Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.163/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_163/2017  
 
 
Urteil vom 20. Juni 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiber Nabold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, vertreten durch Advokat Nicolai Fullin, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Basel-Stadt vom 24. Januar 2017 (UV.2016.53). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Der 1969 geborene A.________ war als Hilfsmonteur der B.________ bei der
Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) versichert, als er bei drei
Verkehrsunfällen (6. November 1998, 3. August 1999 und 26. Juli 2001) je eine
Distorsion der Halswirbelsäule erlitt. Für die bleibenden Folgen dieser Unfälle
sprach die Suva dem Versicherten mit Verfügung vom 24. September 2002 ab
Oktober 2002 eine Rente bei einem Invaliditätsgrad von 100 % und eine
Integritätsentschädigung bei einer Einbusse von 10 % zu. Nachdem die IV-Stelle
Basel-Stadt dem Versicherten mit Verfügung vom 1. März 2003 rückwirkend per 1.
August 1999 eine ganze Invalidenrente zugesprochen hatte, wandelte die Suva die
laufende Rente mit Verfügung vom 26. März 2003 in eine Komplementärrente um,
nahm eine Überentschädigungsberechnung vor und verrechnete ihr aus dieser
resultierendes Guthaben mit der Nachzahlung der Invalidenversicherung.  
 
A.b. Im Jahre 2012 leitete die IV-Stelle ein Revisionsverfahren ein und holte
beim Ärztlichen Begutachtungsinstitut (ABI) eine Expertise ein (Gutachten vom
8. April 2013). Daraufhin hob sie mit Verfügung vom 12. August 2014 die Rente
der Invalidenversicherung per Ende September 2014 auf, da sich der
Gesundheitszustand seit Erlass der ursprünglichen Verfügung wesentlich
verbessert habe. Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 22.
Dezember 2014 mit der substituierten Begründung der zweifellosen Unrichtigkeit
(Wiedererwägung) der ursprünglichen Verfügung ab. Das Bundesgericht schützte
diesen Entscheid mit Urteil 8C_131/2015 vom 6. August 2015.  
 
A.c. Mit Verfügung vom 7. Oktober 2015 und Einspracheentscheid vom 16. August
2016 hob die Suva die laufende Komplementärrente rückwirkend auf den 1. Oktober
2014 auf und forderte vom Versicherten zu Unrecht bezogene Rentenleistungen in
der Höhe von Fr. 29'296.15 zurück.  
 
B.   
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 24. Januar
2017 ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde beantragt A.________, die Suva sei unter Aufhebung des
Einsprache- und des kantonalen Gerichtsentscheides zu verpflichten, die
bisherige Invalidenrente auch über den 1. Oktober 2014 hinaus auszurichten und
es sei festzustellen, dass er der Suva keine Rückerstattung bereits erbrachter
Rentenleistungen schulde. Gleichzeitig stellt A.________ ein Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege. 
Während die Suva und die Vorinstanz auf Abweisung der Beschwerde schliessen,
verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung. 
 
D.   
Auf Aufforderung der Instruktionsrichterin nahmen die Verfahrensbeteiligten
dazu Stellung, ob gestützt auf Art. 34 Abs. 1 UVV der Wegfall der
Invalidenrente ein eigenständiger Grund zur Revision der Invalidenrente der
Unfallversicherung darstellt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).  
 
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).  
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht zu Recht die rückwirkende
Rentenaufhebung der Suva per 1. Oktober 2014 und die damit verbundene
Rückerstattungsforderung der Unfallversicherung bestätigt hat. 
 
3.   
 
3.1. Ist der Versicherte infolge des Unfalles zu mindestens 10 % invalid, so
hat er nach Art. 18 Abs. 1 UVG Anspruch auf eine Invalidenrente.  
 
3.2. Nach Art. 53 Abs. 2 ATSG kann der Versicherungsträger auf formell
rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese
zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung
ist (sog. Wiedererwägung).  
 
4.   
 
4.1. Das kantonale Gericht hat im Wesentlichen erwogen, die rentenzusprechende
Verfügung der Suva sei - gleich wie jene der IV-Stelle - zweifellos unrichtig
gewesen und sei daher wiedererwägungsweise aufzuheben. Dem Beschwerdeführer sei
eine Rente bei einem Invaliditätsgrad von 100 % zugesprochen worden, obwohl der
Suva-Kreisarzt in seinem Bericht vom 21. Mai 2002 zum Schluss gekommen sei, dem
Versicherten sei in einer angepassten Tätigkeit ein ganztägiger Arbeitseinsatz
zumutbar.  
Entgegen den Ausführungen des Versicherten geht aus den vorinstanzlichen
Erwägungen mit hinreichender Bestimmtheit hervor, weshalb die Vorinstanz seine
Beschwerde abgewiesen hat, womit es ihm möglich war, eine sachgerechte
Beschwerde ans Bundesgericht zu erheben. Liegt demnach keine Verletzung von 
Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG vor, erübrigt sich eine Rückweisung an das kantonale
Gericht in Anwendung von Art. 112 Abs. 3 BGG. 
 
4.2. Materiell bringt der Beschwerdeführer gegen die vorinstanzlichen
Erwägungen vor, der Bericht des Kreisarztes beziehe sich nur auf die
organischen Unfallfolgen. Darüber hinaus sei er aus psychischen Gründen, welche
ebenfalls Folge des Unfalls waren, in jeder Tätigkeit zu 100 % arbeitsunfähig
gewesen. Vor diesem Hintergrund sei die ursprüngliche Rentenzusprache der Suva
vertretbar und jedenfalls nicht zweifellos unrichtig gewesen; damit liege kein
Wiedererwägungsgrund nach Art. 53 Abs. 2 ATSG vor.  
 
4.3. Aus den Akten ergibt sich, dass dem Versicherten eine Rente bei einem
Invaliditätsgrad von 100 % zugesprochen wurde, obwohl er jedenfalls aus
organischer Sicht in der Lage war, in einer angepassten Tätigkeit vollzeitlich
erwerbstätig zu sein. Da vor der Rentenzusprache keine explizite Prüfung der
Adäquanz des Kausalzusammenhanges zwischen den Unfallereignissen und den
Unfallfolgen durchgeführt wurde, liegt die Interpretation nahe, dass die
Rentenzusprache alleine aufgrund der organisch hinreichend nachgewiesenen
Unfallfolgen erfolgte. Der Zusprache einer Rente aufgrund eines
Invaliditätgrades von 100 % ohne Prüfung der Arbeitsfähigkeit in einer
Verweistätigkeit liegt ein rechtlicher falscher Invaliditätsbegriff zu Grunde,
womit sie zweifellos unrichtig im Sinne von Art. 53 Abs. 2 ATSG war (vgl. auch
Urteil 8C_2/2018 vom 15. Februar 2018 E. 5.1 mit weiterem Hinweis).  
 
4.4. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Rentenzusprache sei unter
Berücksichtigung des Umstandes erfolgt, dass der behandelnde Psychiater, Dr.
med. C.________ in seinem Bericht vom 30. März 2002 dem Beschwerdeführer eine
100 %-ige Arbeitsunfähigkeit aufgrund der psychischen Problematik attestierte.
Folgt man dieser Interpretation der ursprünglichen Verfügung, so wäre der
Rentenanspruch einzig gestützt auf die Angaben des behandelnden Psychiaters
anerkannt worden. Damit hätte sie nicht auf einer rechtsgenüglichen
Sachverhaltsabklärung beruht (vgl. auch BGE 140 V 514 E. 4 S. 519); auch
diesfalls wäre somit aufgrund der Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes von
der zweifellosen Unrichtigkeit der ursprünglichen Verfügung im Sinne von Art.
53 Abs. 2 ATSG auszugehen.  
 
4.5. Ist somit unabhängig davon, ob die ursprüngliche Rentenzusprache einzig
aufgrund organischer oder auch unter Einbezug psychischer Beschwerden erfolgte,
ein Wiedererwägungsgrund gegeben, durfte die Vorinstanz eine Neuprüfung des
Anspruchs für die Zeit ab Ende September 2014 vornehmen. Damit braucht die
Frage, ob durch die wiedererwägungsweise Aufhebung der Rente der
Invalidenversicherung zusätzlich auch ein Revisionsgrund im Sinne von Art. 34
Abs. 1 UVV besteht, nicht näher geprüft zu werden. Gemäss den vom
Beschwerdeführer nicht substantiiert bestrittenen Erwägungen der Vorinstanz
führt eine Neuprüfung des Anspruchs per Ende September 2014 zu einer
vollständigen Rentenaufhebung auf dieses Datum hin und zu einer
Rückerstattungspflicht des Versicherten der für die Zeit nach Ende September
2014 erbrachten Rentenleistungen (vgl. zur Zulässigkeit der rückwirkenden
Rentenaufhebung und der daraus folgenden Rückerstattungspflicht: BGE 142 V 259
E. 3.2 S. 260 ff.). Entsprechend ist die Beschwerde des Versicherten
abzuweisen.  
 
5.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seinem Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege ist stattzugeben, da die entsprechenden
gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Es wird
indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die
begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie
später dazu in der Lage ist. 
 
 
  
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Advokat
Nicolai Fullin wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.   
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 20. Juni 2018 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold 

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