Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.162/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]            
8C_162/2017   {T 0/2}     

Urteil vom 19. April 2017

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Viscione,
Gerichtsschreiberin Hofer.

Verfahrensbeteiligte
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch AXA-ARAG Rechtsschutz AG,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Unfallversicherung (Prozessvoraussetzung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz
vom 20. Januar 2017.

Sachverhalt:

A. 
Der 1959 geborene A.________ arbeitete als Produktionsmitarbeiter bei der
B.________ AG. Damit war er bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt
(Suva) gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 25. Juni 2013 glitt er beim
Stapeln von Spezialpaletten aus und verletzte sich am linken Oberarm. Die Suva
anerkannte ihre Leistungspflicht für die Folgen des Ereignisses, kam für die
Heilbehandlung auf und richtete die gesetzlichen Versicherungsleistungen aus.
Im Spital C.________ wurde eine distale Bizepssehnenruptur im Bereich des
linken Ellbogens diagnostiziert und am 3. Juli 2013 operativ versorgt. Im
Anschluss daran kam es zu einer axonalen Nervenläsion. Gemäss Bericht des
Spitals C.________ vom    25. Oktober 2013 klagte der Versicherte über
persistierende belastungs- und bewegungsabhängige Schmerzen im Bereich der
linken Schulter. Bezüglich der Schulter hatte er der Suva zudem einen Vorfall
vom 30. Dezember 2013 gemeldet. Am 12. August 2014 wurde die Schulter operiert.
Im Rahmen der kreisärztlichen Abschlussuntersuchung vom 12. Januar 2016 ging
Dr. med. D.________, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des
Bewegungsapparates FMH, von einem stabilen Zustand aus. Der Fallabschluss
bezüglich der linken oberen Extremität sei somit gegeben. Die funktionellen
Einschränkungen seien nicht erheblich, und es liege keine Lähmung nach einer
Nervenläsion vor (Bericht vom 18. Januar 2016).
Mit Verfügung vom 12. April 2016 verneinte die Suva einen Anspruch auf
Invalidenrente mangels Vorliegens eines leistungsbegründenden
Invaliditätsgrades und auf Integritätsentschädigung mangels Erheblichkeit des
Gesundheitsschadens. Im Rahmen der von A.________ gegen die Ablehnung einer
Integritätsentschädigung erhobenen Einsprache holte die Suva die Stellungnahme
des med. pract. E.________, Facharzt Chirurgie, Unfall und Viszeralchirurgie,
Abteilung Versicherungsmedizin, vom 11. August 2016 ein. Dieser kam zum
Schluss, dass die unfallkausale Ruptur der distalen Bizepssehne im Bereich des
linken Ellbogens vom 25. Juni 2013 und die postoperative Nervenschädigung keine
Integritätsentschädigung zu begründen vermöchten. Die Schulterbeschwerden
erachtete er als unfallfremd. Mit Einspracheentscheid vom 18. August 2016 wies
die Suva gestützt darauf die Einsprache ab.

B. 
Die von A.________ dagegen eingereichte Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht
des Kantons Schwyz mit Entscheid vom 20. Januar 2017 im Sinne der Erwägungen
teilweise gut und hob die Verfügung vom 12. April 2016 - soweit nicht in
Rechtskraft erwachsen - und den Einspracheentscheid vom 18. August 2016 auf.
Den Anspruch auf Integritätsentschädigung setzte es auf 10 Prozent fest.

C. 
Die Suva erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, und der Einspracheentscheid
vom 18. August 2016 sei zu bestätigen. Eventualiter sei der vorinstanzliche
Entscheid aufzuheben und die Sache zur weiteren Abklärung an die Suva
zurückzuweisen.
Das kantonale Gericht bringt in seiner Vernehmlassung vor, Dispositiv-Ziffer 1
Satz 2 des angefochtenen Entscheids beruhe auf einem redaktionellen Versehen.
Diese müsse richtigerweise wie folgt lauten: Der Beschwerdeführer hat - sollten
sich die Schulterbeschwerden links aufgrund der weiteren Abklärungen als
unfallkausal herausstellen - Anspruch auf eine Integritätsentschädigung in der
Höhe von 10 Prozent.
A.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Eventualiter sei der
vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die Sache zur weiteren Abklärung an
die Suva zurückzuweisen. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Streitig ist einzig der Anspruch auf Integritätsentschädigung der
Unfallversicherung für die Funktionseinschränkung der linken Schulter des
Versicherten.

2.

2.1. Nach dem Wortlaut von Dispositiv-Ziffer 1 des angefochtenen Entscheids,
wonach der Versicherte Anspruch auf eine Integritätsentschädigung in Höhe von
10 Prozent hat, wäre darauf zu schliessen, dass über den Anspruch auf
Integritätsentschädigung abschliessend entschieden wurde. Ein anderes Bild
ergibt sich aus der Lektüre der Erwägungen, auf welche das Dispositiv verweist.
Die Vorinstanz hat in der Urteilsbegründung ausgeführt, an der
Kausalitätsbeurteilung des med. pract. E.________, auf welche die Suva im
Einspracheentscheid abgestellt habe, bestünden zumindest geringe Zweifel. Da
die (auch nur teilweise) Unfallkausalität Voraussetzung für den Anspruch auf
Integritätsentschädigung bilde, sei die Sache zur weiteren Abklärung an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Eine versicherungsexterne Beurteilung der
Kausalitätsfrage im Rahmen eines Aktengutachtens erweise sich als unumgänglich.
Ungeachtet des noch offenen Ergebnisses der versicherungsexternen Abklärungen
äusserte sich das kantonale Gericht auch zum Integritätsschaden am linken
Schultergelenk und setzte diesen gestützt auf die medizinischen Unterlagen und
die einschlägige Suva-Tabelle 1.2 "Integritätsschaden bei Funktionsstörungen an
den oberen Extremitäten" auf 10 Prozent fest. Zwischen den Erwägungen und dem
Wortlaut des Dispositivs besteht somit ein offensichtlicher Widerspruch.

2.2. Davon ausgehend, dass ein Widerspruch zwischen Dispositiv und Erwägungen
einen Erläuterungs- oder Berichtigungsgrund darstellt (vgl. Art. 129 Abs. 1
BGG), ist im Rahmen der Prüfung der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten, wenn diese als ordentliches Rechtsmittel offensteht, der
wirkliche Rechtssinn des angefochtenen kantonalen Entscheids festzustellen. Wie
Verwaltungsverfügungen ist auch ein kantonaler Gerichtsentscheid - unter
Vorbehalt der Problematik von Treu und Glauben - nicht nach seinem Wortlaut,
sondern nach seinem tatsächlichen rechtlichen Bedeutungsgehalt zu verstehen
(Urteil C 280/95 vom 10. Juni 1997 E. 1c, nicht publ. in: BGE 123 V 106;
Urteile 8C_79/2013 vom 25. Juli 2013 E. 2.1; 9C_774/2010 und 9C_441/2011 vom
16. August 2011 E. 2). Aus den Erwägungen des angefochtenen Entscheids geht
klar hervor, dass der Versicherte nur unter der Voraussetzung Anspruch auf eine
Integritätsentschädigung von 10 Prozent hat, dass sich die Schulterbeschwerden
links aufgrund der noch vorzunehmenden Abklärungen als unfallkausal erweisen.
Das Dispositiv des Entscheids ist demnach, da ein Hinweis auf die Rückweisung
unterblieben ist, unvollständig und muss im Sinne der Erwägungen verstanden
werden. Dies hat das kantonale Gericht in seiner Vernehmlassung vom 15. März
2017 auch selbst bestätigt.

2.3. Der Suva ist die Widersprüchlichkeit zwischen den Entscheidgründen und dem
Text des Dispositivs nicht entgangen. Ein Erläuterungs- oder
Berichtigungsgesuch hat sie jedoch nicht gestellt. Zuständig für eine
Berichtigung wäre ohnehin das Gericht, welches den zu berichtigenden Entscheid
gefällt hat (Urteil 4A_519/2015 vom 4. Februar 2016 E. 5).

3.

3.1. Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die (weiteren)
Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 139 V
42 E. 1 S. 44 mit Hinweisen).

3.2. Die Beschwerde an das Bundesgericht ist zulässig gegen Endentscheide, das
heisst gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen (Art. 90 BGG), und
gegen Teilentscheide, die nur einen Teil der gestellten Begehren behandeln,
wenn diese unabhängig von den anderen beurteilt werden können, oder die das
Verfahren nur für einen Teil der Streitgenossen und Streitgenossinnen
abschliessen (Art. 91 BGG). Gegen selbständig eröffnete Vor- und
Zwischenentscheide ist hingegen die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die
Zuständigkeit oder den Ausstand betreffen (Art. 92 BGG), einen nicht wieder
gut-zumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn
die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit
einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges
Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). Ist die Beschwerde
nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, bleibt ein
Zwischenentscheid im Rahmen einer Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar,
sofern er sich auf dessen Inhalt auswirkt (Art. 93 Abs. 3 BGG).
Rückweisungsentscheide, mit denen eine Sache zur neuen Entscheidung an die
Vorinstanz zurückgewiesen wird, sind grundsätzlich Zwischenentscheide, die nur
unter den genannten Voraussetzungen beim Bundesgericht angefochten werden
können (BGE 140 V 282 E. 2 S. 283 mit Hinweisen).

3.3. Der angefochtene Entscheid stellt - soweit er die Sache zur weiteren
Abklärung im Sinne der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückweist - einen
Zwischenentscheid dar. Solche Rückweisungsentscheide führen für die Verwaltung
dann zu einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil, wenn sie materielle
Vorgaben enthalten und der Versicherer damit - könnte er diesen Entscheid nicht
vor Bundesgericht anfechten - unter Umständen gezwungen wäre, eine seines
Erachtens rechtswidrige, leistungszusprechende Verfügung zu erlassen. Diese
könnte er in der Folge nicht selber anfechten. Da die Gegenpartei in der Regel
kein Interesse haben wird, den allenfalls zu ihren Gunsten rechtswidrigen
Endentscheid anzufechten, könnte der kantonale Vorentscheid nicht mehr
korrigiert werden und würde zu einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil für
den Versicherer führen (vgl. BGE 133 V 477 E. 5.2 S. 483 ff.).

4. 
Der kantonale Entscheid enthält die für die Suva verbindliche Vorgabe, dass der
Integritätsschaden an der linken Schulter - soweit er durch den bei ihr
versicherten Unfall verursacht wurde - nach Suva-Tabelle 1.2
(Integritätsschaden bei Funktionsstörungen an den oberen Extremitäten,
"Schulter bis 30° über Horizontale beweglich") auf       10 Prozent
festzusetzen ist. Das Bundesgericht prüft - unter Berücksichtigung der
allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) -
grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel
nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
Die Beschwerdeführerin legt mit keinem Wort dar, inwiefern die vorinstanzliche
Vorgabe unrichtig oder bundesrechtswidrig sein sollte. Soweit der
vorinstanzliche Entscheid demnach für die Suva verbindliche Vorgaben enthält,
ist dieser letztinstanzlich nicht bestritten. Hat sich die Beschwerdeführerin
damit implizit bezüglich der Höhe des Integritätsschadens die vorinstanzliche
Sichtweise zu eigen gemacht, so ist sie durch den vorinstanzlichen Entscheid
nicht gezwungen, eine ihres Erachtens rechtswidrige Verfügung zu erlassen.
Damit führt der kantonale Entscheid für die Suva nicht zu einem nicht wieder
gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG.

5. 
Die Beschwerdeführerin bringt vor, der Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall
und den Schulterbeschwerden sei zu verneinen. Den Akten lasse sich nichts
entnehmen, das gegen die Beurteilung des med. pract. E.________ sprechen würde
oder Zweifel an seiner Beurteilung aufkommen lasse. Es seien keine Berichte
vorhanden, welche die Unfallkausalität der Schulterbeschwerden ausdrücklich
bejahen würden. Bei sorgfältiger Beweiswürdigung zeige sich eine schlüssige
Beurteilung des Versicherungsmediziners, an der keine Zweifel bestünden. Zur
Unfallkausalität hat sich die Vorinstanz nicht abschliessend geäussert. Die
Suva ist daher in dieser Hinsicht im neu zu erlassenden Einspracheentscheid
frei. Es ist ihr diesbezüglich kein nicht wieder gutzumachender Nachteil
erwachsen. Durch die Aufhebung des Rückweisungsentscheids, mit dem einzig eine
ergänzende Sachverhaltsabklärung angeordnet wird, könnte auch kein weitläufiges
Beweisverfahren im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG erspart werden.

6. 
Ist somit weder die Eintretensvoraussetzung nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG noch
jene nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG gegeben, so ist auf die Beschwerde der Suva
gegen den kantonalen Entscheid vom 20. Januar 2017 nicht einzutreten.

7. 
Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hat dem Beschwerdegegner überdies eine
Parteientschädigung zu entrichten (Art. 68 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 500.- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz,
Kammer I, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 19. April 2017

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Hofer

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