Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.119/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]            
8C_119/2017   {T 0/2}     

Urteil vom 11. Mai 2017

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiber Jancar.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Advokat Dominik Zehntner,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau,
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung
(Arbeitsunfähigkeit; Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 5. Januar 2017.

Sachverhalt:

A. 
Der 1975 geborene A.________ war vom 25. August 2000 bis 30. April 2001 als
Gerüstarbeiter/Chauffeur im Betrieb B.________ angestellt. Am 3. November 2000
fuhr ein Auto von hinten auf seinen Wagen auf. Das Spital C.________
diagnostizierte am 14. Dezember 2000 ein Distorsionstrauma der Halswirbelsäule
(HWS). Am 28. Mai 2001 meldete sich der Versicherte bei der IV-Stelle des
Kantons Aargau zum Leistungsbezug an. Sie sprach ihm am 25. November 2008 ab 1.
November 2001 eine ganze und ab 1. Februar 2006 eine halbe Invalidenrente zu.
Am 9. Dezember 2011 bestätigte sie diesen Anspruch revisionsweise. Im Rahmen
einer weiteren Revision stellte sie die Rente auf Ende des auf die
Verfügungszustellung folgenden Monats ein, da der Invaliditätsgrad 0 % betrage
(Verfügung vom 22. Oktober 2013). Auf Beschwerde des Versicherten hin hob das
Versicherungsgericht des Kantons Aargau diese Verfügung auf und wies die Sache
zur weiteren Abklärung und anschliessenden Neuverfügung an die IV-Stelle zurück
(Entscheid vom 14. Januar 2015). Diese holte ein Gutachten des Zentrums für
versicherungsmedizinische Begutachtung (ZVMB) GmbH, Medizinische
Abklärungsstelle (MEDAS), Bern, vom 13. November 2015 ein. Mit Vorbescheid vom
11. Dezember 2015 stellte die IV-Stelle dem Versicherten die
wiedererwägungsweise Rentenaufhebung in Aussicht. Nach seinen Einwänden zog sie
eine ZVMB-Stellungnahme vom 10. August 2016 bei. Mit Verfügung vom 18. August
2016 legte sie dar, die Rente sei letztmals per 31. August 2014 ausgerichtet
worden. An der Rentenaufhebung werde festgehalten, da sich der
Gesundheitszustand des Versicherten verbessert habe.

B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau mit Entscheid vom 5. Januar 2017 ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt der
Versicherte, in Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei die IV-Stelle zu
verpflichten, ihm die Rente ab 1. September 2014 wieder auszurichten; ferner
verlangt er die unentgeltliche Rechtspflege.
Ein Schriftenwechsel wurde nicht angeordnet.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine
Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet
das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es -
offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten
Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt
seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat
(Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art.
105 Abs. 2 BGG). Rechtsfragen sind die vollständige Feststellung erheblicher
Tatsachen, die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes bzw. der
Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG und der Anforderungen an den
Beweiswert von Arztberichten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232). Bei den aufgrund
dieser Berichte getroffenen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit und bei der konkreten Beweiswürdigung geht es um
Sachverhaltsfragen (nicht publ. E. 1 des Urteils BGE 141 V 585).

2. 
Das kantonale Gericht hat die rechtlichen Grundlagen betreffend die
Invaliditätsbemessung nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs
(Art. 16 ATSG), die Rentenrevision (Art. 17 Abs. 1 ATSG; BGE 134 V 131 E. 3 S.
132) und den Beweiswert von Arztberichten (E. 1 hievor; BGE 135 V 465 E. 4.4 S.
470, 125 V 351 E. 3a S. 352) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3. 
Strittig und zu prüfen ist, ob die von der IV-Stelle mit Wirkung ab 1.
September 2014 verfügte und vom kantonalen Gericht bestätigte Rentenaufhebung
vor Bundesrecht standhält.

3.1. Im für die seinerzeitige Rentenzusprache massgeblichen orthopädischen
Gutachten des Spitals D.________ vom 27. Januar 2006 war ein persistierendes
zervikales Schmerzsyndrom links bei Status nach Auffahrkollision vom 3.
November 2000 bei Klippel-Feil-Syndrom mit Blockwirbelbildung C1/2, C5/6
diagnostiziert worden. Weiter war ausgeführt worden, in der angestammten
Tätigkeit sei der Versicherte zu 100 % arbeitsunfähig. In einer
leidensangepassten Tätigkeit sei er zumindest für 2 x 2 Stunden pro Tag (2
Stunden morgens, 2 Stunden nachmittags) arbeitsfähig.

3.2. Das im streitbetroffenen Revisionsverfahren eingeholte polydisziplinäre
(orthopädische, psychiatrische, neurologische und allgemein internistische)
ZVMB-Gutachten vom 13. November 2015/10. August 2016 stellte folgende Diagnose
mit Relevanz für die angestammte Tätigkeit (Montagearbeiter/Gerüstbauer) :
Zervikospondylogenes Schmerzsyndrom bei schwerer Missbildung der HWS
(Blockwirbelbildung C1/2 und C5/6, schwere Deformierung von C3 bei
Klippel-Feil-Syndrom) ohne neurologisch radikuläres oder myelogenes Defizit.
Weiter hielt es fest, die angestammte Tätigkeit sei dem Versicherten nicht mehr
zumutbar; in einer leidensangepassten Tätigkeit sei er zu 100 % arbeitsfähig.
Das kantonale Gericht erwog im Wesentlichen, dieses Gutachten erfülle die
Anforderungen an eine medizinische Beurteilungsgrundlage. Gestützt hierauf sei
dem Beschwerdeführer die angestammte Tätigkeit nicht mehr zumutbar. Indessen
habe seit der Begutachtung im Spital D.________ vom 27. Januar 2006 eine
erhebliche Angewöhnung respektive Anpassung an seine Beschwerden stattgefunden.
Demnach sei er in einer leidensangepassten Tätigkeit bereits seit der
renteneinstellenden Verfügung vom 22. Oktober 2013 - wenn nicht schon früher -
ohne Leistungseinschränkung zu 100 % arbeitsfähig. Somit bestehe ein
Revisionsgrund nach Art. 17 Abs. 1 ATSG. Demnach könne offen bleiben, ob eine
Wiedererwägung nach Art. 53 Abs. 2 ATSG ebenfalls zu bejahen wäre.

4.

4.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, im ZVMB-Gutachten vom 13. November
2015 sei festgehalten worden, die Begutachtung im Spital D.________ vom 27.
Januar 2006 sei unverständlich. Retrospektiv sei nicht nachvollziehbar, weshalb
eine dauerhaft reduzierte Arbeitsunfähigkeit attestiert worden sei. Auch
rückwirkend wäre eine leidensangepasste Tätigkeit möglich gewesen. Erst auf
seinen Einwand hin habe die IV-Stelle den ZVMB-Gutachtern Zusatzfragen zur
Veränderung seines Gesundheitszustands gestellt. Diese hätten am 10. August
2016 geantwortet, gestützt auf fehlende oder nur sporadische
Behandlungsaktivität sei von einer deutlichen Verbesserung der Symptomatik
auszugehen, die keinen Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit in einer
Verweisungstätigkeit habe. Diese Begründung wirke äusserst "dünn". Wenn die
ZVMB-Gutachter die Meinung vertreten hätten, die ursprüngliche Beurteilung der
Arbeitsfähigkeit sei eindeutig unrichtig gewesen, so hätte eine trotzdem
behauptete Veränderung wesentlich vertiefter abgeklärt werden müssen.

4.2.

4.2.1. Die unterschiedliche Beurteilung eines im Wesentlichen gleich
gebliebenen Sachverhalts ist im revisionsrechtlichen Kontext unbeachtlich (BGE
141 V 9 E. 2.3 S. 10 f.). Revisionsrechtlich sind indessen auch bei an sich
gleich gebliebenem Gesundheitszustand veränderte Auswirkungen auf den Erwerbs-
oder Aufgabenbereich von Bedeutung (BGE 134 V 131 E. 3 S. 132); dazu gehört die
Verbesserung der Arbeitsfähigkeit aufgrund einer Angewöhnung oder Anpassung an
die Behinderung (SVR 2014 IV Nr. 37 S. 130, 8C_7/2014 E. 4.2.1). Die auf der
Würdigung der ärztlichen Befunde beruhende vorinstanzliche Feststellung, ob
seit der ursprünglichen Rentenzusprechung eine Veränderung der gesundheitlichen
Verhältnisse bzw. der Arbeitsfähigkeit eingetreten ist, bindet das
Bundesgericht grundsätzlich. Insoweit hat die Frage, ob im Einzelfall eine
substanzielle Veränderung der Faktenlage oder aber eine abweichende Beurteilung
vorliegt, tatsächlichen Charakter. Rechtlicher Natur ist hingegen, welchen
Anforderungen der (gutachterliche) Beweis einer solchen Feststellung gerecht
werden muss. Somit ist letztinstanzlich frei überprüfbar, ob die
vorinstanzliche Beweiswürdigung diese beweisrechtlichen Vorgaben beachtet (SVR
2012 IV Nr. 18 S. 81, 9C_418/2010 E. 5.1; Urteil 9C_25/2014 vom 12. November
2014 E. 4.3.1).

4.2.2. Im ZVMB-Gutachten vom 13. November 2015 wurde interdisziplinär
ausgeführt, rückblickend wäre eine leidensangepasste Tätigkeit überwiegend
wahrscheinlich schon ab etwa der Beurteilung der Klinik E.________ vom 29. Juni
2001 möglich gewesen. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb im Gutachten des
Spitals D.________ vom 27. Januar 2006 eine dauerhaft reduzierte
Arbeitsunfähigkeit attestiert worden sei. Gegen die in diesem Gutachten
angenommene Arbeitsunfähigkeit von 50 % in leidensangepasster Tätigkeit
sprächen das gute Aktivitätsniveau im Alltag, die Ressourcen einer durchaus
jugendlichen, muskelkräftigen körperlichen Konstitution, der fehlende Nachweis
des angegebenen Analgetikums (zudem nur WHO-Klasse I) bzw. die insgesamt sehr
geringe Behandlungsaktivität. Auch im Ausdrucksverhalten sei keine
Beeinträchtigung durch Schmerz erkennbar gewesen. Rückblickend wären
leidensangepasste Tätigkeiten bei dem jungen Versicherten möglich gewesen. Es
erstaune, dass ein im Unfallzeitpunkt erst gerade 25-jähriger junger,
muskelkräftiger Mann nicht zumindest in leidensangepasster Tätigkeit hätte
arbeiten können. Dies sei weder somatisch noch psychisch hinreichend erklärbar.
Diese Argumentation entspricht in der Tat einer unterschiedlichen Beurteilung
eines im Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhalts, die revisionsrechtlich
unbeachtlich wäre (E. 4.2.1 hiervor).
In der Stellungnahme vom 10. August 2016 gingen die ZVMB-Gutachter indessen von
einer deutlichen Verbesserung der vor dem Jahr 2006 bestehenden Symptomatik
aus, wobei sie ab 2006 eine vollständige Arbeitsfähigkeit in einer
Verweisungstätigkeit bescheinigten. Insbesondere Letzteres spricht auf Anhieb
gegen die Annahme einer wesentlichen Veränderung des Sachverhalts seit der
rentenzusprechenden Verfügung vom 25. November 2008. Die Vorinstanz hat derlei
dennoch bejaht. Dabei hat sie sich - in Anlehnung an die Beurteilung des
Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) vom 11. März 2016 und die Stellungnahme
der Gutachter vom 10. August 2016 - insbesondere an einen Vergleich der
orthopädischen und neurologischen Befunde sowie der Alltagsaktivitäten, je zur
Zeit der verschiedenen Begutachtungen im Januar 2006 und im Jahr 2015,
gehalten. Ebenso hat sie Diskrepanzen zwischen den subjektiven Angaben des
Beschwerdeführers und der objektiven Behandlungsaktivität berücksichtigt.
Ferner hat sie auf die ebenfalls schon vom RAD hervorgehobenen Inkonsistenzen
verwiesen, die - wie die muskuläre Konstitution und die auffallende
Beschwielung - auf ein über das Geschilderte hinaus gehendes Mass an
Aktivitäten hindeuteten. Dass diese für die Annahme eines Revisionsgrundes
bedeutsamen Sachverhaltselemente bereits Anfang 2006 bzw. im Zeitpunkt der
Rentenzusprache am 25. November 2008 gegeben gewesen wären, ist trotz der in
dieser Hinsicht missverständlichen Bestätigung der ZVMB-Gutachter nicht
anzunehmen. Jedenfalls kann in diesem Zusammenhang nicht von einer
offensichtlich unrichtigen tatsächlichen vorinstanzlichen Feststellung
ausgegangen werden, nachdem der behandelnde Arzt (Dr. med. F.________, Arzt für
Allgemeine Medizin FMH) noch am 4. April 2008 von einem im Wesentlichen
stationären Gesundheitszustand seit April 2004 gesprochen hatte. Insgesamt ist
es daher nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz auf eine nach Erlass der
Rentenverfügung eingetretene Verbesserung des Gesundheitszustandes durch
Angewöhnung bzw. Anpassung an die Beschwerden geschlossen hat.
Daran vermögen auch die weiteren Vorbringen in der Beschwerde nichts zu ändern,
wie im Folgenden zu zeigen ist.

5.

5.1. Der Beschwerdeführer wendet ein, die Vorinstanz sei zum Schluss gekommen,
er habe eine verbesserte Schlafqualität gegenüber dem Zeitpunkt der
Begutachtung im Jahr 2006. Dabei habe sie jedoch übersehen, dass er dem
psychiatrischen ZVMB-Teilgutachter angegeben habe, er wache nachts manchmal
wegen Schmerzen auf, wenn er sich wenden müsse. Die Schmerzsituation, die vor
allem bei Belastung entstehe, habe sich beruhigen können, weil er nicht
erwerbstätig sei. Es sei aber nicht geprüft worden, wie sich die Situation
unter Belastung darstelle.
Damit bringt der Beschwerdeführer nichts vor, was den Beweiswert des
ZVMB-Gutachtens erschüttern würde oder auf offensichtlich unrichtige
Feststellungen der Vorinstanz schliessen liesse. Insbesondere ist nicht
dargetan, dass die Gutachter zur Einschätzung seines Leistungsvermögens nicht
in der Lage gewesen sein sollten.

5.2. Der Beschwerdeführer bemängelt sodann, die Vorinstanz habe der vom
neurologischen ZVMB-Gutachter festgestellten "Wirbelsäulenbeweglichkeit in
unbeobachteten Momenten" Bedeutung beigemessen. Nicht erwähnt habe sie
hingegen, dass die orthopädische ZVMB-Gutachterin die Rotationsmöglichkeit
objektiv mit 40-0-40 angegeben und keine Abweichung ausserhalb der
Untersuchungssituation festgestellt habe. Dieser Einwand ist unbeheflich. Denn
entscheidend ist, dass auch Letztere im Ergebnis der 100%igen Arbeitsfähigkeit
des Versicherten in leidensangepasster Tätigkeit beipflichtete.

6.

6.1. Weiter macht der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, im
ZVMB-Gutachten würden ihm Inkonsistenzen vorgeworfen, wobei der muskulöse
Habitus, die auffällige Handbeschwielung, die niedrige (nicht überprüfte)
Frequenz der medizinischen Behandlungen sowie das nicht schlüssige
Laborresultat angeführt würden. Alle Faktoren, die zu seinen Gunsten sprächen,
seien nicht erwähnt worden. Die Handbeschwielung habe offensichtlich bereits im
Zeitpunkt der ursprünglichen Verfügung bestanden, weshalb daraus keine Schlüsse
auf eine Verbesserung gezogen werden könnten. Dabei werde übersehen, dass sein
Invaliditätsgrad nur 55 % betragen habe. Deshalb seien ihm gewisse Tätigkeiten
möglich gewesen, die er allerdings nicht regelmässig ausgeübt und die auch
nicht zu einem Erwerbseinkommen geführt hätten. Er sei zeitlebens mit grossen
und starken Muskeln bestückt gewesen und habe diese trotz seiner sportlichen
Inaktivität nicht verloren. Seine Behandlungsfrequenz sei zurückgegangen,
nachdem er keine belastenden Tätigkeiten mehr ausgeübt habe. Zudem seien die
Finanzierungsmöglichkeiten der Selbstkosten und der Krankenkasse eingeschränkt
gewesen. Er habe dem psychiatrischen ZVMB-Teilgutachter angegeben, beim
Hausarzt in Betreuung zu sein, was nicht überprüft worden sei. Aus einem nicht
nachgewiesenen Schmerzmittelkonsum könne nichts zu seinen Ungunsten abgeleitet
werden, da im Laborbericht festgehalten worden sei, die Compliance sei nicht
zuverlässig beurteilbar.

6.2. Hiermit gibt der Beschwerdeführer im Wesentlichen die eigene Sichtweise
wieder, wie die Akten tatsächlich und rechtlich zu würdigen seien, womit
unzulässige appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid geübt wird. Dies
genügt nicht, um die vorinstanzliche Beweiswürdigung als offensichtlich
unrichtig erscheinen zu lassen. (BGE 138 I 171 E. 1.4 S. 176; 137 II 353 E. 5.1
S. 356; Urteile 8C_738/2016 vom 28. März 2017 E. 3.5.2 und 8C_76/2017 vom 27.
März 2017 E. 3.2.3). Festzuhalten ist im Übrigen insbesondere Folgendes:

6.2.1. Die im ZVMB-Gutachten vom 13. November 2015 festgestellten auffälligen
Handflächenbeschwielungen sprechen für eine anhaltende rege körperliche
Aktivität des Beschwerdeführers (vgl. auch Urteil 8C_345/2016 vom 1. September
2016 E. 4.3). Dass solche Beschwielungen schon im Kreisarztbericht vom 2.
Oktober 2001 beobachtet wurden, spricht nicht gegen eine Verbesserung der
Wirbelsäulenproblematik seit der Rentenzusprache (vgl. E. 3 hiervor). Denn es
ist nicht anzunehmen, dass diese Beschwielung über die ganze Zeit hinweg
bestanden hat.

6.2.2. Aufgrund des Laborberichts vom 13. Juli 2015 gab der psychiatrische
ZVMB-Gutachter an, ein Wirkstoffnachweis von Paracetamol gelinge nicht. Wegen
der kurzen Halbwertszeit (diese liege bei ca. 4.5 Stunden) sei die Compliance
jedoch nicht zuverlässig beurteilbar. Hieraus kann der Versicherte nichts zu
seinen Gunsten ableiten. Denn interdisziplinär hielten die ZVMB-Gutachter fest,
er habe angegeben, täglich Dafalgan einzunehmen (immerhin 2000 mg/d). Ein
Medikamentenspiegel sei jedoch nicht nachweisbar gewesen. Trotz kurzer
Halbwertszeit hätten sich hier aber mindestens Spuren zeigen müssen, oder die
Schmerzbehandlung wäre an sich schon insuffizient. Die Angaben des Versicherten
seien deshalb als bewusste Antwortverzerrung anzusehen.

6.2.3. Der psychiatrische ZVMB-Gutachter stellte fest, der Beschwerdeführer
stehe in Betreuung seines Hausarztes Dr. med. F.________; ansonsten finde
gegenwärtig keine andere ärztliche Behandlung statt. Was eine weitere
Überprüfung der Hausarztbesuche zu Gunsten des Versicherten ergeben sollte,
macht er nicht substanziiert geltend und ist auch nicht ersichtlich.

7. 
Insgesamt erhebt der Beschwerdeführer keine Rügen, aus denen sich ergäbe, dass
das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt oder den Sachverhalt offensichtlich
unrichtig oder sonstwie bundesrechtswidrig festgestellt hätte. Da von weiteren
medizinischen Abklärungen keine neuen entscheidrelevanten Ergebnisse mehr zu
erwarten sind, verzichtete die Vorinstanz darauf zu Recht (antizipierte
Beweiswürdigung; BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236; Urteil 8C_741/2016 vom 3. März
2017 E. 7.6).

8. 
Die Vorinstanz nahm einen Einkommensvergleich vor, der keine Erwerbseinbusse
ergab. Der Beschwerdeführer rügt, die IV-Stelle habe keinen Einkommensvergleich
vorgenommen. Indem die Vorinstanz ihn selbst durchgeführt habe und er sich dazu
nicht habe äussern können, sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29
Abs. 2 BV verletzt worden.
Dem ist entgegenzuhalten, dass das kantonale Gericht an die Begehren des
Beschwerdeführers nicht gebunden war (Art. 61 lit. d Satz 1 ATSG) und die Sache
materiell beurteilen durfte. Für den Einkommensvergleich stützte es sich zum
einen auf Angaben in den Akten und auf statistische Werte (LSE-Tabellenlöhne).
Zusätzliche Abklärungen traf es nicht. Deshalb und weil auch keine reformatio
in peius in Frage stand, war es auch nicht verpflichtet, ihm vor Erlass des
angefochtenen Entscheides Gelegenheit zur Stellungnahme sowie zum Rückzug der
Beschwerde zu geben (vgl. Art. 61 lit. d Satz 2 ATSG). Davon abgesehen durfte
unter den gegebenen Umständen, zumal mit Blick auf die im Verwaltungsverfahren
getroffenen Abklärungen, nicht damit gerechnet werden, dass die Vorinstanz von
einer abschliessenden materiellen Prüfung des Rentenanspruchs absehen würde.
Dass sie dabei kantonales Verfahrensrecht verfassungswidrig angewendet hätte,
wird vom Beschwerdeführer nicht qualifiziert gerügt (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG;
SVR 2016 IV Nr. 19 S. 56, 8C_724/2015 E. 2.2; Urteil 8C_785/2016 vom 10.
Februar 2017 E. 6). Im Übrigen erhebt er gegen den Einkommensvergleich keine
Einwände, weshalb sich hierzu Weiterungen erübrigen.

9. 
Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1
BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege kann ihm gewährt werden (Art. 64 BGG). Er
hat der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn er später dazu in der Lage
ist (Art. 64 Abs. 4 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Advokat
Dominik Zehntner wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.

4. 
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 11. Mai 2017

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Jancar

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