Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.943/2017
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

2C_943/2017

Urteil vom 17. Juli 2019

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Seiler, Präsident,

Bundesrichter Zünd,

Bundesrichterin Aubry Girardin,

Bundesrichter Stadelmann,

Bundesrichter Haag,

Gerichtsschreiber Brunner.

Verfahrensbeteiligte

Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer,

Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern,

Beschwerdeführerin,

gegen

A.________ AG,

vertreten durch SwissVAT AG,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

MWST; subjektive Steuerpflicht,

Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I,

vom 3. Oktober 2017 (A-5069/2016).

Sachverhalt:

A.

A.a. Die A.________ AG (nachfolgend auch Intermediärin) hat Sitz in U.________/
ZH. Ihr Zweck liegt gemäss Statuten in der Vornahme von Handels- und
Finanzgeschäften aller Art sowie der Erbringung von Finanzdienstleistungen. Bei
ihren Geschäftspartnern handelt es sich um Gesellschaften, deren Sitz sich in
Offshore-Destinationen befindet und deren wirtschaftlich Berechtigte - aus
hiesiger Optik - Sitz oder Wohnsitz im Ausland haben. Das von der Intermediärin
verfolgte Geschäftsmodell besteht darin, dass sie mit den
Offshore-Gesellschaften (nachfolgend auch Kooperationspartner) standardisierte
Kooperationsvereinbarungen eingeht.

Nach diesen Vereinbarungen verpflichtet sich die Intermediärin, potenzielle
Investoren zu suchen, die interessiert sind, mit dem jeweiligen
Kooperationspartner einen Vertrag über den Kauf von Wertschriften einzugehen.
Die Intermediärin verhandelt den jeweiligen Kaufvertrag mit den potenziellen
Investoren, wozu sie sich auf einen Mustervertrag stützen kann, den sie mit dem
Kooperationspartner ausgearbeitet hat. Finden die Intermediärin und der
jeweilige Investor einen Konsens, unterzeichnet der Investor einen
schriftlichen Kaufvertrag mit dem Kooperationspartner.

In der Folge schuldet der Kooperationspartner der Intermediärin eine Provision,
deren Höhe durch das Volumen des Kaufvertrags bestimmt wird. Der Investor
leistet seine Zahlung auf ein inländisches Treuhandkonto, wobei die
Intermediärin bei der Abwicklung der Zahlung (an sich selber [Provision] bzw.
an den Kooperationspartner [Restbetrag]) mitwirkt.

A.b. Die Intermediärin war zunächst bis zum 1. Oktober 2008 im Register der
steuerpflichtigen Personen (Mehrwertsteuerregister) eingetragen, worauf der
Eintrag von Amtes wegen gelöscht wurde. Am 18. Juni 2009 ersuchte die
Intermediärin um Wiedereintragung, was sie damit begründete, dass sie
steuerbare Leistungen im Zusammenhang mit der Zuführung von Kundschaft erziele.
Die ESTV entsprach dem Gesuch mit Schreiben vom 30. Juli 2013, allerdings
beschränkt auf den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2009.

B.

Am 19. Dezember 2013 stellte die Intermediärin den Antrag, sie sei auch ab dem
1. Januar 2010 (Inkrafttreten des neuen Mehrwertsteuerrechts) in das Register
einzutragen. Die ESTV wies das Gesuch am 22. Juni 2016 ab, indem sie anordnete,
die Intermediärin werde ab dem 1. Januar 2010 nicht mehr als steuerpflichtiges
Unternehmen im Register der Mehrwertsteuerpflichtigen erfasst.

Gegen die Verfügung vom 22. Juni 2016 erhob die Intermediärin am 18. August
2016 bei der ESTV Einsprache, wobei sie um Weiterleitung der Einsprache als
Sprungbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ersuchte; die ESTV kam diesem
Ersuchen nach. Das Bundesverwaltungsgericht hiess die Beschwerde der
Intermediärin mit Urteil A-5069/2016 vom 3. Oktober 2017 gut, hob die Verfügung
vom 22. Juni 2016 auf und verpflichtete die ESTV, die Intermediärin per 1.
Januar 2010 in das Mehrwertsteuerregister einzutragen.

C.

Am 3. November 2017 erhebt die ESTV beim Bundesgericht Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Verfügung vom 22. Juni 2016 zu bestätigen.

Das Bundesverwaltungsgericht verzichtet auf Vernehmlassung. Die Intermediärin
beantragt mit Beschwerdeantwort vom 3. Januar 2018 die Abweisung der
Beschwerde. Die ESTV hält mit Replik vom 1. Februar 2018 an ihren Anträgen
fest, ebenso die Intermediärin mit Duplik vom 8. März 2018.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten liegen vor (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. a, Art. 90,
Art. 100 Abs. 1 BGG). Die ESTV ist zur Ergreifung des Rechtsmittels legitimiert
(Art. 89 Abs. 2 lit. a BGG i.V.m. Art. 141 MWSTV [SR 641.201]). Auf die frist-
und formgerecht erhobene Beschwerde (Art. 100 Abs. 1, Art. 42 BGG) ist
einzutreten.

1.2. Das Bundesgericht prüft das Bundesrecht grundsätzlich von Amtes wegen
(Art. 106 Abs. 1 BGG; BGE 142 I 155 E. 4.4.5 S. 157) und mit uneingeschränkter
(voller) Kognition (Art. 95 lit. a BGG; BGE 141 V 234 E. 2 S. 236). Es legt
seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat
(Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 142 I 155 E. 4.4.3 S. 156).

2.

2.1. Umstritten ist vorliegend die Eintragung der Beschwerdegegnerin ins
Register der mehrwertsteuerpflichtigen Personen ab 1. Januar 2010 (Verfügung
vom 22. Juni 2016). Zur Anwendung gelangen damit das Mehrwertsteuergesetz vom
12. Juni 2009 (MWSTG; SR 621.20) und die Mehrwertsteuerverordnung vom 27.
November 2009 (MWSTV), welche am 1. Januar 2010 in Kraft getreten sind (Art.
116 Abs. 2 erster Satz MWSTG, Art. 167 Abs. 1 MWSTV). Massgeblich ist die im
Zeitpunkt der Wirkung der fraglichen Eintragung (1. Januar 2010) anwendbare
Fassung.

2.2. Gemäss Art. 10 Abs. 1 MWSTG (in der Fassung vom 12. Juni 2009 [AS 2009
5203 5207], in Kraft bis 31. Dezember 2017) ist steuerpflichtig, wer unabhängig
von Rechtsform, Zweck und Gewinnabsicht ein Unternehmen betreibt und nicht nach
Abs. 2 von der Steuerpflicht befreit ist. Ein Unternehmen betreibt, wer eine
auf die nachhaltige Erzielung von Einnahmen aus Leistungen ausgerichtete
berufliche oder gewerbliche Tätigkeit selbstständig ausübt (aArt. 10 Abs. 1
lit. a MWSTG) und unter eigenem Namen nach aussen auftritt (aArt. 10 Abs. 1
lit. b MWSTG). Von der Steuerpflicht nach aArt. 10 Abs. 1 MWSTG ist u.a.
befreit, wer im Inland innerhalb eines Jahres weniger als 100'000 Franken
Umsatz aus steuerbaren Leistungen erzielt, sofern er oder sie nicht auf die
Befreiung von der Steuerpflicht verzichtet (vgl. E. 2.2.2); der Umsatz bemisst
sich nach den vereinbarten Entgelten ohne die Steuer (aArt. 10 Abs. 2 MWSTG).

2.3. Besteht zwar ein Unternehmen im mehrwertsteuerlichen Sinn, erbringt dieses
aber ausschliesslich Leistungen, deren Leistungsort sich im Ausland befindet
(sog. Ausland/Ausland-Geschäfte), ist der Unternehmensträger von der
subjektiven Steuerpflicht im Inland befreit. Gemäss Art. 11 Abs. 1 MWSTG kann
er aber auf die Befreiung verzichten, wodurch er zum Steuersubjekt wird (BGE
142 II 488 E. 2.3.2 S. 493). Subjektiv steuerpflichtig kann jedoch auch in
diesem Falle nur sein, wer objektiv steuerbare Leistungen erbringt (BGE 141 II
199 E. 5.2 S. 204).

Erbringt eine Person ausschliesslich von der Steuer ausgenommene Leistungen,
für die nicht optiert werden kann, stellt dies keine unternehmerische Tätigkeit
im Sinne von Art. 10 MWSTG dar. In einem solchen Fall ist die betroffene Person
nicht subjektiv steuerpflichtig (vgl. Urteil 2C_1002/2014 vom 28. Mai 2015 E.
3.4). Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung im Sinne von Art. 11 Abs. 1 MWSTG
ist diesfalls ausgeschlossen.

2.4. Wer der subjektiven Mehrwertsteuerpflicht unterliegt, kann im Rahmen
seiner unternehmerischen Tätigkeit die in Art. 28 Abs. 1 lit. a-c MWSTG
genannten und wirtschaftlich tatsächlich getragenen (Art. 28 Abs. 4 [seit 1.
Januar 2018: Abs. 3] MWSTG) Vorsteuern abziehen. Ein Rechtsträger, der kein
Unternehmen betreibt, kann nach dem Gesagten nicht subjektiv
mehrwertsteuerpflichtig werden, weshalb es ihm verwehrt ist, den Vorsteuerabzug
zu tätigen (BGE 142 II 488 E. 2.3.3 S. 493).

3.

3.1. Von der Steuer ausgenommen sind u.a. die Umsätze (Kassa- und
Termingeschäfte), einschliesslich Vermittlung, von Wertpapieren, Wertrechten
und Derivaten sowie von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen;
steuerbar sind jedoch die Verwahrung und die Verwaltung von Wertpapieren,
Wertrechten und Derivaten sowie von Anteilen (namentlich Depotgeschäft)
einschliesslich Treuhandanlagen (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG). Für die
Versteuerung des Grundgeschäfts und der Vermittlung kann nicht optiert werden
(Art. 22 Abs. 2 lit. a MWSTG).

3.2. Die Parteien sind sich uneinig, ob die Tätigkeit der Beschwerdegegnerin
für ihre Kooperationspartner unter den Begriff der Vermittlung nach Art. 21
Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG fällt und damit von der Mehrwertsteuer ausgenommen
ist. Würde dies - der Auffassung der ESTV folgend - bejaht, wäre die subjektive
Steuerpflicht der Beschwerdegegnerin ab 1. Januar 2010 zu verneinen, da die
Erbringung von ausschliesslich steuerausgenommenen Dienstleistungen ohne
Möglichkeit der Option keine unternehmerische Tätigkeit im Sinn von aArt. 10
MWSTG darstellt (vgl. E. 2.3 hiervor). Entsprechend wäre der Beschwerdegegnerin
verwehrt, Vorsteuerabzüge zu tätigen (vgl. E. 2.4 hiervor).

3.3. Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG geht zurück auf die heute nicht mehr
in Kraft stehenden, in allen Sprachfassungen wortlautidentischen
Vorgängerbestimmungen von Art. 18 Ziff. 19 des Bundesgesetzes vom 2. September
1999 über die Mehrwertsteuer (aMWSTG; AS 2000 1300) bzw. Art. 14 Ziff. 15 lit.
e der Verordnung vom 22. Juni 1994 über die Mehrwertsteuer (aMWSTV; AS 1994
1464). Dass der Gesetzgeber mit dem neuen MWSTG hinsichtlich dieser
Steuerausnahme keine Änderung beabsichtigte, geht auch aus der Botschaft zur
Vereinfachung der Mehrwertsteuer vom 25. Juni 2008 hervor (BBl 2008 6885),
werden doch bei den Erläuterungen zu Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 MWSTG die
Finanzdienstleistungen nicht erwähnt.

3.4. Bis zum Inkrafttreten des MWSTG am 1. Januar 2010 legte die ESTV Art. 14
Ziff. 15 lit. e aMWSTV bzw. Art. 18 Ziff. 19 aMWSTG unter Rückgriff auf den in
Art. 11 Abs. 1 aMWSTG (deutsche Sprachfassung) bzw. Art. 10 Abs. 1 aMWSTV
(deutsche Sprachfassung) enthaltenen Begriff des "Vermittlers" so aus, dass
mehrwertsteuerlich betrachtet eine direkte Stellvertretung vorliegen musste,
damit von einer steuerausgenommenen Vermittlung von Umsätzen von Wertpapieren,
Wertrechten und Derivaten sowie von Anteilen an Gesellschaften und anderen
Vereinigungen ausgegangen werden konnte. Der Vermittler musste die Verträge
demnach ausdrücklich im Namen und für Rechnung von Dritten abschliessen, damit
seine Leistungen unter die Ausnahmebestimmungen von Art. 14 Ziff. 15 lit. e
aMWSTV bzw. Art. 18 Ziff. 19 aMWSTG fallen konnten (vgl. Nachtrag zur
Hauptbroschüre 610.507-3 Banken und Finanzgesellschaften betreffend
Praxisänderungen per 1.1.1997 und 1.7.1998, Kap. 6.1; Broschüre Nr. 14
Finanzbereich, herausgegeben im September 2000, Ziff. 5.12; Branchenbroschüre
Nr. 14 Finanzbereich, herausgegeben im September 2009, Ziff. 5.10.1).

Diese Praxis zur aMWSTV und zum aMWSTG wurde in der Lehre kritisch betrachtet.
Bemängelt wurde insbesondere, damit werde eine künstliche Differenz zwischen
mehrwertsteuerlichem und zivilrechtli-chem Vermittlerbegriff geschaffen (vgl.
beispielsweise ROBINSON/OBERHEID, in: Clavadetscher/Glauser/Schafroth [Hrsg.],
Kommentar zum Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer, 2000, N. 18 ff. zu Art. 18
Ziff. 19 aMWSTG sowie CAMENZIND/HONAUER/VALLENDER, Handbuch zum
Mehrwertsteuergesetz, 2. Aufl. 2003, S. 280). Trotz der Kritik aus der Lehre
hat das Bundesgericht die frühere Praxis der ESTV mehrmals geschützt (vgl.
Urteile 2C_686/2007 vom 19. Mai 2008 E. 2.3; 2C_979/2011 vom 12. Juni 2012 E.
4). Dabei stellte es neben der homogenen mehrwertsteuerlichen Auslegung des
"Vermittlungsbegriffs" die Überlegung in den Vordergrund, dass die
Ausnahmebestimmungen von Art. 14 aMWSTV (bzw. Art. 18 Ziff. 19 aMWSTG) eher
restriktiv auszulegen seien (vgl. Urteil 2C_686/2007 vom 19. Mai 2008 E. 2.3.4;
differenzierend zur Auslegungsmethodik im Mehrwertsteuerrecht BGE 138 II 251 E.
2.3.3 S. 255).

3.5. Nun geht es vorliegend nicht mehr um den Vermittlungsbegriff nach Art. 14
Ziff. 15 lit. e aMWSTV oder Art. 18 Ziff. 19 aMWSTG, sondern um jenen nach Art.
21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG. In Anknüpfung an die bisherige Praxis (vgl. E.
3.4 hiervor) erwog die Vorinstanz diesbezüglich, der Begriff der Vermittlung in
Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG (Vermittlung im Finanzbereich) beruhe
weiterhin auf dem Modell der direkten Stellvertretung nach Art. 20 Abs. 2 MWSTG
und setze deshalb - wie bisher - ein Handeln in fremdem Namen und auf fremde
Rechnung voraus.

Die Leistungen der Beschwerdegegnerin als Intermediärin ihrer
Kooperationspartner seien nicht in direkter Stellvertretung erbracht worden.
Die Kaufverträge kämen nämlich zwischen dem Kooperationspartner und dem
jeweiligen Investor zustande, sie selber sei als Intermediärin nicht
Vertragspartei. Ihre Aufgabe erschöpfe sich im Zuführen interessierter
Investoren und in administrativen Leistungen bei der Zahlungsabwicklung, was
eine Nebenleistung darstelle. Die Hauptleistung, das Zuführen von Kunden,
stelle eine steuerbare Dienstleistung dar. Die massgebenden (inländischen)
Umsätze im vierten Quartal 2008 und in den vier Quartalen des Jahres 2009
hätten die Umsatzgrenze von Fr. 100'000.-- zwar verfehlt, da vornehmlich
Dienstleistungen vorlägen, die im Ausland erbracht worden seien. Das Begehren
um Eintragung vom 19. Dezember 2013 sei aber als Verzicht auf die Befreiung von
der subjektiven Steuerpflicht zu qualifizieren. Folglich finde es im
Bundesrecht keine Stütze, dass die ESTV der Intermediärin die Eintragung ab dem
1. Januar 2010 verweigert habe.

3.6. Die ESTV stellt nicht in Frage, dass im Verhältnis zwischen der
Beschwerdegegnerin (der Intermediärin) und den Leistungsempfängern (den
Kooperationspartnern) im konkreten Fall nicht von einer direkten
Stellvertretung im Sinn von Art. 20 Abs. 2 MWSTG auszugehen ist. Sie verneint
indessen generell das Erfordernis der direkten Stellvertretung im Zusammenhang
mit der "Vermittlung" von Umsätzen nach Art. 21 Abs. 2 lit. a-e MWSTG. Ihrer
Ansicht nach greifen diese Steuerausnahmen weiter und erfassen auch Geschäfte,
die nicht durch direkte Stellvertretung zustandegekommen sind.
Vermögensverwalter, Broker und dergleichen, welche im Auftrag eines
Finanzinstituts handelten, würden im Regelfall schon aus regulatorischen
Gründen nicht über eine Vollmacht verfügen und daher nie in direkter
Stellvertretung handeln. Werde Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. a - e MWSTG
anknüpfend an das Modell der direkten Stellvertretung nach Art. 20 Abs. 2 MWSTG
ausgelegt, werde er seiner Substanz beraubt.

Zwar habe der Wortlaut von Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG im Vergleich zu
den Vorgängerbestimmungen von Art. 18 Ziff. 19 lit. e aMWSTG und Art. 14 Ziff.
15 lit. e aMWSTV nicht geändert. Im Gegensatz zum früheren Recht (Art. 11 Abs.
1 aMWSTG und Art. 10 Abs. 1 aMWSTV) werde der Begriff des Vermittlers in Art.
20 Abs. 2 MWSTG jedoch nicht mehr erwähnt. Soweit Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit.
a-e MWSTG weiterhin auf den Begriff zurückgreifen würden, sei dieser daher in
einer Änderung der Praxis autonom so auszulegen, dass in der Praxis ein echter
Anwendungsbereich für die Steuerausnahme verbleibe. Eine Praxisänderung
rechtfertige sich auch deshalb, weil damit eine Annäherung an die Praxis
betreffend Leistungen der Versicherungsvermittler erreicht würde; hier sei nie
verlangt worden, dass der Vermittler im Namen und auf Rechnung der Versicherung
handle. Durch den Verzicht auf das Erfordernis der direkten Stellvertretung
werde die schweizerische Praxis auch der Rechtsprechung des Gerichtshofs der
Europäischen Union (EuGH) angeglichen.

3.7. Die im vorliegenden Verfahren geäusserte Rechtsauffassung der ESTV deckt
sich mit der von ihr zu Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 MWSTG veröffentlichten
Verwaltungspraxis (Mehrwertsteuer-Branchen-Information Nr. 14 [nachfolgend: MBI
14], "Finanzbereich", Version 2.0). Diese Verwaltungspraxis hat in den
relevanten Passagen den folgenden Wortlaut:

5.10. Vermittlungstätigkeit

5.10.1 Definition Vermittlungsleistungen im Finanzbereich

Unter Vermittlung im Sinne von Artikel 21 Absatz 2 Ziffer 19 Buchstaben a - e
MWSTG versteht man die Tätigkeit einer in dieser Funktion auftretenden
Mittelsperson, die darin besteht, auf den Abschluss eines Vertrages im Bereich
des Geld- und Kapitalverkehrs zwischen zwei Parteien hinzuwirken, ohne selber
Partei des vermittelten Vertrages zu sein und ohne ein Eigeninteresse am Inhalt
des Vertrages zu haben. Die Vermittlung ist als eigenständige Mittlertätigkeit
auszuüben. Sie muss sich von den typischen vertraglichen Leistungen der
Parteien des vermittelten Vertrages unterscheiden und sich auf einzelne
Umsatzgeschäfte beziehen.

Inhaltlich kann die Vermittlung u.a. darin bestehen, einer Vertragspartei die
Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages nachzuweisen, mit der anderen
Vertragspartei Kontakt aufzunehmen oder im Namen und für Rechnung des Kunden
über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln. Ein
tatsächlicher Vertragsabschluss ist nicht vorausgesetzt. Der Vermittler bringt
also zwei Parteien zusammen und wirkt auf sie ein, damit sie einen Vertrag
abschliessen, wobei sein Beitrag von einer gewissen Adäquanz ist.[...]

5.10.2 Abgrenzungsfragen

a. Beratungsleistungen

[...]

b. Tätigkeit als Subunternehmer oder Hilfsperson (Geschäftsbesorgung)

[...]

c. Vermittlung einer Kundenbeziehung

Bezieht sich eine Vermittlung nicht auf ein einzelnes Umsatzgeschäft, resp. ist
sie losgelöst von den mit dem Kunden später getätigten Geschäften, so liegt
keine Vermittlung im Sinne von Artikel 21 Absatz 2 Ziffer 19 Buchstaben a - e
MWSTG vor. Ein solches Gewinnen oder Zuführen von Kunden stellt vielmehr eine
Dienstleistung im Bereich der Werbung oder des Überlassens von Informationen
dar. Entsprechende Entschädigungen - im englischen Sprachgebrauch auch finder's
fees genannt - sind ungeachtet dessen, wie solche Entschädigungen festgelegt
werden, steuerbar nach Art der jeweiligen Leistung.

[...]

Als finder's fees gelten beispielsweise Entschädigungen für das Überlassen von
gesammelten Kundendaten beziehungsweise -informationen (z.B. Adressenkartei);
den Verkauf eines Goodwills; die Partizipation an Kundenanlässen.

d. Steuerbare Leistungen im Zusammenhang mit einer Vermittlung

Eine Tätigkeit kann gleichzeitig sowohl eine von der Steuer ausgenommene
Vermittlungsleistung als auch steuerbare Leistungen, beispielsweise beratender
Art, beinhalten. Ist die steuerbare Leistung bloss nebensächlich zur
Vermittlung, ändert dies am Charakter einer von der Steuer ausgenommenen
Vermittlungstätigkeit nichts. Andernfalls ist zu prüfen, ob eine eigenständige
Mittlertätigkeit vorliegt.

5.10.3 Steuerliche Behandlung der Vermittlungsleistungen im Finanzbereich

Liegt eine Vermittlertätigkeit im obigen Sinne vor, ist für deren steuerliche
Behandlung gemäss Artikel 21 Absatz 2 Ziffer 19 Buchstaben a - e MWSTG nicht
entscheidend, wie das Entgelt - oftmals als Retrozession oder Kickback-Zahlung
bezeichnet - festgelegt wird (z.B. Fixbetrag pro Vertragsabschluss oder
Prozent- oder Promillesatz des wertmässigen Umfangs eines Vertragsabschlusses
oder Weitergabe der aus einem Vertragsabschluss in der Folge fliessender
Kommissions- oder Zinseinnahmen). Massgebend ist vielmehr, ob das vermittelte
Grundgeschäft dem steuerbaren oder dem von der Steuer ausgenommenen Bereich
zuzuordnen ist.

[...]

3.8. Diese Praxisfestlegung ist von der Vorinstanz aufgrund der dargelegten
Argumentation als gesetzeswidrig qualifiziert worden (vgl. E. 3.5 hiervor). Die
Beschwerdegegnerin schliesst sich im Wesentlichen der Argumentation der
Vorinstanz an. Es gehe nicht an, den Vermittlungsbegriff über die bisher mit
Art. 14 Ziff. 15 lit. e aMWSTV und Art. 18 Ziff. 19 lit. e aMWSTG erfassten
Fällen direkter Stellvertretung hinausgehend auszuweiten und ein blosses
Hinwirken auf den Abschluss eines Vertrages genügen zu lassen. Sie weist
insbesondere darauf hin, dass der neugefasste Art. 20 Abs. 2 MWSTG keine
Änderung in der Gesetzessystematik herbeigeführt habe. Gegenüber dem alten
Recht sei einzig der Nachweis für das Vorliegen eines
Stellvertretungsverhältnisses erleichtert worden. Auch Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19
lit. e MWSTG habe keine Änderung erfahren. Der Gesetzgeber habe folglich mit
dem neuen MWSTG keine Änderung der Rechtslage beabsichtigt. Eine allfällige
Anpassung des Vermittlungsbegriffs falle in die Zuständigkeit des Gesetzgebers;
die ESTV dürfe dieses Resultat nicht auf dem Wege einer Praxisänderung
herbeiführen.

4.

Im Zentrum des vorliegenden Streits steht die Rechtsfrage, wie der Begriff
"Vermittlung" gemäss Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. a-e MWSTG zu verstehen ist
bzw. ob der Schluss der Vorinstanz, eine Vermittlung im Sinn dieser Bestimmung
(en) liege nur vor, wenn der Vermittler als direkter Stellvertreter des
Leistungserbringers im Sinn von Art. 20 Abs. 2 MWSTG handle,
bundesrechtskonform ist.

4.1. Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der massgeblichen Norm.
Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so
muss nach der wahren Tragweite der Bestimmung gesucht werden, wobei alle
Auslegungselemente zu berücksichtigen sind (Methodenpluralismus). Dabei kommt
es namentlich auf den Zweck der Regelung, die dem Text zugrunde liegenden
Wertungen sowie auf den Sinnzusammenhang an, in dem die Norm steht. Die
Entstehungsgeschichte ist zwar nicht unmittelbar entscheidend, dient aber als
Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Namentlich zur Auslegung neuerer
Texte, die noch auf wenig veränderte Umstände und ein kaum gewandeltes
Rechtsverständnis treffen, kommt den Materialien eine besondere Bedeutung zu.
Vom Wortlaut darf abgewichen werden, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass
er nicht den wahren Sinn der Regelung wiedergibt. Sind mehrere Auslegungen
möglich, ist jene zu wählen, die der Verfassung am besten entspricht.
Allerdings findet auch eine verfassungskonforme Auslegung ihre Grenzen im
klaren Wortlaut und Sinn einer Gesetzesbestimmung (BGE 144 V 333 E. 10.1 S.
344; 143 II 685 E. 4 S. 689 f.; 142 V 442 E. 5.1 S. 445).

4.2. "Vermitteln" bedeutet laut Duden etwas "zustande bringen" bzw.
"herbeiführen". Der Vermittler soll dafür sorgen, "dass jemand, der eine Stelle
o.Ä. sucht, mit jemandem in Verbindung gebracht wird, der eine solche zu
vergeben hat" (vgl. Duden Online, "vermitteln", abrufbar unter <https://
www.duden.de/rechtschreibung/vermitteln> [besucht am 1. April 2019]). Der
Vermittler führt also - beispielsweise mit Blick auf den Abschluss eines
Vertrages - verschiedene Personen zueinander, handelt jedoch nicht
stellvertretend für diese Personen; in diesem Sinne zu verstehen sind
beispielsweise die Funktionen des "Spielervermittlers", des
"Friedensvermittlers" oder des "Stellenvermittlers". Insofern lässt sich der
Begriff des "Vermittlers" abgrenzen vom Begriff des "Bevollmächtigten", welcher
in direkter oder indirekter Stellvertretung seines Auftraggebers Verträge
abschliesst (beispielsweise der "Alleinvertreter", der "Kommissionär" u.ä.).

Gleich wie im alltäglichen Sprachgebrauch kommt der Vermittlungsbegriff auch im
Obligationenrecht zur Anwendung, namentlich im Mäklervertragsrecht (Art. 412
ff. OR) sowie im Agenturvertragsrecht (Art. 418a ff. OR). Der
Vermittlungsmäkler kennzeichnet sich dadurch, dass er "den Abschluss eines
Vertrags vermittelt" (Art. 412 Abs. 1 OR). Vermittlungsagent ist, "wer die
Verpflichtung übernimmt, dauernd für einen oder mehrere Auftraggeber Geschäfte
zu vermitteln" (Art. 418a Abs. 1 OR). Beider Tätigkeit ist auf eine "blosse
[...] Tathandlung" gerichtet, nicht aber zusätzlich auf die Rechtshandlung des
Vertragsabschlusses (vgl. für den Maklervertrag im Allgemeinen BGE 83 II 151 E.
4b S. 153 sowie CATERINA AMMANN, in: BSK OR, 6. Aufl. 2015, N. 1 zu Art. 412
OR; in Bezug auf den Vermittlungsagenten vgl. THEO GUHL, Das Schweizerische
Obligationenrecht, 9. Aufl. 2000, S. 576 N. 43 [Bearbeitung von Anton K.
Schnyder]). Die Beschränkung des "Vermittlers" auf blosses Tathandeln lässt
sich anhand der Abgrenzung des "Vermittlungsagenten" (frz. "agent négociateur")
vom "Abschlussagenten" (frz. "agent stipulateur") veranschaulichen: Während der
Abschlussagent in direkter Stellvertretung Verträge für seinen Auftraggeber
abschliessen darf, ist dies für den Vermittlungsagenten ausgeschlossen (TERCIER
/BIERI/CARRON, Les contrats spéciaux, 5. Aufl. 2016, S. 739 N. 5050 f.). Der
"Vermittlungsagent" ist also definitionsgemäss gerade nicht direkter
Stellvertreter (SUZANNE WETTENSCHWILER, in: BSK OR, 6. Aufl. 2015, N. 6 zu Art.
418a OR). Gleiches gilt für den Vermittlungsmäkler (GUHL, a.a.O. S. 567 Rn.
11).

4.3. Die vormalige Praxis zu Art. 14 Ziff. 15 lit. e aMWSTV und Art. 18 Ziff.
19 lit. e aMWSTG (vgl. E. 3.4 hiervor) divergierte von diesem eben dargelegten
Vermittlungsbegriff und verlangte ein Handeln in direkter Stellvertretung, also
im Namen und für Rechnung des jeweiligen Auftraggebers. Zurückzuführen ist
diese Differenz auf die Bestimmungen des aMWSTG und der aMWSTV zur Behandlung
von Stellvertretungsverhältnissen unter dem Gesichtspunkt des
Mehrwertsteuerrechts (vgl. E. 3.4 hiervor). Die deutschsprachigen Fassungen von
Art. 11 Abs. 1 aMWSTG bzw. Art. 10 Abs. 1 aMWSTV hatten nämlich noch auf den
Begriff des "Vermittlers" Bezug genommen und so einen Anknüpfungspunkt
geliefert für eine "mehrwertsteuerlich homogene" Auslegung des
Vermittlungsbegriffs auch in Art. 18 Ziff. 19 lit. e aMWSTG und Art. 14 Ziff.
15 lit. e aMWSTV. In der heute in Kraft stehenden Nachfolgebestimmung von Art.
20 MWSTG findet sich der Vermittlerbegriff nicht mehr. Dennoch postuliert die
Vorinstanz eine Kontinuität des mehrwertsteuerlichen Vermittlungsbegriffs und
begründet dies im Wesentlichen damit, dass Art. 20 Abs. 2 MWSTG nach dem Willen
des Gesetzgebers trotz seiner Neuformulierung die Zuordnung der Leistung beim
Vertretenen auch weiterhin nur bei direkter Stellvertretung zulasse (vgl.
angefochtener Entscheid, E. 3.2.5). Weil sich materiell weder am Gehalt von
Art. 20 Abs. 2 MWSTG noch an jenem von Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG
etwas geändert habe, müsse auch der Begriff der Vermittlung so ausgelegt
werden, wie bisher.

Diese These gilt es nachfolgend zu überprüfen. Zunächst ist die Frage
aufzuwerfen, ob die vorinstanzliche Annahme zutrifft, dass Art. 20 Abs. 2 MWSTG
- soweit hier interessierend - inhaltlich mit dem bisherigen Recht
übereinstimmt (vgl. dazu E. 4.4 hiernach).

4.4. Art. 20 MWSTG trägt den Randtitel "Zuordnung von Leistungen" und hat in
den vorliegend relevanten Passagen den folgenden Wortlaut:

1 Eine Leistung gilt als von derjenigen Person erbracht, die nach aussen als
Leistungserbringerin auftritt.

^2 Handelt eine Person im Namen und für Rechnung einer anderen Person, so gilt
die Leistung als durch die vertretene Person getätigt, wenn die Vertreterin:

a. nachweisen kann, dass sie als Stellvertreterin handelt und die vertretene
Person eindeutig identifizieren kann; und

b. das Bestehen eines Stellvertretungsverhältnisses dem Leistungsempfänger oder
der Leistungsempfängerin ausdrücklich bekannt gibt oder sich dieses aus den
Umständen ergibt.

3 [...]

4.4.1. Art. 11 aMWSTG als Vorgängerbestimmung von Art. 20 MWSTG trug den
Randtitel "Lieferung und Dienstleistung bei Stellvertretung". Systematisch
befindet sich Art. 20 MWSTG im Wesentlichen an gleicher Stelle wie seinerzeit
Art. 11 aMWSTG: Beide Bestimmungen sind im Titel "Steuer auf dem Umsatz im
Inland" (aMWSTG) bzw. "Inlandsteuer" (MWSTG) im jeweiligen Kapitel
"Steuerobjekt" angesiedelt, wobei der Abschnitt "Steuerbare Umsätze" des aMWSTG
im MWSTG entfallen ist. Ein allfälliger Unterschied zum alten Recht ist somit
nicht in der Systematik, sondern im Wortlaut bzw. im Sinn und Zweck der Norm
(en) selbst zu suchen.

4.4.2. Soweit hier interessierend, hatte Art. 11 aMWSTG - gleich wie vormals
Art. 10 aMWSTV - den folgenden Wortlaut:

1 Wer Lieferungen oder Dienstleistungen ausdrücklich im Namen und für Rechnung
des Vertretenen tätigt, so dass das Umsatzgeschäft direkt zwischen dem
Vertretenen und Dritten zustande kommt, gilt bloss als Vermittler.

2 Handelt bei einer Lieferung oder Dienstleistung der Vertreter zwar für fremde
Rechnung, tritt er aber nicht ausdrücklich im Namen des Vertretenen auf, so
liegt sowohl zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter als auch zwischen dem
Vertreter und dem Dritten eine Lieferung oder Dienstleistung vor.

3 [...]

4 Bei Lieferungen von Gegenständen im Rahmen von Auktionen im Kunst- und
Antiquitätenhandel gilt der Nachweis der blossen Vermittlung als erbracht, wenn
der Auktionator:

a. vor Beginn der Auktion einen schriftlichen Auftrag erhält, die betreffenden
Gegenstände im Namen und für Rechnung eines Dritten zu veräussern; und

b. gegenüber den Kaufinteressenten schriftlich bekanntgibt, dass er die
betreffenden Gegenstände in fremdem Namen und für fremde Rechnung anbietet.

4.4.3. Gemäss der Botschaft zur Vereinfachung der Mehrwertsteuer vom 25. Juni
2008 (BBl 2008 6885) sollte im Zusammenhang mit Art. 20 MWSTG mit dem neuen
Randtitel "Zuordnung von Leistungen" "klar zum Ausdruck gebracht werden, dass
es hier nicht um die zivilrechtliche Frage der Stellvertretung geht, sondern um
die mehrwertsteuerrelevante Frage, wem eine Leistung zuzuordnen ist. [...] Eine
Vertretung im mehrwertsteuerlichen Sinn kann nur dann vorliegen, wenn die
vertretende Person nach aussen nicht als Leistungserbringerin auftritt" (BBl
2008 6962).

Die Regelung von Art. 20 Abs. 1 MWSTG widerspiegelt diesen - im alten Recht
ausdrücklich (Art. 11 Abs. 2 aMWSTG bzw. Art. 10 Abs. 2 aMWSTV) verankerten -
Grundsatz: Wenn jemand in eigenem Namen eine Leistung erbracht hat, wird diese
Leistung ihm für die Zwecke der Mehrwertsteuer selbst dann zugerechnet, wenn er
auf fremde Rechnung gehandelt hat (sog. indirekte Stellvertretung; vgl. auch
BBl 2008 6962).

4.4.4. Hinsichtlich Art. 20 Abs. 2 MWSTG heisst es in der Botschaft, die
Neuformulierung lehne sich eng an Art. 32 OR an; die neue Regelung erlaube der
vertretenden Person (direkte oder sog. transparente Stellvertreterin), dem
Leistungsempfänger den Namen der vertretenen Person nicht bekannt zu geben (BBl
2008 6962; vgl. mit einem Reformvorschlag in diesem Sinne schon PETER SPORI,
Bericht in Sachen Mehrwertsteuerreform vom 12. Mai 2006, abrufbar unter <https:
//www. efd.admin.ch/efd/de/home/dokumentation/nsb-news_list.msg-id-5120. html>
[besucht am 27. März 2019], S. 32).

In der Tat entspricht Art. 20 Abs. 2 lit. b MWSTG Art. 32 Abs. 2 zweitletzter
Halbsatz OR ("wenn der andere aus den Umständen auf das Vertretungsverhältnis
schliessen musste"). Bezogen auf das Mehrwertsteuerrecht bedeutet dies, dass
die Leistung dem Leistungserbringer, der sich vertreten lässt, unter Umständen
neu auch dann zugerechnet wird, wenn der Leistungsempfänger dessen Namen nicht
kennt; sofern der Stellvertreter die Vertretung nachweist und (gegenüber der
ESTV) die vertretene Person (d.h. den Leistungserbringer) identifizieren kann,
ist es ausreichend, wenn der Leistungsempfänger das Stellvertretungsverhältnis
erkennen kann (vgl. zu den Folgen der direkten Stellvertretung im
Mehrwertsteuerverhältnis BAUMGARTNER/ CLAVADETSCHER/KOCHER, Vom alten zum neuen
Mehrwertsteuergesetz, 2010, § 4 N. 48 f.).

Im alten Recht war dies - im Sinn einer Ausnahme vom Grundsatz von Art. 11 Abs.
2 aMWSTG - nur im Rahmen von Auktionen im Kunst- und Antiquitätenhandel
zugelassen (vgl. Art. 11 Abs. 4 aMWSTG und vormals Art. 10 Abs. 4 aMWSTV).
Materiell beschränkt sich die Neuerung von Art. 20 Abs. 2 MWSTG also darauf,
den Nachweis des direkten Vertretungsverhältnisses - über Auktionen im Kunst-
und Antiquitätenhandel hinausgehend - generell zu erleichtern (vgl. für eine
detaillierte Analyse RALF IMSTEPF, Die Zuordnung von Leistungen gemäss Art. 20
des neuen MWSTG, ASA 78, S. 757 ff., S. 773 ff.). Weitergehende materielle
Neuerungen, die auf die Auslegung auch von Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG
durchschlagen würden, enthält Art. 20 MWSTG jedoch nicht.

4.5. Aufgrund der bisherigen Ausführungen steht fest, dass sich am Gehalt von
Art. 20 Abs. 2 MWSTG - jedenfalls mit Blick auf die hier zu beantwortende Frage
der Auslegung des Vermittlungsbegriffs in Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG
- im Vergleich zu den mehrwertsteuerlichen Stellvertretungsregeln des alten
Rechts (Art. 11 Abs. 1 aMWSTG bzw. Art. 10 Abs. 1 aMWSTV) materiell nichts
Wesentliches geändert hat. Damit ist jedoch nicht beantwortet, ob trotz des
Wegfalls des Vermittlungsbegriffs in Art. 20 Abs. 2 MWSTG für die Zwecke der
Auslegung des Vermittlungsbegriffs in Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG auch
weiterhin auf Art. 20 Abs. 2 MWSTG zurückzugreifen ist, und deshalb am
bisherigen - vom allgemeinen Sprachgebrauch und der zivilrechtlichen
Terminologie abweichenden - Begriffsverständnis der "Vermittlung" (vgl. E. 4.2
und 4.3 hiervor) festzuhalten ist. Weil sich allein aufgrund des Wortlauts der
Bestimmung von Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG die genaue Bedeutung des
Vermittlungsbegriffs nicht klären lässt, ist für die Beantwortung dieser Frage
insbesondere auf systematische und gesetzgebungshistorische Überlegungen
zurückzugreifen (vgl. zu den Auslegungselementen E. 4.1 hiervor).

4.5.1. Entgegen den Darlegungen der Beschwerdeführerin ist für die Auslegung
des Vermittlungsbegriffs irrelevant, dass der Gesetzgeber der hier in Frage
stehenden Steuerausnahme unter anderem den Zweck zugedacht hat, eine doppelte
Steuerbelastung zu vermeiden, nachdem die Umsätze aus Finanztransaktionen - wie
auch diejenigen aus Versicherungsleistungen - teilweise bereits der
Umsatzabgabe unterliegen (Art. 13 ff. des Bundesgesetzes über die
Stempelabgaben [StG; SR 641.10]; vgl. Urteile 2C_833/2016 vom 20. Februar 2019
E. 3.3.1; 2C_202/2011 vom 24. Oktober 2011 E. 3.3; 2C_612/2007 vom 7. April
2008 E. 6.2; Parlamentarische Initiative Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer
[Dettling], Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats
vom 28. August 1996, BBl 1996 V 750).

Gegenstand der Abgabe ist die Übertragung von Gesellschaftsanteilen und
weiteren Wertpapieren (Art. 13 Abs. 1 und 2 StG); die Leistung des Vermittlers,
der den Vertragsparteien beispielsweise Gelegenheit zum Geschäftsabschluss
nachgewiesen hat (Art. 17 Abs. 3 lit. b StG), wird stempelabgaberechtlich nicht
besteuert. Inwiefern der Zweckgedanke des Gesetzgebers, eine doppelte
Steuerbelastung zu vermeiden, auch für die Vermittlungsleistung zum Tragen
kommen soll, ist nicht ersichtlich.

4.5.2. Systematische Überlegungen sprechen jedoch für die Auffassung der ESTV,
den Vermittlungsbegriff auszuweiten. Art. 11 aMWSTG betraf gleich wie Art. 20
Abs. 1 und 2 MWSTG die Frage, wem die Leistung im Dreiparteienverhältnis
zuzuordnen ist. Die Wendung "gilt bloss als Vermittler" in Art. 11 Abs. 1
aMWSTG war als Rechtsfolge bei direkter Stellvertretung ausgestaltet und
besagte, dass der Vertreter in diesem Fall nicht als Leistungserbringer
behandelt wurde (keine Zuordnung der Leistung beim direkten Stellvertreter).
Bei indirekter Stellvertretung trat diese Rechtsfolge nicht ein (vgl. Art. 11
Abs. 2 aMWSTG), sondern die Leistung wurde dem Vertreter zugeordnet (vgl. E.
4.4.3 hiervor). Der Begriff "Vermittler" bedeutete im Kontext von Art. 11
aMWSTG somit "direkter Stellvertreter", jedoch nicht im Sinn einer
Legaldefinition, sondern im Sinn, dass bei direkter Stellvertretung die
Leistung nicht dem Beauftragten zugeordnet werden sollte; diese Rechtsfolge
wurde mit der Wendung "gilt bloss als Vermittler" umschrieben.

Weil der Vermittlerbegriff in Art. 11 Abs. 1 aMWSTG nicht als Legaldefinition
angesehen werden kann, war schon unter altem Recht nicht zwingend, dass sich
die Auslegung des Begriffs "Vermittlung" gemäss Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. a
- e MWSTG nach den Regeln über die Zuordnung der Leistung richten sollte
(anders noch Urteil 2C_686/2007 vom 19. Mai 2008 E. 2.3.4). In der
französischen Fassung des aMWSTG fehlte es denn auch an der Parallelität von
Art. 11 Abs. 1 aMWSTG und Art. 18 Ziff. 19 lit. e aMWSTG, indem einerseits vom
"intermédiaire" die Rede war (Art. 11 Abs. 1 aMWSTG), anderseits aber von
"négociation" (Art. 18 Ziff. 19 lit. e aMWSTG). Hinzu kommt, dass die Frage,
welche Leistungen von der Steuer ausgenommen sind, einen anderen Hintergrund
hat, als die Frage, wem die Leistung im Dreiparteienverhältnis zuzuordnen ist.
Dies kommt auch in Art. 21Abs. 3 MWSTG zum Ausdruck, wonach sich das Vorliegen
einer Steuerausnahme im Sinne von Art. 21 Abs. 2 MWSTG nach dem Gehalt der in
Frage stehenden Leistung bestimmt, hingegen im Grundsatz unerheblich ist, wer
die Leistung erbringt oder empfängt. Auch Art. 21 Abs. 3 MWSTG spricht also
dafür, den Begriff der "Vermittlung" gemäss Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. a - e
MWSTG losgelöst von Art. 20 MWSTG auszulegen. Dies rechtfertigt sich umso mehr,
als der Vermittlungsbegriff im heutigen Art. 20 Abs. 2 MWSTG nicht mehr
aufscheint (in diesem Sinne auch CAN/PATT/NIETLISPACH, in: BSK MWSTG, 2015, N.
221 zu Art. 21 MWSTG, FELIX GEIGER, in: OFK MWSTG, 2012, N. 24 zu Art. 20 MWSTG
sowie SCHLUCKEBIER/CLAVADETSCHER, in: OFK MWSTG, 2012, N. 114 zu Art. 21
MWSTG).

Entgegen den Darlegungen der Beschwerdegegnerin steht Art. 23 Abs. 2 Ziff. 9
MWSTG einer solchen Auffassung nicht entgegen. Die Bestimmung weist keinen
hinreichenden Zusammenhang zu Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. a - e MWSTG auf.
Unter Bezugnahme auf die Steuerausnahmen von Art. 23 Abs. 2 MWSTG hält die
Bestimmung fest, dass derjenige, der eine nach diesem Artikel steuerbefreite
Leistung in direkter Stellvertretung für einen anderen erbringt, für diese
Leistung ebenfalls nicht steuerpflichtig ist. Dies ergibt sich aber schon aus
Art. 20 Abs. 2 MWSTG, der nach den obigen Ausführungen aber für die hier in
Frage stehende Frage gerade nicht massgeblich ist. Hinzu kommt, dass man den
Wortlaut der Bestimmung von Art. 23 Abs. 2 Ziff. 9 MWSTG entgegen der
Auffassung der Beschwerdegegnerin derart auslegen könnte, dass es neben den
ausdrücklich in fremdem Namen und für fremde Rechnung handelnden Vermittlern
noch andere Vermittler geben muss (in diese Richtung auch REGINE SCHLUCKEBIER,
in: OFK MWSTG, 2012, N. 125 zu Art. 23 MWSTG).

4.5.3. Auch das historische Auslegungselement spricht für eine Ausweitung des
Vermittlungsbegriffs im Sinne der oben (vgl. E. 3.7 hiervor) dargelegten neuen
Praxis der ESTV.

4.5.3.1. Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG wurde - wie bereits dargelegt
(vgl. E. 3.3 hiervor) unverändert aus dem aMWSTG (dort Art. 18 Ziff. 19 lit. e)
übernommen. Deshalb ist zu berücksichtigen, dass der historische Gesetzgeber
sich bei der Formulierung der Steuerausnahme für Umsätze im Bereich des Geld-
und Kapitalverkehrs ausdrücklich an die Regelungen der Mitgliedstaaten der
Europäischen Union (EU) angelehnt hat (vgl. Parlamentarische Initiative
Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer [Dettling], Bericht der Kommission für
Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats vom 28. August 1996, BBl 1996 V 750).

4.5.3.2. Massgebend für das Umsatzsteuerrecht der EU-Mitgliedstaaten war zum
Zeitpunkt der Gesetzgebungsarbeiten am aMWSTG namentlich die Sechste Richtlinie
77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften
der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (ABl. L 145 vom 13.6.1977, S. 1-40
[nachfolgend 'Sechste Richtlinie']), welche in Art. 13 Teil B lit. d Ziff. 5
die folgende Steuerausnahme vorsah:

Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten
[...] von der Steuer: die Umsätze - einschliesslich der Vermittlung, jedoch mit
Ausnahme der Verwahrung und der Verwaltung - die sich auf Aktien, Anteile an
Gesellschaften und Vereinigungen, Schuldverschreibungen oder sonstige
Wertpapiere beziehen, mit Ausnahme von Rechten oder Wertpapieren im Sinne von
Art. 5 Abs. 3.

4.5.3.3. Die Parallelen der Strukturierung und Formulierung von Art. 18 Ziff.
19 lit. e aMWSTG sind offenkundig und widerspiegeln sich auch in den
französischen Sprachfassungen von Art. 13 Teil B lit. d Ziff. 5 der Sechsten
Richtlinie bzw. Art. 18 Ziff. 19 lit. e aMWSTG. Vor diesem Hintergrund bildet
die Auslegung von Art. 13 Teil B lit. d Ziff. 5 der Sechsten Richtlinie (bzw.
heute von Art. 135 Abs. 1 lit. f der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.
November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem [ABl. L 347 vom
11.12.2006, S. 1-118]) durch den EuGH für die Auslegung von Art. 18 Ziff. 19
lit. e MWSTG eine nicht zu vernachlässigende Erkenntnisquelle (BGE 124 II 193
E. 6a S. 203).

4.5.3.4. Das Unionsrecht kennt keine Art. 20 MWSTG entsprechende Norm zur
Zuordnung von Leistungen (vgl. IMSTEPF, a.a.O., S. 778, m.w.H.). Entsprechend
besteht keine Handhabe für eine Auslegung des Vermittlungsbegriffs nach Art. 13
Teil B lit. d Ziff. 5 der Sechsten Richtlinie anknüpfend an irgendwelche Regeln
zur Leistungszuordnung.

Der EuGH folgt denn auch einem anderen Begriffsverständnis, als er der früheren
schweizerischen Praxis (vgl. E. 3.4 hiervor) eigen war. Der Begriff der
Vermittlung bezieht sich nach der Auffassung des EuGH "auf eine Tätigkeit
[...], die von einer Mittelsperson ausgeübt wird, die nicht die Stellung einer
Partei eines Vertrags über ein Finanzprodukt hat und deren Tätigkeit sich von
den typischen vertraglichen Leistungen unterscheidet, die von den Parteien
solcher Verträge erbracht werden. Die Vermittlungstätigkeit ist nämlich eine
Dienstleistung, die einer Vertragspartei erbracht und von dieser als
eigenständige Mittlertätigkeit vergütet wird. Sie kann u.a. darin bestehen, der
Vertragspartei die Gelegenheit zum Abschluss eines solchen Vertrags
aufzuzeigen, mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder im Namen und für
Rechnung des Kunden über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu
verhandeln. Zweck dieser Tätigkeit ist es also, das Erforderliche zu tun, damit
zwei Parteien einen Vertrag schliessen, ohne dass der Vermittler ein
Eigeninteresse am Inhalt des Vertrags hat" (vgl. Urteile des EuGH vom 13.
Dezember 2001 C-235/00 CSC Financial Services, Slg. 2001 I10237, Rn. 39 bzw.
vom 5. Juli 2012 C-259/11 DTZ Zadelhoff vof, Slg. 2012 I-00000, Rn. 27; vgl.
für eine engere Auslegung OSKAR HENKOW, Financial Activities in European VAT,
2008, S. 130 f.).

4.5.3.5. Nach der Rechtsprechung des EuGH erfasst der Vermittlungsbegriff also
Tätigkeiten einer Mittelsperson, die nicht Partei des der Finanzdienstleistung
zugrunde liegenden Vertrages ist, und deren Tätigkeit sich von den durch die
Vertragsparteien zu erbringenden Leistungen unterscheidet. Die
Vermittlungstätigkeit wird einer Vertragspartei erbracht und von dieser als
eigenständige Mittlertätigkeit vergütet. In der Regel handelt es sich bei der
Tätigkeit des Vermittlers um Tathandeln (vgl. die oben [E. 4.5.2.3] dargelegte
Aufzählung des EuGH: Nachweis von Gelegenheiten zum Vertragsabschluss,
Kontaktaufnahme mit einer anderen potenziellen Vertragspartei, Verhandlung über
die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen der Vertragsparteien). Eine
Vollmacht ist für solches Tathandeln entbehrlich und kann für die Qualifikation
einer Leistung als Vermittlung insofern auch nicht von Belang sein. Das
deutsche Umsatzssteuerrecht folgt diesem Vermittlungsbegriff des EuGH
(FERDINAND HUSCHENS, in: Pflückebaum/Malitzky [Hrsg.], Kommentar zum
Umsatzsteuergesetz [UStG], N. 154 zu § 4 UStG [mit Verweis auf N. 42 zu § 4
UStG]; HANS-HERMANN HEIDNER, in: Bunjes/Geist, Kommentar zum UStG, 17. Aufl.
2018, N. 38 zu § 4 Nr. 8 UStG) Das Vereinigte Königreich (vgl. VAT Notice 701/
49 (Finance), Ziff. 9.1, abrufbar unter <https://www. gov.uk/government/
publications/vat-notice-70149-finance/vat-notice-70149-finance#section-9>
[besucht am 28. März 2019]) und Frankreich (vgl. Arrêt du Conseil d'Etat No.
307508 vom 27. September 2010, erster Absatz der Begründung., abrufbar unter
<https://www.legifrance. gouv.fr/affichJuriAdmin.do? idTexte=
CETATEXT000022825769Y> [besucht am 28. März 2019]) verfolgen eine vergleichbare
Praxis.

4.5.3.6. Die neue Praxis der ESTV (vgl. dazu oben, E. 3.7) lehnt sich eng an
die Auslegung des Vermittlungsbegriffs durch den EuGH an (vgl. HONAUER/PATT,
Vermittlungsleistungen im Finanzbereich, Änderungen im zweiten Entwurf der
MWST-Branchen-Info 14 Finanzbereich, Der Schweizer Treuhänder 3/2012, S. 180
ff., S. 180), welche aufgrund der obigen Darlegungen von verschiedenen
europäischen Ländern übernommen worden ist. Nicht nur aufgrund des historischen
Willens des Gesetzgebers (vgl. E. 4.5.3.1 hiervor), sondern auch aus Gründen
der Wettbewerbsneutralität erscheint das Vorgehen der ESTV, die Steuerausnahme
der Vermittlung im Finanzbereich weiter auszulegen, als bisher, deshalb als
sachlich gerechtfertigt (CAN/PATT/NIETLISPACH, in: BSK MWSTG, 2015, N. 222 zu
Art. 21 MWSTG).

4.5.4. Vor dem dargelegten Hintergrund kann zwar allein aus dem Wortlaut von
Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG noch nicht auf den Gehalt des
Vermittlungsbegriffs geschlossen werden. Systematische und historische
Überlegungen stützen jedoch die Ansicht der ESTV, dass das Vorliegen einer
steuerausgenommenen Vermittlung - über die bisherige Praxis hinausgehend -
nicht vom Vorliegen einer mehrwertsteuerlichen direkten Stellvertretung
abhängig gemacht werden kann. Soweit die Vorinstanz solches annimmt, verletzt
sie Bundesrecht.

Vermittlung im Sinne von Artikel 21 Absatz 2 Ziffer 19 Buchstaben a - e MWSTG
liegt demnach entgegen dem angefochtenen Urteil vor, wenn eine Person kausal
auf den Abschluss eines Vertrages im Bereich des Geld- und Kapitalverkehrs
zwischen zwei Parteien hinwirkt, ohne selber Partei des vermittelten Vertrages
zu sein und ohne ein Eigeninteresse am Inhalt des Vertrages zu haben.

Zu unterscheiden ist die Vermittlungsleistung vom blossen Zuführen von Kunden,
das sich nicht auf einen konkreten Vertrag richtet, sondern eine Vielzahl noch
nicht konkretisierter potenzieller zukünftiger Verträge im Auge hat. Das
Zuführen von Kunden stellt eine Dienstleistung im Bereich der Werbung oder der
Informationsbeschaffung dar. Das Entgelt für diese Tätigkeit wird als "finder's
fee" bezeichnet; es ist - unabhängig von der Ausgestaltung durch die Parteien -
nicht von der Mehrwertsteuer ausgenommen (Urteile 2C_979/2011 vom 12. Juni 2012
E. 4, in: RDAF 2012 II 472; 2C_612/2007 vom 7. April 2008 E. 6.3).

4.5.5. Aufgrund des im Vergleich zum alten Recht unveränderten Wortlauts von
Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG (vgl. E. 3.3 hiervor) stellt die eben
dargelegte Auslegung des Vermittlungsbegriffs eine Praxisänderung dar. Eine
solche Praxisänderung lässt sich unter anderem damit begründen, dass die neue
Lösung besserer Erkenntnis der ratio legis entspricht (BGE 135 I 79 E. 3 S. 82;
132 III 770 E. 4 S. 777). Dies ist - wie eben aufgezeigt (E. 4.5.4) -
vorliegend der Fall. Nachdem die Praxisänderung der ESTV in enger Absprache mit
den betroffenen Kreisen erfolgt ist (vgl. Tätigkeitsbericht der Schweizerischen
Bankiervereinigung 2011/2012, abrufbar unter <https://www. swissbanking.org/de/
services/bibliothek/studien-reports> [besucht am 28. März 2019], S. 31), dort
eine belebte Debatte ausgelöst hat (vgl. HONAUER/PATT, a.a.O., S. 180) und
überdies (schon vorab) öffentlich zugänglich publiziert worden ist, steht der
Gedanke der Rechtssicherheit (BGE 144 I 181 E. 5.3.1 S. 190; 140 V 538 E. 4.5
S. 541) der Änderung der Praxis im dargelegten Sinne nicht entgegen.

5.

Abschliessend gilt es zu prüfen, welche Konsequenzen die dargelegte
Praxisänderung für den vorliegenden Fall zeitigt.

5.1. Die vertragliche Verpflichtung der Beschwerdegegnerin gegenüber ihren
Kooperationspartnern besteht nach den unbestrittenen Feststellungen der
Vorinstanz darin, interessierte Investoren zu suchen, mit diesen die
Vertragsverhandlungen betreffend den Erwerb von Wertpapieren zu führen und
administrative Nebenleistungen zu erbringen. Ihre Tätigkeit richtet sich damit
auf konkrete Vertragsabschlüsse und geht ganz offensichtlich über die blosse
Bekanntgabe von Kundennamen hinaus. Sie leistet mit ihrer Tätigkeit einen
kausalen Beitrag zum Abschluss von Verträgen zwischen ihren
Kooperationspartnern und den Investoren, wobei sie am Inhalt dieser Verträge
kein Eigeninteresse hat. Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin ist folglich als
Vermittlung im Sinne von Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG zu qualifizieren.

5.2. Für die Versteuerung einer Vermittlungsleistung nach Art. 21 Abs. 2 Ziff.
19 lit. e MWSTG kann nicht optiert werden (Art. 22 Abs. 2 lit. a MWSTG). Andere
steuerbare Leistungen erbringt die Beschwerdegegnerin nach den Feststellungen
der Vorinstanz nicht.

5.3. Da die Erbringung von ausschliesslich steuerausgenommenen Dienstleistungen
ohne Möglichkeit der Option keine unternehmerische Tätigkeit im Sinn von aArt.
10 MWSTG darstellt (vgl. E. 2.3 hiervor), war die Beschwerdegegnerin per 1.
Januar 2010 nicht subjektiv steuerpflichtig (vgl. Urteil 2C_1002/2014 vom 28.
Mai 2015 E. 3.4). Entsprechend hat die ESTV ihr die Eintragung in das Register
der steuerpflichtigen Personen zu Recht verwehrt. Soweit die Vorinstanz den
gegenteiligen Schluss zieht, verletzt sie aArt. 10 MWSTG in Ver-bindung mit
Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG.

5.4. Die Beschwerde erweist sich somit als begründet und ist gutzuheissen. Das
angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Verfügung der ESTV vom 22. Juni 2016
zu bestätigen.

6.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die unterliegende Beschwerdegegnerin
die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Eidgenossenschaft, die in ihrem
amtlichen Wirkungskreis obsiegt, ist keine Parteientschädigung zuzusprechen
(Art. 68 Abs. 3 BGG). Die Festsetzung der Kosten und Entschädigung für das
vorinstanzliche Verfahren wird dem Bundesverwaltungsgericht übertragen (Art. 67
i.V.m. Art. 68 Abs. 5 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird gutgeheissen, und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
vom 3. Oktober 2017 wird aufgehoben. Die Verfügung der ESTV vom 22. Juni 2016
wird bestätigt.

2.

Die Gerichtskosten von Fr. 2000.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.

Zur Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen für das vorinstanzliche
Verfahren wird die Sache an das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen.

4.

Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht,
Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. Juli 2019

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Brunner