Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.254/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_254/2017  
 
 
Urteil vom 18. Dezember 2017  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, 
Gerichtsschreiber Nabold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Sebastian Lorentz, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
 Basler Versicherung AG, Aeschengraben 21, 4051 Basel, vertreten durch
Rechtsanwalt Peter Jäger, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Taggeld), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 14. Februar 2017 (UV.2016.00019). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ war, obwohl in gekündigter Anstellung, weiterhin über seine
Arbeitgeberin, der B.________ AG bei der Basler Versicherung AG (im Folgenden:
Basler) gegen die Folgen von Unfällen versichert, als er am 1. Juni 2012 bei
einem Reitunfall eine offene Tibiaspiralfraktur erlitt. Die Basler anerkannte
ihre Leistungspflicht und erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Mit Verfügung
vom 31. August 2015 legte die Basler die für die Berechnung der Taggelder
massgebende Arbeitsunfähigkeit auf 30 % bis 30. November 2015 und auf 7,5 % für
die Zeit ab 1. Dezember 2015 fest. Mit Einspracheentscheid vom 30. November
2015 konkretisierte sie ihre Verfügung dahingehend, dass die Taggeldberechnung
basierend auf einer Arbeitsunfähigkeit von 30 % vom 30. September 2014 bis 30.
November 2015 dauerte; insgesamt wies sie die Einsprache ab. 
 
B.   
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 14. Februar
2017 ab, soweit es auf sie eintrat. 
 
C.   
Mit Beschwerde beantragt A.________, ihm seien unter Aufhebung des Einsprache-
und des kantonalen Gerichtsentscheides die gesetzlichen Leistungen,
insbesondere Taggeld zu mindestens 20 % und Heilbehandlung, zuzusprechen. Zudem
stellt A.________ ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wurde nicht
durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).  
 
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).  
 
2.   
Der Beschwerdeführer verlangt, es seien ihm die gesetzlichen Leistungen,
insbesondere ein Taggeld zu mindestens 20 % zuzusprechen. 
 
2.1. Im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich nur
Rechtsverhältnisse zu überprüfen und zu beurteilen, zu denen die zuständige
Verwaltungsbehörde vorgängig verbindlich - in Form einer Verfügung - Stellung
genommen hat. Insoweit bestimmt die Verfügung den beschwerdeweise
weiterziehbaren Anfechtungsgegenstand. Umgekehrt fehlt es an einem
Anfechtungsgegenstand und somit an einer Sachurteilsvoraussetzung, wenn und
insoweit keine Verfügung ergangen ist (BGE 131 V 164 E. 2.1, 125 V 412 E. 1a S.
414 mit Hinweisen). Soweit im Antrag des Beschwerdeführers auch ein Antrag auf
Zusprache einer Invalidenrente und einer Integritätsentschädigung enthalten
ist, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten, waren doch diese Leistungen
nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens.  
 
2.2. Neue Begehren sind im bundesgerichtlichen Verfahren gemäss Art. 99 Abs. 2
BGG unzulässig. Da der Versicherte im kantonalen Verfahren keinen
entsprechenden Antrag gestellt hat, ist auch hinsichtlich seines Begehrens um
Zusprache von Heilbehandlungsleistungen nicht auf die Beschwerde einzutreten.  
 
2.3. Hinsichtlich des Taggeld-Anspruchs kann der Beschwerdeschrift kein klarer
Zeitpunkt, ab wann der Versicherte ein höheres als das zugesprochene Taggeld
beantragt, entnommen werden. Da der Versicherte jedoch bis 30. November 2015
ein Taggeld gestützt auf eine Arbeitsunfähigkeit von 30 % zugesprochen erhielt,
ist davon auszugehen, dass die Taggelder in der Zeit ab 1. Dezember 2015
streitig sind. In diesem Umfang ist auf die Beschwerde einzutreten.  
 
2.4. Somit ist zu prüfen, ob die Vorinstanz zu Recht für die Zeit ab 1.
Dezember 2015 kein höheres als das von der Unfallversicherung zugestandene
Taggeld zugesprochen hat.  
 
3.   
Ist der Versicherte infolge des Unfalles voll oder teilweise arbeitsunfähig, so
hat er gemäss Art. 16 Abs. 1 UVG Anspruch auf ein Taggeld. Der Anspruch dauert
so lange, wie von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung noch eine namhafte
Besserung des Gesundheitszustandes des Versicherten erwartet werden kann. Die
prognostizierte Verbesserung muss namhaft sein, unbedeutende Verbesserungen
genügen nicht. Entscheidend, ob eine namhafte Verbesserung noch erwartet werden
kann, ist in erster Linie die prognostizierte Steigerung der Arbeitsfähigkeit
(vgl. BGE 134 V 109 E. 4.3 S.115). Dabei ist die Möglichkeit der Verbesserung
prognostisch und nicht auf Grund retrospektiver Feststellungen zu beurteilen
(RKUV 2004 Nr. U 557 S. 388, U 244/04 E. 3.1). Ist auf einen Fall die sog.
Schleudertrauma-Praxis (BGE 134 V 109) nicht anwendbar, so entfällt der
Taggeldanspruch gegebenenfalls trotz weiterhin bestehender
behandlungsbedürftiger psychischer Unfallfolgen (vgl. Urteile 8C_1004/2009 Vom
13. April 2010 E. 4.2 und 8C_465/2011 vom 7. November 2011 E. 5.1). 
 
4.   
 
4.1. Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäss für die Zeit ab dem 1. Dezember
2015 ein höheres als das zugesprochene Taggeld mit dem Argument, bei der
Bemessung des Taggeldes sei nicht nur der Arbeitsunfähigkeit aufgrund der
organisch nachgewiesenen Unfallfolgen Rechnung zu tragen, sondern es seien auch
seine Einschränkungen aus psychischen Gründen miteinzubeziehen. Die Frage nach
der korrekten Höhe der Arbeitsunfähigkeit, welche der Taggeldbemessung zu
Grunde gelegt wird, stellt sich nur dann, wenn im vorliegend streitigen
Zeitraum grundsätzlich überhaupt ein Taggeld geschuldet ist. Wie der
Versicherte indessen selber zutreffend ausführt, würde ein Taggeldanspruch in
der hier vorliegenden Konstellation voraussetzen, dass von der Fortsetzung der
auf das somatische Leiden gerichteten ärztlichen Behandlung noch eine namhafte
Besserung der Arbeitsunfähigkeit zu erwarten war (vgl. E. 3 hievor).  
 
4.2. Die Vorinstanz hat erwogen, im Zeitpunkt des Einspracheentscheides (30.
November 2015) sei von einer Fortsetzung der ärztlichen Behandlung noch eine
namhafte Besserung der Folgen der Tibiafraktur zu erwarten gewesen. Sie
begründet dies unter Hinweis auf den Bericht des Dr. med. C.________, leitender
Arzt Orthopädie und Traumatologie des Bewegungsapparates am Spital D.________,
vom 29. Juli 2014 und der Feststellung, es sei noch kein Entscheid über die von
diesem Arzt vorgeschlagene Sanierung der Fehlstellung erfolgt. In den Akten
fehlen indessen Hinweise darauf, dass ein solcher Eingriff noch ernsthaft zur
Diskussion steht. Gemäss den Ausführungen des orthopädischen Teilgutachters in
dem von der Invalidenversicherung eingeholten Gutachten des Zentrums für
Medizinische Begutachtung (ZMB), Basel vom 12. Mai 2015, lehnt der Versicherte
eine weitere Operation ab; eine solche wird auch vom Teilgutachter selber als
zu risikobehaftet angesehen. Andere auf die somatischen Unfallfolgen gerichtete
medizinische Massnahmen, welche eine namhafte Besserung versprechen würden,
sind nicht ersichtlich. Somit bestand entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen
kein Grund mehr, länger mit dem Fallabschluss zuzuwarten.  
 
4.3. War bereits in der Zeit ab dem 1. Dezember 2015 von einer Fortsetzung der
ärztlichen Behandlung keine namhafte Verbesserung des somatischen
Gesundheitszustandes mehr zu erwarten, so bestand jedenfalls ab diesem Datum
unabhängig vom Ausgang einer Adäquanzprüfung kein Taggeldanspruch mehr. Eine
spezielle Prüfung der Adäquanz eines Kausalzusammenhanges zwischen dem
Unfallereignis und den geltend gemachten psychischen Unfallfolgen wäre nur
bezüglich eines allfälligen Anspruchs auf eine Invalidenrente oder eine
Integritätsentschädigung vorzunehmen; solche Leistungen gehören allerdings
vorliegend nicht zum Streitgegenstand (vgl. E. 2.1 hievor). Soweit der
Beschwerdeführer die Ansicht vertritt, Anspruch auf entsprechende Leistungen zu
haben, steht es ihm frei, solche gegenüber der Beschwerdegegnerin geltend zu
machen. Immerhin ist darauf hinzuweisen, dass ein Anspruch auf eine Rente einen
Invaliditätsgrad von mindestens 10 % voraussetzen würde (vgl. Art. 18 Abs. 1
UVG). Was den hier einzig streitigen Taggeld-Anspruch betrifft, muss es, da das
Bundesgericht an die Anträge der Parteien gebunden ist (vgl. Art. 107 Abs. 1
BGG) und letztinstanzlich somit keine reformatio in peius möglich ist, bei der
Abweisung der Beschwerde sein Bewenden haben.  
 
5.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seinem Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege ist stattzugeben, da die entsprechenden
gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Es wird
indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die
begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie
später dazu in der Lage ist. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die
Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwalt Sebastian Lorentz wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.   
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 18. Dezember 2017 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold 

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