Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.135/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

[displayimage]       
8C_135/2017            

 
 
 
Urteil vom 4. September 2017  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiberin Betschart. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Frey, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Bern, 
Scheibenstrasse 70, 3014 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern 
vom 10. Januar 2017. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1955 geborene A.________ erlitt am 18. Mai 2012 einen kleinen ischämischen
Insult (Schlaganfall). Nach erfolgter Rehabilitation nahm er seine bisherige
Tätigkeit als Qualitätsstellenleiter ab September 2012 zunächst in einem
reduzierten, ab Dezember 2012 wieder in einem vollen Pensum auf. Ab April 2013
war A.________ wiederum zu 75 % arbeitsunfähig. Er klagte über eine erheblich
eingeschränkte Belastbarkeit, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen und
erhöhte Ermüdbarkeit. Deswegen wurde er am 2. Mai 2013 im Neurozentrum des
Spitals B.________ neuropsychologisch untersucht, um seine kognitive
Leistungsfähigkeit abzuklären. In der Folge war A.________ weiterhin zwischen
50 und 100 % arbeitsunfähig. Am 11. November 2013 meldete er sich bei der
IV-Stelle Bern (IVB) zum Leistungsbezug an. Nach medizinischen und erwerblichen
Abklärungen gewährte ihm die IVB ein Aufbautraining vom 1. Mai bis 31. Dezember
2014. 
In der Zwischenzeit liess der zuständige Krankentaggeldversicherer A.________
neurologisch und psychiatrisch untersuchen. Die Konsilien vom 20. und 28. März
2014 attestierten ihm eine Arbeitsunfähigkeit von 50 %. Die IVB unterbreitete
diese Berichte ihrem Regionalärztlichen Dienst (RAD) zur Stellungnahme. Nach
durchgeführtem Vorbescheidverfahren verneinte die IV-Stelle mit Verfügung vom
10. November 2015 einen Anspruch auf weitere Leistungen der
Invalidenversicherung, weil keine Invalidität im Sinn des Gesetzes bestehe. 
 
B.   
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die dagegen erhobene Beschwerde
mit Entscheid vom 10. Januar 2017 ab. 
 
C.   
A.________ lässt gegen diesen Entscheid Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten führen und nebst dessen Aufhebung die Rückweisung der Sache an
die Beschwerdegegnerin, eventualiter an die Vorinstanz, zur weiteren Abklärung
beantragen. 
Die IVB schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht und das
Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Stellungnahme. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Da die Beschwerde an das Bundesgericht grundsätzlich ein reformatorisches
Rechtsmittel ist (Art. 107 Abs. 2 BGG), muss sie einen Antrag in der Sache
(vgl. Art. 42 Abs. 1 BGG) enthalten; ein blosser Antrag auf Rückweisung genügt
nicht, ausser wenn das Bundesgericht ohnehin nicht reformatorisch entscheiden
könnte (BGE 136 V 131 E. 1.2 S. 135 f. mit Hinweis; Urteile 8C_673/2016 vom 10.
Januar 2017 und 8C_794/2016 vom 28. April 2017, je E. 1). Aus der
Beschwerdebegründung, die in diesem Zusammenhang zur Interpretation beigezogen
werden kann, ergibt sich, dass der Beschwerdeführer sich sinngemäss gegen die
Abweisung des Gesuchs um Leistungen der Invalidenversicherung wendet. Ein
Antrag in der Sache liegt in diesem Sinn nicht vor. Die beantragte Rückweisung
an die Beschwerdegegnerin, eventualiter an die Vorinstanz, bezweckt, den als
nicht rechtsgenüglich untersucht gerügten Sachverhalt durch weitere
medizinische Abklärungen zu ergänzen und gestützt darauf neu über den
Leistungsanspruch zu verfügen. Daher und weil hier das Bundesgericht aufgrund
des geltend gemachten Bedarfs an weiteren Abklärungen im Gutheissungsfall nicht
reformatorisch entscheiden könnte, ist darauf einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S.
280 f.; 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG
). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von 
Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Eine Sachverhaltsfeststellung ist
nicht schon dann offensichtlich unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern
erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1
S. 44). Es liegt noch keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine
andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die
plausiblere erschiene (vgl. BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9; Urteil 9C_180/2017 vom 11.
Juli 2017 E. 1.1). Diese Grundsätze gelten auch in Bezug auf die konkrete
Beweiswürdigung (Urteil 9C_84/2017 vom 23. Mai 2017 E. 1.1).  
 
2.2. Vorinstanzliche Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit, die Ergebnis einer Beweiswürdigung sind, sind für das
Bundesgericht grundsätzlich bindend (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Dagegen
sind die unvollständige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen sowie die
Missachtung des Untersuchungsgrundsatzes, der Beweiswürdigungsregeln und der
Anforderungen an den Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten Rechtsfragen
(BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232), die das Bundesgericht (im Rahmen der erwähnten
Begründungs- bzw. Rügepflicht der Parteien) frei überprüfen kann.  
 
3.  
 
3.1. Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie eine
Invalidität des Beschwerdeführers und mithin auch sich daraus ergebende
Ansprüche auf Leistungen der Invalidenversicherung verneinte.  
 
3.2. Das kantonale Gericht hat die Grundsätze betreffend den Anspruch auf
Leistungen der Invalidenversicherung (Art. 8 Abs. 1 ATSG, Art. 7 Abs. 1 ATSG, 
Art. 28 Abs. 2 IVG) sowie betreffend Beweiswürdigung (BGE 125 V 351 E. 3a S.
352; Urteil 8C_538 vom 6. Februar 2015 E. 4.1 in: SVR 2015 IV Nr. 28 S. 85) und
Beweiswert ärztlicher Berichte (BGE 137 V 210 E. 6.2.2 S. 269; 134 V 231 E. 5.1
S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
Hervorzuheben ist, dass bei Entscheiden gestützt auf versicherungsinterne
ärztliche Beurteilungen, die im Wesentlichen oder ausschliesslich aus dem
Verfahren vor dem Sozialversicherungsträger stammen, strenge Anforderungen an
die Beweiswürdigung zu stellen sind: Bestehen auch nur geringe Zweifel an der
Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der ärztlichen Feststellungen, ist eine
versicherungsexterne medizinische Begutachtung im Verfahren nach Art. 44 ATSG
oder ein Gerichtsgutachten anzuordnen (BGE 139 V 225 E. 5.2 S. 229; 135 V 465
E. 4 S. 467 ff.). Ein medizinischer Aktenbericht ist beweistauglich, wenn die
Akten ein vollständiges Bild über Anamnese, Verlauf und gegenwärtigen Status
ergeben und diese Daten unbestritten sind; der Untersuchungsbefund muss
lückenlos vorliegen, damit der Berichterstatter imstande ist, sich aufgrund der
vorhandenen Unterlagen ein vollständiges Bild zu verschaffen (Urteil 8C_239/
2008 vom 17. Dezember 2009 E. 7.2, in: SVR 2010 UV Nr. 17 S. 63; vgl. BGE 137 V
210 E. 1.2.1 S. 219; Urteil 8C_839/2016 vom 12. April 2017 E. 3.2).  
 
4.  
 
4.1. Die Vorinstanz stützte sich in erster Linie auf die Aktenberichte der
RAD-Ärztin Dr. med. C.________, Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und
Psychotherapie, vom 6. Februar 2015, 30. April 2015, 23. Oktober 2015 und 17.
November 2016, denen es Beweiswert zusprach. Dr. med. C.________ bescheinigte
dem Beschwerdeführer eine beinahe uneingeschränkte Arbeits- und
Leistungsfähigkeit, indem sie ihn als fähig erachtete, Arbeiten beliebiger
körperlicher Schwere mit den betriebsüblichen Pausen, ohne Akkord, in Früh- und
Spätschicht, ohne regelmässige Nachtschicht, vollschichtig (d.h. acht Stunden
täglich und mehr) zu verrichten. Es lägen keine objektiven Befunde vor, die
eine quantitative Leistungseinschränkung begründeten und die seit 2013
attestierten Arbeitsunfähigkeitszeiten seien medizinisch nicht nachvollziehbar
begründet und somit nicht plausibel. Dr. med. C.________ berief sich dabei
insbesondere auf die Befunde des Neurozentrums des Spitals B.________ vom 2.
Mai 2013, die bei einem unauffälligen kognitiven Testprofil überwiegend im
mittleren bis oberen Normbereich gelegen hätten und zum Teil auch
überdurchschnittlich gewesen seien. Zweifel an der Zuverlässigkeit und
Schlüssigkeit der versicherungsinternen ärztlichen Feststellungen, die weitere
Abklärungen notwendig machen würden, bestehen gemäss der Vorinstanz nicht.
Weder vermöge die im Auftrag der Krankentaggeldversicherung erstattete
versicherungsmedizinisch-arbeitsprognostische Beurteilung vom 20. bzw. 28. März
2014 solche - wenigstens geringen - Zweifel zu begründen, noch böten die
Berichte der behandelnden Ärzte Anlass, an den versicherungsinternen ärztlichen
Feststellungen zu zweifeln.  
In somatischer Hinsicht habe es sich nach der Einschätzung der behandelnden
Ärzte nicht um einen schweren Vorfall gehandelt, und es finde sich in den Akten
keine objektivierbare organische Ursache dafür, dass sich der Beschwerdeführer
nach abgeschlossener Erst- und Rehabilitationsbehandlung (bis ca. August 2012)
ab April 2013 wiederum arbeits- und leistungsunfähig präsentiert habe. Vielmehr
habe die neuropsychologische Testung im Spital B.________ am 2. Mai 2013
weitestgehend unauffällige bzw. teilweise sogar überdurchschnittliche Resultate
ergeben. Des Weiteren habe der behandelnde Psychiater Dr. med. D.________,
Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, zwar die Diagnose einer
organisch emotional labilen Störung (IDC-10 F06.6) gestellt, doch sei auch er
angesichts der unauffälligen psychiatrischen Befunde davon ausgegangen, dass
eine 75- bis 100%ige Arbeitsfähigkeit erreicht werden könne. Einschränkungen
ergäben sich einzig aus der Selbstschilderung des Beschwerdeführers, wonach er
sich nicht mehr stabil fühle, nicht mehr belastbar und unter Druck sehr schnell
dekompensiert sei, solche seien mit Blick auf die Befundlage jedoch
psychiatrisch nicht objektiviert. Zudem sei gemäss den klinisch-diagnostischen
Leitlinien der ICD-10 die Kausalität psychischer Störungen nach somatischen
Erkrankungen anhand von vier Hilfskriterien zu diagnostizieren (vgl. Dilling/
Mombour/Schmidt [Hrsg.], Internationale Klassifikation psychischer Störungen,
ICD-10 Kapitel V [F], Klinisch-diagnostische Leitlinien, 10. Aufl. 2015 S. 93
f., auch zum Folgenden). Davon sei bereits das zeitliche Element fraglich, weil
die geklagten Symptome nicht unmittelbar nach dem Insult, sondern erst ab ca.
April 2013 aufgetreten seien und die psychiatrische Behandlung erst ab
September 2013 erfolgt sei. Folglich sei auch eine Rückbildung der
psychiatrischen Störung bei Rückbildung des somatischen Leidens (Ziff. 3) nicht
erstellt. Schliesslich lägen Ausschlusskriterien nach Ziff. 4 vor, indem Dr.
med. D.________ einen direkten Zusammenhang zum damals akuten Nierensteinleiden
und zu den wirtschaftlichen Unsicherheiten am Arbeitsplatz bzw. der erfolgten
Kündigung gezogen habe. Im Ergebnis verneinte die Vorinstanz einen
invalidisierenden Gesundheitsschaden sowohl in somatischer als auch in
psychischer Hinsicht. 
 
4.2.  
 
4.2.1. Das kantonale Gericht begründete seine Schlussfolgerung, dass die
versicherungsmedizinisch-arbeitsprognostische Beurteilung vom 20./28. März 2014
keine Zweifel an der Auffassung des RAD zu wecken vermöge, damit, dass aus den
sehr rudimentären, je eine Seite umfassenden Berichten der Dres. med.
E.________ und F.________ nicht hervorgehe, ob den Gutachtern alle Vorakten
bzw. welche Vorbefunde ihnen zur Verfügung gestanden hätten. Sodann seien die
Einschätzungen nicht begründet, sondern würden einzig eine stichwortartige
Auflistung gewisser Überlegungen und "konklusiv" ein Fazit enthalten. Von einem
medizinischen Sachverständigen dürfe und müsse erwartet werden, dass er auf
gründliche Art über seine Feststellungen berichte, und seine Schlussfolgerungen
müssten sich auf medizinische Erwägungen stützen. Diesen Anforderungen genüge
die Beurteilung der Dres. med. E.________ und F.________ nicht, zumal sie sich
allein zur Arbeitsfähigkeit in der bisherigen Tätigkeit geäussert und auch
keine Diagnose gestellt hätten.  
 
4.2.2. Der Vorinstanz ist zwar darin zuzustimmen, dass die Dokumente vom 20.
und 28. März 2014 sehr oberflächlich gehalten sind und die Anforderungen an
medizinische Gutachten nicht zu erfüllen vermögen. Der Beschwerdeführer weist
allerdings zutreffend darauf hin, dass sich das kantonale Gericht nicht mit den
Befunden der verhaltenspsychologischen Untersuchung durch Dr. med. E.________
vom 17. März 2014 auseinandersetzte, obwohl dort verschiedene, teilweise
erhebliche, kognitive Einschränkungen ermittelt wurden, z.B. leichte
Beeinträchtigungen der Aufmerksamkeit, teilweise mittelschwere
Beeinträchtigungen bei der Merkspanne im Bereich Lernen/Gedächtnis und bei
gewissen exekutiven Funktionen sowie eine erhebliche Beeinträchtigung beim
konzeptuellen Denken und Umstellen im Zusammenhang mit der Sprache. Wohl
erwähnte das kantonale Gericht das Untersuchungsprotokoll vom 17. März 2014 im
angefochtenen Entscheid, würdigte dessen Ergebnisse jedoch nicht. Es bleibt zu
prüfen, ob es mit dieser Unterlassung eine offensichtlich unrichtige
Sachverhaltsfeststellung traf, wie der Beschwerdeführer geltend macht.  
 
4.3.  
 
4.3.1. Immerhin liegen auch zu den Befunden vom 17. März 2014 Stellungnahmen
des RAD vor. Dr. med. C.________ führte am 30. April 2015 aus, dass aus dem
Bericht nicht hervorgehe, welche Angaben rein anamnestisch und welche
testpsychometrisch ermittelt worden seien, ob und welche psychometrischen
Testverfahren eingesetzt worden seien und über welchen Zeitraum sich die
Untersuchung erstreckt habe. Auch enthalte er Widersprüche und Inkonsistenzen,
indem beispielsweise der Antrieb zunächst als normal, dann aber als leicht
beeinträchtigt beschrieben werde oder das Planungsverhalten einerseits leicht
beeinträchtigt sein soll, die Abstraktionsfähigkeit als höhere kognitive
Leistung andererseits aber als normal eingeschätzt werde. Der
Untersuchungsbericht erfülle die an einen neuropsychologischen Befundbericht zu
stellenden Qualitätskriterien nicht und sei somit nicht verwertbar. Im Bericht
vom 23. Oktober 2015 hielt Dr. med. C.________ an dieser Einschätzung fest und
fügte an, dass sowohl die Gesamtheit aller vorliegenden objektiven Befunde der
Jahre 2012-2014 als auch das hohe soziale Aktivitätsniveau des
Beschwerdeführers und der am 28. März 2014 durch den behandelnden Psychiater
erhobene normale Psychostatus die von Dr. med. E.________ am 17. März 2014
diagnostizierten Beeinträchtigungen als nicht plausibel erscheinen liessen.  
 
4.3.2. Der Einschätzung der RAD-Ärztin kann nicht vollumfänglich zugestimmt
werden. Obwohl sie korrekt darauf hinweist, dass Testmethoden und -dauer im
Bericht vom 17. März 2014 nicht angegeben werden, wird dort immerhin danach
unterschieden, welche Feststellungen aufgrund der Verhaltensbeobachtung (Ziff.
III) getroffen wurden und welche aus Testungen resultieren (insbes. Ziff. V).
So erklärt sich denn z.B. auch die von der RAD-Ärztin angeführte Inkonsistenz
in den Angaben zum Antrieb daraus, dass es sich beim einen Mal um eine
Beobachtung und beim anderen Mal um ein Testresultat handelt.  
 
4.3.3. Zu beachten gilt es sodann, dass es sich bei den Dres. med. E.________
und F.________ nicht um behandelnde Ärzte handelt, die aufgrund eines Auftrags-
und Vertrauensverhältnisses zum Beschwerdeführer geneigt gewesen wären, sich
eher zu dessen Gunsten zu äussern. Vielmehr wurden sie von dritter Seite
(Krankentaggeldversicherung) mit der unabhängigen
versicherungsmedizinisch-arbeitsprognostischen Beurteilung des
Beschwerdeführers beauftragt. Auch haben die Dres. med. E.________ und
F.________ den Beschwerdeführer - im Gegensatz zur Ärztin des RAD - persönlich
untersucht, und deckt sich ihre Bewertung der Arbeitsunfähigkeit mit derjenigen
des Hausarztes Dr. med. G.________, Facharzt FMH für Allgemeinmedizin, und des
behandelnden Psychiaters Dr. med. D.________.  
 
4.3.4. Hinzu kommt, dass der rund ein Jahr früher erstellte
Untersuchungsbericht des Neurozentrums des Spitals B.________ hinsichtlich der
Angaben zu den Testmethoden nicht ausführlicher ist als das Protokoll vom 17.
März 2014, nicht zwischen Befunden und Beobachtungen unterscheidet und sich
ebenfalls nicht zur Arbeitsfähigkeit (in der angestammten oder einer
angepassten Tätigkeit) äussert. Dass damals eine bessere Leistungsfähigkeit
ermittelt wurde, schliesst im Übrigen eine zwischenzeitliche Verschlechterung
des Gesundheitszustands nicht zwingend aus.  
 
4.3.5. Ferner kann auch dem vom Beschwerdeführer ins Recht gelegten Bericht des
Regionalen Arbeitsvermittlungszentrums (RAV) vom 7. Oktober 2016 entnommen
werden, dass er sichtlich gesundheitlich angeschlagen sei, seine Konzentration
gegen Mittag jeweils stark abgenommen habe und er am Mittag meist sehr müde
nach Hause gegangen sei. Zwar weist das kantonale Gericht zu Recht darauf hin,
dass die Beurteilung der funktionellen Leistungsfähigkeit den medizinischen
Fachpersonen obliegt, doch ergibt sich aus diesem Dokument wenigstens ein
Anhaltspunkt für mögliche leistungsmässige Einschränkungen des
Beschwerdeführers.  
 
4.4. Im Ergebnis erweist sich das Untersuchungsprotokoll vom 17. März 2014 (in
Verbindung mit den Berichten der Dres. med. E.________ und F.________ vom 20.
und 28. März 2014) zwar nicht als geeignet, einen invalidisierenden
Gesundheitsschaden des Beschwerdeführers zu belegen. Immerhin vermag es aber
zusammen mit den weiteren genannten Umständen mindestens geringe Zweifel an der
Beurteilung des RAD zu wecken. Diese gestattet es somit nicht, einen
invalidenversicherungsrechtlich relevanten Gesundheitsschaden verlässlich zu
verneinen. Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz den rechtserheblichen
Sachverhalt unvollständig und in Verletzung von Bundesrecht festgestellt (Art.
105 Abs. 2 BGG). Die Sache ist daher an sie zurückzuweisen, damit sie weitere
Abklärungen treffe d.h. ein Gerichtsgutachten einhole (vgl. auch Urteil 8C_903/
2015 vom 12. Mai 2016 E. 4.3). Danach hat sie über die Beschwerde neu zu
entscheiden.  
 
5.   
Die Rückweisung der Sache zu erneuter Abklärung gilt für die Frage der
Auferlegung der Gerichtskosten sowie der Parteientschädigung als vollständiges
Obsiegen im Sinn von Art. 66 Abs. 1 und, Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG (Art. 68 Abs.
2 BGG; BGE 141 V 281 E. 11.1 S. 312). Mithin hat die unterliegende IV-Stelle
die Gerichtskosten zu tragen und dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung
auszurichten. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, vom 10. Januar 2017
aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 4. September 2017 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Betschart 

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