Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.138/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]               
8C_138/2017, 8C_143/2017     

Urteil vom 23. Mai 2017

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Wirthlin,
Gerichtsschreiber Jancar.

Verfahrensbeteiligte
8C_138/2017
A.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Dienststelle Wirtschaft und Arbeit (wira), Arbeitslosenkasse des Kantons
Luzern, Bürgenstrasse 12, 6005 Luzern,
Beschwerdegegnerin,

und

8C_143/2017
Dienststelle Wirtschaft und Arbeit (wira), Arbeitslosenkasse des Kantons
Luzern, Bürgenstrasse 12, 6005 Luzern,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung (Einstellung in der Anspruchsberechtigung),

Beschwerden gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern, 3. Abteilung, vom
9. Januar 2017.

Sachverhalt:

A. 
A.________ arbeitete seit 1. Juli 2005 beim Kanton Luzern. Am 21. Dezember 2015
kündigte der Kanton Luzern das Arbeitsverhältnis per 30. April 2016. Am 22.
Februar 2016 meldete sich die Versicherte beim Arbeitsamt ihrer Gemeinde zur
Arbeitsvermittlung an und verlangte am 20. April 2016 Arbeitslosenentschädigung
ab 1. Mai 2016. Mit Verfügung vom 20. Mai 2016 stellte die Dienststelle
Wirtschaft und Arbeit, Arbeitslosenkasse des Kantons Luzern (nachfolgend
Kasse), die Versicherte wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit ab 1. Mai
2016 für 31 Tage in der Anspruchsberechtigung ein. Ihre Einsprache wies die
Kasse mit Entscheid vom 26. Juli 2016 ab.

B. 
Die hiergegen erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht Luzern im
Einzelrichterverfahren teilweise gut. Es änderte den Einspracheentscheid
dahingehend ab, dass es die Einstellungsdauer auf 20 Tage herabsetzte
(Entscheid vom 9. Januar 2017).

C. 
Die Versicherte (Verfahren 8C_138/2017) und die Kasse (Verfahren 8C_143/2017)
führen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Erstere beantragt
die Aufhebung der verfügten Einstellung in der Anspruchsberechtigung. Letztere
stellt den Antrag, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei an der
Einstellung für die Dauer von 31 Tagen festzuhalten.

Im Verfahren 8C_138/2017 wurde kein Schriftenwechsel angeordnet. Im Verfahren
8C_143/2017 schliesst die Versicherte auf Beschwerdeabweisung. Das
Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Mit Eingabe vom 21. Februar 2017 wies die Einzelrichterin des Kantonsgerichts
Luzern darauf hin, § 18a Abs. 1 lit. a und Abs. 2 lit. a des kantonalen
Gesetzes über die Organisation der Gerichte und Behörden in Zivil-, Straf- und
verwaltungsgerichtlichen Verfahren (Justizgesetz, JusG) vom 10. Mai 2010 (SRL
Nr. 260) sei am 12. Dezember 2016 insofern geändert worden, als ab 1. März 2017
bei einem Streitwert von weniger als Fr. 20'000.- (statt bisher Fr. 10'000.-)
einzelrichterlich entschieden werden könne. Diese Eingabe wurde den Parteien
zur Stellungnahme zugestellt, worauf sie sich nicht mehr vernehmen liessen.

Erwägungen:

1. 
Da den beiden Beschwerden derselbe Sachverhalt zu Grunde liegt, sich die
gleichen Rechtsfragen stellen und die Rechtsmittel den nämlichen
vorinstanzlichen Entscheid betreffen, rechtfertigt es sich, die beiden
Verfahren zu vereinigen und in einem einzigen Urteil zu erledigen (BGE 131 V 59
E. 1 S. 60 f., 128 V 124 E. 1 S. 126).

2. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine
Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet
das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es -
offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten
Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt
seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat
(Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art.
105 Abs. 2 BGG). Rechtsfragen sind die vollständige Feststellung erheblicher
Tatsachen, die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes bzw. der
Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG. Bei der konkreten
Beweiswürdigung geht es um Sachverhaltsfragen (nicht publ. E. 1 des Urteils BGE
141 V 585).

3.

3.1. Vorab bestreitet die Versicherte die funktionelle Zuständigkeit der
vorinstanzlichen Einzelrichterin. Diese erwog pauschal, der Streitwert liege
unter Fr. 10'000.-, weshalb der Entscheid gemäss § 18a Abs. 2 lit. a JusG
einzelrichterlich erfolgen könne. Die Versicherte rügt, bei den vorinstanzlich
bestrittenen 31 Einstelltagen und ihrem Taggeld von Fr. 370.85 betrage der
Streitwert Fr. 11'496.35, weshalb die Beurteilung nicht rechtskonform sei.

3.2. Die Rechtspflegebestimmung des Art. 61 ATSG enthält keine Vorschrift über
die Zusammensetzung der kantonalen Versicherungsgerichte. Die Regelung dieser
Frage obliegt somit den Kantonen. Sowohl Art. 30 Abs. 1 BV als auch Art. 6
Ziff. 1 EMRK geben dem Einzelnen Anspruch auf richtige Besetzung des Gerichts
und Einhaltung der jeweils geltenden staatlichen Zuständigkeitsordnung (BGE 129
V 335 E. 1.3.1 S. 338; 128 V 82 E. 2a S. 84; 127 I 128 E. 3c S. 130; SVR 2015
EL Nr. 13 S. 37, 9C_585/2014 E. 3.1). Rechtsverletzungen im Sinne von Art. 95
lit. a und b BGG prüft das Bundesgericht grundsätzlich frei, einschliesslich
die Frage, ob die Auslegung und Anwendung des kantonalen Rechts zu einer
Bundesrechtswidrigkeit führt. Im Übrigen prüft das Bundesgericht die Handhabung
kantonalen Rechts - vorbehältlich der in Art. 95 lit. c und d BGG genannten
Fälle - bloss auf Willkür hin (Art. 9 BV; vgl. BGE 131 I 467 E. 3.1 S. 473 f.).
Mit freier Kognition beurteilt es indessen die Frage, ob die als vertretbar
erkannte Auslegung des kantonalen Prozessrechts mit den genannten Garantien der
Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK vereinbar ist (Urteil 8C_525/2012 vom
16. November 2012 E. 2.2.2). Bei falscher Besetzung des Gerichts ist der
angefochtene Entscheid grundsätzlich ohne Prüfung der materiell streitigen
Fragen aufzuheben (vgl. BGE 125 V 499 E. 2c S. 502; SVR 2015 EL Nr. 13 S. 37 E.
1).

3.3. Der Beschwerdeführerin ist beizupflichten, dass der Streitwert
vorinstanzlich Fr. 11'496.35 betrug (E. 3.1 hiervor). Gemäss § 18a Abs. 1 lit.
a und Abs. 2 lit. a JusG in der bis Ende Februar 2017 gültig gewesen Fassung
durfte das Kantonsgericht über Rechtsmittel einzelrichterlich entscheiden, wenn
der Streitwert weniger als Fr. 10'000.- betrug. Mit Gesetzesänderung vom 12.
Dezember 2016 wurde diese Streitwertgrenze ab 1. März 2017 auf Fr. 20'000.-
heraufgesetzt. Demnach erging der angefochtene Entscheid vom 9. Januar 2017 zu
Unrecht im einzelrichterlichen Verfahren. Indessen ist zu beachten dass bei
einer Rückweisung der Sache an die Vorinstanz die Neubeurteilung aufgrund der
ab 1. März 2017 geltenden Verfahrensregelung ohnehin in die
Einzelrichterkompetenz fallen würde. Von der Rückweisung ist deshalb aufgrund
der zwischenzeitlich geänderten Rechtslage (vgl. BGE 129 V 113 E. 2.2 S. 115)
ausnahmsweise abzusehen.

4. 
Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen über die Einstellung in der
Anspruchsberechtigung wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit (Art. 30 Abs.
1 lit. a, 30 Abs. 3 Satz 3 AVIG; Art. 44 Abs. 1 lit. a, 45 Abs. 3 f. AVIV; Art.
20 lit. b des Übereinkommens Nr. 168 der Internationalen Arbeitsorganisation
[IAO] über Beschäftigungsförderung und den Schutz gegen Arbeitslosigkeit vom
21. Juni 1988; BGE 124 V 234 E. 3a und b S. 236, 112 V 242 E. 1 S. 245; vgl.
auch ARV 2012 S. 294, 8C_872/2011 E. 3.2) richtig dargelegt. Gleiches gilt
betreffend §§ 18 lit. b und 50 Abs. 4 des kantonalen Gesetzes über das
öffentlich-rechtliche Arbeitsverhältnis (Personalgesetz) vom 26. Juni 2001.
Darauf wird verwiesen.

5.

5.1. Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, mit schriftlicher Mahnung vom 30.
Juni 2015 habe der Arbeitgeber die Versicherte u.a. aufgefordert, die Weisungen
ihrer direkten Vorgesetzten zu befolgen, den Bezug von Ferien- und
Kompensationstagen mit ihr und dem Team zu besprechen sowie ihre direkte
Vorgesetzte über alle für den Betrieb wesentlichen Informationen in Kenntnis zu
setzen. Der Arbeitgeber habe darin mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses
gedroht, sollte sie ihr Verhalten gegenüber der Vorgesetzten nicht deutlich
verbessern. Die Versicherte habe somit wissen können und müssen, dass sie
womöglich die Kündigung riskiere, wenn sie die Weisungen ihrer Chefin erneut
missachte. Am 18. September 2015 habe sie die direkte Vorgesetzte nicht direkt
darüber informiert, dass sie krankheitshalber nicht zum Dienst habe erscheinen
können. Weiter sei sie von der direkten Vorgesetzten angewiesen worden,
zwischen Weihnachten und Neujahr 2015/16 zum Dienst zu erscheinen. In diesem
Zusammenhang sei zu beachten, dass bei Uneinigkeit der Arbeitgeber den
Zeitpunkt der Ferien bestimme und im Zweifel seine Interessen bei der
allseitigen Interessenabwägung Vorrang hätten. Dies entspreche Lehre und Praxis
zu Art. 329c Abs. 2 OR und habe analog auch für den auf das vorliegende
Dienstverhältnis anwendbaren § 36 Abs. 3 Verordnung zum Personalgesetz des
Kantons Luzern (PVO; SRL Nr. 52) zu gelten (STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH,
Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR, 7. Aufl. 2012, N 7 zu Art.
329c). Die Versicherte habe auf dem Bezug der Ferientage beharrt und
schliesslich die betreffenden Eintragungen ihrer Vorgesetzten auf der
Monatsplanung mit Tipp-Ex korrigiert. Damit habe sie der Chefin zu verstehen
gegeben, dass sie ihre Weisung nicht befolgen werde. Unbeachtlich sei der von
ihr angeführte Umstand, wonach sich jeder Angestellte selbstständig in die
Monatsplanung eingetragen habe. Entscheidend sei vielmehr, dass sie die von der
Chefin vorgenommene Ferieneinteilung entgegen ihrem Willen korrigiert habe.
Aufgrund der Mahnung vom 30. Juni 2015 habe die Versicherte wissen könne und
müssen, dass sie damit die Kündigung riskieren würde, zumal der eigenmächtige
Ferienbezug unter Umständen sogar Anlass für eine fristlose Kündigung geben
könne (BGE 108 II 301). Mit diesen Vorkommnissen habe die Versicherte ihre
Entlassung zumindest eventualvorsätzlich herbeigeführt. Zwischen ihrem
schuldhaften Verhalten und der eingetreten Arbeitslosigkeit bestehe sodann ein
rechtserheblicher Zusammenhang. Ihr Verhalten rechtfertigende Umstände lägen
nicht vor. Demnach habe die Kasse sie zu Recht wegen selbstverschuldeter
Arbeitslosigkeit in der Anspruchsberechtigung eingestellt.

5.2. Die Versicherte bestreitet, den Tatbestand der selbstverschuldeten
Arbeitslosigkeit nach Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV erfüllt zu haben.

5.2.1. In der Beschwerde vom 13. Februar 2017 S. 1-4 Ziff. 2 und in der
Vernehmlassung vom 4. April 2017 S. 1-3 Ziff. 1 beruft sich die Versicherte auf
eine angebliche Beteiligung ihrer Vorgesetzten an Skandalen, über die sie
Bescheid gewusst habe. Deshalb sei ihr gekündigt worden. Bei diesen
Ausführungen handelt es sich im Vergleich zu den Vorbringen in der
vorinstanzlichen Beschwerde um unzulässige unechte Noven nach Art. 99 Abs. 1
BGG. Denn die Versicherte legt nicht dar, inwiefern erst der kantonale
Entscheid zu diesen Vorbringen Anlass gibt bzw. dass ihr deren Geltendmachung
vorinstanzlich trotz hinreichender Sorgfalt prozessual unmöglich und objektiv
unzumutbar war (nicht publ. E. 1.3 des Urteils BGE 138 V 286, in SVR 2012 FZ
Nr. 3 S. 7 [8C_690/2011]; Urteil 8C_741/2016 vom 3. März 2017 E. 7.2).

5.2.2. Unbestritten ist, dass die Versicherte am 18. September 2015 krank war
und hierüber am Morgen zunächst lediglich B.________, nicht aber ihre direkte
Vorgesetzte informierte. Sie macht geltend, entgegen der Vorinstanz habe sie
nicht auf die Combox der Vorgesetzten sprechen können, da auf deren
Mobiltelefon keine Combox eingeschaltet gewesen sei. Deshalb habe sie mehrmals
darauf angerufen, in der Hoffnung, das Mobiltelefon würde bald eingeschaltet.
Gleichzeitig habe sie B.________ vor Ort informiert. Ihre direkte Vorgesetzte
habe sie sofort informiert, sobald sie die Möglichkeit dazu gehabt habe. Somit
habe sie gegen keine Auflagen verstossen.

Diese Einwände sind unbehelflich. Zum einen sind die Angaben der Versicherten
insofern widersprüchlich, als sie gleichzeitig ausführt, das Mobiltelefon und
die Combox ihrer Vorgesetzten seien an diesem Morgen früh ausgeschaltet
gewesen. Denn wäre das Gerät ausgeschaltet gewesen, hätte die Versicherte bei
einem Anrufversuch gar nicht wissen können, ob die Combox an jenem Morgen
aktiviert war oder nicht. Zudem ist der Vorinstanz beizupflichten, dass die
Versicherte der Vorgesetzten eine SMS hätte schicken können. Dann hätte diese
sie bei Einschaltung des Mobiltelefons sofort erhalten und lesen können.

5.2.3. Letztinstanzlich bestreitet die Versicherte nicht, dass sie die
Eintragung ihrer direkten Vorgesetzten auf dem Ferienplan für die Zeit zwischen
Weihnachten und Neujahr 2015/2016 mit Tipp-ex korrigiert hat, um am 28.
Dezember 2015 frei nehmen zu können.

Die Versicherte bringt aber vor, die Chefin habe verlangt, dass sie ihre freien
Tage für 2015 bereits im Voraus zusammenstelle, damit sie planen könne. Somit
habe sie ihr ihre freien Tage für 2015, also auch den 28. Dezember, bereits ein
Jahr im Voraus, nämlich Ende 2014, angekündigt. Zudem seien noch vier andere
Angestellte da gewesen, die andere freie Tage über die Festtage erhalten hätten
und am 28. Dezember 2015 hätten arbeiten können. Bei diesen Ausführungen
handelt es sich im Vergleich zu jenen in der vorinstanzlichen Beschwerde
ebenfalls um unzulässige unechte Noven (vgl. E. 5.2.1 hiervor).

Die übrigen pauschalen Einwände der Versicherten - sie habe bereits Ende
Oktober schon 45 Überstunden gehabt, an allen anderen Festtagen gearbeitet und
seit 10 Jahren regelmässig zwischen Weihnachten und Neujahr für ihre Familie
mit kleinen Kindern frei nehmen dürfen - vermögen ihr Verhalten nicht zu
rechtfertigen.

5.3. Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz zutreffend auf ein fehlerhaftes
Verhalten der Versicherten geschlossen, das geeignet war, zur Kündigung der
Anstellung durch den Arbeitgeber zu führen. Ihre Beweiswürdigung ist im Rahmen
des ihr zustehenden Ermessens (BGE 120 Ia 31 E. 4b S. 40) unter dem Blickwinkel
der eingeschränkten Kognition (E. 2 hiervor) weder als bundesrechtswidrig noch
als willkürlich (BGE 132 V 393 E. 4.1 S. 400) zu beanstanden. Die Vorinstanz
verletzte weder den Untersuchungsgrundsatz (Art. 61 lit. c ATSG) noch die
Begründungspflicht (Art. 61 lit. h ATSG). Auch eine offensichtlich unrichtige
oder unvollständige Sachverhaltsfeststellung (Art. 105 Abs. 2 BGG) liegt nicht
vor. Soweit die Versicherte bestreitet, im Rahmen des Arbeitsverhältnisses
weitere Verfehlungen begangen zu haben, ist dem entgegenzuhalten, dass ihr
weder die Vorinstanz noch letztinstanzlich die Kasse anderweitiges
Fehlverhalten als dasjenige gemäss E. 5.2.2 f. hiervor vorwerfen. Weiterungen
erübrigen sich somit diesbezüglich.

6.

6.1. Die Festlegung der Einstellungsdauer stellt eine typische Ermessensfrage
dar, deren Beantwortung letztinstanzlicher Korrektur nur dort zugänglich ist,
wo das kantonale Gericht das Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, also eine
Über- oder Unterschreitung bzw. ein Missbrauch des Ermessens vorliegt (ARV 2014
S. 145, 8C_42/2014 E. 6). Das kantonale Gericht darf sein Ermessen nicht ohne
triftigen Grund an die Stelle desjenigen der Verwaltung setzen; es muss sich
somit auf Gegebenheiten abstützen können, welche seine abweichende
Ermessensausübung als naheliegender erscheinen lassen (BGE 137 V 71 E. 5.2 S.
73; 126 V 75 E. 6 S. 81; Urteil 8C_477/2016 vom 23. November 2016 E. 4.1).

6.2. Mit der Einstellungsdauer von 31 Tagen ging die Kasse von der untersten
Grenze des schweren Verschuldens aus (Art. 45 Abs. 3 lit. c AVIG).

Die Vorinstanz erwog, der Verschuldenszumessung der Kasse könne nicht gefolgt
werden. Es müsse nämlich berücksichtigt werden, dass die Versicherte knapp zehn
Jahre angestellt gewesen sei und bis zum Führungswechsel im Oktober 2014
beanstandungslos gearbeitet habe. Jedenfalls habe der Arbeitgeber noch im Juli
2014 ein positives Arbeitszeugnis ausgestellt. Zudem habe zwischen der
Versicherten und ihrer Chefin ein schwieriges Verhältnis bestanden. Sie hätten
offensichtlich fachliche und persönliche Differenzen gehabt. Die Versicherte
habe deshalb die zuvor festgestellten Pflichtverletzungen in einem
konfliktbelasteten Umfeld begangen. Dieser Umstand mildere ihr Verschulden.
Hinzu komme, dass ein Teil der ihr vorgeworfenen Verfehlungen von ihr
bestritten werde und nicht überzeugend nachzuweisen sei. Sie stünden deshalb
nicht klar fest, wie dies die bundesgerichtliche Praxis verlange. Dies gelte
für die Vorwürfe, sie habe sich geweigert, eine Adressliste fertigzustellen,
und habe private Arbeiten am Computer erledigt. In Beachtung dieser besonderen
Umstände sei ihr Verschulden als mittelschwer zu qualifizieren. Da die Kasse
von einem schweren Verschulden ausgegangen sei, lägen triftige Gründe vor, in
ihre Ermessensausübung korrigierend einzugreifen. 20 Einstellungstage
erschienen als angemessen.

6.3. Entgegen der Vorinstanz hat die Kasse der Versicherten im strittigen
Einspracheentscheid gar nicht vorgeworfen, sie habe sich geweigert, eine
Adressliste fertigzustellen und private Arbeiten am Computer erledigt. Soweit
die Vorinstanz auf das konfliktbelastete Arbeitsumfeld hinweist, ist
festzuhalten, dass bereits die Kasse das angespannte Verhältnis zwischen der
Versicherten und ihrer Vorgesetzten als verschuldensmindernd ansah.

Hingegen kann mit der Vorinstanz zu Gunsten der Versicherten zusätzlich
berücksichtigt werden, dass sie während Jahren zufriedenstellend gearbeitet hat
(vgl. auch Urteil C 277/06 vom 3. April 2007 E. 6.2). Weiter ist zu beachten,
dass die Kasse der Versicherten im Gegensatz zum strittigen Einspracheentscheid
letztinstanzlich nicht mehr vorwirft, am 6. und 7. August 2015 trotz negativem
Arbeitszeitsaldo Kompensationstage bezogen zu haben sowie am 14. September 2015
und 30. Oktober 2015 zu spät zur Arbeit erschienen zu sein. Unter diesen
Umständen ist entgegen der Kasse nicht von einem schweren Verschulden
auszugehen. Mit der Vorinstanz erscheint vielmehr eine Einstellung in der
Anspruchsberechtigung im unteren Rahmen eines mittelschweren Verschuldens im
Sinne von Art. 45 Abs. 2 lit. b AVIV und damit von 20 Tagen als angemessen.

7. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 4 lit. a BGG). Die
Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt (Art. 66
Abs. 1 Satz 1 BGG). Ferner wird diese regelmässig verpflichtet, der obsiegenden
Partei die durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen
(Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit
öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel
keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen
Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das
Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen
Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist (Art. 66 Abs. 4 BGG). Auch wird
ihnen in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem
amtlichen Wirkungskreis obsiegen (Art. 68 Abs. 3 BGG). Unnötige Kosten hat
indessen zu bezahlen, wer sie verursacht (Art. 66 Abs. 3, Art. 68 Abs. 4 BGG).
Dies gestattet auch, ausnahmsweise die Gerichts- und Parteikosten der
Vorinstanz respektive dem Gemeinwesen, dem sie angehört, aufzuerlegen,
namentlich, wenn sie in qualifizierter Weise die Pflicht zur
Justizgewährleistung verletzt hat (BGE 142 V 551 E. 9.1 S. 571). Letzteres
trifft hier zu, indem die Vorinstanz die funktionelle Zuständigkeitsordnung
nicht einhielt (E. 3 hiervor). Dem Kanton Luzern sind demnach die
Gerichtskosten aufzuerlegen. Die in eigener Sache prozessierende Partei hat nur
in Ausnahmefällen Anspruch auf eine Parteientschädigung (vgl. BGE 110 V 132).
Die Voraussetzungen, die kumulativ gegeben sein müssen, damit eine solche
Ausnahmesituation anzunehmen ist (komplexe Sache mit hohem Streitwert, hoher
Arbeitsaufwand, vernünftiges Verhältnis zwischen dem betriebenen Aufwand und
dem Ergebnis der Interessenwahrung, vgl. BGE 129 V 113 E. 4.1 S. 116), sind bei
der Versicherten jedoch nicht erfüllt.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Verfahren 8C_138/2017 und 8C_143/2017 werden vereinigt.

2. 
Die Beschwerden werden abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.- werden dem Kanton Luzern auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, dem
Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und der Dienststelle Wirtschaft und
Arbeit (wira) schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 23. Mai 2017
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Jancar

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