Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.890/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
2C_890/2017  
 
 
Urteil vom 10. September 2018  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Gerichtsschreiberin Petry. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Fürsprecher Dr. Michael Burkhard, 
 
gegen  
 
Amt für Migration und 
Personenstand des Kantons Bern, 
Eigerstrasse 73, 3011 Bern, 
Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern, Kramgasse 20, 3011 Bern. 
 
Gegenstand 
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung 
und Wegweisung infolge Straffälligkeit, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, 
vom 12. September 2017 (100.2017.100U). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
A.________ (geb. 1984) ist Staatsbürger von Sri Lanka. Mitte November 2008
reiste er illegal in die Schweiz ein und ersuchte erfolglos um Asyl. Am 21.
August 2009 heiratete er eine Schweizer Bürgerin sri-lankischer Abstammung und
erhielt gestützt auf diese Ehe eine Aufenthaltsbewilligung. Das Ehepaar hat
zwei gemeinsame Kinder (geb. 2014 bzw. 2017). Mit Urteil des Obergerichts des
Kantons Bern vom 1. Juli 2014 wurde A.________ wegen versuchter vorsätzlicher
Tötung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Am 7. Juli 2012
hatte er während einer Aussprache in der Wohnung seines Schwagers aus
ungeklärten Gründen einem Landsmann eine potenziell lebensgefährliche
Schnittwunde mit einem Messer zugefügt. 
Am 20. April 2016 verfügte das Amt für Migration und Personenstand des Kantons
Bern, Migrationsdienst (hiernach: Migrationsamt) die Nichtverlängerung der
Aufenthaltsbewilligung von A.________ und wies ihn auf den Tag der Entlassung
aus dem Strafvollzug aus der Schweiz weg. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel
blieben erfolglos (Entscheid der Polizei- und Militärdirektion vom 6. März 2017
bzw. Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 12. September 2017). 
 
2.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 16. Oktober 2017
beantragt A.________ die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils. Seine
Aufenthaltsbewilligung sei zu verlängern. Zudem beantragt er die unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung. 
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten eingeholt. Auf eine Vernehmlassung
wurde verzichtet. 
 
3.  
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist zulässig (Art. 82
lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1 und Art. 90 BGG), aber
offensichtlich unbegründet und kann mit summarischer Begründung und im Übrigen
durch Verweisung auf den angefochtenen Entscheid abgewiesen werden (Art. 109
Abs. 2 und 3 BGG). 
 
4.  
Der ausländische Ehegatte einer schweizerischen Staatsangehörigen hat Anspruch
darauf, dass seine Aufenthaltsbewilligung verlängert wird, wenn er mit seiner
Ehefrau zusammen wohnt. Dieser Anspruch erlischt insbesondere, wenn
Widerrufsgründe im Sinne von Art. 63 AuG vorliegen (Art. 51 Abs. 1 lit. b AuG);
als Widerrufsgrund gilt unter anderem die Verurteilung zu einer längerfristigen
Freiheitsstrafe (Art. 63 Abs. 1 lit. a AuG in Verbindung mit Art. 62 Abs. 1
lit. b AuG). Mit seiner strafrechtlichen Verurteilung am 1. Juli 2014 zu einer
Freiheitsstrafe von fünf Jahren wegen versuchter vorsätzlicher Tötung (begangen
am 7. Juli 2012) hat der Beschwerdeführer diesen Widerrufsgrund gesetzt, woran
die Schilderung der eigenen Sichtweise der Tatumstände bzw. seines Verhaltens
im Strafverfahren nichts zu ändern vermag. Unbehelflich ist insbesondere sein
Vorbringen, er habe entgegen der Darstellung der Vorinstanz nicht in
Tötungsabsicht gehandelt. Das Obergericht des Kantons Bern hat in seinem Urteil
vom 1. Juli 2014 ausdrücklich festgehalten, dass der Beschwerdeführer sein
Opfer "in Tötungsabsicht mit einem Messer" verletzt habe (vgl. S. 31 des
Urteils, E. 4.4). Soweit der Beschwerdeführer mit seinen Vorbringen den
Schuldspruch der eventualvorsätzlich versuchten Tötung in Frage zu stellen
versucht, übersieht er, dass rechtsprechungsgemäss im migrationsrechtlichen
Verfahren kein Raum bleibt, die Beurteilung des Strafrichters in Bezug auf das
strafrechtliche Verschulden zu relativieren (vgl. Urteil 2C_169/2017 vom 6.
November 2017 E. 3.4). Auf die diesbezüglichen Ausführungen des
Beschwerdeführers ist deshalb nicht weiter einzugehen. 
 
5.  
Der Beschwerdeführer rügt im Wesentlichen, die angeordnete Massnahme sei
unverhältnismässig. Die erhobene Rüge geht jedoch fehl: Richtig ist wohl, dass
ein Widerruf der Bewilligung aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls
verhältnismässig sein muss (Art. 8 Abs. 2 EMRK; Art. 96 AuG). Dies hat das
Verwaltungsgericht aber nicht verkannt. Vielmehr hat es sich mit den
diesbezüglichen Einwendungen des Beschwerdeführers sorgfältig
auseinandergesetzt. In sachgerechter Weise hat es sodann die hier massgeblichen
öffentlichen Interessen an einer Ausreise des Beschwerdeführers und dessen
private Interessen an einem Verbleib in der Schweiz gewürdigt und es für
zumutbar erachtet, dass der Beschwerdeführer nach Sri Lanka zurückkehrt. Auf
die entsprechenden Ausführungen kann verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG). 
Der Beschwerdeführer macht vor Bundesgericht hauptsächlich geltend, es bestehe
kein Rückfallrisiko, da die fragliche Straftat eine persönlichkeitsatypische
und affektnahe Handlung in einer absoluten Ausnahmesituation gewesen sei, die
sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht wiederholen werde. 
Diese Argumentation überzeugt nicht. Der Beschwerdeführer wurde wegen eines
versuchten Tötungsdelikts zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.
Eine solche Tat wird vom Verfassungs- und Gesetzgeber als besonders verwerflich
erachtet und zieht seit dem 1. Oktober 2016 eine obligatorische
Landesverweisung nach sich (Art. 66a Abs. 1 lit. a StGB). Auch wenn diese
Neuregelung nicht rückwirkend auf den Beschwerdeführer Anwendung findet, darf
der darin zum Ausdruck gebrachten Wertung im Rahmen der ausländerrechtlichen
Interessenabwägung Rechnung getragen werden. Gemäss bundesgerichtlicher
Rechtsprechung besteht bei schweren Straftaten regelmässig ein wesentliches
öffentliches Interesse daran, die Anwesenheit eines Ausländers zu beenden, der
die Sicherheit und Ordnung derart beeinträchtigt hat (vgl. BGE 139 I 16 E.
2.2.1 S. 19). Wie die Vorinstanz ferner zutreffend ausführt, hat die konkrete
Rückfallgefahr im vorliegenden Fall eine untergeordnete Bedeutung, da bei
ausländischen Personen, die sich - wie der Beschwerdeführer - nicht auf das
Freizügigkeitsabkommen (FZA; SR 0.142.112.681) berufen können,
generalpräventive Überlegungen in die Beurteilung miteinfliessen dürfen (vgl.
BGE 136 II 5 E. 4.2 S. 20; 130 II 176 E. 3.4.1 S. 183; je zum FZA). Aus dem in
diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer zitierten BGE 135 II 110 vermag dieser
nichts zu seinen Gunsten ableiten, ging es dabei doch um den Widerruf der
Niederlassungsbewilligung eines anerkannten Flüchtlings. Der Beschwerdeführer
hat jedoch weder eine Niederlassungsbewilligung noch verfügt er über den
Flüchtlingsstatus. 
Dessen ungeachtet ist selbst bei Berücksichtigung des Rückfallrisikos zu
beachten, dass die Anforderungen an die in Kauf zu nehmende Rückfallgefahr umso
niedriger sind, je schwerer die begangenen Rechtsgüterverletzungen wiegen (vgl.
Urteil 2C_299/2017 vom 11. Januar 2018 E. 4.4). Eine strenge Praxis gilt
insbesondere bei Delikten gegen die körperliche Integrität; in diesen Fällen
muss rechtsprechungsgemäss selbst ein geringes Restrisiko weiterer Delinquenz
nicht hingenommen werden (BGE 139 I 145 E. 2.5 S. 149 f.; 139 I 31 E. 2.3.2 S.
34; 139 I 16 E. 2.2.1 S. 20). Dass im vorliegenden Fall selbst ein geringes
Rückfallrisiko auszuschliessen wäre, ist nicht ersichtlich: Die vom
Beschwerdeführer geltend gemachte "absolute Ausnahmesituation", in der er sich
befunden haben will, ergibt sich weder aus den Akten noch wird sie in der
Beschwerdeschrift substanziiert dargelegt. Gemäss Urteil vom 1. Juli 2014 war
sein Handeln im Zeitpunkt der Tat durch heftige Wut bestimmt. Hingegen hat das
Obergericht die Entschuldbarkeit dieser Gemütsbewegung klar verneint und die
Reaktion des Beschwerdeführers als völlig unverhältnismässig bezeichnet (vgl.
S. 26 bzw. 31 des Urteils vom 1. Juli 2014). Wenn die Vorinstanz es nicht für
völlig ausgeschlossen hielt, dass der Beschwerdeführer sich auch in Zukunft
erneut zu gewalttätigem Handeln könnte hinreissen lassen, ist dies - entgegen
der Auffassung des Beschwerdeführers - mit Blick auf die genannten Umstände
nicht zu beanstanden. 
 
6.  
Der Beschwerdeschrift lässt sich nichts Weiteres entnehmen, was geeignet wäre,
dem Verwaltungsgericht in Bezug auf die Nichtverlängerung der
Aufenthaltsbewilligung eine Rechtsverletzung vorzuwerfen. 
 
7.  
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine strafrechtliche Verurteilung die
Erteilung einer neuen Aufenthaltsbewilligung nicht zwingend ein für allemal
verunmöglicht. Soweit die ausländische Person, gegen die Entfernungsmassnahmen
ergriffen wurden, einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer
Aufenthaltsbewilligung besitzt, kann nach einer gewissen Zeit, in der Regel
nach fünf Jahren, eine Neubeurteilung angezeigt sein, sofern die betreffende
Person das Land verlassen und sich in dieser Zeit bewährt hat (vgl. Urteil
2C_270/2017 vom 30. November 2017 E. 3.7 mit Hinweisen). 
 
8.  
Nach dem Gesagten ist der angefochtene Entscheid bundesrechtskonform. Die
Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang
des Verfahrens wird der unterliegende Beschwerdeführer gemäss Art. 66 Abs. 1
BGG grundsätzlich kostenpflichtig; er hat indessen um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung ersucht. Dem Gesuch kann nicht
entsprochen werden: Der Beschwerdeführer vermag dem einlässlich begründeten
vorinstanzlichen Urteil nichts Substanzielles entgegenzusetzen. Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist daher infolge
Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG) und die (umständehalber
reduzierten) Gerichtskosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 BGG). Es ist keine Parteientschädigung geschuldet (Art.
68 Abs. 3 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, und dem Staatssekretariat für
Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 10. September 2018 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Petry 

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