Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.113/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
8C_113/2017        

Urteil vom 29. Juni 2017

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Bundesrichterin Viscione,
Gerichtsschreiberin Berger Götz.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch CAP Rechtsschutz-Versicherungsgesellschaft AG,
Habsburgerstrasse 26, 6002 Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (vorinstanzliches Verfahren),

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern vom 28. November
2016.

Sachverhalt:

A. 
Mit Verfügung vom 20. Januar 2015 hob die IV-Stelle Luzern den seit Februar
2001 bestehenden Rentenanspruch der 1970 geborenen A.________ revisionsweise
auf.

B. 
Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht Luzern
mit Entscheid vom 28. November 2016 teilweise gut, indem es der Versicherten ab
März 2015 eine halbe Rente zusprach. Dabei auferlegte es der IV-Stelle die
Gerichtskosten, bestehend aus einer Spruchgebühr (Fr. 1'000.-) und Beweiskosten
(Fr. 16'670.90) für das bei der Interdisziplinären medizinischen
Gutachterstelle (MEDAS) Zentralschweiz eingeholte Gerichtsgutachten vom 26.
Juli 2016.

C. 
Die IV-Stelle Luzern führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Gerichtsentscheid sei in dem Sinne
abzuändern, als ihr die Kosten des Gerichtsgutachtens nur im Umfang von Fr.
10'882.10 auferlegt werden dürften.
A.________ verzichtet auf eine Stellungnahme. Das kantonale Gericht schliesst
auf Abweisung, das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf Gutheissung der
Beschwerde.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es
kann die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem
Recht nur insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht
und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht legt seinem
Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105
Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Streitig ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt hat, indem es der
IV-Stelle die gesamten Kosten des Gerichtsgutachtens im Umfang von Fr.
16'670.90 auferlegte.
Die Beschwerdeführerin hält dafür, dass die Kostenauflage nach Massgabe der
Vereinbarung zwischen dem BSV und der MEDAS Zentralschweiz nur im Betrag von
Fr. 10'882.10 erfolgen dürfe. Dies entspreche dem Tarif, der für die
polydisziplinäre Begutachtung durch drei Spezialisten (zusätzlich zu einem
Facharzt für Allgemeine/Innere Medizin) eine Pauschale von Fr. 10'631.- vorsehe
sowie zusätzlich verrechenbare Leistungen (Labor und technische Leistungen)
zulasse, die sich im vorliegenden Fall auf Fr. 251.10 beliefen.

3.

3.1. Die zu beurteilende Streitfrage hat sich im Nachgang zum Grundsatzurteil
BGE 137 V 210 ergeben, in dem sich das Bundesgericht in umfassender und
einlässlicher Weise mit der Verfassungs- und EMRK-Konformität des
sozialversicherungsrechtlichen Abklärungsverfahrens schweizerischen Zuschnitts
befasste. Zur Gewährleistung der Rechtmässigkeit dieses Verfahrens und um den
aus dem Ertragspotenzial der involvierten medizinischen Abklärungsstellen
(MEDAS) entstehenden Gefährdungen der Verfahrensgarantien zu begegnen, schuf
das Bundesgericht verschiedene Korrektive. Dazu gehörte nebst der
zufallsbasierten Vergabe der Gutachteraufträge und der Stärkung der
Partizipationsrechte der betroffenen Versicherten insbesondere für den Bereich
des erstinstanzlichen (gerichtlichen) Beschwerdeverfahrens, dass bei
festgestellter Abklärungsbedürftigkeit das angerufene kantonale
Versicherungsgericht (bzw. das Bundesverwaltungsgericht) grundsätzlich selber
eine medizinische Begutachtung anzuordnen hat (BGE 137 V 210 E. 4.4.1.4 S. 264
f.).
Die Kosten einer solchen im gerichtlichen Beschwerdeverfahren angeordneten
Begutachtung durch eine MEDAS sind gemäss E. 4.4.2 des besagten
Grundsatzurteils den IV-Stellen aufzuerlegen und - so das Bundesgericht
ausdrücklich - nach der tarifvertraglichen Regelung zu berechnen (S. 265 f.).
Die Vergütung der Kosten von MEDAS-Abklärungen als Gerichtsgutachten durch die
IV-Stelle ist mit Art. 45 Abs. 1 ATSG durchaus vereinbar. Danach übernimmt der
Versicherungsträger die Kosten der Abklärung, soweit er die Massnahmen
angeordnet hat. Hat er keine Massnahmen angeordnet, so übernimmt er deren
Kosten dennoch, wenn die Massnahmen für die Beurteilung des Anspruchs
unerlässlich waren oder Bestandteil nachträglich zugesprochener Leistungen
bilden (vgl. auch Art. 78 Abs. 3 IVV; BGE 137 V 201 E. 4.4.2 S. 265 f.).
Das Bundesgericht verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Gefahr einer
Pauschalentschädigung, woraus sich Fehlanreize in qualitativer Hinsicht ergeben
können. Denn eine möglichst einfache Erledigung schafft Kapazitäten für weitere
(pauschal entschädigte) Begutachtungen. Das Fehlen einer Abstufung für
leichtere und schwierigere Fälle in der geltenden Entschädigungsregelung birgt
das Risiko in sich, dass der Versicherungsträger nicht, wie in Art. 43 Abs. 1
ATSG ausdrücklich vorgeschrieben, alle notwendigen Abklärungen von Amtes wegen
vornimmt bzw. von den beauftragten Abklärungsstellen alle
entscheidungserheblichen Angaben in der erforderlichen Qualität erhält; zu
denken ist etwa an besondere diagnostische Vorkehren, welche den Aussagegehalt
des Gutachtens wesentlich erhöhen. Zum Problem trägt auch bei, dass
Zusatzaufwendungen wie Dolmetscherentschädigungen in der Pauschale bereits
enthalten sind (BGE 137 V 210 E. 2.4.2 S. 238 f.).

3.2. Infolge von BGE 137 V 210 erliess der Bundesrat neu Art. 72bis Abs. 1 IVV,
in Kraft seit 1. März 2012. Danach haben medizinische Gutachten, an denen drei
und mehr Fachdisziplinen beteiligt sind, bei einer Gutachterstelle zu erfolgen,
mit welcher das Bundesamt eine Vereinbarung getroffen hat.
Weiter hat das BSV in Nachachtung des Grundsatzurteils mit den medizinischen
Gutachterstellen Tarife für die Durchführung von polydisziplinären Gutachten
zur Beurteilung von Leistungsansprüchen in der Invalidenversicherung
ausgehandelt, die nach Aufwand und Anzahl der Fachdisziplinen differenzieren.
Der Tarif sieht auch eine separate Abgeltung von Zusatzleistungen vor wie z.B.
Laboranalysen oder Röntgenbilder (vgl. [Muster-]Vereinbarung zwischen dem BSV
und der Gutachterstelle xy; Tarif [Anhang 2]; Liste der Polydisziplinären
Gutachterstellen, welche über einen Vertrag mit dem BSV nach Art. 72bis IVV
verfügen [Stand: 1. Februar 2017]).

3.3. Mit BGE 139 V 496 E. 4.4 S. 502 stellte das Bundesgericht für den Bereich
der Invalidenversicherung Kriterien auf, die bei der Beurteilung der Frage zu
berücksichtigen sind, ob die Kosten eines Gerichtsgutachtens dem Grundsatz nach
der Verwaltung auferlegt werden können. Danach muss ein Zusammenhang bestehen
zwischen dem Untersuchungsmangel seitens der Verwaltung und der Notwendigkeit,
eine Gerichtsexpertise anzuordnen, was das Bundesgericht für verschiedene
Konstellationen verdeutlichte. Wenn die Verwaltung dagegen den
Untersuchungsgrundsatz respektiert und ihre Auffassung auf objektive
konvergente Grundlagen oder auf die Ergebnisse einer rechtsgenüglichen
Expertise gestützt habe, sei die Überbindung der Kosten des erstinstanzlichen
Gerichtsgutachtens an sie nicht gerechtfertigt, aus welchen Gründen dies auch
immer erfolge (vgl. sodann analog für den Bereich der Unfallversicherung: BGE
140 V 70 E. 6.2 S. 75).

3.4. Im Urteil 9C_217/2014 vom 2. Dezember 2014 erwog das Bundesgericht, es
treffe zu, dass der Vertrag zwischen dem BSV und den medizinischen
Abklärungsstellen auf Gerichtsgutachten nicht direkt anwendbar sei. Nach der
Rechtsprechung (BGE 137 V 210 E. 4.4.2 S. 265) richte sich die Vergütung der
Kosten einer MEDAS-Begutachtung, die von einem kantonalen Gericht angeordnet
werde, nach dem Tarif, wie er für Verwaltungsgutachten gelte, die von
medizinischen Abklärungsstellen erstattet würden. In der Tat wäre es nicht
verständlich - so das Bundesgericht -, wenn die Kosten für ein MEDAS-Gutachten
je nach Auftraggeber unterschiedlich hoch ausfielen. Ob eine medizinische
Abklärungsstelle eine Expertise für ein Gericht oder eine IV-Stelle durchführe,
habe auf den hierfür erforderlichen Zeitaufwand der an der interdisziplinären
Begutachtung beteiligten Ärzte keinen Einfluss. Die vom kantonalen Gericht
eingewendeten praktischen Schwierigkeiten, Gerichtsgutachter zu finden, die
bereit seien, den Tarif gemäss geändertem Vertrag mit dem BSV anzuwenden,
führten nicht dazu, dass das Abweichen von BGE 137 V 210 E. 4.4.2 S. 265 gemäss
angefochtenem Entscheid als bundesrechtskonform zu betrachten wäre (Urteil
9C_217/2014 vom 2. Dezember 2014 E. 4.2; ebenso Urteil 8C_483/2016 vom 27.
Oktober 2016).
Dies bekräftigte das Bundesgericht im Urteil 9C_253/2016 vom 22. September 2016
(SVR 2017 IV Nr. 11 S. 27). Anlass für eine Abkehr von der zitierten
Rechtsprechung sah es auch nicht deshalb, weil der Aufwand für psychiatrische
Gutachten zwischenzeitlich aufgrund der geänderten Rechtsprechung von BGE 141 V
281 gestiegen sei und sich mittlerweile die praktischen Schwierigkeiten bei der
Suche nach Gutachtern, die gemäss den tarifvertraglichen Regelungen
Gerichtsgutachten erstellten, weiter verschärft hätten. Damit werde auf den
Tarif an sich abgezielt, der nicht Streitgegenstand sei und die in E. 4.2 des
Urteils 9C_217/2014 angestellten Überlegungen nicht tangiere. Daran ändere auch
der Einwand nichts, die IV-Stelle habe höhere Kosten jeweils dann zu vergüten,
wenn das kantonale Gericht eine Expertise bei einer Begutachtungsstelle
veranlasse, mit der das BSV keine Tarifvereinbarung getroffen habe. Derlei
lasse ausser Acht, dass die Verwaltung diesfalls in Ermangelung einer solchen
Vereinbarung (anders als im vorliegenden Fall) die höheren Kosten gerade auch
tragen müsste, wenn sie das Gutachten eigens veranlasst hätte (E. 2.2).

3.5. Im Urteil 8C_442/2016 vom 23. November 2016 erinnerte das Bundesgericht
daran, dass die in BGE 137 V 210 E. 4.4.2 S. 265 f. sowie E. 3.2 S. 244
festgehaltenen Grundsätze zu Vereinbarungen und Tarifen das Verhältnis zwischen
dem BSV und den als MEDAS anerkannten Begutachtungsstellen beschlagen (vgl.
auch das Urteil 8C_483/2016 vom 27. Oktober 2016). Ferner stellte es klar, dass
es den kantonalen Gerichten nicht untersagt ist, medizinische Expertisen bei
Begutachtungsstellen einzuholen, die nicht den Status einer MEDAS aufwiesen.
Zwar bestünden im Sinne der Vorbringen des BSV auch hier Gründe für eine solche
Regelung, doch lasse dies die vollumfängliche Auferlegung der Gutachtenskosten
an die IV-Stelle nicht als bundesrechtswidrig erscheinen.

3.6.

3.6.1. Mit Urteil 9C_541/2016 vom 26. Januar 2017 wurde schliesslich
präzisiert, dass das kantonale Versicherungsgericht als Auftraggeber der
Begutachtung die Gutachterstelle lediglich nach Massgabe des Tarifs zu
entschädigen hat. Die Anwendung von auf Art. 72bis Abs. 1 IVV basierenden
Tarifvereinbarungen (auch) auf vom kantonalen Versicherungsgericht eingeholte
polydisziplinäre Gerichtsgutachten beruhe auf einer genügenden gesetzlichen
Grundlage.

3.6.2. Nach den Erwägungen dieses Urteils betreffe Art. 72bis Abs. 1 IVV (vgl.
E. 3.2 hiervor) in erster Linie das Verwaltungsverfahren vor der IV-Stelle.
Dies schliesse indessen nicht aus, die Tarifvereinbarung mit einer
Gutachterstelle auch bei Gerichtsgutachten anzuwenden, wenn, wie im gegebenen
Fall, eine Rückweisung der Sache zur Durchführung der vom kantonalen
Versicherungsgericht als notwendig erachteten Beweismassnahme an die IV-Stelle
zur Gewährleistung eines konventionskonformen Verfahrens entfalle. Dafür
spreche vorab, dass nach der gesetzlichen Ordnung Beweis über
sozialversicherungsrechtliche Ansprüche schwergewichtig auf Stufe des
Administrativverfahrens geführt werde und nicht im gerichtlichen Prozess. Dies
rechtfertige nicht nur, der IV-Stelle grundsätzlich die Kosten der Begutachtung
aufzuerlegen, sondern auch, diese nach der tarifvertraglichen Regelung mit der
Gutachterstelle zu berechnen. Das Bundesgericht erinnerte sodann ein weiteres
Mal daran, dass es nicht verständlich wäre, wenn die Kosten für ein
MEDAS-Gutachten je nach Auftraggeber unterschiedlich hoch wären. Ob eine
medizinische Abklärungsstelle eine Expertise für ein Gericht oder eine
IV-Stelle durchführe, habe auf den hierfür erforderlichen Zeitaufwand der an
der interdisziplinären Begutachtung beteiligten Ärzte keinen Einfluss. Es könne
somit nicht gesagt werden, es bestehe keine gesetzliche Grundlage für die
Anwendung der Tarifvereinbarung zwischen dem BSV und der MEDAS auf das hier in
Frage stehende Gerichtsgutachten (E. 2.1).

3.6.3. Demgegenüber bemesse sich die Kostenvergütung durch die
Sozialversicherung bei einem von der versicherten Person veranlassten
Privatgutachten grundsätzlich nach Auftragsrecht und nicht aufgrund von
allfälligen tarifvertraglichen Regelungen. Entscheidend für diese
Differenzierung sei, dass der Gutachter oder die Gutachterstelle im Auftrag
einer privaten Person und nicht des Versicherungsträgers tätig werde. Diese
Konstellation werde vom Tarifvertrag nicht erfasst. Was die Person des
Auftraggebers der Begutachtung betreffe, lasse sich das kantonale
Versicherungsgericht gerade nicht mit der versicherten Person vergleichen. Dies
gelte auch in Bezug auf das Kostenrisiko, das die private Person voll zu tragen
habe, während das Gericht - folgerichtig - die Gutachterstelle lediglich nach
Massgabe des für sie grundsätzlich verbindlichen Tarifs zu entschädigen habe.
Die Befürchtung der Vorinstanz, dass "die Kantone schliesslich auf Kosten
sitzen bleiben, die einzig deshalb entstehen, weil eine IV-Stelle den
medizinischen Sachverhalt nur ungenügend abgeklärt hat", sei somit unbegründet
(E. 2.2).

3.6.4. Es möge zutreffen, dass im Rahmen von Gerichtsgutachten häufig komplexe
medizinische Sachverhalte, namentlich bei psychosomatischen Krankheitsbildern
aufgrund der mit BGE 141 V 281 geänderten Schmerzrechtsprechung, mit
entsprechendem Aktenumfang und zumeist einem oder mehreren widersprüchlichen
Vorgutachten zu beurteilen seien. Fraglich bleibe, ob deswegen allenfalls
solche Expertisen nicht mehr kostendeckend zum "BSV-Tarif" erstellt werden und
daher viele MEDAS, d.h. Gutachterstellen im Sinne von Art. 72bis Abs. 1 IVV,
dazu auch nicht mehr bereit sein könnten, was gerichtsnotorisch sei, wie die
Vorinstanz vernehmlassungsweise einbringe. Diesen Punkt liess das Bundesgericht
hingegen offen, wiederum daran erinnernd, dass damit der Tarif als solcher in
Frage gestellt werde, der hier nicht zur Diskussion stehe, zumal die hier
betroffene MEDAS als Vertragspartei nicht am Verfahren beteiligt sei. Immerhin
sei darauf hinzuweisen, dass das BSV im Nachgang zu BGE 137 V 210 die
tarifliche Regelung der Vergütung der Kosten polydisziplinärer Gutachten
modifiziert habe, um "sicherzustellen, (...) von den beauftragten Stellen alle
entscheidungserheblichen Angaben in der erforderlichen Qualität" zu erhalten.
Im Rahmen der diesbezüglichen Verhandlungen habe den betroffenen
Gutachterstellen bekannt sein müssen, dass aufgrund der nunmehr eingeschränkten
Befugnis der Sozialversicherungsgerichte, eine Streitsache zur neuen
Begutachtung an die Verwaltung zurückzuweisen, mit einer Zunahme von
Gerichtsgutachten zu rechnen sein werde. Mit der Verpflichtung der kantonalen
IV-Stelle zur Übernahme der gesamten von der MEDAS in Rechnung gestellten
Kosten habe die Vorinstanz im Ergebnis den im konkreten Fall anwendbaren Tarif
gemäss Anhang 2 der Vereinbarung als zu tief beurteilt, wozu sie jedoch nicht
zuständig gewesen sei (E. 2.3).

3.7. Mit Urteil 9C_672/2016 vom 2. Februar 2017 bekräftigte das Bundesgericht
unter Hinweis auf Urteil 8C_483/2016 vom 27. Oktober 2016 E. 2 und BGE 139 V
496 E. 4.3 S. 501 f., dass es bei der Auflage von Beweiskosten für
Gerichtsgutachten nicht um die in Art. 61 ATSG und darauf gestütztem kantonalen
Recht enthaltenen Regeln zum Gerichtsverfahren gehe. Vielmehr würden hier die
Ansätze im Vordergrund stehen, wie sie für die Vergütung von
Verwaltungsgutachten gälten. Denn die hier streitigen Kosten des
MEDAS-Gutachtens stellten keine Gerichtskosten im Sinne von Art. 69 Abs. 1bis
IVG dar, sondern solche, die sich auf das Verwaltungsverfahren im Sinne von
Art. 45 ATSG bezögen (E. 5.1 mit Verweis auf Urteil 9C_541/2016 vom 26. Januar
2017 E. 2).

4. 
Die Änderung einer Rechtsprechung muss sich auf ernsthafte sachliche Gründe
stützen können, die - vor allem im Hinblick auf das Gebot der Rechtssicherheit
- umso gewichtiger sein müssen, je länger die als falsch oder nicht mehr
zeitgemäss erkannte Rechtsanwendung für zutreffend erachtet worden ist. Eine
Praxisänderung lässt sich grundsätzlich nur begründen, wenn die neue Lösung
besserer Erkenntnis des Gesetzeszwecks, veränderten äusseren Verhältnissen oder
gewandelten Rechtsanschauungen entspricht (BGE 140 V 538 E. 4.5 S. 541 mit
Hinweisen).

5.

5.1. In der Schweiz trägt die Justizverfassung der bundesstaatlichen Struktur
des Landes (Art. 3, 42 ff. BV) Rechnung. Das Bemühen, den Kantonen beim Vollzug
von Bundesrecht möglichst grosse Gestaltungsfreiheit zu belassen (Art. 46 Abs.
2 und 3 BV; vgl. dazu und zur kantonalen Organisationsautonomie: BGE 128 I 254
E. 3.8.2 S. 264 f.), zeigt sich auch im Bereich des Gerichtswesens. Die
kantonalen Justizorgane sind nicht nur im Bereich des eigenen kantonalen
Rechts, sondern genauso in demjenigen des Bundesrechts Träger der
Rechtsprechung, soweit Bundesverfassung oder Gesetze nichts anderes regeln.
Dies gilt gleichermassen für die Umsetzung des Bundesverwaltungsrechts unter
Einschluss des (Bundes-) Sozialversicherungsrechts. Dabei steht ausser Frage,
dass der Bundesgesetzgeber in diesem Bereich selbst ohne ausdrückliche
verfassungsrechtliche Grundlage zur Regelung des Verfahrens, und zwar inklusive
des gerichtlichen Beschwerdeverfahrens befugt ist (RHINOW/KOLLER/KISS/
THURNHERR/BRÜHL-MOSER, Öffentliches Prozessrecht, 3. Aufl. 2014, S. 64 Rz. 172
f., S. 69 f. Rz. 198 und S. 70 Rz. 200; KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI,
Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl. 2013, S.
37 Rz. 106; UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, N. 2 zu Art. 57 und N.
6 zu Art. 61 ATSG mit weiteren Hinweisen).
Dementsprechend existieren für den erstinstanzlichen Sozialversicherungsprozess
vereinzelte bundesrechtliche Vorgaben. Dazu gehören nebst den allgemeinen
verfassungsrechtlichen Bestimmungen zwecks Umsetzung der
Justizgewährleistungspflicht (Art. 29a f., 191b und c BV), woraus sich unter
anderem Anforderungen an die gerichtliche Überprüfungsbefugnis ergeben (vgl.
BGE 142 II 49 E. 4.4 S. 52; 137 I 235 E. 2.5 S. 239), auch spezifische
Anordnungen auf Bundesgesetzesstufe, namentlich in den Art. 56 bis Art. 61 ATSG
(sowie Art. 1 Abs. 3 VwVG), Art. 73 BVG und Art. 110 bis 112 BGG, aber auch
Art. 69 Abs. 1bis IVG. Innerhalb dieses Rahmens richten sich die Organisation
der Gerichtsbarkeit und die Regelung des Gerichtsverfahrens jedoch
ausschliesslich nach kantonalem Recht (vgl. BGE 135 V 353 E. 4.1 S. 354;
KIESER, a.a.O., N. 4 zu Art. 57 sowie N. 24 zu Art. 61 ATSG).

5.2. Besonders zu erwähnen ist im hier interessierenden Kontext der Katalog von
Art. 61 lit. a bis i ATSG mit direkt anwendbaren Mindestanforderungen an das
kantonale Verfahren (SVR 2010 UV Nr. 29 S. 117, 8C_556/2009 E. 3.2; KIESER,
a.a.O., N. 9 zu Art. 61 ATSG). Diese Aufzählung, die als abschliessend gilt
(ULRICH MEYER-BLASER, Die Rechtspflegebestimmungen des Bundesgesetzes über den
Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG], HAVE 5/2002 S. 332),
verpflichtet die Kantone unter anderem zu einem Verfahren, das einfach, rasch
und für die Parteien unentgeltlich zu sein hat (lit. a; betreffend
Kostenlosigkeit vgl. sodann die Ausnahme in Art. 69 Abs. 1bis IVG). Zudem hat
das Sozialversicherungsgericht die für den Entscheid erheblichen Tatsachen
unter Mitwirkung der Parteien festzustellen (lit. c; vgl. zum Ganzen auch Art.
73 Abs. 2 BVG). Dies entspricht im Wesentlichen dem Untersuchungsgrundsatz, wie
er für die Versicherungsträger in Art. 43 ATSG verankert ist (vgl. KIESER,
a.a.O., N. 96 zu Art. 61 ATSG).

6.

6.1. In Bezug auf die hier strittige Frage (vgl. E. 2) enthält das in
verschiedener Hinsicht wichtige und dementsprechend eingehend begründete
Grundsatzurteil BGE 137 V 210 keine vertiefende Analyse. Das Bundesgericht
lässt es im Wesentlichen mit der Feststellung bewenden, dass die Kosten der
gerichtlicherseits angeordneten Begutachtungen den IV-Stellen aufzuerlegen und
nach der tarifvertraglichen Regelung zu berechnen seien, was sich mit Art. 45
Abs. 1 ATSG vereinbaren lasse. An anderer Stelle ergeht dann die Aufforderung
an das BSV, innert nützlicher Frist ein Entschädigungssystem zu erarbeiten und
mit den MEDAS neu auszuhandeln (BGE 137 V 210 E. 3.2 S. 244 f.). Ausführungen
zur Befugnis des Bundesamtes, in dieser Hinsicht mit Wirkung für die
erstinstanzlichen Versicherungsgerichte tarifvertragliche Abreden zu treffen,
enthält das Grundsatzurteil nicht. Auch im Rahmen der danach ergangenen
Folgeurteile hat eine solche Auseinandersetzung nicht stattgefunden. Zu
verweisen ist immerhin auf die hier zu bekräftigende Aussage im Urteil 9C_217/
2014 vom 2. Dezember 2014 (E. 4.1), dass der betreffende Vertrag zwischen dem
BSV und den MEDAS auf Gerichtsgutachten nicht direkt anwendbar ist (vgl. E. 3.4
hiervor); ebenso auf diejenige in Urteil 9C_541/2016 vom 26. Januar 2017,
nämlich dass Art. 72bis Abs. 1 IVV primär das Verwaltungsverfahren der
IV-Stelle betrifft (vgl. E. 3.6.2 hiervor). Wichtig ist alsdann der Hinweis des
Bundesgerichts, bei den betreffenden Kosten handle es sich nicht um solche des
Gerichts-, sondern des Verwaltungsverfahrens (Urteil 9C_672/2016 vom 2. Februar
2017 E. 5.1; vgl. E. 3.7 hiervor).

6.2.

6.2.1. Im Sinne der bisherigen Rechtsprechung ist ohne Weiteres davon
auszugehen, dass mit Art. 45 Abs. 1 ATSG (vgl. E. 3.1 hiervor) eine genügende
gesetzliche Grundlage dafür besteht, dem Versicherungsträger die Kosten eines
Gerichtsgutachtens zu auferlegen. Dies gilt jedenfalls für diejenigen
Konstellationen, wie sie das Bundesgericht in BGE 139 V 496 im Einzelnen
umschrieben hat (vgl. E. 3.3 hiervor sowie BGE 140 V 70 E. 6.1 S. 75). Dass
diese Bestimmung, obwohl systematisch dem Verwaltungsverfahren zugeordnet (2.
Abschnitt, Art. 34 bis 55 ATSG), auch im Rahmen des Rechtspflegeverfahrens
anwendbar ist, lässt sich mit Blick auf die darin erwähnte "Beurteilung des
Anspruchs" nicht nur mit dem Gesetzeswortlaut vereinbaren, sondern liegt auch
von der Sache her nahe. Damit erübrigen sich weitere Ausführungen in diesem
Punkt.

6.2.2. Was die Bemessung der Kosten dieser Abklärungen angeht, lassen sich Art.
45 Abs. 1 ATSG keine konkreten oder gar betraglichen Vorgaben entnehmen. Ebenso
wenig besteht bei genauer Betrachtung eine bundesgesetzliche Grundlage dafür,
und zwar weder in Art. 45 noch in Art. 61 ATSG oder sonst wo, dass das BSV mit
den MEDAS Tarifvereinbarungen mit Geltung auch für die gerichtlichen
Beschwerdeverfahren treffen könnte. Dies ergibt sich ohne Weiteres nicht nur
aus grammatikalischer, sondern auch aus historischer Sicht: So bietet der
Wortlaut der eingangs genannten Bestimmungen keine Anknüpfungsmöglichkeit; das
gilt insbesondere auch für das hier tangierte Verordnungsrecht (Art. 72bis
IVV), womit sich Weiterungen hinsichtlich der Delegationsnorm oder der
Tragweite des Vollzugsverordnungsrechts erübrigen. Und was die Historie
anbelangt, spricht diese insofern für sich, als das Gerichtsgutachten im
Sozialversicherungsprozess vor BGE 137 V 210 (und damit auch bei der Schaffung
des Art. 69 Abs. 1bis IVG, in Kraft ab 1. Juli 2006) ohnehin nur ganz marginal
bedeutsam war (UELI KIESER, Arzt als Gutachter, in: Arztrecht in der Praxis, 2.
Aufl. 2007, S. 425; ULRICH MEYER-BLASER, Das medizinische Gutachten aus
sozialversicherungsrechtlicher Sicht, in: Die neurologische Begutachtung, 2004,
S. 101; DERSELBE, Rechtliche Vorgaben an die medizinische Begutachtung, in:
Rechtsfragen der medizinischen Begutachtung in der Sozialversicherung, 1997, S.
27). Schliesslich kann bei dieser Ausgangslage und mit Blick auf das noch zu
Erwägende eine bundesgesetzliche Grundlage auch nicht einfach unter Hinweis auf
teleologische Überlegungen in die bestehenden Normen hinein gelesen oder auf
dem Wege richterlicher Lückenfüllung geschaffen werden.
Eine solche Gesetzesgrundlage, die zu erlassen der Bund nach dem oben
Ausgeführten (E. 5.1) ohne Weiteres befugt wäre, ist unabdingbar. Denn die
Implikationen, die mit der hier diskutierten Rechtsprechung verbunden sind,
dürfen in mehrfacher Hinsicht nicht unterschätzt werden: Zum einen wird damit
im Wirkungsbereich von Art. 57 ATSG eine Materie geregelt, die nach geltendem
Rechtsetzungskonzept im Sinne der verfassungsrechtlich auferlegten
Respektierung kantonaler Organisationsautonomie (Art. 46 Abs. 3 BV) dem
kantonalen Verfahrensrecht überlassen worden ist, in das der Bundesgesetzgeber
mit Art. 61 ATSG bislang nur zurückhaltend, punktuell und mit präziser
Umschreibung eingegriffen hat. Zum andern entfaltet sich damit in Bezug auf die
bestehende "gewaltenteilige Ordnung" ein funktionelles Spannungsfeld. So wird
den Organen der verwaltungsunabhängigen gerichtlichen Rechtspflege für ihren
unmittelbaren Zuständigkeitsbereich ein Tarif vorgegeben, der auf Stufe
Bundesamt von Verwaltungsseite her verhandelt wurde; und dies, ohne dass das
Gerichtswesen - sei es auf kantonaler, sei es auf Stufe
Bundesverwaltungsgericht - in irgendeiner Weise je einbezogen worden wäre.
Derlei lässt sich ohne ausdrückliche bundesgesetzliche Grundlage nicht halten.
Und dementsprechend sensibel und mit auffallend geringer Akzeptanz haben denn
auch die erstinstanzlichen Gerichte auf die hier in Rede stehende
Rechtsprechung reagiert. Das zeigte sich bereits nach dem Schreiben des BSV an
die kantonalen Versicherungsgerichte und das Bundesverwaltungsgericht vom 24.
Januar 2014, mit dem das Amt auf die Massgeblichkeit der betreffenden
tarifvertraglichen Regelung gepocht hatte und worauf aus dem Adressatenkreis
umgehend und dezidiert reagiert wurde.

6.2.3.

6.2.3.1. Am Gesagten ändert nichts Grundsätzliches, dass es von der Sache her
um Kosten gehen mag, die an sich das auf Verwaltungsstufe ablaufende
sozialversicherungsrechtliche Abklärungsverfahren beschlagen. Denn genau
besehen finden diese Kosten lediglich ihren Entstehungsgrund im
Abklärungsverfahren, sei es in einer Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes,
sei es, dass die Verwaltung die Richtlinien zum Beweiswert von
Administrativgutachten oder versicherungsinternen medizinischen Abklärungen
verkannt hat. Das entsprechende Versäumnis wird im Rahmen des
Beschwerdeverfahrens durch gerichtliche Anordnung eines Gutachtens behoben. Bei
den betreffenden Kosten handelt es sich demnach aus rechtlicher Sicht um solche
für gerichtliche Beweisvorkehren - ihrerseits Ausfluss genuiner richterlicher
Tätigkeit (vgl. Art. 61 lit. c ATSG und die darin verankerte gerichtliche
Abklärungspflicht) -, mithin um Gerichtskosten. Dass die zugrunde liegende
Beweismassnahme gleichsam als Surrogat für Abklärungsmassnahmen zu dienen hat,
die an sich der Verwaltung oblegen hätten, steht dieser rechtlichen
Qualifikation nicht entgegen. Würde dies als Rechtfertigung schon genügen,
liesse sich auch erwägen, dass die Vergabe von polydisziplinären
Gerichtsgutachten genau wie diejenige von Administrativgutachten im Sinne von
Art. 72bis Abs. 2 IVV über die Plattform SuisseMED@P zufallsbasiert zu erfolgen
hätte. Eine derartige Einschränkung des richterlichen Ermessens hat das
Bundesgericht bislang nicht angepeilt, und sie wäre ohne spezifische
Gesetzesgrundlage auch nicht zu halten. Anderseits hat die Rechtsprechung auch
keinen Anlass gesehen, die Geltung des vertraglichen Tarifs auf
Gutachterstellen auszudehnen, mit denen kein entsprechender Vertrag besteht
(vgl. zu beidem: Urteil 8C_442/2016 vom 23. November 2016 und E. 3.5 hiervor).

6.2.3.2. Das Bundesgericht hat mit der hier diskutierten Rechtsprechung
verschiedentlich hervorgehoben, es sei nicht einzusehen, weshalb für ein
Gerichtsgutachten höhere Kosten anfallen sollten als für ein
Administrativgutachten. Diese Argumentation vermag nicht restlos zu überzeugen.
Nach den Richtlinien zur Beweiswürdigung weicht das Gericht praxisgemäss nicht
ohne zwingende Gründe von Gerichtsgutachten ab (BGE 135 V 465 E. 4.4 S. 469 f.;
125 V 351 E. 3b/aa S. 352 f.). Damit messen die Richtlinien, die es
wesensgemäss stets unter Vorbehalt abweichender Ergebnisse im Rahmen fallweiser
pflichtgemässer Beweiswürdigung zu verstehen gilt, den Gerichtsgutachten
höheren Beweiswert zu als den Adminstrativgutachten (vgl. BGE 125 V 351 E. 3b/
aa+bb S. 352 f.). Das findet sich im Wesentlichen im Umstand angelegt, dass der
Administrativgutachter anders als der gerichtliche Sachverständige nicht der
Strafdrohung (vgl. Art. 307 und 309 lit. a StGB) untersteht (vgl. DELNON/RÜDY,
in: Basler Kommentar, Strafrecht II, 3. Aufl. 2013, N. 12 zu Art. 309 StGB;
MEYER-BLASER, Gutachten, a.a.O., S. 99; DERSELBE, Rechtliche Vorgaben, a.a.O.,
S. 22). Das kann sich auch in der aufzuwendenden Sorgfalt und damit im
Arbeitsaufwand niederschlagen. Weit gewichtiger scheint hingegen der Umstand,
dass sich in einem Gerichtsverfahren für die Gutachtenden erfahrungsgemäss in
aller Regel komplexere Fragen stellen und insbesondere weit umfangreichere
Akten zu bewältigen sind als auf Stufe Verwaltungsverfahren; meistens liegen
zudem in dieser Verfahrensphase bereits gutachterliche Stellungnahmen vor, die
ihrerseits gerade Anlass zum Gerichtsgutachten geben und die in diesem
besonders einlässlich zu verarbeiten sind. Damit erfüllt das Gerichtsgutachten
tatsächlich regelmässig die Funktion eines eigentlichen Obergutachtens. Obwohl
die bestehenden Pauschalbeträge (vgl. den Tarif in Anhang 2 zur Vereinbarung)
auf Stufe Verwaltungsverfahren mit einem entsprechenden "Mix" aus einfacheren
und komplexeren Fällen insgesamt kostendeckend sein mögen, lässt sich Gleiches
für das gerichtliche Beschwerdeverfahren nicht ohne Weiteres sagen.

6.2.3.3. Anderseits hat die bestehende Rechtsprechung mit ihrer zwingenden
Vorgabe des bestehenden Tarifvertrages zur Folge, dass die daran gebundenen
MEDAS zur Erstattung von Gerichtsgutachten gar nicht mehr Hand bieten. Damit
kommen den Beschwerdeinstanzen ausgerechnet jene Gutachterstellen abhanden, die
nicht nur zur Abklärung der sich stellenden Fragen fachlich besonders berufen
und in versicherungsmedizinischer Hinsicht erfahren, sondern auch
organisatorisch am ehesten in der Lage wären, das Abklärungsergebnis binnen
nützlicher Frist zu liefern. Um dem entgegenzuwirken, bleibt den
Beschwerdeinstanzen nichts Anderes übrig, als sich bei den Vergaben von
"Aufträgen" für Gerichtsgutachten gleichwohl auf Tarife einzulassen, die
diejenigen des BSV übersteigen. Vereinzelte Gerichte haben denn auch bereits
von sich aus entsprechende Tarifvereinbarungen mit einzelnen MEDAS
abgeschlossen. Dies widerspricht der im Urteil 9C_541/2016 vom 26. Januar 2017
(vgl. E. 3.6 hiervor) geäusserten Auffassung des Bundesgerichts, den
bestehenden Tarif als eigentliche Obergrenze zu verstehen.

7.

7.1. Nach dem Gesagten bestehen nach vertiefender Befassung mit der Rechtslage,
den faktischen Gegebenheiten und der dabei gewonnenen besseren Einsicht
hinreichend gewichtige Gründe, von der bisherigen Rechtsprechung abzurücken
(die II. sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichts stimmt dieser
Rechtsprechungsänderung zu).

7.2. Das führt dazu, dass nach wie vor keine bundesrechtlichen Vorgaben an die
kantonalen Versicherungsgerichte und das Bundesverwaltungsgericht bestehen, an
welche Stellen sie polydisziplinäre Gerichtsgutachten zu vergeben haben. In
Aufgabe der hiervor einlässlich erörterten Rechtsprechung sind die genannten
Instanzen auch nicht an den Tarif gemäss Anhang 2 der Vereinbarung gebunden.
Das bedeutet, dass die IV-Stellen im Rahmen der mit BGE 139 V 496 umschriebenen
(und mit BGE 140 V 70 bestätigten) Grundsätze (vgl. E. 3.3 hiervor) gestützt
auf Art. 45 Abs. 1 Satz 2 ATSG für die gesamten Kosten des Gerichtsgutachtens
aufzukommen haben. Abzulehnen ist insbesondere eine Lösung, die die Kantone im
Umfang der den Tarif überschiessenden Kosten in die Pflicht nähme. Denn damit
würde die mit BGE 137 V 210 aus Gründen der Verfahrensfairness angestrebte
Zielsetzung, in vermehrtem Masse Gerichtsgutachten zu veranlassen, geradewegs
unterlaufen, indem es bei festgestellten Abklärungs- oder Beweiswertmängeln
wieder vermehrt zu Rückweisungen käme.

7.3. Dies alles hat nicht einfach zur Folge, dass die bestehende Tarifordnung
für das erstinstanzliche Beschwerdeverfahren geradezu belanglos wäre.
Gerichtsgutachten werden in der Regel auf vertraglicher Grundlage vergeben,
wobei grundsätzlich von einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis auszugehen ist
(offen gelassen in Pra 1990 Nr. 70 S. 239 ff.; vgl. aber MERKLI/AESCHLIMANN/
HERZOG, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Bern,
1997, N. 29 zu Art. 19 VRG/BE). Teil dieses Vertrages bildet notwendigerweise
die Regelung der Abgeltung der vom Sachverständigen ("nach bestem Wissen und
Gewissen") zu erbringenden Leistung. In dieser Hinsicht kann der vom BSV mit
den MEDAS vereinbarte Tarif immerhin als Richtschnur dienen, an der sich die
Beteiligten zu orientieren haben, gleichsam wie eine Weisung oder Verordnung
der Verwaltung, die für das Gericht nicht bindend, aber doch zu berücksichtigen
ist, sofern sie eine dem Fall angepasste Lösung zulässt (vgl. BGE 141 III 401
E. 4.2.2 S. 404 f. mit Hinweisen). Das bedeutet, dass die Gründe darzulegen
wären, weshalb im konkreten Fall die im betreffenden Tarif vorgesehenen
Pauschalen nicht genügen und dass sicher auch nicht ohne Weiteres auf Tarmed
Kategorie D ("Gutachten mit überdurchschnittlichem Schwierigkeitsgrad") oder
gar E ("ausserordentlich schwierige Fälle") zurückgegriffen werden kann (vgl.
dazu das IV-Rundschreiben Nr. 202 vom 11. Juni 2004). Darüber hinaus versteht
sich, namentlich mit Blick auf den zu Befürchtungen Anlass gebenden
Kostendruck, dass das Bundesgericht im Einzelfall nicht nur im Lichte der
bekannten Kriterien überprüfen wird, ob die Kosten eines polydisziplinären
Gerichtsgutachtens der Verwaltung überbunden werden dürfen. Vielmehr wird es
sich auch der Höhe der Kosten annehmen und insofern jedenfalls dann
einschreiten, wenn diese in sachlich unvertretbarer Weise, mithin willkürlich
bemessen sind (vgl. die Rechtsprechung zur Bemessung der Parteientschädigung:
SVR 2006 ALV Nr. 15 S. 51, C 223/05 E. 4.2). Darüber hinaus ergeht die
Empfehlung, entweder die erforderliche Gesetzesgrundlage zu schaffen oder aber
wenigstens den bestehenden Tarif unter repräsentativem Einbezug der
erstinstanzlichen Beschwerdeinstanzen an die Besonderheiten des
Gerichtsverfahrens anzupassen. Dabei wäre insbesondere der Frage vertiefend
nachzugehen, ob nicht auch in diesem spezifischen Geltungsbereich (anzupassende
und zusätzlich auszudifferenzierende) Pauschalen Verwendung finden könnten, was
jedenfalls nicht von vornherein ausser Betracht fallen muss.

8. 
Nach dem Erwogenen verletzt der angefochtene Gerichtsentscheid kein
Bundesrecht, indem er der Beschwerde führenden IV-Stelle die gesamten Kosten
des Gerichtsgutachtens auferlegt hat. Dass die Kostenauflage in grundsätzlicher
Hinsicht nicht rechtens wäre, wird beschwerdeweise nicht vorgebracht und lässt
sich auch nicht ohne Weiteres ersehen. Ebenso wenig wird geltend gemacht, dass
die Höhe der Kosten mit Blick auf den von der Sache her gebotenen
Abklärungsaufwand offensichtlich unhaltbar wäre.

9. 
Die Gerichtskosten sind der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung an die Beschwerdegegnerin
entfällt, nachdem sich diese nicht hat vernehmen lassen und ihr dementsprechend
durch den Rechtsstreit keine Kosten erwachsen sind (Art. 68 Abs. 2 BGG).
 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 900.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 29. Juni 2017

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz

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