom 30. Mai 2016, wobei die psychiatrische
Untersuchung bereits am 19. Februar 2016 stattgefunden hatte. Dass das
Gutachten nicht nach den neuen Leitlinien verfasst worden ist, begründet nach
dem Gesagten keine Verletzung von Bundesrecht. Ein Gutachten verliert nicht
automatisch seine Beweiskraft, wenn es sich nicht an diese anlehnt oder - wie
hier - noch gar nicht anlehnen konnte. Der Nichtbefolgung der
Begutachtungsleitlinien ist aber bei der Beurteilung des Beweiswertes Rechnung
zu tragen, wobei massgebend bleibt, ob ein Gutachten gesamthaft gesehen
nachvollziehbar begründet und überzeugend ist. 
 
4.  
 
4.1. Die weiteren Rügen betreffen die Frage, wie ein Gutachten, das den
einschlägigen Indikatoren von BGE 141 V 281 folgt, der Beweiswürdigung
zuzuführen ist.  
 
4.2.  
 
4.2.1. Zunächst sind die allgemeinen beweisrechtlichen Anforderung an ein
ärztliches Gutachten zu beachten: Bei der Beurteilung der Arbeits (un)
fähigkeit stützt sich die Verwaltung und im Beschwerdefall das Gericht auf
Unterlagen, die von ärztlichen und gegebenenfalls auch anderen Fachleuten zur
Verfügung zu stellen sind. Ärztliche Aufgabe ist es, den Gesundheitszustand zu
beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher
Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsfähig ist. Hinsichtlich des
Beweiswertes eines Arztberichtes ist entscheidend, ob dieser für die streitigen
Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die
geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese)
abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge sowie
der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen der
Experten begründet sind (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352
mit Hinweis).  
 
4.2.2. Den im Rahmen des Verwaltungsverfahrens eingeholten Gutachten von
externen Spezialärzten, welche auf Grund eingehender Beobachtungen und
Untersuchungen sowie nach Einsicht in die Akten Bericht erstatten und bei der
Erörterung der Befunde zu schlüssigen Ergebnissen gelangen, ist bei der
Beweiswürdigung Beweiskraft zuzuerkennen, solange nicht konkrete Indizien gegen
die Zuverlässigkeit der Expertise sprechen (BGE 125 V 351 E. 3b/bb S. 353;
Urteil 9C_278/2016 vom 22. Juli 2016 E. 3.2.2). Werden bei deren Anordnung
Beteiligungsrechte der versicherten Person (vgl. insbesondere BGE 137 V 210 E.
3.4.2.9 S. 258; 139 V 349 E. 5.4 S. 357) verletzt, so machen bereits relativ
geringe Zweifel an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der Expertise eine
neue Begutachtung erforderlich (BGE 139 V 99 E. 2.3.2 S. 103). Zweck eines
interdisziplinären Gutachtens ist es, alle relevanten gesundheitlichen
Beeinträchtigungen zu erfassen und die sich daraus je einzeln ergebenden
Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit in ein Gesamtergebnis zu bringen (BGE 137
V 210 E. 1.2.4 S. 224; SVR 2008 IV Nr. 15 S. 43, I 514/06 E. 2.1). Die Frage,
ob ein Gutachten beweiskräftig ist oder nicht, beurteilt sich danach, ob sich
gestützt auf die Expertise die rechtsrelevanten Fragen beantworten lassen oder
nicht. Mit anderen Worten verletzt das Abstellen auf ein polydisziplinäres
Gutachten Art. 43 Abs. 1 ATSG nicht allein schon deshalb, weil einem
Teilgutachten oder der Gesamtbeurteilung der Beweiswert abgesprochen wird.
Daher darf bei einem polydisziplinären Gutachten auf beweiskräftige
Teilgutachten abgestellt werden, die mit der - ohne Konsensbesprechung
erfolgten - interdisziplinären Gesamtwürdigung im Hauptgutachten nicht
übereinstimmen (BGE 143 V 124 E. 2.2.4).  
 
4.2.3. Für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit bei psychischen Störungen (vgl.
dazu das zur Publikation vorgesehene Urteil 8C_130/2017 vom 30. November 2017)
definiert zudem das für somatoforme Leiden entwickelte strukturierte
Beweisverfahren systematisierte Indikatoren, die - unter Berücksichtigung
leistungshindernder äusserer Belastungsfaktoren einerseits und von
Kompensationspotentialen (Ressourcen) anderseits - erlauben, das tatsächlich
erreichbare Leistungsvermögen einzuschätzen (BGE 141 V 281 E. 2 S. 285 ff., E.
3.4 bis 3.6 und 4.1 S. 291 ff.).  
 
4.2.4. Neben den durch den Rechtsanwender zu prüfenden allgemeinen
beweisrechtlichen Vorgaben (E. 4.2.1 u. 4.2.2) ergibt sich daher aus BGE 141 V
281 Folgendes: Die ärztliche Arbeitsfähigkeitsschätzung, zumindest ohne
einlässliche Befassung mit den spezifischen normativen Vorgaben und ohne
entsprechende Begründung, kann zwar den rechtlich geforderten Beweis des
Vorliegens einer Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 Abs. 2 ATSG) nicht erbringen, weil
sie weitgehend vom Ermessen des medizinisch-psychiatrischen Sachverständigen
abhängt. Die medizinische Einschätzung der Arbeitsfähigkeit ist aber eine
wichtige Grundlage für die anschliessende juristische Beurteilung der Frage,
welche Arbeitsleistung der versicherten Person noch zugemutet werden kann (BGE
140 V 193 E. 3.2 S. 195). Dabei gilt, dass die versicherte Person als
grundsätzlich gesund anzusehen ist und sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen
kann (vgl. BGE 141 V 281 E. 3.7.2 S. 295 f.). Hinsichtlich der Beurteilung der
Arbeitsfähigkeit haben sich sowohl die medizinischen Sachverständigen als auch
die Organe der Rechtsanwendung bei ihrer Einschätzung des Leistungsvermögens an
den normativen Vorgaben zu orientieren; die Gutachter im Idealfall gemäss der
entsprechend formulierten Fragestellung (BGE 141 V 281 E. 5.2 S. 306 f.). Die
Rechtsanwender prüfen die medizinischen Angaben frei insbesondere daraufhin, ob
die Ärzte sich an die massgebenden normativen Rahmenbedingungen gehalten haben
und ob und in welchem Umfang die ärztlichen Feststellungen anhand der
rechtserheblichen Indikatoren auf Arbeitsunfähigkeit schliessen lassen (Urteil
8C_130/2017 vom 30. November 2017 E. 6, zur Publikation vorgesehen). Im Rahmen
der Beweiswürdigung obliegt es den Rechtsanwendern zu überprüfen, ob in
concreto ausschliesslich funktionelle Ausfälle bei der medizinischen
Einschätzung berücksichtigt wurden und ob die Zumutbarkeitsbeurteilung auf
einer objektivierten Grundlage erfolgte (BGE 141 V 281 E. 5.2.2; Art. 7 Abs. 2
ATSG). Eine rentenbegründende Invalidität ist nur dann anzunehmen, wenn
funktionelle Auswirkungen medizinisch anhand der Indikatoren schlüssig und
widerspruchsfrei festgestellt sind und somit den versicherungsmedizinischen
Vorgaben Rechnung getragen wurde (BGE 141 V 281 E. 6 S. 307 f.).  
 
4.2.5. Gelangt der Rechtsanwender nach dieser Beweiswürdigung zum Schluss, ein
Gutachten erfülle sowohl die mit BGE 141 V 281 definierten
versicherungsmedizinischen Massstäbe wie auch die allgemeinen rechtlichen
Beweisanforderungen (E. 4.2.1 u. 4.2.2 hiervor), ist es beweiskräftig und die
darin formulierten Stellungnahmen zur Arbeitsfähigkeit sind zu übernehmen. Eine
davon losgelöste juristische Parallelüberprüfung nach Massgabe des
strukturierten Beweisverfahrens soll nicht stattfinden (BGE 141 V 281 E. 5.2.3;
vgl. auch ANDREAS TRAUB, in: Ueli Kieser [Hrsg.],
Sozialversicherungsrechtstagung 2016, S. 142 Ziff. 3.3.3).  
 
5.  
 
5.1. Vor kantonalem Gericht wurde gerügt, die psychiatrische Gutachterin habe
sich zu wenig mit der Wechselwirkung der verschiedenen Diagnosen befasst und es
habe keine Auseinandersetzung mit der Diagnose einer anhaltenden somatoformen
Schmerzstörung stattgefunden. Zudem hätte eher eine mittelgradige bis schwere
Depression diagnostiziert werden müssen. Diesen Einwendungen begegnete die
Vorinstanz mit dem Argument, nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung (
Art. 61 lit. c ATSG) und gemäss der Rechtsprechung betreffend die Beweiskraft
medizinischer Berichte und Gutachten sei das psychiatrische Teilgutachten
schlüssig und daher voll beweiskräftig.  
 
5.2.  
 
5.2.1. Soweit sich diese auch vor Bundesgericht vorgetragen Rügen nicht ohnehin
auf eine unzulässige appellatorische Kritik beschränken, vermögen sie im Rahmen
der eingeschränkten Kognition nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen (E. 1
und 4.2). Die gestützt auf die gutachtlichen Angaben und Schlussfolgerungen
getroffenen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz zur Arbeitsfähigkeit
sind nicht offensichtlich unrichtig (willkürlich) oder sonstwie
rechtsverletzend, was beschwerdeweise auch nicht geltend gemacht wird. Sie
binden das Bundesgericht daher. Zwar fielen die Ausführungen zu den einzelnen
einschlägigen Indikatoren in der Expertise knapp aus. Mit den jeweiligen
Verweisen auf das restliche Gutachten und der zusätzlichen gutachtlichen
Stellungnahme vom 17. August 2016 ergibt sich jedoch ein schlüssiges
Gesamtbild, das, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, eben gerade
seinen Niederschlag in der Diagnosestellung und der attestierten
Arbeitsunfähigkeit von lediglich 20 % fand. Die Psychiaterin diagnostizierte
eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10
F45.41) ohne Relevanz für die Arbeitsfähigkeit. Sie gab dazu an, unter
Berücksichtigung einer Wechselwirkung zwischen der akzentuierten Persönlichkeit
einerseits und dem chronischen Schmerzsyndrom andererseits sei es zu einer
vermehrt nach innen gerichteten Selbstwahrnehmung, zu einer dysfunktionalen
Schmerzbewältigung und zu einer Selbstlimitierung gekommen, was die
Arbeitsfähigkeit aber nicht einschränke. Eine schwere psychische Störung sei zu
verneinen. Eine somatische Komorbidität fehle. Die in der Beschwerde
diesbezüglich aufgeführte Essstörung war im Gutachtenszeitpunkt remittiert. In
der medizinischen Stellungnahme vom 17. August 2016 führten die Gutachter
ergänzend aus, im Sinn einer Gesamtbetrachtung der Wechselwirkungen und
sonstigen Bezüge der Schmerzstörung zu sämtlichen begleitenden
krankheitswertigen Störungen könnten sich die körperlichen Erkrankungen im
Verlauf durch eine nicht suffizient behandelte Depression verschlechtern. Die
positiven Ergebnisse der ambulanten Therapie im Jahr 2006/2007 mit damals
ersichtlichen Bewältigungsstrategien sowie die aktuell fehlenden Hinweise auf
eine Persönlichkeitsstörung seien als Ressourcen zu werten. Als
ressourcenhemmend gelte die unbehandelte depressive Störung, gegenwärtig
leichtgradige bis mittelgradige Episode (ICD-10 F32.10).  
Mit diesen ergänzenden Darlegungen haben sich die Experten genügend mit den
Wechselwirkungen zwischen bestehenden Störungen auseinandergesetzt. Sie legten
schlüssig dar, warum hieraus insgesamt lediglich eine Einschränkung von 20 %
resultierte, indem sie angaben, diese beziehe sich auf die Defizite bezüglich
der Handlungsplanung und -energie sowie der Übersichtsfähigkeit vor dem
Hintergrund eines leicht bis mittelschwer verminderten Antriebs. Der
psychischen Störung fehlt es damit am erforderlichen funktionellen Schweregrad,
um sich auf die Arbeitsfähigkeit auszuwirken. 
 
5.2.2. Zur Kritik, es läge eine mittelgradige bis schwere und nicht bloss eine
gegenwärtig leicht- bis mittelgradige depressive Störung vor, ist nochmals
festzuhalten, dass grundsätzlich die begutachtende Arztperson zuständig ist für
die Beschreibung des Gesundheitszustands und Stellung der Diagnosen (vgl. E.
4.2.4 hiervor mit Verweis auf BGE 140 V 193 E. 3.2 S. 195). In diesem
Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigen, dass die psychiatrische Exploration
von der Natur der Sache her nicht ermessensfrei erfolgen kann und dem oder der
medizinischen Sachverständigen deshalb praktisch immer einen gewissen Spielraum
eröffnet, innerhalb welchem verschiedene Interpretationen möglich, zulässig und
im Rahmen einer Exploration lege artis zu respektieren sind (vgl. statt vieler
Urteil 9C_353/2015 vom 24. November 2015 E. 4.1; vgl. zum Ganzen Urteil 9C_634/
2015 vom 15. März 2016 E. 6.1).  
 
5.2.3. Gemäss der Gutachterin imponierten im psychopathologischen
Beschwerdebild bei beklagten Schlafstörungen, Antriebsmangel,
Stimmungsschwankungen, niedriger emotionaler Belastbarkeit, affektiver
Labilität und bei Beeinträchtigung des Durchhaltevermögens eine eingeschränkte
Modulationsfähigkeit bei subdepressiver Stimmungslage und vermindertem Antrieb.
Indem die Versicherte ausführt, es lägen damit mehr als vier der für eine
leichte depressive Episode typischen Symptome vor, vermag dies die
diagnostische Einordnung der depressiven Störung im Gutachten nicht stichhaltig
in Frage zu stellen. Zum einen hängt die Bezeichnung einer depressiven Episode
als leicht, mittelgradig oder schwer nicht nur von der Anzahl der Symptome ab,
sondern auch von deren Schwere. Eine leichte depressive Episode muss dabei -
gemäss den Kriterien der ICD-10 - mindestens vier der aufgeführten Symptome
aufweisen. Die Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode verlangt eine
Gesamtzahl von mindestens sechs oder sieben Symptomen und eine schwere
depressive Episode eine Gesamtzahl von mindestens acht Symptomen (vgl. Dilling/
Freyberger [Hrsg.], Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer
Störungen, 8. Aufl. 2016, S. 132 ff.). Die von der Vorinstanz auf der Grundlage
dieses Gutachtens getroffene Tatsachenfeststellung zum Schweregrad der
depressiven Störung erscheint folglich bundesrechtskonform. Hervorzuheben ist
dabei, dass beschwerdeweise die Einschätzung des Leistungsvermögens der
psychiatrischen Gutachterin anhand der Indikatoren nicht ansatzweise in Frage
gestellt wurde. Inwiefern die am 19. Februar 2016 durch die Expertin erhobenen
Befunde falsch und ihre Beurteilung nicht hinreichend schlüssig und die darauf
abstellende Beweiswürdigung der Vorinstanz folglich willkürlich sein soll,
vermag die Beschwerdeführerin nicht überzeugend aufzuzeigen. Das kantonale
Gericht durfte dem psychiatrischen Teilgutachten des SMAB volle Beweiskraft
beimessen, da sich die Expertise an die massgebenden normativen Vorgaben von
BGE 141 V 281 hielt; die Schlussfolgerungen zu den funktionellen
Einschränkungen sowie die Zumutbarkeitsbeurteilung sind in sich
widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Damit besteht aus medizinischer und
rechtlicher Sicht keine invalidenversicherungsrechtlich relevante Einschränkung
der Arbeitsfähigkeit, weshalb das kantonale Gericht zu Recht die
rentenablehnende Verfügung bestätigte.  
 
6.   
Die Gerichtskosten werden der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege kann gewährt
werden (Art. 64 BGG). Die Versicherte hat der Bundesgerichtskasse Ersatz zu
leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwältin MLaw Stephanie C. Elms wird als unentgeltliche Anwältin
bestellt. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.   
Der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin wird aus der Bundesgerichtskasse
eine Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 1. Dezember 2017 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla 

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