Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.898/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
2C_898/2017  
 
 
Urteil vom 2. Februar 2018  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, Haag, 
Gerichtsschreiber Klopfenstein. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Staatssekretariat für Migration, 
Quellenweg 6, 3003 Bern, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Lena Weissinger, 
Beschwerdegegner, 
 
Amt für Migration Basel-Landschaft, 
Parkstrasse 3, 4402 Frenkendorf. 
 
Gegenstand 
Ausschaffungshaft, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Basel-Landschaft,
Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, vom 15. September 2017 
(860 17 230). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der algerische Staatsangehörige A.________ (geb. 1969) reiste am 28. März 2004
in die Schweiz ein und stellte ein Asylgesuch. Das (damalige) Bundesamt (heute:
Staatssekretariat) für Migration (BFM) wies das Gesuch am 1. Oktober 2004 ab
und verfügte die Wegweisung. A.________ reiste daraufhin unkontrolliert aus der
Schweiz aus. Am 31. Dezember 2010 reiste er erneut in die Schweiz ein und
stellte ein weiteres Asylgesuch, das er am 5. April 2011 zurückzog. Am 18.
November 2014 stellte er ein drittes Asylgesuch. Mit Verfügung vom 25. Januar
2016 wies das SEM das Gesuch ab und ordnete die Wegweisung an. Mit Entscheid
des Zwangsmassnahmengerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 4. Februar 2016
wurde Ausschaffungshaft vom 2. Februar bis 1. Mai 2016 bestätigt. Am 18. Juli
2016 eröffnete das Amt für Migration einen erneuten Ausschaffungsbefehl. Mit
Urteil des Zwangsmassnahmengerichts vom 17. Oktober 2016 wurde die
Ausschaffungshaft um drei Monate verlängert. Ein für den 18. November 2016
gebuchter Rückflug konnte aufgrund der Renitenz von A.________ nicht umgesetzt
werden, weshalb ihn das Amt für Migration am 17. Januar 2017 aus der
Ausschaffungshaft entliess und in den Strafvollzug überführen liess, wo er bis
am 26. April 2017 eine Haftstrafe wegen Missachtung der Ausgrenzung absass. Am
26. April 2017 erliess das Amt für Migration einen erneuten
Ausschaffungshaftbefehl, worauf mit Urteil des Zwangsmassnahmengerichts vom 28.
April 2017 wiederum eine Ausschaffungshaft von drei Monaten angeordnet wurde.
Nachdem A.________ den am 8. Mai 2017 erneut organisierten Rückflug wieder
verweigert hatte, wurde er aus der Ausschaffungshaft entlassen. Am 11.
September 2017 eröffnete das Amt für Migration einen erneuten
Ausschaffungshaftbefehl. Vor dem Zwangsmassnahmengericht beantragte das Amt die
Bestätigung der Ausschaffungshaft für drei Monate. Mit Urteil vom 15. September
2017 stellte das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Basel-Landschaft fest,
dass die Anordnung der Haft zu Unrecht erfolgt sei, und ordnete an, A.________
sei unverzüglich aus der Haft zu entlassen. 
 
B.  
Das SEM erhebt mit Eingabe vom 18. Oktober 2017 Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht mit dem Antrag, das
Urteil des Kantonsgerichts sei aufzuheben. Das Kantonsgericht verzichtet auf
Vernehmlassung. A.________ beantragt Abweisung der Beschwerde. Das Amt für
Migration lässt sich nicht vernehmen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den
angefochtenen Entscheid ist zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und
Art. 90 BGG) und das SEM ist dazu legitimiert (Art. 89 Abs. 2 lit. a BGG; Art.
14 Abs. 2 der Organisationsverordnung für das EJPD vom 17. November 1999
[OV-EJPD; SR 172.213.1]). Der Beschwerdegegner war aufgrund des angefochtenen
Entscheids unverzüglich aus der Haft zu entlassen. Er hält sich jedoch offenbar
weiterhin in der Schweiz auf, so dass am Vollzug der rechtskräftigen Wegweisung
und an den zu diesem Zweck anzuordnenden Zwangsmassnahmen nach wie vor ein
aktuelles Rechtsschutzinteresse besteht. Da die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ein reformatorisches Rechtsmittel ist (
Art. 107 Abs. 2 BGG), sind grundsätzlich rein kassatorische Rechtsbegehren
gegen Entscheide, die eine Haft nicht bestätigen, nicht zulässig. Das SEM
beantragt in seinem Rechtsbegehren bloss die Aufhebung des angefochtenen
Entscheids. In Kombination mit der Beschwerdebegründung wird jedoch klar, dass
es die Bestätigung des Ausschaffungshaftbefehls des Amtes für Migration bzw.
des vom Amt vor dem Zwangsmassnahmengericht gestellten Haftantrags anstrebt.
Die Beschwerde ist damit zulässig (vgl. BGE 137 II 313 E. 1.3 S. 317; Urteil
2C_289/2015 vom 5. April 2016 E. 1.4, nicht publ. in: BGE 142 II 218). 
 
2.  
 
2.1. Nach Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 und 4 AuG kann, wenn ein
erstinstanzlicher Wegweisungsentscheid eröffnet wurde, die betroffene Person in
Ausschaffungshaft genommen werden, wenn konkrete Anzeichen befürchten lassen,
dass sie sich der Ausschaffung entziehen will, insbesondere weil sie der
Mitwirkungspflicht nach Art. 90 AuG sowie Art. 8 Abs. 1 lit. a oder Abs. 4
AsylG nicht nachkommt, oder wenn ihr bisheriges Verhalten darauf schliessen
lässt, dass sie sich behördlichen Anordnungen widersetzt. Die Haftdauer darf
zusammen mit einer Vorbereitungs- und Durchsetzungshaft insgesamt sechs Monate
nicht überschreiten (Art. 79 Abs. 1 AuG), doch kann die Dauer um höchstens
zwölf Monate verlängert werden, wenn die betroffene Person nicht mit der
zuständigen Behörde kooperiert (Art. 79 Abs. 2 lit. a AuG). Die Haft wird u.a.
beendet, wenn der Haftgrund entfällt oder sich erweist, dass der Vollzug der
Weg- oder Ausweisung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen undurchführbar
ist (Art. 80 Abs. 6 lit. a AuG).  
 
2.2. Wie es sich mit der Durchführbarkeit des Wegweisungsvollzugs im Einzelnen
verhält, bildet Gegenstand einer nach pflichtgemässem Ermessen vorzunehmenden
Prognose. Massgebend ist, ob die Ausschaffung mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit innert absehbarer Zeit möglich sein wird oder nicht. Die
Haft ist dann unverhältnismässig und damit auch unzulässig, wenn triftige
Gründe für die Undurchführbarkeit des Vollzugs sprechen oder praktisch
feststeht, dass er sich innert vernünftiger Frist kaum wird realisieren lassen.
Dies ist in der Regel bloss der Fall, wenn die Ausschaffung auch bei
gesicherter Kenntnis der Identität oder der Nationalität des Betroffenen bzw.
trotz seines Mitwirkens bei der Papierbeschaffung mit grosser
Wahrscheinlichkeit als ausgeschlossen erscheint. Zu denken ist etwa an eine
länger dauernde Transportunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen oder an eine
ausdrückliche oder zumindest klar erkennbare und konsequent gehandhabte
Weigerung eines Staates, gewisse Staatsangehörige zurückzunehmen. Nur falls
keine oder bloss eine höchst unwahrscheinliche, rein theoretische Möglichkeit
besteht, die Wegweisung zu vollziehen, ist die Haft aufzuheben, nicht indessen
bei einer ernsthaften, wenn auch allenfalls (noch) geringen Aussicht hierauf (
BGE 130 II 56 E. 4.1.3 S. 61; 127 II 168 E. 2c S. 172; 125 II 217 E. 2 S. 220;
122 II 148 E. 3 S. 152 f.). Es genügt nicht, dass die Durchführbarkeit der
Rückführung zweifelhaft oder momentan unmöglich oder unsicher ist (Urteile
2C_846/2017 vom 30. Oktober 2017 E. 4.3.2; 2C_1072/2015 vom 21. Dezember 2015
E. 3.2; 2C_700/2015 vom 8. Dezember 2015 E. 4.3.1).  
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz hat erwogen, der Haftgrund nach Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff.
3 und 4 AuG sei erfüllt. Der Beschwerdegegner habe bisher in keiner Weise mit
den Behörden kooperiert, weshalb die Haft auf insgesamt 18 Monate verlängert
werden dürfe. Die vom Amt für Migration beantragte Haftdauer von drei Monaten
sei grundsätzlich zulässig, da der Beschwerdegegner bisher insgesamt 14 Monate
und drei Tage in Vorbereitungs- bzw. Ausschaffungshaft gewesen sei. Die
Ausschaffungshaft sei eine grundsätzlich geeignete Massnahme, um den Vollzug
des Wegweisungsentscheids sicherzustellen, zumal nicht damit zu rechnen sei,
dass sich der Beschwerdegegner im Falle einer Entlassung aus der
Ausschaffungshaft den Behörden für den Vollzug zur Verfügung halten werde. Auch
sei das Beschleunigungsgebot eingehalten. Diese Ausführungen werden vom
Beschwerdegegner mit Recht nicht in Frage gestellt. Auf die entsprechenden
Erwägungen der Vorinstanz kann verwiesen werden.  
 
3.2. Weiter hat die Vorinstanz erwogen, die Ausschaffungshaft dürfe gemäss Art.
80 Abs. 6 lit. a AuG nur aufrecht erhalten werden, wenn der Vollzug der
Wegweisung nicht aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen undurchführbar sei.
Der Beschwerdegegner verweigere sich beharrlich der Kooperation. Obwohl
mittlerweilen seit über 14 Monaten in Haft, habe er klar statuiert, nicht nach
Algerien zurückreisen zu wollen. Eine zwangsweise Ausschaffung per Sonderflug
sei nach Algerien notorisch nicht möglich. Der Beschwerdegegner habe wiederholt
die für ihn gebuchten Rückflüge vereitelt bzw. verweigert. Es bestehe nur noch
eingeschränkte Hoffnung auf eine erfolgreiche Wegweisung. Angesichts der
beständigen und aktenkundigen Verweigerung jeglicher Kooperation genüge eine
solche Hoffnung nicht, um den Anforderungen an einen in der maximal noch zur
Verfügung stehenden Haftdauer absehbaren Wegweisungsvollzug zu genügen. Es
rechtfertige sich daher nicht, die Festhaltung des Beschwerdegegners in der
vagen Hoffnung aufrechtzuerhalten, dass er die Schweiz vor Ablauf der maximal
zulässigen Haftdauer freiwillig verlassen könnte.  
 
3.3. Das SEM bringt dagegen vor, die Vorinstanz habe verfrüht und voreilig
angenommen, dass die geplante Rückführung scheitern werde. Die Renitenz, welche
Voraussetzung für die Erfüllung des Haftgrundes nach Art. 76 Abs. 1 lit. b
Ziff. 3 und 4 AuG sei, dürfe nicht zugleich als Haftbeendigungsgrund nach Art.
80 Abs. 6 lit. a AuG gewertet werden. Eine Freilassung aufgrund des renitenten
Verhaltens würde dem Zweck der Ausschaffungshaft zuwiderlaufen. Zwar seien
Sonderflüge nach Algerien nicht zulässig, wohl aber eine freiwillige Ausreise
sowie begleitete Rückführungen. Im Falle des Beschwerdegegners hätten trotz des
renitenten Verhaltens seine Identität festgestellt und Reisepapiere ausgestellt
werden können. Ein Vollzug - freiwillig oder begleitet - sei möglich. Das
renitente Verhalten des Beschwerdegegners vermöge ihn nicht vor einer
Rückführung zu bewahren. Innert der noch zur Verfügung stehenden Haftdauer von
(fast) vier Monaten könne ein begleiteter Rückflug geplant und realisiert
werden. Solange eine solche Aussicht auf erfolgreiche Durchführung bestehe,
könne nicht von einer Undurchführbarkeit der Wegweisung ausgegangen werden.  
 
4.  
 
4.1. Wie das SEM mit Recht vorbringt, ist die fehlende Kooperation
Tatbestandselement der Ausschaffungshaft nach Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 und
4 AuG; es wäre logisch widersprüchlich, wenn diese fehlende Kooperation
zugleich ein Grund wäre, um die Haft nach Art. 80 Abs. 6 lit. a AuG zu beenden.
Die Verhältnismässigkeit der Haft kann auch nicht bereits mit der Begründung in
Frage gestellt werden, der Betroffene verweigere konsequent seine Einwilligung
zu einer selbständigen Rückkehr. In einem Rechtsstaat kann nicht von der
Rechtsdurchsetzung abgesehen werden, weil der Betroffene erklärt, sich nicht an
die Rechtsordnung halten zu wollen (vgl. BGE 136 IV 97 E. 6.3.3 S. 116). Der
Einsatz von Durchsetzungsmitteln kann daher nicht schon unzulässig sein, weil
der Betroffene im Voraus erklärt, er werde sich nicht zu rechtskonformem
Verhalten bewegen lassen (vgl. zur Durchsetzungshaft Urteil 2C_441/2011 vom 15.
Juni 2011 E. 2.2; 2C_936/2010 vom 24. Dezember 2010 E. 2.1).  
 
4.2. Unbestritten ist, dass zur Zeit Sonderflüge nach Algerien nicht möglich
sind. Die Vorinstanz scheint davon auszugehen, es gebe nur die Alternative
zwischen der (verweigerten) freiwilligen Rückreise und den (zur Zeit
unmöglichen) Sonderflügen, so dass keine realistische Aussicht auf Vollzug
bestehe (E. 7.3 des angefochtenen Entscheids). Dies trifft jedoch nicht zu: Der
hier einschlägige (vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. b und Art. 27 des
Zwangsanwendungsgesetzes [ZAG; SR 364]) Art. 28 der Verordnung vom 12. November
2008 über die Anwendung polizeilichen Zwangs und polizeilicher Massnahmen im
Zuständigkeitsbereich des Bundes (Zwangsanwendungsverordnung, ZAV; SR 364.3)
sieht für Rückführungen vier Vollzugsstufen vor: Vollzugsstufe 1 ist die
selbständige Rückreise, wenn die rückzuführende Person zugestimmt hat,
Vollzugsstufe 4 ein Transport mit Sonderflugzeugen. Dazwischen gibt es jedoch
die Vollzugsstufen 2 und 3, die in Linienflügen stattfinden. Der Umstand, dass
die Vollzugsstufen 1 und 4 im konkreten Fall nicht in Betracht fallen,
schliesst keineswegs den Vollzug in den Vollzugsstufen 2 oder 3 aus. Die
Vorinstanz legt nicht dar, dass und weshalb ein solcher Vollzug nicht möglich
sein sollte. Der blosse Umstand, dass der Beschwerdegegner bisher wiederholt
die für ihn organisierten Rückflüge vereitelt bzw. verweigert habe (so
angefochtenes Urteil E. 7.3), belegt keine solche Unmöglichkeit, zumal aus dem
angefochtenen Entscheid nicht hervorgeht, dass bei diesen vereitelten
Rückflügen die Vollzugsstufen 2 oder 3 tatsächlich zur Anwendung gebracht
worden wären und aus welchen Gründen die Rückführungen schliesslich gescheitert
sind. Blosse Verweigerung der Mitwirkung durch den Betroffenen kann jedenfalls
nicht zur Unzulässigkeit der Haft führen (Urteil 2C_846/2017 vom 30. Oktober
2017 E. 4.3.2).  
 
4.3. Zu Unrecht beruft sich die Vorinstanz auf BGE 130 II 56 und das Urteil
2C_304/2012 vom 1. Mai 2012: In BGE 130 II 56 war ausschlaggebend, dass der
Heimatstaat sich weigerte, die zwangsweise Rückführung seiner Staatsangehörigen
zu dulden (E. 4.2.3); zudem bestanden ernsthafte Aussichten, dass der
Betroffene aufgrund einer Verbindung mit einer Schweizerin in absehbarer Zeit
ein Aufenthaltsrecht erwerben werde (E. 4.2.4; vgl. zu Heiratsabsichten als
möglichen Grund für die Unzulässigkeit der Haft auch Urteil 2C_481/2017 vom 15.
Dezember 2017). Auch im Urteil 2C_304/2012 war eine zwangsweise Ausschaffung in
das Heimatland generell unmöglich (vgl. dort E. 2.3.2). Demgegenüber verweigert
hier der Heimatstaat nur Sonderflüge, akzeptiert aber Rückführungen mit
Linienflügen (vgl. Art. 4 Abs. 3 des Abkommens zwischen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft und der Demokratischen Volksrepublik Algerien über den
Personenverkehr vom 3. Juni 2006 [SR 0.142.111.279]). Wie das SEM in seiner
Beschwerde unwidersprochen ausführt, wurden denn auch in den Jahren 2016 und
2017 mehrere Personen mit polizeilicher Begleitung nach Algerien zurückgeführt.
Von der Durchführbarkeit solcher Rückführungen nach Algerien ist auch das
Bundesgericht schon wiederholt ausgegangen (Urteile 2C_932/2017 vom 27.
November 2017 E. 3.3; 2C_1072/2015 vom 21. Dezember 2015 E. 3.3; 2C_1143/2014
vom 7. Januar 2015 E. 2.3.2). Weder die Vorinstanz noch der Beschwerdegegner
legen Gründe dar, welche es rechtfertigen würden, von dieser Einschätzung
abzuweichen. Jedenfalls weist nichts darauf hin, dass sich der Heimatstaat klar
erkennbar und konsequent weigern würde, seine Staatsangehörigen zurückzunehmen,
was Voraussetzung wäre, um die Haft als unzulässig betrachten zu können (vgl.
Urteil 2C_252/2008 vom 10. Juni 2008 E. 2.4).  
 
4.4. Weder die Vorinstanz noch der Beschwerdegegner bringen weitere Gründe vor,
welche gegen die Ausschaffungshaft sprechen würden. Solche sind auch aufgrund
des vorinstanzlich festgestellten Sachverhalts nicht ersichtlich. Namentlich
haben sich die Behörden - wie aus dem angefochtenen Urteil hervorgeht -
ernsthaft und in Beachtung des Beschleunigungsgebots (Art. 76 Abs. 4 AuG)
bemüht, die Rückreise zu organisieren. Dass der Beschwerdegegner früher bereits
in Ausschaffungshaft gewesen war und daraus entlassen wurde, nachdem die
Rückführungen nicht erfolgt waren, steht einer erneuten Haft nicht entgegen,
wenn neue Umstände eintreten (BGE 140 II 1 E. 5.2 S. 3), so z.B. die erneute
Möglichkeit einer Rückschaffung (Urteil 2C_700/2015 vom 8. Dezember 2015 E. 4.1
und E. 4.2.1). Aus den Akten geht hervor (Art. 105 Abs. 2 BGG), dass eine
weitere Rückreise geplant gewesen wäre für den 16. Oktober 2017 und die
algerischen Behörden bereit gewesen wären, dafür einen laissez-passer
auszustellen (Schreiben SEM an algerisches Konsulat vom 9.8.2017). Dieser
Rückflug hätte mit der beantragten Haft sichergestellt werden sollen. Die
Vorinstanz erwähnt keinerlei konkrete Gründe, dass und inwiefern dieser
Rückflug scheitern werde; sie durfte daher nicht davon ausgehen, der Vollzug
der Wegweisung sei im Sinne von Art. 80 Abs. 6 lit. a AuG undurchführbar (vgl.
Urteil 2C_700/2015 vom 8. Dezember 2015 E. 4.3.3).  
 
5.  
Die Beschwerde erweist sich damit als begründet. Der angefochtene Entscheid ist
aufzuheben und die Haft antragsgemäss (vgl. E. 1) für drei Monate zu
bestätigen. Umständehalber sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Einzelrichters für
Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht des Kantons Basel-Landschaft vom 15.
September 2017 wird aufgehoben. Die Ausschaffungshaft für den Beschwerdegegner
wird für drei Monate bestätigt. 
 
2.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Kantonsgericht des Kantons
Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, schriftlich
mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 2. Februar 2018 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Klopfenstein 

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