Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.217/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
8C_217/2017        

Urteil vom 30. Mai 2017

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterinnen Heine, Viscione,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Wyss,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (terminierte Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 31. Januar 2017.

Sachverhalt:

A. 
Die 1969 geborene A.________ meldete sich am 5. Juli 2013 unter Hinweis auf
psychische Beschwerden bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an.
Nach Abklärungen in beruflich-erwerblicher und medizinischer Hinsicht,
namentlich des Beizugs von Berichten der behandelnden Dr. med. B.________,
Fachärztin FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 6. Februar 2014 und vom
11. September 2015 sowie eines Gutachtens des Dr. med. C.________, Facharzt FMH
für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 1. Juli 2014 lehnte die IV-Stelle des
Kantons Zürich das Leistungsbegehren mit Verfügung vom 26. Februar 2016 ab.

B. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess eine dagegen erhobene
Beschwerde teilweise gut und sprach der Versicherten für die Zeit vom 1.
Februar 2014 bis 30. September 2014 eine befristete ganze Invalidenrente zu.
Zudem wies es die Sache an die IV-Stelle zurück, damit diese den Anspruch auf
Eingliederungsmassnahmen prüfe. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab (Entscheid
vom 31. Januar 2017).

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, der angefochtene Entscheid sei insofern aufzuheben, als ihr
Leistungen über den 30. September 2014 hinaus verweigert würden. In
prozessualer Hinsicht ersucht sie um die Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege (Prozessführung und Verbeiständung).

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das
Sozialversicherungsgericht und das Bundesamt für Sozialversicherungen
verzichten auf eine Stellungnahme.

Erwägungen:

1. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an
(Art. 106 Abs. 1 BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung
der Vorinstanz kann es nur von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Streitig und - unter sachverhaltsmässig eingeschränktem Blickwinkel - zu prüfen
ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem sie den Rentenanspruch
der Beschwerdeführerin befristete und ab dem 1. Oktober 2014 verneinte. Dies
ist aufgrund des Sachverhaltes zu beurteilen, wie er sich bis zum
Verfügungserlass am 26. Februar 2016 verwirklichte (BGE 132 V 215 E. 3.1.1 S.
220). Die Rückweisung zur Prüfung des Anspruchs auf Eingliederungsmassnahmen
bleibt letztinstanzlich unbestritten.

2.1. Die für die Beurteilung relevanten Rechtsgrundlagen wurden im kantonalen
Entscheid zutreffend dargelegt. Es betrifft dies insbesondere die Bestimmungen
und Grundsätze zu den Begriffen der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 Abs. 1 und 2
ATSG) und der Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG), zum Anspruch auf eine
Invalidenrente (Art. 28 Abs. 1 und 2 IVG), zur Bedeutung ärztlicher Auskünfte
im Rahmen der Invaliditätsschätzung (BGE 125 V 256 E. 4 S. 261 mit Hinweisen;
vgl. auch BGE 132 V 93 E. 4 S. 99 f.) sowie zum Beweiswert und zur
Beweiswürdigung medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S.
232; 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis). Darauf wird verwiesen. Richtig
erkannt hat die Vorinstanz ferner, dass der Ärztin oder dem Arzt hinsichtlich
der Festsetzung des Arbeitsunfähigkeitsgrades nach der Rechtsprechung (BGE 140
V 193 E. 3.1 und 3.2 S. 194 ff.) keine abschliessende Beurteilungskompetenz
zukommt. Anzufügen ist, dass bei der rückwirkenden Zusprechung einer
befristeten Invalidenrente die für die Rentenrevision geltenden Bestimmungen
(Art. 17 Abs. 1 ATSG) analog Anwendung finden.

2.2. Zu ergänzen ist weiter, dass es sich bei den gerichtlichen Feststellungen
zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit grundsätzlich um Fragen
tatsächlicher Natur handelt (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Ebenso stellt
die konkrete Beweiswürdigung eine nur unter den in Erwägung 1 hiervor genannten
Voraussetzungen überprüfbare Tatfrage dar (Urteil 9C_780/2015 vom 7. Januar
2016 E. 3.2 mit Hinweisen).

3. 
Die Vorinstanz würdigte die medizinischen Akten und erwog, angesichts der von
Dr. med. B.________ beschriebenen Befunde sei es nachvollziehbar, dass der
Gutachter, Dr. med. C.________, retrospektiv auf die Angaben der behandelnden
Psychiaterin abgestellt und mit ihr für die Zeit ab dem 5. Februar 2013 von
einer schweren Depression und vom Fehlen einer Arbeitsfähigkeit ausgegangen
war. Nach dem 6. Februar 2014 sei es zu einer erheblichen Verbesserung des
Gesundheitszustandes gekommen. Im Zeitpunkt der Begutachtung, somit ab dem 26.
Juni 2014, habe Dr. med. C.________ die Depressivität noch als mittelgradig
eingestuft. Die Beeinträchtigung depressiver Art mittlerer Intensität sei nicht
mehr invalidisierend, nachdem der Beschwerdeführerin noch therapeutische
Optionen offen stünden. Das kantonale Gericht folgerte aus diesen
Feststellungen, die Versicherte habe in der Zeit vom 1. Februar 2014 bis zum
30. September 2014 einen befristeten Anspruch auf eine Invalidenrente.

4. 
Die Beschwerdeführerin lässt vorbringen, Dr. med. B.________ habe in ihrem
Bericht vom 9. September 2015 eine schwere depressive Episode diagnostiziert.
Eine solche gehöre definitionsgemäss nicht zu den vorübergehenden Leiden, die
nicht invalidisierend seien. Demnach habe sich die vom Gutachter Dr. med.
C.________ am 1. Juli 2014 gestellte gute Prognose nicht verwirklicht. Die
depressive Erkrankung habe sich chronifiziert. Es liege eine schwere Depression
vor. Die Vorinstanz habe demnach zu Unrecht die Rechtsprechung gemäss BGE 140 V
193 E. 3.3 S. 197 angewendet. Zudem habe die Versicherte sich den Empfehlungen
des Dr. med. C.________ unterzogen, indem sie sich weiterhin regelmässig
psychotherapeutisch behandeln liess. Es könne daher nicht argumentiert werden,
sie habe die indizierten zumutbaren Behandlungsmöglichkeiten nicht optimal
ausgeschöpft. Sie habe daher über den 1. Oktober 2014 hinaus Anspruch auf
mindestens eine halbe Invalidenrente. Dies entsprechend der von Dr. med
C.________ attestierten Arbeitsfähigkeit von 40 - 50 %. Aufgrund der von Dr.
med. B.________ im Bericht vom 11. September 2015 bescheinigten
Verschlechterung des Gesundheitszustandes sei ihr ab dem 1. November 2015
wiederum eine ganze Rente auszurichten.

5. 

5.1. Nach den letztinstanzlich verbindlichen Feststellungen im angefochtenen
Entscheid hat sich der Gesundheitszustand der Versicherten spätestens im
Begutachtungszeitpunkt vom 26. Juni 2014, verglichen mit demjenigen vom 5.
Februar 2013, wesentlich verbessert. Damals lag eine schwere Depression vor,
wohingegen ab der Begutachtung nur noch eine solche mittelschweren Grades
festgestellt werden konnte. Damit lag ein Revisionsgrund im Sinne von Art. 17
ATSG vor. Weiter steht fest, dass der Experte die Fortsetzung der regelmässigen
Psychotherapie beziehungsweise der psychiatrischen Behandlung empfahl. Auch Dr.
med. B.________ machte in ihrem Bericht vom 11. September 2015 weitere
Therapieempfehlungen. Sie erachtete zur Verbesserung des Gesundheitszustandes
weitere medizinische Massnahmen in Form eines Klinikaufenthaltes oder der
Etablierung einer externen Tagesstruktur als zielführend. Das kantonale Gericht
hat demnach kein Bundesrecht verletzt, indem es aus diesen Feststellungen zur
Erkenntnis gelangte, der Beschwerdeführerin hätten jederzeit noch
therapeutische Optionen offen gestanden und es habe keine Behandlungsresistenz
vorgelegen. Die rechtliche Folgerung, die diagnostizierte mittelgradige
Depression sei nicht als invalidisierend zu qualifizieren, verletzt damit kein
Bundesrecht. Der Anspruch auf eine Invalidenrente wurde daher zu Recht auf den
30. September 2014 terminiert.

5.2. Die Beschwerdeführerin argumentiert, ihr Gesundheitszustand habe sich in
der Folge wieder verschlechtert, sodass gemäss Zeugnis der Dr. med. B.________
vom 11. September 2015 spätestens ab dem Behandlungstermin vom 31. August 2015
wiederum eine schwere Depression und höchstens noch eine Arbeitsfähigkeit von
20 % vorgelegen habe. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Ärztin selbst nicht
von einer Verschlechterung, sondern vielmehr von einer Chronifizierung
berichtet. Die Wortwahl im Befund: "Patientin verharrt in chronifiziertem
depressiven Zustandsbild. Chronifizierung des bestehenden Krankheitsbildes"
belegt keine wesentliche Verschlechterung. Vielmehr wird ein Andauern des
bisherigen Beschwerdebildes beschrieben, welches eine erneute Revision
beziehungsweise ein Wiederaufleben der terminierten Rente nicht rechtfertigen
würde. Einzig die günstige Prognose des Dr. med. C.________ scheint sich - bis
dahin - nicht verwirklicht zu haben. Entscheidend ist zudem, dass Dr. med.
B.________, wie in Erwägung 5.1.2 hievor ausgeführt, in einer - bis anhin von
der Versicherten abgelehnten - stationären Therapie Verbesserungspotential
sieht. Damit ist die psychische Erkrankung der Beschwerdeführerin nicht
erwiesenermassen therapieresistent (vgl. BGE 140 V 193 E. 3.3 S. 197) und damit
auch ab September 2015 nicht invalidisierend.

5.3. Hinsichtlich der invalidisierenden Wirkung der geltend gemachten, Ende
April 2016 offenbar neu aufgetretenen Kribbelbeschwerden ist auf die
Ausführungen im angefochtenen Entscheid zu verweisen. Veränderungen des
Sachverhalts die sich nach Erlass der angefochtenen Verfügung verwirklichten,
sind bei deren gerichtlichen Überprüfung nicht zu berücksichtigen (BGE 132 V
215 E. 3.1.1 S. 220).

5.4. Zusammengefasst sind die vorinstanzlichen Feststellungen zum
Gesundheitszustand und dessen Veränderung nicht offensichtlich unrichtig oder
rechtsfehlerhaft. Der Rentenanspruch der Beschwerdeführerin wurde zu Recht auf
Ende September 2014 terminiert.

6. 
Ausgangsgemäss wird die Beschwerdeführerin grundsätzlich kostenpflichtig (Art.
66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Ihrem Gesuch um unentgeltliche Prozessführung kann
jedoch entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 BGG), da ihre Bedürftigkeit aufgrund
der Bestätigung der Stadtverwaltung D.________ vom 18. April 2016 ausgewiesen
ist und das Verfahren nicht zum Vornherein aussichtslos erschien. Es wird
indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG hingewiesen, wonach sie der
Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn sie später dazu in der Lage
ist.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwalt Thomas Wyss wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.

4. 
Dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin wird aus der Bundesgerichtskasse
eine Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 30. Mai 2017
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer

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