Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.866/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
2C_866/2017  
 
 
Urteil vom 7. März 2018  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Zünd, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Bundesrichter Haag, 
Gerichtsschreiber Hugi Yar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Gregor Münch, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Zürich, 
Berninastrasse 45, 8090 Zürich, 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, 
Neumühlequai 10, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Erlöschen der Niederlassungsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4.
Abteilung, vom 6. September 2017 (VB.2017.00483). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________ (geb. 1978) ist serbischer Staatsbürger und kam am 15. Januar
1982 im Familiennachzug in die Schweiz. Er soll in der Folge den Kindergarten
und die Unterstufe in seinem Heimatland besucht haben, bevor er im 10.
Altersjahr wieder in die Schweiz einreiste. Seit dem 8. Juli 1991 verfügt er
über eine Niederlassungsbewilligung - seit 2012 (wieder) im Kanton Zürich. Aus
der Beziehung mit der Schweizer Staatsangehörigen B.________ (geb. 1979) gingen
am 19. Dezember 2004 der Sohn C.________ und am 4. Februar 2008 die Tochter
D.________ hervor, welche beide über die schweizerische Staatsbürgerschaft
verfügen. Das Sorge- und Betreuungsrecht wird durch die Mutter der beiden
Kinder wahrgenommen.  
 
A.b. A.________ beging in der Schweiz mehrere Straftaten: Unter anderem
verurteilte das Kantonsgericht St. Gallen ihn am 4. Juli 2007 zu 30 Monaten
Freiheitsstrafe (davon 20 Monate bedingt) wegen versuchten Raubs und Vergehens
gegen das Waffengesetz (begangen am 5. Juli 2003; als Gesamtstrafe unter
Einbezug einer Verurteilung vom 6. Dezember 2000 wegen Verbrechens im Sinne des
Betäubungsmittelgesetzes). Das Ausländeramt des Kantons St. Gallen verwarnte
A.________ in diesem Zusammenhang am 29. Oktober 2008 und drohte ihm bei einer
weiteren Straffälligkeit den Widerruf der Niederlassungsbewilligung an.  
 
B.  
A.________ sprach am 15. Februar 2016 am Schalter der Regionalpolizei Lenzburg
vor, wobei er angab, sich von April 2015 bis Februar 2016 in Serbien
aufgehalten zu haben, nachdem er den Kanton Aargau bis am 6. März 2015 zu
verlassen hatte, da ihm wegen seiner Straffälligkeit ein Kantonswechsel
verweigert worden war. Mit Verfügung vom 3. August 2016 stellte das
Migrationsamt des Kantons Zürich fest, dass die Niederlassungsbewilligung von
A.________ erloschen sei; gleichzeitig wies es dessen Gesuch von 8. März 2016
ab, ihm eine Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung zu erteilen; es hielt
ihn an, das Land bis zum 3. Oktober 2016 zu verlassen. Die kantonalen
Rechtsmittel hiergegen blieben ohne Erfolg (Rekursentscheid der
Sicherheitsdirektion vom 23. Juni 2017 und Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich vom 6. September 2017). 
 
C.  
A.________ beantragt vor Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich vom 6. September 2017 aufzuheben und festzustellen, dass seine
Niederlassungsbewilligung nicht erloschen sei; eventuell sei ihm erneut eine
Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Subeventuell sei das
Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und dieses anzuhalten, zu prüfen, ob
ihm für den Umgang mit seinen Kindern gestützt auf Art. 8 EMRK eine Bewilligung
zu erteilen bzw. ihm im Rahmen von Art. 30 Abs. 1 lit. k AuG (SR 142.20) eine
solche ermessensweise erleichtert auszustellen sei. A.________ macht geltend,
das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt hinsichtlich seiner
Landesabwesenheit willkürlich gewürdigt und seinen Anspruch auf rechtliches
Gehör insofern verletzt, als es trotz der von ihm beigebrachten Unterlagen
davon abgesehen habe, im Rahmen der Untersuchungsmaxime den Sachverhalt zu
vertiefen. Die Vorinstanz habe es im Übrigen - wiederum in Verletzung seines
Anspruchs auf rechtliches Gehör - unterlassen, auf seinen Antrag auf
Neuerteilung einer Bewilligung einzugehen. 
Die Rekursabteilung der Sicherheitsdirektion und das Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich haben darauf verzichtet, sich zur Beschwerde zu äussern. Vom
Staatssekretariat für Migration (SEM) ging keine Stellungnahme ein. A.________
liess dem Gericht am 6. Dezember 2017 ergänzend zwei Schreiben seiner Kinder
zukommen. 
Mit Verfügung vom 10. Oktober 2017 legte der Abteilungspräsident der Beschwerde
antragsgemäss aufschiebende Wirkung bei. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen die Feststellung des Erlöschens
der Niederlassungsbewilligung bzw. die Verweigerung einer in vertretbarer Weise
geltend gemachten Anspruchsbewilligung nach Art. 8 EMRK zulässig, hingegen
nicht gegen die Weigerung, eine Ermessensbewilligung zu erteilen (Art. 30 Abs.
1 lit. k AuG; Art. 82 lit. a, 83 lit. c Ziff. 2 [e contrario], Art. 86 Abs. 1
lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG; BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4; Urteil 2C_691/
2017 vom 18. Januar 2018 E. 1). Diesbezüglich steht die subsidiäre
Verfassungsbeschwerde offen: In deren Rahmen können grundsätzlich jedoch nur
Rügen bezüglich verfahrensrechtlicher Punkte erhoben werden, deren Verletzung
einer formellen Rechtsverweigerung gleichkommt und die das Gericht von der
Bewilligungsfrage getrennt beurteilen kann ("Star"-Praxis; BGE 114 Ia 307 E. 3c
S. 312 f. [zum OG]; 123 I 25 E. 1 S. 26 f.; 137 II 305 E. 2 und 4).  
 
1.2. Der Beschwerdeführer rügt eine formelle Rechtsverweigerung im Hinblick auf
Art. 30 Abs. 1 lit. k AuG, weil die Vorinstanz in diesem Punkt auf seine
Beschwerde nicht eingetreten sei. Danach kann von den gesetzlichen
Zulassungsvoraussetzungen (Art. 18 bis 29 AuG) ermessensweise abgewichen
werden, um die Wiederzulassung von ausländischen Personen zu erleichtern, die
bereits im Besitz einer Bewilligung gewesen sind. Die entsprechende formelle
Rüge (unzulässiges Nichteintreten) kann im Rahmen der subsidiären
Verfassungsbeschwerde erhoben werden. Auf die durch den angefochtenen Entscheid
in eigenen schutzwürdigen Interessen betroffenen Beschwerdeführer frist- (vgl. 
Art. 100 Abs. 1 BGG) und grundsätzlich auch formgerecht (Art. 42 und 106 BGG)
eingereichte Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten bzw.
subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist - unter nachstehenden Vorbehalten -
einzutreten.  
 
1.3.  
 
1.3.1. Die Beschwerdebegründung muss praxisgemäss in der Eingabe an das
Bundesgericht selber enthalten sein; pauschale Verweise auf Eingaben an die
vorinstanzlichen Behörden genügen den verfahrensrechtlichen Vorgaben vor
Bundesgericht nicht. Die Beschwerdebegründung soll eine effiziente
Entscheidfindung erleichtern. Soweit der Beschwerdeführer auf seine
Rechtsschriften im kantonalen Verfahren verweist und diese dadurch zum Inhalt
seiner Eingabe an das Bundesgericht machen will (S. 4 der Beschwerdeschrift),
ist auf die dortigen Ausführungen nicht einzugehen (vgl. das Urteil 2C_751/2017
vom 21. Dezember 2017 E. 1.2 mit Hinweisen; BGE 133 II 396 E. 3.2 S. 400).  
 
1.3.2. Nicht weiter zu berücksichtigen sind im Übrigen die vom Beschwerdeführer
am 6. Dezember 2017 eingereichten (undatierten) Schreiben seiner beiden Kinder:
Neue Tatsachen und Beweismittel kann das Bundesgericht nur berücksichtigen,
soweit der angefochtene Entscheid hierzu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE
136 II 497 E. 3.3 S. 500 f.). Es wäre am Beschwerdeführer gewesen, die
entsprechenden Unterlagen allenfalls rechtzeitig in die kantonalen Verfahren
einzubringen; das Verwaltungsgericht hat es - im Rahmen der Beschränkung des
Streitgegenstandes, deren Zulässigkeit noch zu beurteilen sein wird (vgl. unten
E. 4) - abgelehnt, die Frage nach einem allfälligen Bewilligungsanspruch
gestützt auf Art. 8 EMRK zu prüfen, sodass die nachgereichten Unterlagen im
bundesgerichtlichen Verfahren sich zum Vornherein nicht als entscheidrelevant
erweisen.  
 
1.3.3. Das Bundesgericht prüft unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und
Begründungspflicht nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern die rechtlichen
Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).
Bezüglich des Sachverhalts ist es an die Feststellungen der Vorinstanz gebunden
(Art. 105 Abs. 1 BGG); es kann diese nur berichtigen oder ergänzen, falls sie
sich in einem entscheidwesentlichen Punkt als offensichtlich falsch oder
unvollständig erweisen (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S.
254 f.; 133 III 350 E. 1.3 S. 351 f.). Zur Sachverhaltsfeststellung gehört auch
die auf Indizien gestützte Beweiswürdigung (Urteil 2C_625/2017 vom 13. Dezember
2017 E. 1.2). Obwohl nicht ausdrücklich im Gesetz erwähnt, beruht auch die 
unvollständige Sachverhaltsfeststellung auf einer Rechtsverletzung: Was
rechtserheblich ist, bestimmt sich nach dem materiellen Recht; eine in
Verkennung der Rechtserheblichkeit unvollständige Ermittlung der für die
rechtliche Beurteilung massgebenden Tatsachen verletzt deshalb direkt die
anzuwendende materielle Norm (vgl. Art. 105 Abs. 2 i. V.m. Art. 95 BGG; BGE 136
II 65 E. 1.4 S. 68). Will die beschwerdeführende Person ihrerseits den
Sachverhalt infrage stellen, muss sie rechtsgenügend dartun, dass und inwiefern
dieser in einem grundlegenden Punkt klar und eindeutig mangelhaft oder
unvollständig erstellt wurde (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.3
S. 254 f.; 133 III 350 E. 1.3, 393 E. 7.1, 462 E. 2.4). Sie hat sich im Übrigen
in rechtlicher wie sachverhaltsmässiger Hinsicht mit den Ausführungen im
angefochtenen Entscheid im Einzelnen sachbezogen auseinanderzusetzen. Soweit
die Darlegungen in der Beschwerdeschrift diesen Vorgaben nicht genügen - der
Beschwerdeführer teilweise rein appellatorisch wiederholt, was er bereits im
kantonalen Verfahren vorgebracht hat -, wird auf seine Kritik nicht weiter
eingegangen.  
 
2.  
 
2.1. Verlässt eine niederlassungsberechtigte Person die Schweiz, ohne sich
abzumelden, erlischt die Niederlassungsbewilligung nach sechs Monaten (Art. 62
Abs. 2 Satz 1 AuG). Auf Gesuch hin kann sie während vier Jahren
aufrechterhalten werden (Art. 61 Abs. 2 Satz 2 AuG). Dauert der tatsächliche
Aufenthalt im Ausland länger als sechs Monate, erlischt die
Niederlassungsbewilligung praxisgemäss unabhängig von den Ursachen, Motiven
oder Absichten der betroffenen Person im Zusammenhang mit ihrer
Landesabwesenheit (Urteile 2C_461/2012 vom 7. November 2012 E. 2.4.1 und 2C_609
/2011 vom 3. April 2012 E. 3.2, je mit Hinweisen); es genügt, wenn sich die
ausländische Person während sechs aufeinanderfolgenden Monaten fortwährend im
Ausland aufhält (BGE 120 Ib 369 E. 2c S. 372).  
 
2.2. Eine gesamthaft sechs Monate dauernde Abwesenheit mit Unterbrüchen lässt
die Niederlassungsbewilligung nicht erlöschen. Nur wenn die ausländische Person
den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen ins Ausland verlegt hat, wird die
sechsmonatige Frist durch eine vorübergehende Rückkehr in die Schweiz zu
Geschäfts- oder Besuchszwecken nicht mehr unterbrochen (vgl. Art. 79 Abs. 1
VZAE; BGE 120 Ib 369 E. 2c und d S. 372 f. mit Hinweisen; Urteil 2C_405/2015
vom 23. Oktober 2015 E. 2.2; Weisungen des SEM, I. Ausländerbereich, Ziff.
3.4.4 [Version: 25.10.2013; Stand: 6.01.2018]; ANDREAS ZÜND/LADINA ARQUINT
HILL, § 8 Beendigung der Anwesenheit, Entfernung und Fernhaltung, in: Uebersax
et al. [Hrsg.], Ausländerrecht, 2. Aufl. 2009, N. 8.9).  
 
3.  
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe den Sachverhalt
willkürlich (Art. 9 BV) festgestellt und seinen Anspruch auf rechtliches Gehör
(Art. 29 BV) insofern verletzt, als sie auf die von ihm eingereichten
Unterlagen, welche die Aufrechterhaltung seines Lebensmittelpunktes und seines
regelmässigen Aufenthalts in der Schweiz belegten, nicht weiter eingegangen
sei. 
 
3.1.  
 
3.1.1. Nach Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien in behördlichen Verfahren
Anspruch auf rechtliches Gehör. Dazu gehört, dass die Behörde alle erheblichen
und rechtzeitigen Vorbringen der Parteien würdigt und die ihr angebotenen
Beweise abnimmt, wenn diese zur Abklärung des Sachverhalts tauglich erscheinen.
Umgekehrt müssen angebotene Beweise nicht abgenommen werden, wenn sie entweder
eine rechtlich nicht erhebliche Frage betreffen oder wenn sie von vornherein am
festgestellten Ergebnis nichts zu ändern vermögen (antizipierte
Beweiswürdigung; vgl. BGE 130 II 425 E. 2.1 S. 424 f. mit Hinweisen). Bei der
Abweisung von Beweisanträgen in antizipierter Beweiswürdigung ist Zurückhaltung
geboten, wird damit doch der Anspruch auf rechtliches Gehör eingeschränkt. Es
darf nicht leichthin angenommen werden, dass das Beweisergebnis aufgrund der
bereits abgenommenen Beweise feststeht. Lehnt die Behörde den Beweisantrag ab,
hat sie nicht nur darzulegen, weshalb sie aufgrund der bereits abgenommenen
Beweise eine bestimmte Überzeugung gewonnen hat, sondern grundsätzlich auch,
weshalb die beantragte Beweismassnahme aus ihrer Sicht nichts an ihrer
Überzeugung zu ändern vermag (Urteil 2C_400/2015 vom 31. Mai 2016 E. 4.2).  
 
3.1.2. Dem Betroffenen obliegt dabei sowohl nach der allgemeinen Regel von Art.
13 VwVG als auch gemäss der speziellen Bestimmung von Art. 90 AuG eine
Mitwirkungspflicht. Die verfügende Behörde hat im Rahmen der
Untersuchungsmaxime abzuklären, ob der gesetzlich verlangte Auslandaufenthalt
tatsächlich ununterbrochen war. Im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten ist es am
Betroffenen, darzutun, dass er in der Schweiz verblieben ist bzw. er seinen
Lebensmittelpunkt nicht verlagert hat. Als Indizien hierfür dienen etwa ein
Mietvertrag, eine Bestätigung Dritter, Telefonrechnungen, Zahlungsbelege usw.
(vgl. MARC SPESCHA, in: Spescha/Thür/Zünd/Bolzli/Hruschka [Hrsg.], Kommentar
Migrationsrecht, 4. Aufl. 2015, N. 5a zu Art. 61 AuG). Nach der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist es zulässig, wenn das Sachgericht
relativ einfach beibringbare minimale Sachbeweise verlangt und voraussetzt,
dass der Standpunkt des Betroffenen einigermassen glaubhaft erscheint, bevor es
im Rahmen der Untersuchungsmaxime Zeugen, Auskunftspersonen oder die betroffene
Person und deren Angehörige befragt (Urteil 2C_81/2011 vom 1. September 2011 E.
3.7).  
 
3.2.  
 
3.2.1. Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass der Beschwerdeführer sich
tatsächlich länger als sechs Monate in Serbien aufgehalten und seinen
Lebensmittelpunkt dorthin verschoben hat. Es stützte sich dabei im Wesentlichen
auf dessen Erklärung gegenüber der Regionalpolizei Lenzburg, von April 2015 bis
Februar 2016 in Serbien gelebt zu haben. Seit seiner Rückkehr wohne er bei
einem Kollegen in Kloten. Dieser hat am 15. Februar 2016 den entsprechenden
Sachverhalt auf polizeiliche Nachfrage hin offenbar telefonisch bestätigt. Am
8. März 2016 meldete sich der Beschwerdeführer in Kloten an, wobei er diesmal
unterschriftlich erklärte, am 29. Februar 2016 in die Schweiz eingereist zu
sein. Seine Einwände, er habe wegen der unterlassenen Unterhaltszahlungen bei
der Polizei am 15. Februar 2016 zu seinem Schutz gelogen und bei der Anmeldung
in Kloten bloss ungelesen das durch die Kanzleibeamtin ausgefüllte Formular
unterschrieben, ändere - so der angefochtene Entscheid - nichts daran, dass er
die entsprechende Erklärung jeweils so abgegeben habe. Die von ihm zu den Akten
gegebenen Schriftstücke seien unter diesen Umständen nicht geeignet, das
Gegenteil zu beweisen.  
 
3.2.2. Der Beschwerdeführer hat verschiedene Unterlagen eingereicht, die
belegen sollen, dass er sich - entgegen seinen falschen Schutzbehauptungen - in
der umstrittenen Zeit tatsächlich weitgehend in der Schweiz aufgehalten habe
und nur besuchsweise bei seiner Familie in Serbien gewesen sei: Er beruft sich
in diesem Zusammenhang auf einen Vollzugsbericht der Kantonspolizei Aargau,
woraus sich ergibt, dass er am 29. Mai 2015 um 23:52 Uhr als Beifahrer in einem
Personenwagen angehalten und kontrolliert wurde; auf eine am 5. Januar 2016
ausgestellte Quittung für das Bezahlen einer Busse; auf Rechnungskopien für
sein Mobiltelefon, aus denen sich ergibt, dass im September und November 2015
sowie im Januar 2016 sein Telefon benutzt worden ist sowie auf verschiedene
datierte und teilweise mit "Geo-Tag" versehene Fotos auf seinem
Facebook-Account, welche belegen sollen, dass er sich am 20. Juli, 26. August,
9. November, 16. November, 11. Dezember und 19. Dezember 2015 sowie am 2.
Februar 2016 in der Schweiz aufgehalten hat. Zwar ging die Vorinstanz davon
aus, dass die Einzahlungen und der Handygebrauch durch Dritte erfolgt sein
könnten und die Fotos wenig aussagekräftig seien, da der Entstehungszeitpunkt
und -ort "unklar" erschienen. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der
Beschwerdeführer sich - mit einem Unterbruch vom 4. bis zum 10. Altersjahr - in
der Schweiz aufgehalten hat, hier sozialisiert worden ist und mit Unterbrüchen
seit Jahren im Land gearbeitet und die Beziehung zu seinen Kindern gepflegt
hat, erscheint es gestützt auf die von ihm eingereichten Unterlagen fraglich,
ob er seinen Lebensmittelpunkt tatsächlich nach Serbien verlegt hat, sodass
seine punktuellen Anwesenheiten in der Schweiz nicht mehr geeignet waren, die
Frist von sechs Monaten zu unterbrechen. Im Hinblick auf die Auswirkungen des
Erlöschens der Niederlassungsbewilligung bei einer Person, die sich wie der
Beschwerdeführer seit Jahren bzw. Jahrzehnten in der Schweiz aufgehalten hat,
sind diesbezüglich besonders sorgfältige Abklärungen erforderlich.  
 
3.2.3. Die Vorinstanz hat den Sachverhalt gestützt auf die eingereichten
Unterlagen - wie der Beschwerdeführer zu Recht rügt - vorliegend offensichtlich
unvollständig festgestellt: Ihre Vermutungen, wonach seine ehemalige Partnerin
und sein Freund lediglich "Gefälligkeitserklärungen" abgegeben hätten, genügt
im Hinblick auf die eingereichten Dokumente nicht, um die rechtliche Frage
abschliessend zu prüfen, ob die Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers
tatsächlich erloschen ist oder nicht: Seine frühere Partnerin erklärte am 13.
Mai 2016 schriftlich, dass der Beschwerdeführer während rund drei Monaten in
Serbien gewesen sei und sich danach in Kloten aufgehalten habe, wobei er wieder
regelmässig persönlichen und telefonischen Kontakt mit ihr und den Kindern
gehabt habe. Der Freund des Beschwerdeführers bestätigte seinerseits am 23.
Juni 2016 schriftlich, dass dieser seit anfangs Juni 2015 bis Ende Januar 2016
bei ihm gewohnt und er ihn unterstützt habe, da der Beschwerdeführer arbeitslos
gewesen sei und sich um eine neue Stelle bemüht habe. Unter diesen Umständen,
welche an der dauerhaften Verlegung seines Lebensmittelpunkts nach Serbien
zweifeln lassen, gleichzeitig aber nicht widerspruchsfrei sind, hätte die
Vorinstanz den Beschwerdeführer, dessen Freund und die frühere Lebenspartnerin
und Mutter seiner Kinder vor ihrem Entscheid zu den Widersprüchen anhören
müssen. Ihre antizipierte Beweiswürdigung ohne weitere Abklärungen genügt den
verfassungs- und verfahrensrechtlichen Vorgaben nicht; das Verwaltungsgericht
hat nicht überzeugend dargelegt, warum die einzelnen vom Beschwerdeführer
eingereichten Unterlagen nicht geeignet wären, seinen Aufenthalt in der Schweiz
zu belegen. Soweit die Vorinstanz sich dazu geäussert hat, beschränkt sich ihre
Begründung auf nicht erstellte Möglichkeiten und reine Vermutungen
("Gefälligkeitserklärungen"). Die Sache ist deshalb an sie zurückzuweisen, um
den Sachverhalt durch Befragungen zu ergänzen und hernach erneut darüber zu
befinden, wo der Beschwerdeführer seinen Lebensmittelpunkt hatte und ob er die
Schweiz während mehr als sechs Monate verlassen hat oder nicht.  
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer rügt, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht den
Verfahrensgegenstand auf die Frage beschränkt, ob seine
Niederlassungsbewilligung erloschen sei; er habe indessen auch beantragt, es
sei ihm allenfalls eine neue Bewilligung gestützt auf Art. 8 EMRK bzw. Art. 30
Abs. 1 lit. k AuG zu erteilen. Indem das Verwaltungsgericht seine Ausführungen
zu diesen Punkten nicht behandelte, habe es eine formelle Rechtsverweigerung
begangen. Die Rüge ist begründet: Verfahrensgegenstand vor dem Migrationsamt
bildete einerseits die Frage, ob die Niederlassungsbewilligung des
Beschwerdeführers als erloschen zu gelten hatte, andererseits das Gesuch vom 8.
März 2016, ihm gestützt auf Art. 8 EMRK eine Anspruchsbewilligung wegen der
Beziehung zu seinen Kindern bzw. eine Ermessensbewilligung im Rahmen von Art.
30 Abs. 1 lit. k AuG zu erteilen.  
 
4.2. Zutreffend ist, dass vor der Sicherheitsdirektion die Frage der
Neuerteilung einer Bewilligung vom Beschwerdeführer nicht ausdrücklich
thematisiert wurde, immerhin beantragte er aber doch, die ganze Verfügung des
Migrationsamts aufzuheben, d.h. auch jenen Teil des Dispositivs, der seinen
Antrag betraf, ihm eine (neue) Bewilligung zu erteilen. Die entsprechende
Problematik bildete insofern Gegenstand des Rekursverfahrens, als die
Sicherheitsdirektion zwar feststellte, dass der Beschwerdeführer nicht weiter
begründe, inwiefern ihm eine Bewilligung gestützt auf Art. 8 EMRK bzw. Art. 30
Abs. 1 lit. k AuG zu erteilen wäre, sie die entsprechende Frage - wenn auch
bloss summarisch - aber dennoch materiell prüfte, wenn sie festhielt: "So oder
anders kann hierzu auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen in der
angefochtenen Verfügung verwiesen werden (E. 3 ff.) ". Bildete das Schicksal
des Bewilligungsgesuchs vom 8. März 2016 damit noch Verfahrensgegenstand vor
der Sicherheitsdirektion, durfte der Beschwerdeführer den entsprechenden Teil
der Verfügung in der Folge beim Verwaltungsgericht anfechten, ohne den
Verfahrensgegenstand in unzulässiger Weise auszuweiten. Das Verwaltungsgericht
hätte auch diesbezüglich auf die bei ihm eingereichte Beschwerde eintreten
müssen. Indem es dies unterliess, beging es eine formelle Rechtsverweigerung
sowohl bezüglich des geltend gemachten Anspruchs aus Art. 8 EMRK als auch im
Hinblick auf eine allfällige Ermessensbewilligung nach Art. 30 Abs. 1 lit. k
AuG (vgl. RHINOW/KOLLER/KISS/TURNHERR/BRÜHL-MOSER, Öffentliches Prozessrecht,
2. Aufl. 2010, N. 286 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung).  
 
5.  
 
5.1. Die Beschwerde erweist sich nach dem Dargelegten als begründet; sie ist
gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zur Ergänzung
des Sachverhalts und neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen.  
 
5.2. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind keine Gerichtskosten geschuldet (
Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Zürich hat den Beschwerdeführer für das
bundesgerichtliche Verfahren indessen angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs.
1 BGG).  
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerden werden gutgeheissen, das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich vom 6. September 2017 wird aufgehoben und die Sache zu neuem
Entscheid im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Zürich hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren
mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration
schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 7. März 2018 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Zünd 
 
Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar 

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