Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.256/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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8C_256/2017            

 
 
 
Urteil vom 7. November 2017  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, 
Gerichtsschreiber Krähenbühl. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Eduard M. Barcikowski, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, 
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung 
(Arbeitsfähigkeit, Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St.
Gallen 
vom 15. Februar 2017 (IV 2016/92). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ (Jg. 1956) zog sich am 1. September 2000 anlässlich eines
Verkehrsunfalles unter anderem eine Distorsion der Halswirbelsäule (HWS) zu.
Wegen anhaltender Beschwerden meldete sie sich im April 2002 bei der
Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen
zog die Akten der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) bei und
lehnte nach zusätzlichen eigenen Abklärungen medizinischer und erwerblicher Art
- vorwiegend gestützt auf ein Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle
Zentralschweiz (MEDAS) vom 7. Februar 2008 - das Leistungsbegehren mit
Verfügung vom 10. Juni 2010 mangels invalidisierenden Gesundheitsschadens ab.
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hob diese Verfügung mit
Entscheid vom 14. August 2012 auf und sprach A.________ für die Zeit ab 1.
September 2001 eine ganze, ab 1. Januar 2006 eine halbe Invalidenrente und ab
1. Dezember 2007 noch eine Viertelsrente zu. Diesen Entscheid hob das
Bundesgericht in teilweiser Gutheissung der dagegen gerichteten Beschwerde der
IV-Stelle - soweit es darauf eintrat - mit Urteil vom 18. September 2013 auf
und wies die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück; im Übrigen
wies es die Beschwerde ab. Das kantonale Gericht leitete die Sache in der Folge
an die IV-Stelle weiter, welche eine Begutachtung durch Dr. med B.________,
Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie, veranlasste. Gestützt
auf das darüber erstattete Gutachten vom 1. Mai 2015 lehnte sie das
Leistungsbegehren für die Zeit ab 1. Dezember 2007 mit Verfügung vom 15.
Februar 2016 ab. Dies, nachdem sie zuvor mit zwei Verfügungen vom 4. Juni 2014
für die Zeit ab 1. September 2001 eine ganze und für die Zeit ab 1. Januar 2006
eine halbe Invalidenrente betragsmässig festgelegt hatte. 
 
B.   
Die gegen die Leistungsverweigerung ab 1. Dezember 2007 erhobene Beschwerde
wies das kantonale Versicherungsgericht mit Entscheid vom 15. Februar 2017 ab. 
 
C.   
A.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten die
Aufhebung des kantonalen Entscheides und die Rückweisung der Sache zur
Einholung eines neuen Gutachtens beantragen, damit gestützt darauf neu über den
Anspruch verfügt werde. 
Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel findet nicht
statt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Eine - für den
Ausgang des Verfahrens entscheidende (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) -
vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann das Bundesgericht nur berichtigen
oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).  
 
1.2. Bezüglich der gesetzlichen Bestimmungen, die zur Beurteilung des
streitigen Rentenanspruches beigezogen werden müssen, und der dazu von der
Rechtsprechung weiter konkretisierten Grundlagen wird auf die in dieser
Angelegenheit bereits ergangenen Entscheide der Vorinstanz vom 14. August 2012
(IV 2010/283) und 15. Februar 2017 (IV 2016/92) sowie auf das
bundesgerichtliche Urteil 8C_662/2012 vom 18. September 2013 verwiesen.  
 
2.  
 
2.1. Mit Urteil 8C_662/2012 vom 18. September 2013 hat das Bundesgericht die
Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen, weil im MEDAS-Gutachten vom 7. Februar
2008 nicht aufgezeigt werde, inwiefern die verminderte Belastbarkeit das
Leistungspotential der Versicherten noch erheblich schmälern sollte. Das
Abstellen des kantonalen Gerichts auf die Arbeitsfähigkeitsschätzung im
MEDAS-Gutachten beruhe deshalb für die Zeit ab 9. August 2007 auf einer
unvollständigen Sachverhaltsfeststellung. Das Bundesgericht verlangte von der
Vorinstanz, mittels präzisierender Fragestellungen die für eine zuverlässige
Beurteilung noch erforderlichen Aufschlüsse erhältlich zu machen.  
 
2.2. Die IV-Stelle, an welche die Vorinstanz diese Anweisung weitergeleitet
hatte, holte daraufhin ein Gutachten des Dr. med. B.________ vom 1. Mai 2015
ein. Danach befand sie, aufgrund dieser psychiatrischen Abklärung sei davon
auszugehen, dass spätestens ab 9. August 2007 kein invalidisierender
Gesundheitsschaden mit Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit mehr vorliege. Es
würden lediglich eine Neurasthenie und akzentuierte Persönlichkeitszüge
beschrieben ohne wesentliche Funktionseinschränkungen. Aus medizinischer Sicht
liege kein psychiatrischer Gesundheitsschaden mit andauernden
Funktionsdefiziten vor, die sich wesentlich auf die Arbeitsfähigkeit auswirken.
Dem Einwand der Beschwerdeführerin gegen den entsprechenden Vorbescheid
begegnete die IV-Stelle mit dem Hinweis darauf, dass auch nach Ansicht des
zuständigen Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) beim Gutachten des Dr. med.
B.________ vom 1. Mai 2015 die "Gütekriterien", welche an eine Expertise
gestellt werden, vollumfänglich erfüllt seien, sodass darauf abgestellt werde.
Das Rentenbegehren wurde daher am 15. Februar 2016 für die Zeit ab 1. Dezember
2007 verfügungsweise abgelehnt.  
 
2.3. Das kantonale Gericht schliesslich ist auf Beschwerde hin zum Schluss
gelangt, dass die Beschwerdeführerin aus psychiatrischer Sicht im Dezember 2007
für eine leidensadaptierte Tätigkeit uneingeschränkt arbeitsfähig gewesen sei,
während sich schon aus der Expertise der MEDAS vom 7. Februar 2008 ergeben
habe, dass auch somatischerseits bei einer angepassten Betätigung keine
Einschränkung der Arbeitsfähigkeit bestand. Mit dieser Begründung wurde die
ablehnende Verfügung vom 15. Februar 2016 geschützt.  
 
3.   
 
3.1. Das Bundesgericht hat im damaligen Verfahren 8C_662/2012 aufgrund der
Begründung der seinerzeit von der IV-Stelle erhobenen Beschwerde erkannt, dass
einzig die Leistungsberechtigung der Beschwerdeführerin für die Zeit ab
Dezember 2007 rechtsgenüglich angefochten worden war. Die von der Vorinstanz im
damals angefochtenen Entscheid vom 14. August 2014 zugesprochenen
Rentenansprüche für die Zeit ab 1. September 2001 bis Ende 2005 (ganze Rente)
und ab 1. Januar 2006 bis Ende November 2007 (halbe Rente) prüfte das
Bundesgericht daher nicht näher, sondern trat auf das von der IV-Stelle
ergriffene Rechtsmittel insoweit nicht ein, da der dort auf integrale Aufhebung
des vorinstanzlichen Entscheides lautende Antrag nicht begründet worden war.
Mit der vorinstanzlichen Rentenzusprache ab 1. September 2001 bis Ende 2005 und
ab 1. Januar 2006 bis Ende November 2007 hatte es somit in jenem Verfahren sein
Bewenden (Urteil 8C_662/2012 vom 18. September 2013 E. 2.2).  
 
3.2. Die IV-Stelle hat in der Folge die mit vorinstanzlichem Entscheid vom 14.
August 2014 zugesprochenen und mit bundesgerichtlichem Urteil 8C_662/2012 vom
18. September 2013 - ungeprüft - belassenen Rentenbetreffnisse ab 1. September
2001 bis 30. November 2007 (ganze und halbe Rente) in zwei Verfügungen vom 4.
Juni 2014 betragsmässig festgesetzt. Diese beiden Verfügungen sind - wie die
Vorinstanz festhält - zwischenzeitlich in Rechtskraft erwachsen, womit auch im
heutigen Verfahren einzig der Rentenanspruch ab 1. Dezember 2007 zur Diskussion
steht.  
 
4.   
 
4.1. Im vorliegenden Verfahren beanstandet die Beschwerdeführerin, dass das
kantonale Gericht auf das Gutachten des Dr. med. B.________ vom 1. Mai 2015
abgestellt hat, welches sie als nicht beweistauglich erachtet. Ihre
Ausführungen erwecken den Anschein, ihre Beschwerde richte sich direkt gegen
die Expertise des Dr. med. B.________. Klarzustellen ist daher, dass
Anfechtungsobjekt vor Bundesgericht einzig der angefochtene kantonale Entscheid
vom 15. Februar 2017 sein kann, nicht aber ein diesem zugrunde liegender
fachärztlicher Untersuchungsbericht.  
 
4.2. Vom Bundesgericht mit Urteil 8C_662/2012 vom 18. September 2013 dazu
angehalten, hat die Vorinstanz - resp. die von dieser damit beauftragte
IV-Stelle - eine vertiefte Abklärung der gesundheitlichen Verhältnisse der
Beschwerdeführerin in die Wege geleitet. Mit dem zu diesem Zweck angegangenen
Dr. med. B.________ ist - entgegen der Argumentation in der Beschwerdeschrift -
eine Gutachterstelle bestimmt worden, welche die diesbezüglichen Anforderungen
der Rechtsprechung vollumfänglich erfüllt. Als unabhängiger Experte in den
Fachbereichen Psychiatrie und Neurologie hat Dr. med. B.________ nach seinen
umfassenden persönlichen Untersuchungen die ihm von der IV-Stelle
unterbreiteten Fragen wie auch die von der Beschwerdeführerin gestellten
Zusatzfragen aufgrund objektiver Beurteilung zuverlässig beantworten können. Es
besteht kein Grund, die Beweiskraft seines Gutachtens in Frage zu stellen.  
 
4.3. Aufgabe der Verwaltung und des darauf angerufenen kantonalen Gerichts war
es, die Ausführungen des Dr. med. B.________ pflichtgemäss einer
rechtskonformen Würdigung zu unterziehen. Die Vorinstanz hat sich mit seiner
Expertise vom 1. Mai 2015 denn auch intensiv auseinandergesetzt, hat diese mit
Angaben früher mit der Sache befasster Fachärzte - namentlich des Psychiaters
Dr. med. C.________ von der MEDAS - vergleichen können und ist zu
nachvollziehbaren, auch das Bundesgericht überzeugenden Ergebnissen gelangt,
welche es im angefochtenen Entscheid vom 15. Februar 2017 mit einleuchtender
Begründung aufgezeigt hat. Im letztinstanzlichen Beschwerdeverfahren ist das
Bundesgericht aufgrund der ihm im Invalidenversicherungsbereich gesetzlich
zugestandenen Überprüfungsbefugnis (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG) an die
vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung gebunden (E. 1 hiervor). Dazu zählt
nach der Rechtsprechung auch die Würdigung medizinischer Unterlagen (BGE 132 V
393 E. 3.2 S. 397 ff.; in BGE 135 V 254 nicht publizierte E. 4.1 des Urteils
9C_204/2009 vom 6. Juli 2009, veröffentlicht in SVR 2009 IV Nr. 53 S. 164;
Urteil 9C_481/2015 vom 16. Februar 2016 E. 1). Wie etwa die Wertung von
Indizien und fallbezogene Wahrscheinlichkeitsüberlegungen betrifft diese
Tatfragen, welche das Bundesgericht lediglich auf offensichtliche Unrichtigkeit
und allenfalls auf Rechtsfehlerhaftigkeit hin zu überprüfen befugt ist (Art.
105 Abs. 2 BGG). Für eine erfolgreiche Anfechtung genügt es nicht, der
vorinstanzlichen Ansicht die eigene, als richtig befundene Betrachtungsweise
gegenüberzustellen und vom Bundesgericht zu erwarten, dass es sich für die eine
oder die andere Interpretation ärztlicher Dokumente entscheidet. Auch die
einfache Infragestellung ärztlicherseits gewonnener Erkenntnisse oder die
blosse Äusserung von Zweifeln an der Richtigkeit vorinstanzlicher
Sachverhaltsfeststellungen vermögen an der Verbindlichkeitswirkung gemäss Art.
105 Abs. 1 BGG nichts zu ändern (Urteil 8C_76/2017 vom 27. März 2017 E. 1; vgl.
auch die Hinweise in Urteil 8C_431/2012 vom 12. Dezember 2012 E. 1.2). Vom
Bundesgericht kann keine neue umfassende und freie Prüfung der
zusammengetragenen medizinischen Dokumentation verlangt werden, hat es doch
einzig aufgrund der erhobenen Rügen zu prüfen, ob vorinstanzliche
Feststellungen sachverhaltlicher Art offensichtlich unrichtig oder allenfalls
gar bundesrechtswidrig sind. Aus diesem Grund kann der umfangreichen Kritik der
Beschwerdeführerin am Gutachten des Dr. med. B.________ und ihren zahlreichen
dagegen gerichteten - teils schwer verständlich formulierten - Einwendungen
kein Erfolg beschieden sein.  
 
4.4. So ist etwa dem Umstand, dass Dr. med. B.________ in seiner Expertise vom
1. Mai 2015 einleitend vorausgeschickt haben soll, es sei ihm möglich, die
gesundheitliche Situation der Beschwerdeführerin besser zu beurteilen als alle
anderen, früher mit der Angelegenheit befassten Spezialisten - was wiederum als
Zeichen einer anmassenden, überheblichen Voreingenommenheit gerügt wird - im
Rahmen der vorinstanzlichen Beweiswürdigung Rechnung zu tragen. Ein Ablehnungs-
oder gar ein Ausstandsgrund gegenüber Dr. med. B.________ ist darin nicht zu
erblicken. Ebenso wenig kann dem kantonalen Gericht eine Verletzung des
rechtlichen Gehörs vorgeworfen werden, wenn es auf von vornherein unhaltbare
Vorbringen oder unbedeutende, nicht entscheidwesentliche Behauptungen nicht
näher eingegangen ist. Nicht in allen Teilen übereinstimmende Befunderhebungen
und Diagnosestellungen verschiedener Ärzte allein lassen nicht auf
offensichtliche Unrichtigkeit des Abstellens auf die eine davon schliessen.
Solchen Differenzen kann in aller Regel im Rahmen der Beweiswürdigung begegnet
werden, was im hier zu beurteilenden Fall in nicht zu beanstandender Weise denn
auch geschehen ist. Insgesamt hält der vorinstanzliche Entscheid vom 15.
Februar 2017 einer bundesgerichtlichen Überprüfung in jeder Hinsicht stand.  
 
5.   
Die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen. Die Gerichtskosten sind diesem
Verfahrensausgang entsprechend von der Beschwerdeführerin als unterliegender
Partei zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 7. November 2017 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Krähenbühl 

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