Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.228/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
8C_228/2017        

Urteil vom 14. Juni 2017

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Bundesrichterin Viscione,
Gerichtsschreiberin Hofer.

Verfahrensbeteiligte
AXA Versicherungen AG, General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur,
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Kathrin Hässig,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsdienst Inclusion Handicap,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Invalidenrente; Einkommensvergleich),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 14. Februar 2016.

Sachverhalt:

A. 
Die 1961 geborene A.________ arbeitete beim Alters- und Pflegeheim B.________
als Nachtwache. Sie war bei der AXA Versicherungen AG (nachfolgend: AXA) gegen
die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert. Am 17. Februar 1998
verletzte sie sich bei einem Sturz an der rechten Schulter. Die AXA richtete
Taggelder aus und kam für die Heilbehandlung auf. Mit Verfügung vom 16. Mai
2006 schloss sie den Fall ab und sprach der Versicherten eine
Integritätsentschädigung auf der Basis einer Integritätseinbusse von 5 Prozent
zu.
Am 15. Dezember 2010 meldete A.________ einen Rückfall. Die AXA richtete erneut
Versicherungsleistungen in Form von Taggeld und Heilbehandlung aus. Mit
Verfügung vom 2. Juli 2014 sprach sie der Versicherten mit Wirkung ab 1.
Februar 2013 eine Rente gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 14 Prozent und
eine Integritätsentschädigung auf der Basis einer zusätzlichen
Integritätseinbusse von 5 Prozent zu. Die von der Versicherten dagegen erhobene
Einsprache hiess die AXA teilweise gut und setzte die Invalidenrente ausgehend
von einem Invaliditätsgrad von 15 Prozent fest (Einspracheentscheid vom 9.
November 2015).

B. 
In teilweiser Gutheissung der von A.________ erhobenen Beschwerde änderte das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich den Einspracheentscheid mit
Entscheid vom 14. Februar 2016 (recte: 2017) dahingehend ab, als sie die AXA
verpflichtete, den Rentenanspruch aufgrund eines Invaliditätsgrades von 24
Prozent festzusetzen.

C. 
Die AXA führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, und der
Einspracheentscheid vom 9. November 2015 sei zu bestätigen.
Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wurde nicht
durchgeführt.
Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht im
Beschwerdeverfahren (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die geltend gemachten
Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236; 138 I 274 E. 1.6 S. 280).
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht - anders als in den
übrigen Sozialversicherungsbereichen (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 1 und 2
BGG) - nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen
Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz die Beschwerdeführerin zu Recht
dazu verpflichtet hat, der Versicherten mit Wirkung ab 1. Februar 2013 eine
Rente aufgrund eines Invaliditätsgrades von 24 statt 15 Prozent zuzusprechen.

2.1. Ist eine versicherte Person infolge des Unfalles mindestens zu 10 Prozent
invalid, so hat sie gemäss Art. 18 Abs. 1 UVG Anspruch auf eine Invalidenrente.
Zur Bestimmung des Invaliditätsgrades wird gemäss Art. 16 ATSG das
Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der unfallbedingten
Invalidität und nach Durchführung allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch
eine zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte
(sog. Invalideneinkommen), in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie
erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (sog. Valideneinkommen).

2.2. Für die Festsetzung des Invalideneinkommens ist nach der Rechtsprechung
primär von der beruflich-erwerblichen Situation auszugehen, in welcher die
versicherte Person konkret steht. Übt sie nach Eintritt der Invalidität eine
Erwerbstätigkeit aus, bei der - kumulativ - besonders stabile
Arbeitsverhältnisse gegeben sind und anzunehmen ist, dass sie die ihr
verbleibende Arbeitsfähigkeit in zumutbarer Weise voll ausschöpft, und
erscheint zudem das Einkommen aus der Arbeitsleistung als angemessen und nicht
als Soziallohn, gilt grundsätzlich der tatsächlich erzielte Verdienst als
Invalidenlohn. Ist kein solches tatsächlich erzieltes Erwerbseinkommen gegeben,
namentlich weil die versicherte Person nach Eintritt des Gesundheitsschadens
keine oder jedenfalls keine ihr an sich zumutbare neue Erwerbstätigkeit
aufgenommen hat, so können nach der Rechtsprechung entweder Tabellenlöhne
gemäss den vom Bundesamt für Statistik periodisch herausgegebenen
Lohnstrukturerhebungen (LSE) oder die DAP-Zahlen herangezogen werden (BGE 129 V
472 E. 4.2.1 S. 475 mit Hinweisen). Die DAP-Datenbank steht allerdings nur der
Suva, nicht aber den anderen zugelassenen Unfallversicherern im Sinne von Art.
58 UVG zur Verfügung (BGE 139 V 592 E. 7.1 S. 596).

2.3. Wird auf Tabellenlöhne abgestellt, sind grundsätzlich immer die
aktuellsten statistischen Daten zu verwenden (BGE 142 V 178 E. 2.5.8.1 S. 190;
Urteil 8C_266/2016 vom 15. März 2017 E. 5.2.3).

2.4. Die korrekte Anwendung der LSE-Tabellen, namentlich die Wahl der Tabelle
wie auch der Beizug der massgeblichen Stufe (Anforderungs- bzw.
Kompetenzniveau), ist eine Rechtsfrage, welche vom Bundesgericht ohne
Einschränkung der Kognition frei überprüft wird (BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399;
Urteile I 732/06 vom 2. Mai 2007 E. 4.2.2, in: SVR 2008 IV Nr. 4 S. 9; 9C_699/
2015 vom 6. Juli 2016 E. 5.2). Das für die Wahl einer bestimmten Tabelle der
LSE entscheidende Vorhandensein konkret erforderlicher Voraussetzungen wie etwa
einer spezifischen Ausbildung und weiterer Qualifikationen fällt in den Bereich
der Sachverhaltserhebung. Der darauf basierende Umgang mit den Zahlen in der
massgebenden LSE-Tabelle beschlägt ebenfalls Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.3 S.
399). Das Bundesgericht prüft eine Streitsache auch im
Unfallversicherungsbereich - wo keine Bindung an den von der Vorinstanz
festgestellten Sachverhalt besteht (E. 1 hievor) - nicht wie eine
erstinstanzliche Behörde umfassend von Neuem, sondern hat nur zu untersuchen,
ob die vorinstanzliche Entscheidung einer bundesgerichtlichen Überprüfung
standzuhalten vermag (Urteil 8C_809/2016 vom 5. April 2017 E. 3.2.2).

3.

3.1. Es steht nunmehr fest und ist unbestritten, dass die Versicherte in einer
angepassten Tätigkeit voll arbeitsfähig ist. Angepasst ist dabei eine
schulterschonende Tätigkeit ohne Heben und Tragen von Lasten über 2 bis 3 kg
mit dem rechten Arm, ohne repetitive Bewegungen in der Schulter und ohne
Überkopfarbeiten.

3.2. Ebenfalls unbestritten ist das hypothetische Einkommen ohne Invalidität
(Valideneinkommen) von Fr. 79'090.45. Dieses wurde von der AXA ausgehend vom
effektiven Jahreseinkommen der Versicherten im Jahre 2009 bei einem Vollpensum
unter Berücksichtigung der geschlechts- und branchenspezifischen
Nominallohnentwicklung bis 2013 ermittelt.

3.3. Für die Bemessung des Invalideneinkommens zog die AXA Tabellenlöhne gemäss
LSE bei. Dabei stellte sie auf die LSE 2010, TA1, Anforderungsniveau 3, Frauen,
Sektor 86-88 ab. Unter Berücksichtigung der betriebsüblichen Arbeitszeit von
41.5 Wochenstunden und Anpassung an die geschlechts- und branchenübliche
Nominallohnentwicklung errechnete sie für das Jahr 2013 - nach einem
leidensbedingten Abzug von 5 Prozent - ein Invalideneinkommen von Fr.
67'575.80.

3.4. Die Vorinstanz stellte im Rahmen der beschwerdeweisen Überprüfung des
Invalideneinkommens ebenfalls auf Tabellenlöhne ab. Mit Blick auf den möglichen
Rentenbeginn im Jahre 2013 zog sie jedoch die LSE 2012 bei. Hinsichtlich des
beruflichen Werdegangs der Versicherten stellte das kantonale Gericht fest,
diese habe zunächst eine Bürolehre absolviert. In den Jahren 1998 bis 2001 habe
sie sich alsdann als Fachfrau Betreuung ausbilden lassen. Seit 1991 sei sie in
einem Alters- und Pflegeheim tätig und verfüge somit nebst Fachwissen im
Gesundheitswesen über eine langjährige Berufserfahrung. Weiter hat die
Vorinstanz erwogen, die Versicherte könne die beruflichen Kenntnisse und
Erfahrungen trotz des Gesundheitsschadens an der Schulter weiterhin anwenden.
Auch wenn sich der kaufmännische Bereich in einem schnelllebigen Umfeld befinde
und sie darin wenig praktische Erfahrung gesammelt habe, biete diese Ausbildung
die Möglichkeit, die fundierten Kenntnisse im Gesundheitswesen vermehrt auch an
einem Arbeitsplatz einzusetzen, dessen Anforderungen über Tätigkeiten einer
einfachen Hilfskraft lägen. Das kantonale Gericht stellte daher bei der
Bemessung des Invalideneinkommens auf das Kompetenzniveau 2 (praktische
Tätigkeiten wie Verkauf/Pflege/Datenverarbeitung und Administration/Bedienen
von Maschinen und elektronischen Geräten/Sicherheitsdienst/Fahrdienst) der
Tabelle TA1 ab.

3.5. Der massgebende Zentralwert (BGE 124 V 321 E. 3b/aa S. 323) im privaten
Sektor betrug für Frauen im Gesundheits- und Sozialwesen mit Kompetenzniveau 2
gemäss LSE 2012 Fr. 5'084.-, bei 40 Arbeitsstunden pro Woche (vgl. LSE 2012,
Tabelle TA1, S. 35). Bei einer betriebsüblichen durchschnittlichen Arbeitszeit
im Gesundheits- und Sozialwesen von 41.5 Stunden im Jahr 2013 und unter
Berücksichtigung eines Nominallohnindexes von 101.2 Punkten im Jahr 2012 und
101.7 Punkten im Jahr 2013 errechnete die Vorinstanz bezogen auf ein Vollpensum
ein Jahreseinkommen von Fr. 63'609.-. Davon nahm sie einen Abzug (BGE 126 V 75)
von 5 Prozent vor. Daraus ergab sich ein Invalideneinkommen von Fr. 60'429.-.
Bei Gegenüberstellung der beiden Einkommen resultierte ein Invaliditätsgrad von
24 Prozent.

4.

4.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz habe Bundesrecht
verletzt (Art. 16 ATSG) und ihr Ermessen überschritten, indem sie das
Invalideneinkommen in Anwendung der LSE 2012 ermittelte. Im
Verfügungszeitpunkt, mithin am 2. Juli 2014, sei die aktuellste Tabelle der LSE
jene für das Jahr 2010 gewesen. Die Zahlen für das Jahr 2012 seien erst im
Oktober 2014 veröffentlicht worden. Unter Hinweis auf BGE 142 V 337 bringt die
AXA weiter vor, der Unfallversicherer dürfe seinen Entscheid betreffend der
anwendbaren Methode (DAP-Zahlen oder LSE-Methode) aber auch innerhalb der
gewählten Methode (LSE 2010 oder 2012 bzw. Austausch einzelner DAP-Blätter) bis
zum Einspracheentscheid in Wiedererwägung ziehen. Es liege im Ermessen des
Versicherers, ob er im Einspracheverfahren eine Neuberechnung aufgrund der
zwischenzeitlich veröffentlichten LSE 2012 durchführen wolle. Im
Beschwerdeverfahren könne er vom kantonalen Versicherungsgericht nicht dazu
verpflichtet werden. Dieses sei an den Ermessensentscheid des Versicherers
gebunden, solange dieser nicht offensichtlich unrichtig sei.

4.1.1. Im Rahmen der Bemessung des Invaliditätsgrades in der
Invalidenversicherung hat das Bundesgericht festgehalten, dass es
bundesrechtswidrig wäre, die Tabellenwerte der LSE 2012 heranzuziehen, wenn zum
Zeitpunkt des Verfügungserlasses die entsprechenden Zahlen noch nicht vorlagen
(Urteil 9C_699/2015 vom 6. Juli 2016 E. 5.2 mit Hinweisen).

4.1.2. Im Bereich der Unfallversicherung hat der Gesetzgeber dem
Beschwerdeverfahren - im Gegensatz zum Verfahren in der Invalidenversicherung
(vgl. Art. 69 Abs. 1 IVG) - ein Einspracheverfahren vorangestellt (vgl. Art. 52
ATSG). Bei Erhebung einer Einsprache tritt der Einspracheentscheid an die
Stelle der angefochtenen Verfügung. Das Verwaltungsverfahren wird erst mit ihm
abgeschlossen. Deshalb hat die Einspracheinstanz allfälligen
entscheidrelevanten Entwicklungen, die im hängigen Einspracheverfahren
eingetreten sind, Rechnung zu tragen (BGE 142 V 337 E. 3.2.2 S. 341).
Massgebend sind grundsätzlich die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse
zur Zeit des Einspracheentscheids (UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 3. Aufl. 2015,
N. 60 zu Art. 52 ATSG). Festgestellte Rechtswidrigkeiten sind grundsätzlich im
Einspracheverfahren zu beseitigen (vgl. dazu BGE 142 V 337 E. 3.2.3 S. 341;
kritisch zum Erfordernis einer vorgängigen Androhung und zur Möglichkeit, eine
Schlechterstellung mittels Rückzugs der Einsprache zu verhindern: TOBIAS BOLT,
Zur reformatio in peius im Einsprache- und im kantonalen Beschwerdeverfahren -
Kommentar zum Urteil des Bundesgerichts 8C_127/2016 vom 20. Juni 2016, in: SZS
2016, S. 622 ff.).

4.1.3. Für den Einkommensvergleich sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des
Beginns des Rentenanspruchs massgebend. Allfällige rentenwirksame Änderungen
der Vergleichseinkommen sind bis zum Einspracheentscheid zu berücksichtigen (
BGE 129 V 222 E. 4.1 S. 223; 128 V 174). Erhält der zuständige
Unfallversicherer infolge einer Einspracheerhebung die Gelegenheit, seine
Verfügung vollumfänglich zu überprüfen, ist er grundsätzlich verpflichtet, die
verfügbare, neuste LSE-Tabelle anzuwenden. Dies gebietet auch das
Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 BV).

4.1.4. Im Beschwerdeverfahren ist es Sache des angerufenen Gerichts, die
Rechtskonformität der Invaliditätsbemessung zu prüfen und gegebenenfalls einen
Tabellenlohnvergleich gestützt auf die LSE vorzunehmen (vgl. BGE 139 V 592 E.
6.3 S. 596; Urteil 8C_182/2017 vom 10. April 2017 E. 3.3). Das Gericht hat im
Beschwerdeentscheid grundsätzlich ebenfalls von den Verhältnissen auszugehen,
die sich bis zum Einspracheentscheid verwirklicht haben (BGE 142 V 337 E. 3.2.2
S. 341 mit Hinweisen; 134 V 392 E. 6 S. 397).

4.1.5. Nach Art. 61 ATSG bestimmt sich das Verfahren vor dem kantonalen
Versicherungsgericht - unter Vorbehalt von Art. 1 Abs. 3 VwVG - nach kantonalem
Recht, das bestimmten bundesrechtlich umschriebenen Anforderungen zu genügen
hat (Art. 61 lit. a bis i ATSG). Nach Art. 61 lit. d ATSG ist das
Versicherungsgericht an die Begehren der Parteien nicht gebunden. Es kann eine
Verfügung oder einen Einspracheentscheid zu Ungunsten der Beschwerde führenden
Person ändern (reformatio in peius) oder dieser mehr zusprechen, als sie
verlangt hat (reformatio in melius). Die Rechtsmittelinstanz kann somit
grundsätzlich über die Anträge der Beschwerde führenden Partei hinausgehen und
in ihrem Interesse mehr zusprechen, als diese beantragt hat. Mit der in Satz 1
von Art. 61 lit. d ATSG statuierten fehlenden Bindung an die Parteibegehren
wird die Verwirklichung des objektiven Rechts über das subjektive
Rechtsschutzinteresse gestellt (BGE 138 V 339 E. 2.3.2.2 S. 342). Vorschriften,
nach denen die Richter nicht an die Parteibegehren gebunden sind, wollen dem
objektiven richtigen Recht zum Durchbruch verhelfen. Dementsprechend gelten im
Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht das Gebot der Rechtsanwendung
von Amtes wegen (BGE 122 V 34 E. 2b S. 36; Urteil I 317/06 vom 23. Oktober 2007
E. 3, in: SVR 2008 IV Nr. 26 S. 79) und der Untersuchungsgrundsatz (Art. 61
lit. c ATSG; BGE 137 V 314 E. 3.2.2 S. 319). Dies erlaubt es dem Gericht, das
geltende Recht auf den massgebenden Sachverhalt anzuwenden, ohne dabei an die
Begehren der versicherten Person gebunden zu sein.

4.1.6. In BGE 142 V 337 E. 3.1 S. 339 hat sich das Bundesgericht zur Frage nach
der Zulässigkeit einer reformatio in peius im kantonalen Beschwerdeverfahren
dahingehend geäussert, dass von der Möglichkeit derselben zurückhaltend
Gebrauch zu machen und diese auf Fälle zu beschränken sei, in welchen der
angefochtene Entscheid offensichtlich unrichtig und die Korrektur von
erheblicher Bedeutung sei. Es würden somit - bei leicht anderem Wortlaut - die
gleichen strengen Voraussetzungen wie bei der Wiedererwägung formell
rechtskräftiger Verfügungen oder Einspracheentscheide gemäss Art. 53 Abs. 2
ATSG gelten. Eine vergleichbare Konstellation liegt hier nicht vor. Das
kantonale Gericht hat den Einspracheentscheid nicht zu Ungunsten der
Versicherten abgeändert, sondern deren Begehren teilweise entsprochen. Der von
der AXA zitierte Entscheid ist hier mithin nicht einschlägig (kritisch zu BGE
142 V 337 E. 3.1 S. 339: BOLT, a.a.O., S. 624 ff.).

4.1.7. Das kantonale Gericht konnte somit auf Beschwerde der Versicherten hin
die Rechtskonformität der Invaliditätsbemessung umfassend prüfen und im Rahmen
der Rechtsanwendung von Amtes wegen einen Einkommensvergleich gestützt auf die
im Zeitpunkt des Einspracheentscheids aktuellsten verfügbaren statistischen
Zahlen vornehmen. Da der Rentenbeginn von der AXA auf den 1. Februar 2013
festgesetzt wurde und der Einspracheentscheid am 9. November 2015 erging, stand
der Anwendung der LSE 2012 insoweit nichts entgegen.

4.2.

4.2.1. Die Beschwerdeführerin erhebt weiter unter Hinweis auf BGE 142 V 178 E.
2.5.3.1 S. 184 den Vorwurf, die Anwendung der LSE 2012 führe zu einem
"Serienbruch" gegenüber den früheren LSE-Tabellen bis 2010. Die in LSE 2012
angeführten Löhne stimmten nicht mit der tatsächlichen Lohnentwicklung überein.
Gemäss LSE 2010 hätten Frauen im Gesundheits- und Sozialwesen im
Anforderungsniveau 3 im Jahr 2010 monatlich Fr. 5'629.- verdient, während
gemäss LSE 2012 im gleichen Bereich im Kompetenzniveau 2 nur ein Einkommen von
monatlich Fr. 5'084.- resultiere. Im Vergleich dazu sei die
Nominallohnentwicklung für Frauen für denselben Zeitraum vom Indexstand 100 auf
den Indexstand 101.0 angestiegen. Die Anwendung von LSE 2012 vermöge daher der
bundesgerichtlichen Anforderung, das Invalideneinkommen so konkret wie möglich
zu ermitteln, nicht zu genügen. Da die LSE 2010 - angepasst an die seitherige
Nominallohnentwicklung - die tatsächliche Lohnentwicklung richtiger darstelle
als die LSE 2012, sei es angebracht, auf erstere abzustellen. Weil sich im
Bereich der obligatorischen Unfallversicherung jede Prozentveränderung des
Invaliditätsgrades unmittelbar auf die Rentenhöhe auswirke, könne der
Unfallversicherer nicht verpflichtet werden, die LSE 2012 anzuwenden. Diese
wirke sich deutlich zu Gunsten der Beschwerdegegnerin aus. Anstelle einer Rente
von monatlich Fr. 575.95 bei Anwendung der LSE 2010, ergebe sich gestützt auf
die LSE 2012 eine Rente von monatlich Fr. 921.55. Die LSE 2012 führe auch
deshalb zu einem stossenden Ergebnis, weil sich daraus beim Invalideneinkommen
eine effektiv nicht vorhandene negative Lohnentwicklung ergebe, während dem
Valideneinkommen die tatsächlich eingetretene positive Lohnentwicklung zugrunde
zu legen sei. Damit werde bei der Invaliditätsbemessung in rechtlich
unzulässiger Weise Ungleiches mit Ungleichem verglichen.

4.2.2. Das Bundesgericht hat in BGE 142 V 178 E. 2.5.7 S. 188 erkannt, dass die
grundsätzliche Beweiseignung der LSE 2012 zwecks Festlegung der
Vergleichseinkommen nach Art. 16 ATSG insbesondere im Rahmen einer erstmaligen
Invaliditätsbemessung ohne Weiteres zu bejahen sei. Es ging dabei von der
Überlegung aus, dass jeder Anwendung statistischer Werte die Abstrahierung,
unter Ausblendung der konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls, immanent ist.
Dieser Wesenszug statistischer Werte habe bereits die LSE bis 2010 betroffen.
Insofern bestehe kein prinzipieller Unterschied der LSE 2012 zu den LSE bis
2010. Die der LSE 2012 immanenten Veränderungen (vgl. dazu BGE 142 V 178 E.
2.5.3.1 S. 184) stimmten zwar nicht mit der Lohnentwicklung von 2010 bis 2012
überein. Zum "Serienbruch" im Übergang von der LSE 2010 zur LSE 2012 bei der
Verwendung der Tabelle TA1 LSE 2012 (monatlicher Bruttolohn [Zentralwert] nach
Wirtschaftszweigen, Kompetenzniveau und Geschlecht, Privater Sektor) hielt das
Bundesgericht fest, für die Invaliditätsbemessung seien - zumindest bis auf
Weiteres - nur die nach dem Kompetenzniveau differenzierten TA1-Tabellen zu
verwenden und nicht die TA1_b-Tabellen, welche sich in einem erheblich
weitergehenden Masse inkongruent zu den bisherigen statistischen
Entscheidungsgrundlagen verhielten. Allerdings dürfen laufende, gestützt auf
die LSE bis 2010 rechtskräftig zugesprochene Invalidenrenten nicht allein
zufolge Anwendung der Tabellenwerte gemäss LSE 2012 in Revision gezogen werden.
Die Erwägungen in BGE 142 V 178 bezogen sich zwar ausdrücklich auf den
Anwendungsbereich der Invalidenversicherung, wo die Rente abgestuft nach
gewissen Schwellenwerten bemessen wird (Art. 28 IVG). Sie haben jedoch
grundsätzlich auch Geltung im Bereich der prozentgenauen Renten der
Unfallversicherung (Art. 18 UVG), wenn für den Einkommensvergleich auf
Tabellenlöhne der LSE abgestellt werden muss, weil nicht von einem tatsächlich
erzielten Verdienst ausgegangen werden kann und dem Unfallversicherer auch
keine DAP-Lohnangaben zur Verfügung stehen (in diesem Sinne bereits Urteil
8C_266/2016 vom 15. März 2017 E. 5.2.3). Auch in der Invalidenversicherung kann
eine Abweichung in den alle zwei Jahre erscheinenden LSE-Werten gegenüber dem
Nominallohnindex zur Zusprechung einer höheren Rente führen, wenn dadurch die
massgebende Schwelle überschritten wird. Solche Abweichungen zwischen
LSE-Lohnstatistik und Nominallohnentwicklung sind im Rahmen einer erstmaligen
Leistungsprüfung bzw. bei einem Rückfall nach vorausgegangener rechtskräftiger
Ablehnung eines Rentenanspruchs als systemimmanent zu akzeptieren. Das
Abstellen der Vorinstanz auf LSE 2012 kann daher nicht als bundesrechtswidrig
betrachtet werden.

5. 
Weitere Argumente, welche den angefochtenen Entscheid als bundesrechtswidrig
erscheinen lassen könnten, vermag die Beschwerdeführerin nicht darzulegen,
weshalb es beim vorinstanzlich festgesetzten Rentenanspruch entsprechend einem
Invaliditätsgrad von 24 Prozent bleibt. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

6. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 14. Juni 2017

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Hofer

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