Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.849/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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2C_849/2017            

 
 
 
Urteil vom 30. Oktober 2017  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Zünd, 
Bundesrichter Haag, 
Gerichtsschreiber Feller. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Yetkin Geçer, 
 
gegen  
 
Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau, Rechtsdienst. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Wegweisung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 2.
Kammer, vom 30. August 2017 (WBE.2017.131). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________, ein 1968 geborener Türke, reiste im September 1997 als knapp
Dreissigjähriger in die Schweiz ein; er erhielt im Familiennachzug zu seiner
niedergelassenen ersten Ehefrau die Aufenthaltsbewilligung. Aus der ersten Ehe
gingen zwei Töchter (geboren 2000 und 2003) hervor. Die Ehe wurde am 27. Juli
2005 geschieden. Der Vater hat weder das Obhuts- noch das Sorgerecht. 2006
übersiedelte A.________ in den Kanton Aargau, wo ihm die
Niederlassungsbewilligung erteilt wurde; diese war kontrollbefristet bis 30.
September 2013. Am 1. August 2008 heiratete er in der Türkei eine Landsfrau,
die in der Folge zu ihm in die Schweiz zog. Die Eheleute trennten sich am 6.
Juni 2013 und wurden am 6. Mai 2014 geschieden. 
Nach einer geringfügigen ersten Bestrafung vom 6. September 2010 zu einer
bedingten Geldstrafe von fünf Tagessätzen (wegen Vergehens gegen das
Waffengesetz durch ständiges Tragen/Mitführen eines CS-Sprays) wurde A.________
mit zweitinstanzlichem Urteil vom 3. März 2016 zu einer Freiheitsstrafe von
drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Er hatte sich im Zeitraum zwischen
September 2010 und März 2013 schuldig gemacht des versuchten
Schwangerschaftsabbruchs ohne Einwilligung der schwangeren Frau (seiner
damaligen Ehegattin), mehrfacher einfacher Körperverletzung, mehrfacher
Tätlichkeit, Nötigung, mehrfacher Freiheitsberaubung und Entführung, mehrfacher
Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht, Unterdrückung von Urkunden
sowie falscher Anschuldigung; dies vorab zum Nachteil seiner Ehefrau und der
Kinder aus erster Ehe. Seit der Haftentlassung am 9. März 2016 bezieht er
Sozialhilfe. 
Mit Verfügung vom 26. Juli 2016 widerrief das Amt für Migration und Integration
des Kantons Aargau die Niederlassungsbewilligung von A.________ und ordnete
seine Wegweisung an, unter Ansetzung einer Ausreisefrist per spätestens 90 Tage
nach Rechtskraft dieser Verfügung. Eine Einsprache an den Rechtsdienst der
Amtes für Migration und Integration blieb erfolglos, und mit Urteil vom 30.
August 2017 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau die gegen den
Einspracheentscheid vom 13. Februar 2017 erhobene Beschwerde ab. 
 
B.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 2. Oktober 2017
beantragt A.________ dem Bundesgericht, der Einspracheentscheid vom 13. Februar
2017 sei derart aufzuheben, als dass das Amt für Migration und Integration des
Kantons Aargau anzuweisen sei, die am 30. September 2013 abgelaufene
Aufenthaltsbewilligung sei nicht zu widerrufen und er sei nicht aus der Schweiz
auszuweisen; evtl. sei das Verfahren an das betroffene Amt zur weiteren
Abklärung zurückzuweisen. 
Die Akten sind eingeholt, ein Schriftenwechsel ist nicht angeordnet worden. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Gemäss Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 BGG ist die Beschwerde zulässig gegen
Entscheide letztinstanzlicher oberer kantonaler Gerichte. Das Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 30. August 2017 stellt einen solchen
Entscheid dar. Dieses hat wegen des Devolutiveffekts den Einspracheentscheid
des Amtes für Migration und Integration vom 13. Februar 2017 ersetzt, und vor
Bundesgericht kann nur seine Aufhebung beantragt werden (s. BGE 130 V 138 E.
4.2 S. 143). Nun wird vorliegend allein die Aufhebung des Einspracheentscheids
der Vorinstanz des Verwaltungsgerichts beantragt. Aus der Beschwerdebegründung
ergibt sich indessen hinreichend, dass auch das Urteil des Verwaltungsgerichts
aufgehoben werden soll. 
Der Beschwerdeführer beantragt, "die am 3. September 2013 abgelaufene
Aufenthaltsbewilligung (sei) nicht zu widerrufen". Streitgegenstand bildet
nicht der Widerruf einer befristeten Aufenthaltsbewilligung, sondern der
Widerruf einer Niederlassungsbewilligung, die unbefristet ist (Art. 34 Abs. 1
AuG), woran der Ablauf der Kontrollfrist nichts ändert. Die unzutreffende
Formulierung im Rechtsbegehren vermag indessen dem Beschwerdeführer nicht zu
schaden, da keine Zweifel über die Zielrichtung des Antrags bestehen. 
Auf die Beschwerde ist einzutreten, wobei darüber im vereinfachten Verfahren
nach Art. 109 BGG zu entscheiden ist, mit summarischer Begründung und ganz oder
teilweise unter Verweis auf den angefochtenen Entscheid (Art. 109 Abs. 3 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung des sich seit über 15 Jahren in
der Schweiz aufhaltenden Beschwerdeführers (vgl. Art. 63 Abs. 2 BGG) stützt
sich auf Art. 63 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 62 Abs. 1 lit. b AuG.
Dieser Widerrufsgrund ist bei einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun
Monaten klar erfüllt (erforderlich ist eine Freiheitsstrafe von mehr als einem
Jahr, s. BGE 139 I 31 E. 2.1 S. 32), was unbestritten bleibt. Auch wenn ein
Widerrufsgrund vorliegt, ist der Bewilligungswiderruf nur zulässig, wenn er
verhältnismässig ist (Art. 5 Abs. 2 BV, Art. 96 AuG). Der Beschwerdeführer
bestreitet die Verhältnismässigkeit der Massnahme.  
 
2.2. Das Verwaltungsgericht stellt zunächst fest, dass das Verschulden des
Beschwerdeführers angesichts der Höhe der Strafe und der Art der dieser
zugrundeliegenden Delikte (Anlasstaten gemäss Art. 66a Abs. 1 lit. a bzw. lit.
g StGB) gross sei. Es erläutert, warum dem Wohlverhalten während des
Strafvollzugs keine besondere Bedeutung zuzumessen sei. Was die Einsicht in das
begangene Unrecht betrifft, verweist es - zulässigerweise - auf die Erwägungen
der Einsprachebehörde. Es stützt deren Einschätzung, dass das öffentliche
Interesse am Widerruf der Niederlassungsbewilligung insgesamt sehr gross sei
(E. 1.2.1). Es wertet in E. 1.2.2, wiederum vorab unter Hinweis auf die
Erwägungen im Einspracheentscheid, die privaten Interessen des
Beschwerdeführers am Verbleib in der Schweiz und bestätigt in E. 1.3 die
Einschätzung seiner Vorinstanz, wonach das sehr grosse öffentliche Interesse am
Bewilligungswiderruf und der Wegweisung das bloss mittlere private Interesse an
einem weiteren Verbleib in der Schweiz deutlich überwiege. Es vertieft dies in
E. 2.3 im Lichte der Vorbringen des Beschwerdeführers. Einen Eingriff in das
von Art. 8 EMRK geschützte Familienleben verneint es unter ergänzender
Verweisung auf den Einspracheentscheid, einen (allfälligen) Eingriff in das
durch Art. 8 EMRK ebenfalls geschützte Privatleben wertet es als
gerechtfertigt. Seine Interessenabwägung fasst es in E. 5 zusammen.  
Angesichts der Erwägungen des Verwaltungsgerichts sowie des Amtes für Migration
und Integration ist der implizite Vorwurf des Beschwerdeführers, eine korrekte
Interessenabwägung sei unterblieben, nicht nachvollziehbar. Insbesondere haben
das Verwaltungsgericht und zuvor schon die Einsprachebehörde sich mit dem zur
hohen Freiheitsstrafe führenden Verhalten des Beschwerdeführers konkret
auseinandergesetzt und in dem Zusammenhang (aber nicht nur) dessen familiären
Beziehungen zu den Töchtern aus erster Ehe gewürdigt. Wenn wiederum eine
Relativierung der Schuldfrage gefordert wird, tut der Beschwerdeführer dies mit
den gleichen Vorbringen wie vor den Vorinstanzen, ohne deren Erwägungen hierzu
konkret zu diskutieren oder auch nur wahrzunehmen. Vollends unverständlich ist
der Einwand, vorliegend werde im ausländerrechtlichen Verfahren eine
Zweitbestrafung vorgenommen, ist doch gerade die Schwere der vom Strafrichter
verhängten Sanktion Ausgangspunkt und Massstab für die ausländerrechtliche
Würdigung bzw. für das migrationsrechtliche Verschulden (BGE 134 II 10 E. 4.2
S. 23; 129 II 215 E. 3.1 S. 216). 
 
2.3. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene bzw. bestätigte Interessenabwägung
hält den Rügen des Beschwerdeführers stand. Das angefochtene Urteil verletzt in
keinerlei Hinsicht schweizerisches Recht.  
 
3.   
Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist abzuweisen. 
 
4.   
Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung kann schon darum
nicht entsprochen werden, weil die Beschwerde aussichtslos erschien (Art. 64
BGG). 
Damit sind die Gerichtskosten (Art. 65 BGG) dem Beschwerdeführer als
unterliegende Partei aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 erster Satz BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Aargau, 2. Kammer, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich
mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 30. Oktober 2017 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Feller 

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