Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.877/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
2C_877/2017  
 
 
Urteil vom 26. September 2018  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, Haag, 
Gerichtsschreiberin Petry. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.C.________, 
2. B.C.________, 
3. D.E.________, 
Beschwerdeführer, 
alle drei vertreten durch Rechtsanwältin Inge Mokry, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Zürich, 
Berninastrasse 45, 8090 Zürich, 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, Neumühlequai 10, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2.
Abteilung, vom 23. August 2017 (VB.2017.00381). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a.  
A.C.________ (geb. 1986) ist Staatsangehöriger von Nigeria. Er reiste am 15.
Dezember 1997 im Alter von 11 Jahren im Rahmen des Familiennachzugs in die
Schweiz ein und ist im Besitz einer Niederlassungsbewilligung. Er lebt mit der
Schweizer Bürgerin D.E.________ (geb. 1990) zusammen. Am 9. Oktober 2014 wurde
ihre gemeinsame Tochter B.C.________ geboren. 
 
A.b.  
Während seines Aufenthalts in der Schweiz wurde A.C.________ wiederholt
straffällig: 
 
- Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 1. Dezember 2005: Einweisung in eine
Arbeitserziehungsanstalt wegen mehrfachen Raubes, mehrfachen Angriffs,
Raufhandels, Veruntreuung, Hehlerei, Drohung, mehrfachen Fahrens ohne
Führerausweis, Überlassens eines Motorfahrzeuges an einen Lenker ohne
Führerausweis sowie Vergehens gegen das Waffengesetz (jeweils begangen zwischen
April 2003 und Juni 2005). Aufgrund fehlender Massnahmewilligkeit und des
Umstandes, dass keine Arbeitserziehungsanstalt bereit war, A.C.________
aufzunehmen, wurde die Massnahme am 4. Mai 2006 aufgehoben und der Betroffene
nachträglich zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten bei einer
Probezeit von drei Jahren verurteilt. 
- Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 3. September 2006:
unbedingte Freiheitsstrafe von 45 Tagen wegen Diebstahls. 
- Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 16. Februar 2007: 360 Stunden
gemeinnützige Arbeit (als Zusatzstrafe zum Strafbefehl der Staatsanwaltschaft
Zürich-Sihl vom 3. September 2006) wegen einfacher Körperverletzung sowie
Sachbeschädigung, begangen im August 2006. Aufgrund von Verstössen des
Verurteilten gegen die Auflagen der Vollzugsbehörden wurde die gemeinnützige
Arbeit am 18. April 2008 vom Bezirksgericht in eine Geldstrafe von 90
Tagessätzen zu je Fr. 30.-- umgewandelt. 
- Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 15. November 2007:
Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je Fr. 30.-- wegen Vergehens gegen das
Betäubungsmittelgesetz. 
- Urteil des Strafbefehlsrichters Basel-Stadt vom 3. Februar 2010: Geldstrafe
von 60 Tagessätzen zu je Fr. 40.-- und Busse von Fr. 100.-- wegen Fahrens in
fahrunfähigem Zustand, Entwendung zum Gebrauch, Fahrens trotz Verweigerung des
Lernfahrausweises sowie Erwerb eines ausländischen Führerausweises unter
Umgehung des Wohnortprinzips (jeweils begangen im August 2009). 
- Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 20. Oktober 2010:
Freiheitsstrafe von 13 Monaten und Busse von Fr. 800.-- (als Zusatzstrafe zum
Urteil des Strafbefehlsrichters Basel-Stadt vom 3. Februar 2010 und
Teilzusatzstrafe zum Urteil der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 15. November
2007) wegen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz, mehrfachen Vergehens
gegen das Waffengesetz, Fahrens in fahrunfähigem Zustand, Entwendung zum
Gebrauch, mehrfachen Fahrens ohne Führerausweis sowie qualifizierter einfacher
Körperverletzung (jeweils begangen zwischen September 2007 und Oktober 2008). 
- Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 27. August 2015: Freiheitsstrafe von
acht Monaten wegen mehrfacher einfacher Körperverletzung, begangen im April und
Mai 2014. 
- Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 8. September 2016: Busse von Fr. 100.--
wegen Übertretung des Waffengesetzes, begangen im Dezember 2015. Vom Vorwurf
der versuchten schweren Körperverletzung wurde er freigesprochen. 
Mit Urteilen des Obergerichts Zürich vom 18. April 2013 bzw. vom 19. Januar
2015 war A.C.________ vom Vorwurf des Raubes und Hausfriedensbruchs
freigesprochen worden und hatte für die erstandene Überhaft von 826 Tagen eine
Genugtuung von Fr. 54'000.-- erhalten. 
 
B.  
Mit Verfügung vom 8. August 2016 widerrief das Migrationsamt des Kantons Zürich
(hiernach: Migrationsamt) die Niederlassungsbewilligung von A.C.________ und
wies ihn aus der Schweiz weg. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel blieben
erfolglos (Entscheid der Sicherheitsdirektion vom 12. Mai 2017 und Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 23. August 2017). 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 11. Oktober 2017
beantragen A.C.________, D.E.________ sowie ihre gemeinsame Tochter die
Aufhebung von Ziffer 2 des vorinstanzlichen Urteils. Es sei vom Widerruf der
Niederlassungsbewilligung von A.C.________ abzusehen und auf seine Wegweisung
zu verzichten. Zudem beantragen sie vor Bundesgericht die unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung. 
Das Verwaltungsgericht beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die
Sicherheitsdirektion und das Staatssekretariat für Migration verzichten auf
Vernehmlassung. Das Migrationsamt liess sich nicht vernehmen. 
Mit Präsidialverfügung vom 16. Oktober 2017 wurde der Beschwerde antragsgemäss
die aufschiebende Wirkung erteilt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, die sich inhaltlich
gegen den Widerruf der Niederlassungsbewilligung von Beschwerdeführer 1 und
gegen die Wegweisung nur als deren Folge richtet, ist zulässig, da dieser
grundsätzlich einen Anspruch auf das Fortbestehen seiner
Niederlassungsbewilligung geltend machen kann (BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4; Art.
83 lit. c Ziff. 2 BGG e contrario). Die Beschwerdeführerin 3 ist die Schweizer
Lebensgefährtin des Beschwerdeführers 1, mit welcher er - gemäss verbindlicher
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz - zusammenlebt und unbestrittenermassen
seit mehreren Jahreneine nahe und echte Beziehung führt. Das Paar hat eine
gemeinsame Tochter (Beschwerdeführerin 2), welche zum Beschwerdeführer 1 eine
intakte Beziehung unterhält. Die im vorinstanzlichen Verfahren beteiligten
Beschwerdeführerinnen 2 und 3 sind folglich durch den angefochtenen Entscheid
besonders berührt und haben ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Interesse an
dessen Aufhebung. Daher sind sie - wie der Beschwerdeführer 1 - im Sinne von 
Art. 89 Abs. 1 lit. a BGG zur Beschwerde legitimiert. Da auch die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Das Bundesgericht prüft frei und von Amtes wegen die richtige Anwendung
von Bundesrecht (Art. 95 lit. a und Art. 106 Abs. 1 BGG). Es legt seinem Urteil
den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen oder
auf entsprechende Rüge hin berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig, d.h. willkürlich, ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). Die
betroffene Person muss rechtsgenügend dartun, dass und inwiefern der
Sachverhalt bzw. die beanstandete Beweiswürdigung klar und eindeutig mangelhaft
erscheint (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254 f.; 133 III 350
E. 1.3 S. 351 f.). Rein appellatorische Kritik an der Sachverhaltsermittlung
und an der Beweiswürdigung genügt den Begründungs- bzw. Rügeanforderungen nicht
(BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445 mit Hinweisen).  
 
2.2. In der Beschwerdeschrift wird gerügt, die einseitige Wiederherstellung der
Akten sowie das Abstellen auf diese sei willkürlich erfolgt. Beispielsweise
seien die polizeilichen Akten, welche dem freisprechenden Urteil vom 8.
September 2016 zugrunde gelegen hätten, nachträglich zu den Akten genommen
worden, obwohl sie aufgrund des rechtskräftigen Freispruchs irrelevant seien.
Ebenso seien die meisten Strafvollzugsakten irrelevant, da der Beschwerdeführer
1 mehrheitlich unschuldig im Gefängnis gesessen habe.  
Diese Rüge erweist sich als unbegründet, soweit sie überhaupt als ausreichend
substantiiert betrachtet werden kann. Die Vorinstanz hat in sachverhaltlicher
Hinsicht ausdrücklich festgehalten, dass der Beschwerdeführer 1 mit Urteil vom
8. September 2016 vom Vorwurf der versuchten schweren Körperverletzung
freigesprochen worden ist. Allein aus dem Umstand, dass sich die
diesbezüglichen polizeilichen Unterlagen in den Akten befinden, ergibt sich
keine willkürliche Sachverhaltsfeststellung bzw. Beweiswürdigung. Im Übrigen
verpflichtet Art. 97 Abs. 3 AuG i.V.m. Art. 82 Abs. 1 der Verordnung vom 24.
Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.201)
die Polizei- und Gerichtsbehörden sowie die Strafuntersuchungsbehörden, der
kantonalen Migrationsbehörde die Anhebung und die Einstellung von
Strafuntersuchungen sowie Verhaftungen und Entlassungen unaufgefordert zu
melden, d.h. unabhängig vom Ausgang des jeweiligen Verfahrens. Folglich ist
nicht zu beanstanden, dass sich die betreffenden Unterlagen in den Akten
befinden. 
Nichts anderes gilt für die Strafvollzugsakten. Insbesondere ist nicht
ersichtlich, inwiefern - wie in der Beschwerdeschrift vorgebracht - der Bericht
des Amtes für Justizvollzug vom 19. April 2011 "irrelevant" sein sollte, weil
der Beschwerdeführer 1 vom 16. Februar 2011 bis zum 14. Juni 2013 mehrheitlich
unschuldig im Gefängnis gewesen sei und sich die Beurteilung auf falsche
Prämissen gestützt habe. Der betreffende Bericht äussert sich nicht zum damals
hängigen Strafverfahren, welches mit einem Freispruch endete, sondern nimmt
lediglich Bezug auf die früheren Straftaten des Beschwerdeführers 1, die von
diesem nicht bestritten werden. 
Soweit die Beschwerdeführer schliesslich mit Nichtwissen bestreiten, der
Beschwerdeführer 1 sei - gemäss Ausführungen des Migrationsamtes und der
Rekursinstanz - am 27. Mai 2010 ausländerrechtlich verwarnt worden, ist zu
bemerken, dass die Akten in der Tat keine entsprechende Verfügung enthalten.
Eine diesbezügliche Klarstellung durch die Vorinstanz wäre wünschenswert
gewesen. Dennoch kann dem Verwaltungsgericht keine offensichtlich unrichtige
Sachverhaltsfeststellung vorgeworfen werden, da die umstrittene Verwarnung in
deren Sachverhaltsfeststellungen keine Erwähnung findet und somit nicht in die
Urteilsfindung eingeflossen ist. Damit erweist sich auch diese Rüge als
unbegründet. Im Folgenden ist der von der Vorinstanz festgestellte Sachverhalt
der bundesgerichtlichen Beurteilung zugrunde zu legen. 
 
2.3. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als
erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).
Unzulässig sind damit neue Tatsachen, die bereits der Vorinstanz hätten
vorgelegt werden können (BGE 136 III 123 E. 4.4.3 S. 129). Tatsachen oder
Beweismittel, welche sich auf das vorinstanzliche Prozessthema beziehen, sich
jedoch erst nach dem angefochtenen Entscheid ereignet haben oder entstanden
sind, können von vornherein nicht durch das angefochtene Urteil veranlasst
worden sein. Diese so genannten "echten Noven" sind im bundesgerichtlichen
Verfahren in jedem Fall unzulässig (BGE 139 III 120 E. 3.1.2; 133 IV 342 E. 2.1
S. 344).  
Die Geburt des zweiten Kindes der Beschwerdeführer 1 und 3 am 16. November 2017
stellt ein echtes Novum dar, das im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigt
werden kann. 
 
3.  
 
3.1. Die Niederlassungsbewilligung kann widerrufen werden, wenn die
ausländische Person zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe, d.h. zu einer
solchen von mehr als einem Jahr, verurteilt worden ist (Art. 63 Abs. 1 lit. a
i.V.m. Art. 62 Abs. 1 lit. b AuG [SR 142.20]; BGE 139 I 31 E. 2.1 S. 36). Keine
Rolle spielt, ob die Sanktion bedingt, teilbedingt oder unbedingt ausgesprochen
wurde (BGE 139 I 16 E. 2.1 S. 18; 139 I 31 E. 2.1 S. 32).  
Der Beschwerdeführer 1 wurde im Mai 2006 zu einer Freiheitsstrafe von 18
Monaten und im Oktober 2010 zu einer Freiheitsstrafe von 13 Monaten verurteilt.
Damit liegt ein Widerrufsgrund im Sinne von Art. 63 Abs. 1 lit. a AuG vor. Dies
wird von den Beschwerdeführern nicht bestritten. Sie beanstanden jedoch, der
Widerruf der Niederlassungsbewilligung sei nicht verhältnismässig und verletze
insbesondere Art. 8 EMRK und das Übereinkommen vom 20. November 1989 über die
Rechte des Kindes (Kinderrechtskonvention; KRK; SR 0.107). 
 
3.2. Der Widerruf muss verhältnismässig sein (Art. 96 Abs. 1 AuG), was sich bei
Ausländern, die sich - wie der Beschwerdeführer 1 - auf Art. 8 EMRK berufen
können, auch aus dessen Ziff. 2 ergibt. Bei der Prüfung der
Verhältnismässigkeit des Widerrufs sind insbesondere die Art und Schwere der
vom Betroffenen begangenen Straftaten und des Verschuldens, der Grad der
Integration bzw. die Dauer der bisherigen Anwesenheit in der Schweiz sowie die
dem Betroffenen und seiner Familie drohenden Nachteile zu berücksichtigen.
Keines dieser Elemente ist für sich allein ausschlaggebend; erforderlich ist
eine Würdigung der gesamten Umstände im Einzelfall (BGE 135 II 110 E. 2.1 S.
112). Die Niederlassungsbewilligung eines Ausländers, der sich schon seit
langer Zeit im Land aufhält, soll praxisgemäss nur mit Zurückhaltung widerrufen
werden. Dies gilt angesichts ihrer besonderen Verwurzelung in den hiesigen
Verhältnissen vor allem für ausländische Personen der zweiten Generation (vgl.
Urteil 2C_896/2014 vom 25. April 2015 E. 2.4). Schwere bzw. wiederholte
Straffälligkeit kann jedoch einen Widerruf selbst dann rechtfertigen, wenn der
Betroffene hier geboren ist und sein ganzes bisheriges Leben im Land verbracht
hat. Bei schweren Straftaten, Rückfall und wiederholter Delinquenz besteht -
überwiegende private oder familiäre Bindungen vorbehalten - regelmässig ein
wesentliches öffentliches Interesse daran, die weitere Anwesenheit des Täters
zu beenden, soweit er hochwertige Rechtsgüter verletzt oder in Gefahr gebracht
hat bzw. sich von straf- und ausländerrechtlichen Massnahmen nicht beeindrucken
lässt und damit zeigt, dass er auch künftig weder gewillt noch fähig erscheint,
sich an die hiesige Rechtsordnung zu halten (vgl. BGE 139 I 16 E. 2.1 S. 18 f.,
31 E. 2.1 S. 32 f., 137 II 297 E. 3.3 S. 304).  
 
3.3. Der Beschwerdeführer 1 wurde im Oktober 2010 wegen Vergehens gegen das
Betäubungsmittelgesetz, mehrfachen Vergehens gegen das Waffengesetz, Fahrens in
fahrunfähigem Zustand, Entwendung zum Gebrauch, mehrfachen Fahrens ohne
Führerausweis sowie qualifizierter einfacher Körperverletzung (jeweils begangen
zwischen September 2007 und Oktober 2008) zu einer Freiheitsstrafe von 13
Monaten verurteilt. Die Verurteilung wegen Körperverletzung erfolgte, nachdem
er im Dezember 2007 seinem Opfer eine Flasche Wodka auf den Kopf geschlagen und
ihm anschliessend zusammen mit Mittätern Fusstritte und Faustschläge versetzt
hatte, um es zur Zahlung einer Geldsumme zu bewegen. Das Opfer erlitt eine
Gehirnerschütterung, eine beidseitige Kieferkontusion, eine Rippen- und eine
Abdomenkontusion. Bei einem weiteren Vorfall im März 2008 hatte der
Beschwerdeführer 1 bei einer Auseinandersetzung in einem Lokal seinem Opfer
unvermittelt mit einem Klappmesser gegen den Mund gestochen und ihm danach
einen Faustschlag und eine Kopfnuss versetzt, was beim Opfer mehrere
Rissquetschwunden zur Folge hatte.  
Bereits im Dezember 2005 war der Beschwerdeführer 1 u.a. wegen Raubdelikten zu
einer längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Zusammen mit vier
Mittätern hatte er im September 2004 unbekannte Passanten misshandelt, um ihnen
die Geldbörse zu entreissen. 
Zwar trifft zu, wie die Beschwerdeführer geltend machen, dass die Taten schon
mehrere Jahre zurückliegen. Zudem war der Beschwerdeführer 1 bei Begehung des
Raubdeliktes erst 18 Jahre alt und gehörte somit einer Altersgruppe an, deren
Persönlichkeitsentwicklung nicht abgeschlossen ist und sich regelmässig noch
positiv beeinflussen lässt. 
Diese Umstände vermögen jedoch das ausländerrechtliche Verschulden und damit
das sicherheitspolizeiliche Interesse an einer Ausreise des Beschwerdeführers 1
nur begrenzt zu relativieren, da er auch als Erwachsener wiederholt durch
Gewalttaten auffiel und sich durch bereits ergangene strafrechtliche
Verurteilungen nicht von erneuter Delinquenz abhalten liess. Besonders negativ
fällt ins Gewicht, dass er im Jahr 2015 erneut wegen Körperverletzung zu einer
Freiheitsstrafe verurteilt wurde, nachdem er seinem Opfer im Jahr 2014 zwei Mal
im Abstand von einem Monat mit der Faust einen heftigen Schlag gegen den
Kieferbereich versetzt hatte. Unbehelflich ist die diesbezügliche Behauptung
der Beschwerdeführer, es habe sich um eine Privatangelegenheit gehandelt, die
aus dem Ruder gelaufen sei. Die Beschwerdeführer übersehen, dass der
Beschwerdeführer 1 seinem Opfer heftige Schläge versetzt hat und nicht wegen
geringfügiger Tätlichkeiten, sondern wegen einfacher Körperverletzung
verurteilt wurde. Angesichts dieser erneuten Straftat drängt sich der Schluss
auf, dass der Beschwerdeführer 1 zu gewalttätigen Verhaltensmustern neigt,
wurde er doch zwischen 2005 und 2015 insgesamt vier Mal wegen Straftaten gegen
die körperliche Integrität verurteilt. Auch mit der Behauptung, bei den übrigen
Vorstrafen bis zum Urteil des Obergerichts im Oktober 2010 handle es sich um
keine schweren Delikte, versuchen die Beschwerdeführer vergeblich, das
Verhalten des Beschwerdeführers 1 zu bagatellisieren. Neben wiederholten
Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz und das Waffengesetz wurde der
Beschwerdeführer 1 auch wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand verurteilt,
womit er Leib und Leben anderer erheblich gefährdete. 
Die Gewaltbereitschaft des Beschwerdeführers 1 ergibt sich auch aus dem
Risikoabklärungsbericht des Amtes für Justizvollzug des Kantons Zürich vom 19.
April 2011. Dort wird aufgeführt, dass im Rahmen der Gewaltdelikte des
Beschwerdeführers 1 dissoziale Persönlichkeitsanteile, ein hoher
Psychopathiewert sowie eine defizitäre Impuls- und Verhaltenssteuerung bei
erhöhter Aggressivität und Gewaltbereitschaft deliktrelevant seien. Der
Vollzugsbericht des Amtes für Justizvollzug vom 14. Mai 2013 wertete
insbesondere als legalprognostisch negative Faktoren das wiederholte Missachten
von Grenzen und Rechten, Regeln und Normen, den problematischen Konsum von
psychoaktiven Substanzen, das prokriminelle Umfeld und die instrumentelle
Gewaltanwendung. 
 
3.4. Der Beschwerdeführer 1 macht geltend, der unschuldig erlittene
Gefängnisaufenthalt habe ihn definitiv geläutert und auf den rechten Weg
gebracht.  
 
3.4.1. Das Bundesgericht verkennt nicht, dass Straftäter zu biographischen
Kehrtwenden fähig sind. Wenn es um die Wegweisung von langjährig anwesenden
ausländischen Personen geht, ist für das Bundesgericht von zentraler Bedeutung
die Frage, welche Zukunftsaussichten für den Betroffenen bei einem Verbleib in
der Schweiz konkret bestehen, d.h. ob und inwiefern er aus den strafrechtlichen
Sanktionen Lehren gezogen hat und hinsichtlich seines Lebensplans und seines
künftigen Verhaltens eine deutliche Änderung glaubhaft und nachvollziehbar
dartun kann (vgl. Urteile 2C_50/2018 vom 14. August 2018 E. 5.1 und 2C_532/2017
vom 26. März 2018 E. 5).  
 
3.4.2. Vorliegend sind keine genügenden Anhaltspunkte für eine glaubwürdige
Haltungsänderung des Beschwerdeführers 1 ersichtlich. Soweit er geltend macht,
er sei seit der Geburt seiner Tochter zum Familienmenschen mutiert, gehe wenig
aus und halte sich von Problemen fern, muss er sich entgegenhalten lassen, dass
er auch nach der Geburt seiner Tochter (Oktober 2014) erneut gegen das
Waffengesetz verstossen hat (Dezember 2015). Auch dass er nach eigenen Angaben
seit mehr als einem Jahr keinen Alkohol mehr konsumiere, lässt noch nicht auf
ein zukünftiges Wohlverhalten schliessen. Sein Wunsch, zu einem nützlichen Teil
der Gesellschaft zu werden, ist zwar lobenswert. Allerdings verfügt er weder
über einen Schulabschluss noch eine Berufsausbildung und äussert nicht die
Absicht, das eine oder andere nachzuholen. In der Vergangenheit war er die
meiste Zeit arbeitslos und hat über Jahre hinweg Sozialhilfe bezogen. Zwar gibt
er an, seit Juli 2017 einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Von einer sich
stabilisierenden wirtschaftlichen Integration kann jedoch keine Rede sein.
Insgesamt sind die Ausführungen in der Beschwerdeschrift nicht geeignet,
glaubhaft und nachvollziehbar aufzuzeigen, dass der Beschwerdeführer 1
tatsächlich einen Richtungswechsel vollzogen und mit seiner deliktischen
Vergangenheit abgeschlossen hat.  
Wenn die Vorinstanz in einer Gesamtbetrachtung zum Schluss kommt, dass vom
Beschwerdeführer 1 nach wie vor eine Gefahr ausgehen könnte, und angesichts der
Art und des Ausmasses seiner bisherigen Delinquenz das öffentliche Interesse an
seiner Wegweisung als erheblich einstuft, ist dies mit Blick auf die gesamten
Umstände nicht zu beanstanden. 
Soweit der Beschwerdeführer 1 ins Feld führt, aufgrund seiner erlittenen
Überhaft sei in Form einer Wiedergutmachung das öffentliche Interesse an seiner
Wegweisung zu relativieren, kann ihm nicht gefolgt werden. Für die Überhaft hat
er eine entsprechende Genugtuung erhalten. Der Umstand, dass sich der
Beschwerdeführer 1 in Haft befand und später freigesprochen wurde, vermag nicht
die Gefahr zu relativieren, die nach dem Gesagten nach wie vor von ihm
ausgeht. 
 
4.  
Das erhebliche sicherheitspolizeiliche Interesse an der Fernhaltung des
Beschwerdeführers 1 kann nur durch entsprechend gewichtige private Interessen
aufgewogen werden, d.h. wenn aussergewöhnlich schwerwiegende Umstände gegen
eine Ausreise sprechen würden. In diesem Zusammenhang sind die persönlichen
Verhältnisse des Beschwerdeführers zu prüfen. 
 
4.1. Der heute 32-jährige Beschwerdeführer 1 hielt sich im Zeitpunkt des
angefochtenen Urteils seit über 20 Jahren in der Schweiz auf. Aufgrund dieser
langen Anwesenheit würde ihn eine Rückkehr in sein Heimatland zweifellos hart
treffen. Zwar ist er sprachlich integriert, jedoch muss ihm aufgrund der
Delinquenz die soziale Integration abgesprochen werden. Daran ändert nichts,
dass er seit 2017 eine Juniorenfussballmannschaft trainiert. Wie bereits
erwähnt, kann er auch nicht als wirtschaftlich integriert bezeichnet werden, so
dass eine Ausreise nicht mit der Aufgabe eines stabilen beruflichen Umfelds
verbunden wäre. Den Kontakt zu seinem Heimatland Nigeria hat er nicht
abgebrochen. Gemäss Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz hielt er sich
zwischen Oktober 2003 und Oktober 2004 während längerer Zeit in seinem
Heimatland auf. Auch im Jahr 2013 war er nach eigenen Angaben für einen Monat
in Nigeria. Dort hat er zudem mehrere Halbgeschwister. Eine Rückkehr nach
Nigeria wird für ihn zweifellos anfänglich mit Schwierigkeiten verbunden sein,
die jedoch nicht unüberwindlich erscheinen. Insgesamt ist dem noch jungen und
gesunden Beschwerdeführer 1 zuzumuten, in seinem Heimatland wieder Fuss zu
fassen und sich dort eine neue Existenz aufzubauen.  
 
4.2. Die Würdigung der familiären Verhältnisse vermag an dieser Einschätzung
nichts zu ändern. Der Beschwerdeführer 1 lebt mit einer Schweizer Bürgerin
zusammen und hat eine knapp vierjährige Tochter, die ebenfalls das Schweizer
Bürgerrecht besitzt. Seine Ausreise hat womöglich die Trennung von der Familie
zur Folge. Die Beschwerdeführer machen geltend, dass der Familie eine solche
Trennung nicht zuzumuten sei und insbesondere das Wohl der Tochter gefährden
würde.  
 
4.3. Es steht ausser Frage, dass eine räumliche Trennung des Beschwerdeführers
1 von seiner Lebensgefährtin und seiner Tochter einen grossen Eingriff in das
Familienleben darstellen würde, weil diesfalls die Beziehungen nur noch unter
erschwerten Bedingungen gelebt werden könnten. Das Kindesinteresse ist bei
allen Entscheiden vorrangig zu berücksichtigen, was ausländerrechtlich im
Rahmen der Interessenabwägung von Art. 8 Ziff. 2 EMRK zu geschehen hat, da die
Kinderrechtskonvention und der Anspruch auf Schutz der Kinder und Jugendlichen
(Art. 11 BV) praxisgemäss keine über die Garantien von Art. 8 EMRK
hinausgehenden eigenständigen Bewilligungsansprüche verschaffen (vgl. BGE 143 I
21 E. 5.5.2 S. 30 mit Hinweisen). Das Bundesgericht verkennt somit nicht, dass
die Beschwerdeführerin 2 ein vorrangig zu berücksichtigendes Interesse daran
hat, mit ihrem Vater aufzuwachsen. Rechtsprechungsgemäss ist allerdings zu
berücksichtigen, dass je schwerer die begangene Rechtsgutverletzung wiegt bzw.
je häufiger ein ausländischer Elternteil delinquiert hat, desto eher das
öffentliche Interesse an einer Ausreise des Straftäters selbst das Interesse
seiner Kinder zu überwiegen vermag, durch beide Elternteile in der Schweiz
ständig betreut zu werden (vgl. Urteil 2C_80/2017 vom 8. September 2017 E.
3.2.3 mit Hinweisen). Diese Gewichtung erscheint auch mit Blick darauf
angezeigt, dass der Umstand, wonach ein Kind bei einem Elternteil aufwachsen
kann, nicht einfach pauschal als immer positiv für das Kindeswohl qualifiziert
werden kann, sondern insbesondere ein Zusammenleben von Kindern mit
delinquenten und sozial nicht eingegliederten Elternteilen unter Umständen das
Kindeswohl auch negativ beeinflussen kann (Urteil 2C_408/2017 vom 12. Februar
2018 E. 4.5.2 mit Hinweis).  
Mit Blick auf das Verschulden des Beschwerdeführers 1, welcher sich über Jahre
hinweg immer wieder dazu entschlossen hat, das Gesetz zu brechen und wiederholt
Gewalttaten begangen hat, ist nicht zu beanstanden, dass ihm die Vorinstanz die
Fortführung des verfas-sungs- und konventionsrechtlich geschützten
Familienlebens in der Schweiz verweigert hat. Die Beschwerdeführerin 3 muss
sich entgegenhalten lassen, dass der Beschwerdeführer 1 bereits vor der Zeugung
des gemeinsamen Kindes vorbestraft war. Sie konnte daher nicht damit rechnen,
die Beziehung bzw. das Familienleben dauerhaft in der Schweiz leben zu können
(vgl. Urteile 2C_764/2013 vom 15. April 2014 E. 3.4; 2C_995/2013 vom 24. April
2014 E. 3.2; 2C_873/2012 vom 28. März 2013 E. 4.2.4). Das erhebliche
öffentliche Interesse an der Entfernung des Beschwerdeführers 1 überwiegt sein
privates Interesse sowie dasjenige der Beschwerdeführerinnen 2 und 3 an seinem
weiteren Verbleib in der Schweiz. 
 
4.4. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Wegweisung aufgrund von
strafrechtlichen Verurteilungen die Erteilung einer neuen
Aufenthaltsbewilligung nicht zwingend ein für allemal verunmöglicht. Soweit die
ausländische Person, gegen die Entfernungsmassnahmen ergriffen wurden, einen
Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung besitzt, kann nach
einer gewissen Zeit, in der Regel nach fünf Jahren, eine Neubeurteilung
angezeigt sein, sofern die betreffende Person das Land verlassen und sich in
dieser Zeit bewährt hat (vgl. Urteil 2C_270/2017 vom 30. November 2017 E. 3.7
mit Hinweisen).  
 
5.  
 
5.1. Nach dem Gesagten verletzt der angefochtene Entscheid weder Konventions-
noch Bundesrecht. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist
abzuweisen.  
 
5.2. Die bedürftigen Beschwerdeführer ersuchen für diesen Fall um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Da ihre Eingabe nicht zum
Vornherein aussichtslos war, kann dem Antrag entsprochen werden (Art. 64 BGG).
Der Beizug eines Rechtsvertreters ist in einer Streitsache wie der vorliegenden
notwendig. Rechtsanwältin Inge Mokry ist als unentgeltliche Rechtsbeiständin
der Beschwerdeführer zu bestellen. Als solche hat sie Anspruch auf eine
angemessene Entschädigung (Art. 64 Abs. 2 BGG).  
 
5.3. Parteientschädigungen werden keine zugesprochen (Art. 68 Abs. 3 BGG).  
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen. 
 
3.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
4.  
Den Beschwerdeführern wird Rechtsanwältin Inge Mokry, Zürich, als
unentgeltliche Rechtsbeiständin beigegeben; diese wird aus der
Bundesgerichtskasse mit Fr. 2'000.-- entschädigt. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich, 2. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration
schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 26. September 2018 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Petry 

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