Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.180/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
8C_180/2017        

Urteil vom 21. Juni 2017

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Betschart.

Verfahrensbeteiligte
Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG, Geschäftsbereich Schaden, Postfach, 8085
Zürich Versicherung,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Ernst Schär, Beschwerdegegner.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 27.
Januar 2017.

Sachverhalt:

A. 
Der 1968 geborene A.________ arbeitet seit 1. September 2002 bei der B.________
SA als Brockenstubenmitarbeiter und ist dadurch bei der Zürich
Versicherungs-Gesellschaft AG (nachfolgend: Zürich) gegen die Folgen von
Unfällen versichert. Am 9. April 2010 zog er sich beim Entsorgen einer
Glasplatte eine etwa 4 cm lange Schnittverletzung am linken Unterarm zu, bei
der eine Vene angeschnitten und die Sehne des Musculus brachioradialis zu ca.
50 % durchtrennt wurde. Die Verletzung wurde noch am Unfalltag operativ
versorgt. Wegen fortdauernder Beschwerden musste sich der Versicherte in der
Folge zwei weiteren Operationen am linken Unterarm unterziehen: einer
Rekonstruktion des Flexor carpi radialis am 7. Oktober 2010 und am 30. März
2012 einer Neurolyse des Nervus medianus inklusive Ramus palmaris nervi
medianus und Ramus superficialis nervi radialis sowie einer Tenolyse des
rekonstruierten Flexor carpi radialis. Die Zürich erbrachte die gesetzlichen
Leistungen in Form von Heilbehandlung und Taggeld. Im Oktober 2012 meldete sich
A.________ unter Hinweis auf das Unfallereignis bei der IV-Stelle Bern zum
Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung an. Ab 13. Mai 2011 wurde
A.________ zudem wiederholt konservativ wegen Rückenbeschwerden behandelt,
nachdem er bereits im Jahr 2004 an der lumbalen Diskushernie L3/L4 rechts
operiert worden war.
Im Auftrag der Zürich wurde A.________ am 20. und 23. März 2013 durch die
Gutachterstelle für interdisziplinäre Begutachtungen C.________, unter
Beteiligung der Fachbereiche Neurologie und Handchirurgie begutachtet. Gestützt
auf deren Gutachten vom 21. April 2013 stellte die Zürich ihre Leistungen für
Heilbehandlungen und Taggelder mit Verfügung vom 22. August 2013 per 21. April
2013 ein und verneinte einen Anspruch auf Rente und Integritätsentschädigung.
Die dagegen erhobene Einsprache des Versicherten wies die Zürich mit Entscheid
vom 24. Juli 2015 ab.
Die IV-Stelle Bern stellte - ebenfalls gestützt auf das Gutachten der
Gutachterstelle C.________ - mit Vorbescheid vom 13. September 2013 die
Abweisung des Begehrens um Leistungen der Invalidenversicherung in Aussicht.
Nach Einwand des Versicherten veranlasste sie auf Empfehlung des Regionalen
Ärztlichen Diensts (RAD) eine polydisziplinäre Begutachtung durch die
Medizinische Begutachtung Basel (MGBB); deren Gutachten datiert vom 29.
Dezember 2015.

B. 
Mit Entscheid vom 27. Januar 2017 hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
die gegen den Einspracheentscheid der Zürich vom 24. Juli 2015 erhobene
Beschwerde teilweise gut und sprach A.________ mit Wirkung ab dem 21. April
2013 eine Rente bei einem Invaliditätsgrad von 25 % zu.

C. 
Die Zürich erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt, der angefochtene Entscheid sei insofern aufzuheben, als A.________
eine Rente zugesprochen werde. Eventualiter sei die Sache zu ergänzenden
Abklärungen hinsichtlich des Rentenanspruchs an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Zudem sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu gewähren.
A.________ beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventualiter
sei sie abzuweisen, ebenso sei das Gesuch um aufschiebende Wirkung abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht und das Bundesamt für Gesundheit verzichteten auf eine
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Der Beschwerdegegner rügt vorab, die Beschwerde genüge den elementaren
formellen Anforderungen von Art. 42 Abs. 2 und 3 BGG nicht, so dass darauf
nicht einzutreten sei.

1.1. Art. 42 Abs. 1 BGG schreibt vor, dass Rechtsschriften die Begehren und
deren Begründung mit Angabe der Beweismittel enthalten müssen. Abs. 2
präzisiert, dass in der Begründung in gedrängter Form darzulegen ist, inwiefern
der angefochtene Akt Recht verletzt. Dies setzt voraus, dass konkret auf die
für das Ergebnis des angefochtenen Entscheids massgeblichen Erwägungen der
Vorinstanz eingegangen und im Einzelnen aufgezeigt wird, welche Vorschriften
oder Rechte und weshalb diese von der Vorinstanz verletzt worden sein sollen (
BGE 140 III 86 E. 2 S. 89; Urteil 8C_644/2016 vom 21. November 2016 E. 2.1).
Entgegen der Behauptung des Beschwerdegegners ist nicht erforderlich, dass die
Gesetzesartikel ausdrücklich genannt werden, falls aus den Vorbringen in der
Beschwerdeschrift hinreichend klar hervorgeht, gegen welche Rechtsregeln die
kantonale Instanz verstossen haben soll (BGE 140 III 86 E. 2 S. 89 mit
zahlreichen Hinweisen). Vorliegend wirft die Beschwerdeführerin der Vorinstanz
im Wesentlichen vor, gewisse Elemente der massgebenden medizinischen Gutachten
nicht bzw. unzutreffend gewürdigt zu haben und rügt damit einzig deren
Sachverhaltsfeststellung. Damit hat sie die Begründungsanforderungen
grundsätzlich erfüllt.

1.2. Sodann sind gemäss Art. 42 Abs. 3 BGG Urkunden, auf die sich die Partei
als Beweismittel beruft, beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat;
richtet sich die Rechtsschrift gegen einen Entscheid, so ist auch dieser
beizulegen. Zwar trifft der Hinweis des Beschwerdegegners zu, dass die
Beschwerdeführerin die Gutachten, auf die sie sich beruft, der Beschwerde nicht
beigelegt hat und es auch unterlassen hat, einen expliziten Antrag auf Edition
der gerichtlichen Akten zu stellen. Allein deswegen auf die Beschwerde nicht
einzutreten, wäre allerdings überspitzt formalistisch, zumal die - nach Ansicht
der Beschwerdeführerin - einschlägigen Fundstellen in der Beschwerdeschrift
genau angegeben sind. Da auch die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, ist auf
die Beschwerde einzutreten.

2. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden. Es
ist aber nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden
rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr
vorgetragen werden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

3. 
Die Vorinstanz hat die hier massgeblichen Bestimmungen und Rechtsgrundsätze
zutreffend dargelegt. Dies betrifft den Anspruch auf Leistungen der
obligatorischen Unfallversicherung im Allgemeinen (Art. 6 Abs. 1 UVG i.V.m.
Art. 4 ATSG), die Grundsätze des für die Leistungspflicht des
Unfallversicherers vorausgesetzten natürlichen und adäquaten
Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (
BGE 129 V 177 E. 3.1 und 3.2 S. 181; Urteil 8C_100/2011 vom 1. Juni 2011 E.
3.1, nicht publ. in BGE 137 V 199, aber in: SVR 2012 UV Nr. 2 S. 3; vgl. auch
BGE 140 V 356 E. 3.2 S. 358) und die Einstellung der vorübergehenden
Leistungspflicht unter gleichzeitiger Prüfung des Anspruchs auf eine
Invalidenrente und eine Integritätsentschädigung (Art. 19 Abs. 1 UVG; BGE 140 V
130 E. 2.2 S. 132; 137 V 199 E. 2.1 S. 201 f.). Gleiches gilt für die
Ausführungen zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung medizinischer Berichte und
Gutachten (BGE 137 V 210 E. 6.2.2 S. 269; 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E.
3a S. 352) und zur Bemessung des Invaliditätsgrads, insbesondere unter
Berücksichtigung eines Soziallohns (BGE 141 V 351 E. 4.2 S. 353; 117 V 8 E. 2c/
aa S. 18). Darauf wird verwiesen. Hervorzuheben ist, dass das Gericht den von
Versicherungsträgern nach Art. 44 ATSG eingeholten, den Anforderungen der
Rechtsprechung entsprechenden Gutachten externer Spezialärzte vollen Beweiswert
zuerkennen darf, solange nicht konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit der
Expertise sprechen (BGE 137 V 210 E. 2.2.2 S. 232; 135 V 465 E. 4.4 S. 470).

4. 
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte,
indem es dem Beschwerdegegner bei einem Invaliditätsgrad von 25 % eine Rente
mit Wirkung ab 21. April 2013 zusprach.

4.1. Der Versicherte hatte im vorinstanzlichen Verfahren unter anderem geltend
gemacht, dass er nach dem Unfallereignis vom 9. April 2010 wegen der
Beschwerden im linken Vorderarm den rechten Arm beim Tragen schwerer Lasten
stärker beanspruchen müsse, was ab 2011 zu starken Rückenbeschwerden geführt
habe. Nach Würdigung der medizinischen Aktenlage (welche im angefochtenen
Entscheid zutreffend aufgezeigt wird), gelangte die Vorinstanz insbesondere
gestützt auf die Gutachten der Gutachterstelle C.________ und der MGBB zum
Schluss, dass ein natürlicher Kausalzusammenhang zwischen den geklagten
Rückenbeschwerden und dem Unfallereignis vom 9. April 2010 nach dem im
Sozialversicherungsrecht massgeblichen Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit zu verneinen sei. Der Beschwerdegegner verweist in seiner
Vernehmlassung zwar weiterhin auf die Möglichkeit von Wechselwirkungen zwischen
einer einseitigen Belastung der Arme und allfälligen Rückenleiden, ficht die
vorinstanzliche Schlussfolgerung jedoch nicht an, so dass sich weitere
Ausführungen hierzu erübrigen.

4.2. Zu den Beschwerden im linken Unterarm hielt das kantonale Gericht fest,
die Experten der Gutachterstelle C.________, Dres. med. D.________, Facharzt
für Neurologie FMH, und E.________, Facharzt für Chirurgie, Handchirurgie und
Chirurgie der peripheren Nerven FMH, würden die zumutbare Kraft- und
Gewichtsbelastung für das Hantieren, Heben und Tragen von Gewichten auf 30 kg
festlegen und deshalb die angestammte Tätigkeit für uneingeschränkt zumutbar
halten (wobei schwerste Arbeiten nur kurzfristig auszuführen seien).
Demgegenüber setze der orthopädisch-handchirurgische Gutachter der MGBB, Dr.
med. F.________, Facharzt für Orthopädie und Handchirurgie FMH, eine Trage- und
Hebelimite von 20 kg fest, so dass nur noch eine adaptierte Tätigkeit
uneingeschränkt zumutbar sei. Beide Gutachten schlössen Schwerstarbeit somit
aus und variierten nur hinsichtlich der Belastungsgrenze (20 oder 30 kg). Zur
angestammten Tätigkeit des Beschwerdegegners zählten Umzüge und Möbeltransporte
je im Umfang von 34 bis 66 % bzw. 3 bis 5 1/4 h pro Tag, sowie Verkauf im
Umfang bis 5 % bzw. 1/2 h pro Tag. Ebenso betrage die körperliche Belastung
durch Heben und Tragen über 25 kg 34 bis 66 % oder 3 bis 5 1/4 h pro Tag. Daher
sei eine Weiterbeschäftigung in der bisherigen Tätigkeit (die zu 34 bis 66 %
auch Schwerstarbeit im Sinn von Belastungen über 25 kg umfasse) im Grunde
genommen auch für die Gutachter der Gutachterstelle C.________ nicht mehr
zumutbar. Dem stehe auch die Einschätzung der behandelnden Handchirurgin Prof.
Dr. med. G.________, Fachärztin für plastische, rekonstruktive und ästhetische
Chirurgie und Handchirurgie, nicht entgegen, habe diese doch im Februar 2015
eine Einschränkung von 20-30 % in der bisherigen Tätigkeit attestiert. Sodann
ziele das Argument der Versicherung, das Trage- und Hebelimit von 20 kg gemäss
dem Gutachten der MGBB werde alleine mit den nicht unfallkausalen
Rückenbeschwerden begründet, ins Leere. Denn die Gutachter der MGBB hätten
festgehalten, dass sich die Beschwerden im linken Vorderarm zusammen mit den
Rückenbeschwerden immer wieder arbeitslimitierend auswirkten. Ergänzend hätten
sie in ihrer Stellungnahme vom 3. Juli 2016 ausgeführt, dass die beschriebenen
arbeitslimitierenden Beeinträchtigungen im linken Vorderarm bei einer
angepassten Tätigkeit ohne Notwendigkeit, höhere Gewichte als 20 kg zu
bewältigen, nicht zu einer Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit führten.
Daraus folge im Umkehrschluss, dass bei Überschreitung dieser Belastungsgrenze
Einschränkungen infolge der unfallbedingten Verletzung am linken Vorderarm
resultierten. Im Ergebnis sei dem Beschwerdegegner die angestammte Tätigkeit
bei der B.________ SA zwar nicht mehr uneingeschränkt zumutbar, doch bestehe in
einer leidensangepassten Tätigkeit eine uneingeschränkte Arbeits- und
Leistungsfähigkeit.

4.3. 

4.3.1. Die Beschwerdeführerin weist zutreffend darauf hin, dass das Gutachten
der Gutachterstelle C.________ die Kraft- und Gewichtsbelastungsgrenze von 30
kg ausdrücklich nur für den linken Arm festlegte, was die Vorinstanz nicht
beachtet hat. Gestützt darauf wäre dem Beschwerdegegner bei gleichmässiger
Verteilung des Gewichts auf beide Arme - einzig aus Sicht der Armkraft - im
Prinzip eine höhere körperliche Gesamtbelastung als 30 kg zuzumuten (wobei
offen gelassen werden kann, ob diese, wie die Beschwerdeführerin berechnet, bei
mindestens 60 kg oder - unter Anwendung des im Gutachten der MGBB angeführten
Limits von 20 kg auf den linken Arm - bei 40-50 kg liegt). Die Experten der
Gutachterstelle C.________ hielten weiter fest, dass der Endzustand erreicht
sei und sicherlich eine Flexionskraftverminderung im linken Handgelenk
verbleiben werde, wobei nicht erklärbar sei, dass mit verminderter Kraft des
Flexor carpi radialis auch eine verminderte Faustschlusskraft entstehe. Sie
erachteten die bisherige Tätigkeit als Brockenstubenmitarbeiter aus
handchirurgischer Sicht mit einem Pensum von 100 % bei voller
Leistungsfähigkeit als zumutbar, wiesen aber einschränkend darauf hin, dass
schwerste Arbeiten nur kurzfristig durchgeführt werden sollten und ein Beruf
mit weniger manuellen Belastungen auch aufgrund der Rückenanamnese (Status nach
lumbaler Diskushernienoperation ungefähr 2003 und seither rezidivierende
Lumbalgien) langfristig sinnvoll wäre.

4.3.2. Der im Gutachten der Gutachterstelle C.________ festgesetzten
Gewichtsbeschränkung von 30 kg für den linken Unterarm steht die Einschätzung
der MGBB gegenüber, die das Hebe- und Tragelimit auf insgesamt 20 kg, bei
beidhändigem Tragen, festlegt. Die beiden Gutachten weichen in diesem Punkt
somit stärker voneinander ab, als die Vorinstanz angibt. Die Divergenz erklärt
sich dadurch, dass die Gutachter des MGBB, Dres. med. F.________, H.________,
Facharzt für Innere Medizin FMH, und I.________, Facharzt für Neurologie FMH,
eine umfassende Abklärung des aktuellen Beschwerdebilds mit Blick auf
allfällige Leistungen der Invalidenversicherung vorzunehmen hatten, ohne nach
den Ursachen der Beschwerden zu forschen, und dass sie in ihrer Beurteilung dem
Rückenleiden (namentlich chronische Lumbalgien bei Bandscheibenprotrusion L4/L5
mit Beeinträchtigung der Wurzel links; Status nach Mikrodiskektomie L3/L4 und
Dekompression der Wurzel L4 rechts im Mai 2004 sowie Status nach mehreren
Infiltrationen lumbal) ein grosses Gewicht beimassen. Dies ergibt sich
insbesondere aus ihrer Feststellung, dass bei gleichbleibender Arbeit und hoher
Belastung der Körperachse mit einem Wiederauftreten der Rückenbeschwerden
gerechnet werden müsse, weshalb für die bisherige Tätigkeit ein Trage- und
Hebelimit von maximal 20 kg bestehe.
Speziell aus handchirurgischer Sicht attestierten sie dem Beschwerdegegner eine
Beeinträchtigung bei "grosser Trage- und Hebebelastung" mit dadurch
auftretenden vermehrten Beschwerden, ohne hierfür eine ausdrückliche
Gewichtsbeschränkung zu beziffern. Sie merkten an, dass die Beschwerden im
linken Vorderarm zwar abgenommen hätten, sich aber beim Heben und Tragen von
Lasten über 20 kg zusammen mit den Rückenbeschwerden immer wieder
arbeitslimitierend auswirken würden. Auch hier fällt auf, dass die Beurteilung
unter Einbezug des Rückenleidens erfolgte. Die Gutachter der MGBB nahmen zudem
zum Gutachten der Gutachterstelle C.________ Stellung: Sie erwähnten zunächst
die dort festgelegte maximal zumutbare Kraft- und Gewichtsbelastung von 30 kg,
kommentierten sie aber nicht. Den Verdacht der Gutachter der Gutachterstelle
C.________, der Beschwerdegegner habe bei der Kraftprüfung beim Faustschluss
links simuliert, konnten sie nicht bestätigen. Sodann zitierten sie die
Bemerkung der Gutachterstelle C.________-Gutachter, wonach langfristig eine
Tätigkeit mit weniger Rückenbelastung sinnvoll wäre, und hielten hierzu
(erneut) fest, dass die Rückenanamnese des Exploranden ein wesentlicher und
limitierender Faktor für die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit sei. Zur
Beurteilung der Handchirurgin, Prof. Dr. med. G.________, die den
Beschwerdegegner im Februar 2015 als zu 70-80 % arbeitsfähig erachtete (bei
einer Präsenz von 100 %), legten die Gutachter der MGBB dar, dass diese
Beurteilung das lumbale Leiden nicht berücksichtige, aber mit Bezug auf die
Armbeschwerden links nachvollziehbar sei. Alle in die Behandlung involvierten
Handchirurgen könnten keine strukturellen Begründungen für das Beschwerdebild
geben. In der konsensualen Beurteilung hielten sie fest, dass in einer
angepassten Tätigkeit, ohne Notwendigkeit höhere Gewichte als 20 kg zu
bewältigen, keine Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit aus neurologischer und
orthopädischer Sicht bestehe. Es würden z.B. Büro- und/oder Überwachungs- und
Kontrolltätigkeiten oder Botendienste vorgeschlagen. Insgesamt betrage die
Arbeitsfähigkeit im angestammten Beruf als Mitarbeiter in einer Brockenstube 50
%.

4.3.3. Aus den Ausführungen im Gutachten der MGBB geht somit hervor, dass die
Rückenbeschwerden bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des
Beschwerdegegners klar im Vordergrund stehen. Entgegen der Darstellung der
Vorinstanz enthält auch die von ihr eingeforderte, ergänzende Stellungnahme vom
3. Juli 2016 keine präziseren Aussagen zu den Einschränkungen der
Arbeitsfähigkeit, die auf die Folgen des Unfalls vom 9. April 2010
zurückzuführen sind. Denn dort wiederholen die Gutachter Dres. med. F.________
und I.________ lediglich wenige ihrer Aussagen im Gutachten und gehen nicht
vertieft auf die Frage ein, in welchem Umfang der Beschwerdegegner aufgrund der
unfallkausalen Beschwerden im linken Vorderarm in seiner angestammten Tätigkeit
eingeschränkt ist. Dies ergibt sich auch aus der Bemerkung des Dr. med.
F.________ in seiner Mail vom 5. Juli 2016 an Dr. med. I.________, wonach "ja
eigentlich alles schon im Gutachten" stehe.

4.3.4. Zusammenfassend lässt sich aus dem Gutachten der MGBB einerseits nicht
ableiten, dass die darin befürwortete Gewichtslimite von insgesamt 20 kg (und
damit die reduzierte Arbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit)
überwiegend auf die verbleibenden Beschwerden im linken Unterarm zurückzuführen
ist. Andererseits ergibt sich daraus auch nicht, dass das im Gutachten der
Gutachterstelle C.________ angeführte Höchstgewicht von 30 kg für den linken
Unterarm nicht zutreffen, sondern auch für diesen eine maximale Last von 20 kg
gelten würde, zumal auch die Gutachter der MGBB, wie gezeigt, annehmen, dass
die Beschwerden lediglich bei "grosser" Belastung wieder auftreten und zur
Gewichtslimite von 30 kg keine Stellung nehmen.

4.4.

4.4.1. Das Gutachten der Gutachterstelle C.________ ist zwar insofern nicht
vollständig, als sich seine Verfasser nicht mit den ihnen vorliegenden
Berichten der Handchirurgen Prof. Dr. med. G.________ und Dr. med. J.________,
Facharzt für Chirurgie und Handchirurgie FMH, auseinandersetzten, die dem
Beschwerdegegner - dannzumal - eine Arbeitsfähigkeit von maximal 50 %
attestiert hatten. Allerdings reichte Gutachter Dr. med. E.________ diese
Stellungnahme am 12. Februar 2015 nach und führte aus, dass die beiden
behandelnden Ärzte keine objektiv nachvollziehbare Begründung einer reduzierten
Arbeitsfähigkeit geliefert hätten. Der Patient habe objektiv eine normale
Funktion der oberen Extremitäten gehabt und die festgestellte reduzierte
Faustschlusskraft links von 20 kg sei eigentlich (bei einer rechtsdominanten
Person) immer noch als normal zu werten. Auch könne die normale Beschwielung
der linken Hand so gedeutet werden, dass diese normal gebraucht werde. Aus
diesen Befunden könne keine reduzierte Arbeitsfähigkeit resultieren.

4.4.2. Prof. Dr. med. G.________ attestierte dem Beschwerdegegner ab Februar
2015 eine Arbeitsfähigkeit von 70-80 % (bei einer Präsenz von 100 %). Dabei
gilt es der Erfahrungstatsache Rechnung zu tragen, dass behandelnde Ärztinnen
und Ärzte nicht nur in der Funktion als Hausärzte (BGE 135 V 465 E. 4.5. S.
470; 125 V 351 E. 3a/cc S. 353), sondern auch als spezialärztlich behandelnde
Medizinalpersonen im Hinblick auf ihre auftragsrechtliche Vertrauensstellung in
Zweifelsfällen mitunter eher zugunsten ihrer Patienten aussagen (Urteile 8C_80/
2017 vom 20. April 2017 E. 3.2; 8C_610/2016 vom 17. November 2016 E. 3.2;
8C_616/2014 vom 25. Februar 2015 E. 5.3.3.3 in: SVR 2015 IV Nr. 26 S. 78;
8C_231/2013 vom 18. Juli 2013 E. 5.3 in: SVR 2013 IV Nr. 40 S. 119, je mit
Hinweisen). Im Übrigen beruht die Einschätzung von Prof. Dr. med. G.________
(wie übrigens auch die Schilderungen der Vorderarm-Beschwerden in den
Gutachten) im wesentlichen auf den subjektiven Angaben des Beschwerdegegners,
was ihren Beweiswert schmälert (vgl. Urteil 8C_665/2016 vom 24. November 2016
E. 5.4 mit Hinweis). Das Arztzeugnis von Prof. Dr. med. G.________ steht der
Annahme einer vollen Arbeitsfähigkeit somit nicht entgegen.

4.4.3. Soweit der Beschwerdegegner schliesslich den Beweiswert des Gutachtens
der Gutachterstelle C.________ mit dem Hinweis auf eine mögliche Befangenheit
der Gutachter anzweifeln will, weil dieses Gutachten im Auftrag der
Versicherung erstellt wurde, ist er daran zu erinnern, dass Ausstands- und
Befangenheitsgründe umgehend geltend zu machen sind, d.h. grundsätzlich sobald
der Betroffene Kenntnis von den entsprechenden Tatsachen erhält (vgl. BGE 132
II 485 E. 4.3 S. 496; Urteil 8C_814/2016 vom 17. April 2017 E. 4.3, zur
Publikation vorgesehen). Vorliegend bot die Versicherung dem Beschwerdegegner
vor Erteilung des Auftrags an die Gutachterstelle C.________ Gelegenheit, sich
zu den Gutachtern und den Gutachterfragen zu äussern, doch machte dieser keine
Einwände geltend. Seine Vorbringen wären daher in jedem Fall verspätet, soweit
sie (mangels eigener Beschwerdeerhebung) überhaupt zu hören wären.

4.5. Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass die Arbeitsfähigkeit aufgrund der
verbleibenden, aus dem Unfall stammenden Beschwerden im linken Unterarm nicht
eingeschränkt ist. Vielmehr stehen heute die Rückenbeschwerden im Vordergrund,
die schon im Jahr 2003 bestanden hatten und sich in der Zwischenzeit wieder
akzentuiert haben, was aber, wie gezeigt, nicht kausal auf den Unfall
zurückzuführen ist. Somit kann der Vorinstanz nicht gefolgt werden, wenn sie
von einer wegen den Armbeschwerden massgeblich reduzierten Arbeitsfähigkeit
ausgeht, für die die Unfallversicherung einzustehen hätte. Die Beschwerde ist
daher gutzuheissen.

5. 
Das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung wird mit dem Urteil in der
Sache gegenstandslos.

6. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdegegner die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern vom 27. Januar 2017 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid
der Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG vom 24. Juli 2015 bestätigt.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 21. Juni 2017

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Betschart

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