Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.79/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_79/2017

Urteil vom 13. Februar 2017

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Haag,
Bundesrichter Zünd,
Gerichtsschreiber Fellmann.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch
Advokat Dr. Nicolas Roulet,

gegen

Amt für Migration Basel-Landschaft.

Gegenstand
Ausschaffungshaft,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Einzelrichter
für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, vom 15. Dezember 2016.

Sachverhalt:

A.

A.a. A.________ (geb. 1982) ist tunesischer Staatsangehöriger. Er reiste
anfangs September 2012 illegal in die Schweiz ein und stellte am 6. September
2012 ein Asylgesuch. Mangels Zuständigkeit der Schweiz trat das
Staatssekretariat für Migration (SEM, damals Bundesamt für Migration BFM) auf
das Asylgesuch mit Entscheid vom 26. November 2012 nicht ein. Das Strafgericht
des Kantons Basel-Landschaft sprach A.________ mit Urteil vom 1. Oktober 2013
des gewerbsmässigen und bandenmässigen Diebstahls, der mehrfachen
Sachbeschädigung sowie der Geldwäscherei schuldig und verurteilte ihn unter
Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungshaft zu einer Freiheitsstrafe von 31
/2 Jahren mit ordentlichem Strafende am 20. Mai 2016.
Da die Frist zur Überstellung von A.________ an den zuständigen Staat gemäss
dem Dublin-Assoziierungsabkommen (DAA; SR 0.142.392.68) mittlerweile unbenutzt
verstrichen war, hob das SEM den Nichteintretensentscheid vom 26. November 2012
am 15. Januar 2014 auf und verfügte die Wiederaufnahme des Asylverfahrens. Mit
Entscheid vom 14. Februar 2014 lehnte das SEM das Asylgesuch von A.________ ab
und wies ihn aus der Schweiz weg, verbunden mit der Aufforderung, das Land bis
spätestens 11. April 2014 zu verlassen. Gleichzeitig wurde der Kanton
Basel-Landschaft mit dem Vollzug der Wegweisung beauftragt.
Nach vollständiger Verbüssung der Freiheitsstrafe am 20. Mai 2016 wurde
A.________ vom Amt für Migration des Kantons Basel-Landschaft (fortan: AfM)
sofort in Ausschaffungshaft versetzt, um den Vollzug der Wegweisung
sicherzustellen. Am 24. Mai 2016 bestätigte das Kantonsgericht des Kantons
Basel-Landschaft die Anordnung der Ausschaffungshaft bis zum 19. August 2016.
Das Bundesgericht hiess eine gegen diesen Entscheid geführte Beschwerde in
Bezug auf die Haftanordnung mit Urteil 2C_575/2016 vom 12. Juli 2016 wegen
Verletzung des Beschleunigungsgebots gut und ordnete die unverzügliche
Haftentlassung des Beschwerdeführers an.

A.b. Im Rahmen eines Ausreisegesprächs am 15. Juli 2016 erklärte sich der
Beschwerdeführer grundsätzlich bereit, die Schweiz zu verlassen; er benötige
dafür aber noch ein bis zwei Monate Zeit. Damit ihm seine Mutter die
erforderlichen Dokumente schicken könne, habe er am vorigen Tag mit ihr
gesprochen. Das AfM forderte ihn auf, innert 14 Tagen einen Identitätsnachweis
abzugeben und die Schweiz zu verlassen, andernfalls habe er mit der Anordnung
von Haft zu rechnen.
Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug vom 16. August 2016
wurde A.________ wegen versuchten und vollendeten Diebstahls, mehrfacher
Sachbeschädigung, versuchten und vollendeten Hausfriedensbruchs (begangen
jeweils am 15. August 2016) sowie wegen vorsätzlichen rechtswidrigen
Aufenthalts zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Während des
Strafvollzugs wurde A.________ mit Schreiben vom 29. August 2016 vom AfM erneut
aufgefordert, sich die notwendigen Reisepapiere zu beschaffen und die Schweiz
eigenständig zu verlassen.

B. 
Nachdem das Amt für Justizvollzug des Kantons Zug eine bedingte Entlassung aus
dem Strafvollzug mit Verfügung vom 18. Oktober 2016 abgelehnt hatte, wurde
A.________ mit Haftbefehl des AfM vom 13. Dezember 2016 auf das ordentliche
Strafende hin am gleichen Tag abermals in Ausschaffungshaft genommen. Mit
Urteil vom 15. Dezember 2016 genehmigte das Kantonsgericht des Kantons
Basel-Landschaft auf Antrag des AfM die Anordnung von Haft zur Sicherstellung
des Wegweisungsvollzugs für die Dauer von drei Monaten bis 12. März 2017.

C. 
Mit Eingabe vom 24. Januar 2017 gelangt A.________ an das Bundesgericht. Er
beantragt die Aufhebung des Urteils vom 15. Dezember 2016 und seine sofortige
Entlassung aus der Haft. Eventualiter sei die Angelegenheit zur neuen
Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Nicht
ausdrücklich aus den Anträgen, aber immerhin aus der Begründung seiner
Beschwerde geht sodann hervor, dass A.________ eine Genugtuung für
widerrechtlich ausgestandene Haft verlangt. Für den Fall einer Abweisung der
Beschwerde beantragt er die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege unter
Beigabe von Advokat Nicolas Roulet als unentgeltlicher Rechtsbeistand.
Während das Kantonsgericht auf eine Vernehmlassung verzichtet, schliesst das
AfM auf Abweisung der Beschwerde. Das SEM weist in seiner Vernehmlassung darauf
hin, dass Identifizierungsanträge im Rahmen einer Migrationspartnerschaft mit
Tunesien nicht mehr einzeln der tunesischen Vertretung in Bern unterbreitet,
sondern gebündelt im Listenversand via schweizerische Vertretung in Tunesien an
die zuständige Behörde weitergeleitet würden. Die tunesischen Behörden wiesen
eine hohe Kooperationsbereitschaft auf, doch könne es vorkommen, dass sie
längere Bearbeitungsfristen für Identifizierungsanträge beanspruchten, wenn nur
wenige Angaben zu einer Person vorlägen. Der Identifizierungsantrag betreffend
A.________ sei am 14. Juni 2016 übermittelt worden; anlässlich von Gesprächen
mit tunesischen Behörden sei der pendente Fall ausserdem zusammen mit anderen
im September 2016 und am 5. Dezember 2016 thematisiert worden. Die
schweizerische Vertretung in Tunesien habe sodann mit Verbalnote vom 7. Oktober
2016 auf die ausstehende Identifizierung aufmerksam gemacht. Zudem sei
vorgesehen, die Angelegenheit anlässlich einer Dienstreise vom Februar 2017 zur
Sprache zu bringen. Der Beschwerdeführer hält in einer Entgegnung vom 7.
Februar 2017 auf die Stellungnahmen des AfM und des SEM an seinen Anträgen und
der Begrü ndung fest.

Erwägungen:

1. 
Seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen prüft das
Bundesgericht von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier Kognition (
BGE 141 II 113 E. 1 S. 116).

1.1. Die Beschwerde wurde form- und fristgerecht eingereicht (Art. 42 Abs. 2,
Art. 100 Abs. 1 BGG). Sie richtet sich gegen die Anordnung von
Ausschaffungshaft und betrifft damit eine Angelegenheit des öffentlichen Rechts
(Art. 82 lit. a BGG). Da die Ausschaffungshaft keine bloss untergeordnete
Vollzugsmassnahme zur Wegweisung darstellt, greift der Ausschlussgrund für die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 83 lit. c Ziff.
4 BGG praxisgemäss nicht (vgl. BGE 142 I 135 E. 1.1.3 S. 139 f. mit Hinweisen).
Angefochten ist weiter der kantonal letztinstanzliche, verfahrensabschliessende
Entscheid eines oberen Gerichts (Art. 82 lit. a BGG, Art. 86 Abs. 1 lit. d und
Abs. 2, Art. 90 BGG). Auf die Beschwerde des bereits am vorinstanzlichen
Verfahren beteiligten und in seinen schutzwürdigen Interessen betroffenen
Beschwerdeführers (Art. 89 Abs. 1 BGG) ist daher unter Vorbehalt der
nachstehenden Erwägung einzutreten.

1.2. Erstmals vor Bundesgericht verlangt der Beschwerdeführer - wie bereits im
Rahmen seiner Beschwerde gegen das Urteil betreffend Haftanordnung vom 24. Mai
2016 (vgl. Urteil 2C_575/2016 vom 12. Juli 2016 E. 1.2) - eine Entschädigung
wegen widerrechtlich ausgestandener Haft. Damit überschreitet der vom selben
Rechtsanwalt vertretene Beschwerdeführer den vorinstanzlichen
Verfahrensgegenstand erneut: Der Antrag auf Zusprechung einer Haftentschädigung
stellt ein unzulässiges neues rechtliches Begehren dar (Art. 99 Abs. 2 BGG;
vgl. Urteil 2C_575/2016 vom 12. Juli 2016 E. 1.2 mit Hinweisen); in diesem
Umfang ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.

2.

2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann
namentlich die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95
lit. a und lit. b BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an
(Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen
Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen,
sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind
(BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280 f. mit Hinweis). Die Verletzung von Grundrechten
untersucht das Bundesgericht in jedem Fall nur insoweit, als eine solche Rüge
in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2
BGG; BGE 139 II 404 E. 3 S. 415; 139 I 229 E. 2.2 S. 232). Im Rahmen der
Rechtsanwendung von Amtes wegen ist das Bundesgericht weder an die in der
Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz
gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund
gutheissen, und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der
Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (Motivsubstitution; vgl. BGE 139 II
404 E. 3 S. 415; Urteil 2C_1058/2014 vom 28. August 2015 E. 2 [nicht publiziert
in: BGE 141 I 201]).

2.2. Seinem Urteil legt das Bundesgericht den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Von Amtes wegen oder auf
ausreichend begründete Rüge hin (vgl. zu den Anforderungen an Sachverhaltsrügen
BGE 139 I 72 E. 9.2.3.6 S. 96; 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254 f.; Urteil 2C_8/2016
vom 17. Oktober 2016 E. 2 [zur Publikation vorgesehen]) korrigiert das
Bundesgericht die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen, wenn diese
offensichtlich unrichtig sind oder sie auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruhen (Art. 105 Abs. 2 BGG). Auf einer Rechtsverletzung beruht
auch die unvollständige Feststellung von Tatsachen, soweit die fehlenden
Sachverhaltselemente aufgrund des materiellen Rechts im Sinne von Art. 95 BGG
rechtserheblich sind (vgl. BGE 142 II 243 E. 2.4 S. 248 f.; 136 II 65 E. 1.4 S.
68; Urteil 2C_27/2016 vom 17. November 2016 E. 2.1 [zur Publikation
vorgesehen]). Die Behebung des Mangels erfolgt nur, sofern er für den Ausgang
des Verfahrens entscheidend sein kann (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2
BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen im bundesgerichtlichen Verfahren
nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu
Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG; Urteile 2C_347/2012 vom 26. März 2013 E. 2.5
und E. 2.6 [nicht publ. in: BGE 139 II 185]; 2C_1017/2012 vom 30. Oktober 2012
E. 2).

3. 
Die Anordnung von Ausschaffungshaft stellt einen schwerwiegenden Eingriff in
die persönliche Freiheit gemäss Art. 10 Abs. 2 BV dar (vgl. auch Art. 5 Ziff. 1
lit. f EMRK; Art. 9 Abs. 1 des Internationalen Pakts vom 16. Dezember 1966 über
bürgerliche und politische Rechte [UNO-Pakt II, SR 0.103.2]; BGE 142 I 135 E.
4.1 S. 149 f.; 130 II 377 E. 3.1 S. 380 f.; Urteil 2C_517/2016 vom 28. Juni
2016 E. 4.2). Sie bedarf daher einer hinreichend bestimmten, im Gesetz selbst
vorgesehenen Grundlage, muss im öffentlichen Interesse liegen und
verhältnismässig sein (Art. 36 Abs. 1-3 BV; BGE 142 I 135 E. 4.1 S. 149 f.; 130
II 377 E. 3.1 S. 380 f.).

3.1. Wurde ein erstinstanzlicher Weg- oder Ausweisungsentscheid eröffnet, kann
die zuständige Behörde die betroffene Person zur Sicherstellung des Vollzugs
unter anderem dann in Haft nehmen, wenn sie wegen eines Verbrechens verurteilt
worden ist (Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 i.V.m. Art. 75 Abs. 1 lit. h AuG [SR
142.20]). Für die Anordnung von Haft ist die Rechtskraft des Weg- oder
Ausweisungsentscheids nicht vorausgesetzt. Hingegen muss der Vollzug der
Wegweisung absehbar erscheinen; er darf sich weder aus rechtlichen noch aus
tatsächlichen Gründen als undurchführbar erweisen (vgl. Art. 80 Abs. 6 lit. a
AuG; BGE 140 II 74 E. 2.1 S. 76; Urteile 2C_712/2016 vom 6. September 2016 E.
1.2; 2C_112/2016 vom 19. Februar 2016 E. 2.1). Wurde eine ausländische Person
im Rahmen des Vollzugs eines Wegweisungsentscheids bereits einmal aus der
Ausschaffungshaft entlassen, ist eine erneute Inhaftierung nur zulässig, wenn
sich die Umstände massgeblich verändert haben. Dies ist etwa der Fall, wenn
bisherige Vollzugshindernisse wegfallen oder neue Haftgründe zu Tage treten
(vgl. BGE 140 II 1 E. 5.2 S. 3; Urteile 2C_1091/2016 vom 23. Dezember 2016 E.
3.2 [zur Publikation vorgesehen]; 2C_700/ 2015 vom 8. Dezember 2015 E. 4.1;
2C_658/2014 vom 7. August 2014 E. 3.1). Zu beachten ist sodann die maximale
Haftdauer nach Art. 79 AuG, die im Rahmen ein- und desselben
Wegweisungsverfahrens nicht überschritten werden darf (vgl. Urteil 2C_1091/2016
vom 23. Dezember 2016 E. 3.2 [zur Publikation vorgesehen]).

3.1.1. Der Beschwerdeführer und die Vorinstanz sind übereinstimmend der
Auffassung, dass ein Wegweisungsentscheid vorliegt und der Haftgrund von Art.
76 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 i.V.m. Art. 75 Abs. 1 lit. h AuG (Verurteilung wegen
eines Verbrechens) mit dem Schuldspruch des Strafgerichts Basel-Landschaft vom
1. Oktober 2013 erfüllt sei. Sie äussern sich beide nicht zur Frage, welche
massgeblich veränderten Umstände in Bezug auf diese Verurteilung eine erneute
Inhaftierung des Beschwerdeführers rechtfertigen könnten, obwohl letztere
bereits als Haftgrund für die erstmalige Anordnung von Administrativhaft am 24.
Mai 2016 diente (vgl. E. 3.1 hiervor). Nach der Haftentlassung am 12. Juli 2016
machte sich der Beschwerdeführer jedoch unbestrittenermassen erneut unter
anderem des Diebstahls und des versuchten Diebstahls, mithin von Verbrechen
schuldig (Art. 139 Ziff. 1 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 StGB und Art. 22 Abs. 1 StGB).
Damit setzte er einen neuen Haftgrund gemäss Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 1
i.V.m. Art. 75 Abs. 1 lit. h AuG (vgl. E. 3.1 hiervor), worauf das
Bundesgericht im Sinne einer substituierten Begründung abstellen kann (vgl. E.
2.1 hiervor). Der Frage, ob weitere Haftgründe vorliegen, muss bei dieser
Ausgangslage nicht näher nachgegangen werden.

3.1.2. Der Beschwerdeführer rügt, die maximal zulässige Haftdauer nach Art. 79
Abs. 1 und Abs. 2 AuG sei bereits überschritten, weil ein Teil der Strafe, die
er im Nachgang zum Urteil des Strafgerichts Basel-Landschaft vom 1. Oktober
2013 verbüsste, als Administrativhaft gemäss Art. 79 AuG zu qualifizieren sei.
Er stellt sich auf den Standpunkt, dass der Zeitraum zwischen der möglichen
bedingten Entlassung nach Art. 86 Abs. 1 StGB und dem ordentlichen Strafende an
die maximale Haftdauer nach Art. 79 Abs. 1 und Abs. 2 AuG anzurechnen sei.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist jedoch zwischen
ausländerrechtlicher Administrativhaft und freiheitsentziehenden Sanktionen und
Massnahmen des Strafrechts zu differenzieren. Die gesetzlichen Grundlagen und
die dem Freiheitsentzug zugrunde liegenden Haftmotive unterscheiden sich, zudem
geht der Strafvollzug den ausländerrechtlichen Zwangsmassnahmen von Gesetzes
wegen regelmässig vor (vgl. Art. 80 Abs. 6 lit. c und Art. 80a Abs. 7 lit. c
AuG; BGE 134 I 92 E. 2.3.3 S. 97 f.; Urteile 2C_376/2009 vom 8. Juli 2009 E. 3;
2A.2/1996 vom 12. Januar 1996 E. 2; MARTIN BUSINGER, Ausländerrechtliche Haft,
2015, S. 77 f.; THOMAS HUGI YAR, Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, in:
Uebersax/Rudin/Hugi Yar/Geiser [Hrsg.], Ausländerrecht, 2. Aufl. 2009, Rz.
10.110). Damit besteht kein Raum für die Anrechnung von strafrechtlichem
Freiheitsentzug an die ausländerrechtliche Haft.

3.1.3. Dass im konkreten Fall fraglich erscheint, ob die Modalitäten zur (im
Ergebnis verweigerten) bedingten Entlassung des Beschwerdeführers aus dem
Strafvollzug vor Art. 86 Abs. 1 StGB standgehalten hätten (vgl. dazu Urteil
2C_575/2016 vom 12. Juli 2016 E. 4.3.1), ändert daran nichts: Dem
Beschwerdeführer war bis 20. Mai 2016 gestützt auf einen strafrechtlichen
Hafttitel die Freiheit entzogen, was einer Anrechnung der zuvor ausgestandenen
Haft an die maximale Haftdauer von Art. 79 AuG nach dem soeben Dargelegten
entgegen steht. Ob die Verweigerung der bedingten Entlassung rechtmässig war,
hätte der Beschwerdeführer im diesbezüglichen Verfahren beanstanden können; sie
bildet nicht Gegenstand des bundesgerichtlichen Verfahrens. Aus demselben Grund
sind die Bemerkungen des Beschwerdeführers zur Verweigerung der bedingten
Entlassung aus dem Strafvollzug im Nachgang zum Urteil vom 16. August 2016 für
den Ausgang des bundesgerichtlichen Verfahrens unerheblich; darauf ist nicht
weiter einzugehen (vgl. E. 2.2 hiervor). Mit der angefochtenen Anordnung von
Administrativhaft bis 12. März 2017 ist die maximale Haftdauer gemäss Art. 79
Abs. 1 AuG, anders als der Beschwerdeführer vorbringt, offensichtlich noch
nicht überschritten. Damit basiert die Haftanordnung auf einer hinreichenden
gesetzlichen Grundlage (Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 i.V.m. Art. 75 Abs. 1
lit. h AuG; Art. 79 AuG, Art. 80 Abs. 6 lit. a AuG e contrario); sie dient
zudem der Durchsetzung der schweizerischen Migrationsrechtsordnung und folglich
dem öffentlichen Interesse (Art. 36 Abs. 2 BV).

3.2. Die angeordnete Ausschaffungshaft muss sodann insgesamt verhältnismässig
sein (Art. 36 Abs. 3 BV; Art. 96 AuG; BGE 142 I 135 E. 4.1 S. 150 f.; 140 II 74
E. 2.1 S. 76; Urteil 2C_575/2016 vom 12. Juli 2016 E. 4.1). Sie soll den
Vollzug der Entfernungsmassnahme sicherstellen und muss ernsthaft geeignet
erscheinen, diesen Zweck innert einer dem konkreten Fall angemessenen Zeit zu
erreichen (BGE 130 II 56 E. 4.1.1 S. 59 f.; Urteil 2C_787/2014 vom 29.
September 2014 E. 2.1). Die Ausschaffungshaft muss zweckbezogen auf die
Sicherung des Wegweisungsverfahrens ausgerichtet sein; es ist jeweils aufgrund
sämtlicher Umstände zu klären, ob sie (noch) geeignet und erforderlich
erscheint und nicht gegen das Übermassverbot, d.h. das sachgerechte und
zumutbare Verhältnis von Mittel und Zweck verstösst (vgl. BGE 142 I 135 E. 4.1
S. 150; 133 II 1 E. 5.1 S. 5 und unpubl. E. 7.1).

3.3. In diesem Rahmen zu beachten ist namentlich auch das Beschleunigungsgebot,
das in Art. 76 Abs. 4 AuG verankert ist und verlangt, dass die für den Vollzug
der Weg- oder Ausweisung notwendigen Vorkehren umgehend getroffen werden. Das
Beschleunigungsgebot gilt als verletzt, wenn während mehr als zwei Monaten
keinerlei Vorkehren mehr im Hinblick auf den Vollzug der Wegweisung getroffen
wurden (Untätigkeit der Behörden), ohne dass die Verzögerung in erster Linie
auf das Verhalten ausländischer Behörden oder des Betroffenen selber zurückgeht
(BGE 139 I 206 E. 2.1 S. 211; 124 II 49 E. 3a S. 50 f.; Urteile 2C_575/2016 vom
12. Juli 2016 E. 4.3; 2C_1182/2014 vom 20. Januar 2015 E. 3.2.1). Die Behörden
sind zwar nicht gehalten, im Rahmen von Art. 76 Abs. 4 AuG schematisch
bestimmte Handlungen vorzunehmen. Sie haben jedoch zielgerichtete Vorkehrungen
im Hinblick auf den Wegweisungsvollzug zu treffen (BGE 139 I 206 E. 2.1 S. 211;
124 II 49 E. 3a S. 50); diese können gegebenenfalls auch in (weiteren)
Ausreisegesprächen mit den bereits inhaftierten Betroffenen bestehen. Befindet
sich der weggewiesene Ausländer in Untersuchungshaft oder im Strafvollzug, so
ist die für den Vollzug der Entfernungsmassnahme zuständige Behörde
verpflichtet, die notwendigen Schritte nach Möglichkeit schon vor der
Entlassung einzuleiten, damit der Betroffene nicht unnötig oder nicht unnötig
lange in Ausschaffungshaft genommen werden muss (BGE 130 II 488 E. 4.1 S. 492;
124 II 49 E. 3a S. 50 f.; Urteile 2C_575/2016 vom 12. Juli 2016 E. 4.3; 2C_112/
2016 vom 19. Februar 2016 E. 2.2.2).

3.3.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Anordnung der Ausschaffungshaft
sei nicht die mildeste Massnahme für die Sicherstellung des
Wegweisungsvollzugs, weil er sich anlässlich des Ausreisegesprächs vom 15. Juli
2016 bereit erklärt habe, die erforderlichen Dokumente zu besorgen und die
Schweiz zu verlassen. Abgesehen von einem Gespräch mit seiner Mutter am 14.
Juli 2016, die ihm nach eigenen Angaben die nötigen Dokumente zusenden könnte,
erwähnt der Beschwerdeführer allerdings mit keinem Wort, welche weiteren
Anstrengungen er zwischen seiner Haftentlassung am 12. Juli 2016 und der
erneuten Inhaftierung durch die Strafverfolgungsbehörden am 15. August 2016
unternommen haben will, um seine freiwillige Rückkehr in die Heimat
vorzubereiten. Sodann ist nicht ersichtlich, inwiefern eine Kontaktaufnahme mit
seiner Mutter nicht auch aus dem Strafvollzug bzw. der Administrativhaft
möglich sein soll, worauf das AfM in seiner Stellungnahme zutreffend hinweist.
Damit lässt der Beschwerdeführer in Verletzung seiner ausländerrechtlichen
Mitwirkungspflicht (Art. 90 AuG) keine ernsthaften Bemühungen erkennen, die
eine Inhaftierung als überflüssig erscheinen liessen, sodass die Anordnung der
Administrativhaft in dieser Hinsicht notwendig ist, um den Vollzug der
Wegweisung sicherzustellen.

3.3.2. Allein gestützt auf den vorinstanzlichen Entscheid erscheint hingegen
fraglich, ob dem Beschleunigungsgebot (Art. 76 Abs. 4 AuG; vgl. E. 3.3 hiervor)
seitens der zuständigen Behörden ausreichend Rechnung getragen wurde, was der
Beschwerdeführer in Abrede stellt. Die Vorinstanz begnügte sich damit
festzustellen, dass der Beschwerdeführer am 15. Juli 2016 mündlich und am 29.
August 2016 schriftlich auf seine Mitwirkungspflicht aufmerksam gemacht und
aufgefordert wurde, die Schweiz zu verlassen. Ob darin zielgerichtete
behördliche Vorkehrungen im Hinblick auf den Wegweisungsvollzug erblickt werden
können, die eine Anordnung von Ausschaffungshaft am 15. Dezember 2016 und damit
rund dreieinhalb Monate nach der letzten Kontaktaufnahme mit dem
Beschwerdeführer ohne Weiteres rechtfertigen, ist zweifelhaft, zumal
Vorbereitungen für den Wegweisungsvollzug grundsätzlich nicht erst nach der
Verbüssung einer Freiheitsstrafe zu treffen sind (vgl. E. 3.3 hiervor; Urteil
2C_575/2016 vom 12. Juli 2016 E. 4.3 mit Hinweisen). Wohl können die
behördlichen Vorkehrungen, die das Beschleunigungsgebot verlangt, nicht
gänzlich unabhängig vom Verhalten der ausländischen Person beurteilt werden
(vgl. BGE 139 I 206 E. 2.1 S. 211; 124 II 49 E. 3a S. 51; Urteil 2C_575/ 2016
vom 12. Juli 2016 E. 4.3). Dass die mangelnde Ernsthaftigkeit eigener
Bemühungen des Beschwerdeführers, die nötigen Reisedokumente selber zu
beschaffen, zielgerichteten Bestrebungen von behördlicher Seite entgegen stehen
würde, ist jedoch nicht ersichtlich. Zu erinnern ist auch daran, dass das
persönliche Verhalten des Beschwerdeführers einen Vollzug der Wegweisung gemäss
dem vorinstanzlichen Urteil nicht unmöglich macht, sodass weiterhin die
Sicherung des Wegweisungsvollzugs im Vordergrund steht und nicht, wie bei der
Durchsetzungshaft gemäss Art. 78 AuG, die Erzwingung der Kooperation der
inhaftierten Person (vgl. BGE 134 II 201 E. 2.2.4 S. 205; 134 I 92 E. 2.3.1 S.
96; Urteil 2C_441/2011 vom 15. Juni 2011 E. 2.2).

3.3.3. Während die Anordnung der Ausschaffungshaft gestützt auf die
Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz vor dem Beschleunigungsgebot kaum
standhalten würde, legt das SEM in seiner Stellungnahme an das Bundesgericht
dar, dass es seit dem 14. Juni 2016 mehrmals mit den tunesischen Behörden in
Kontakt getreten ist, um die Identifizierung des Beschwerdeführers
voranzutreiben und die nötigen Papiere zu beschaffen (vgl. Sachverhalt lit. C
hiervor). Die entsprechenden Ausführungen des SEM sind dadurch veranlasst, dass
sich das vorinstanzliche Urteil zu diesen Bemühungen gänzlich ausschweigt (Art.
99 Abs. 1 BGG). Dies obwohl die Vorinstanz im Rahmen der Haftanordnung hätte
feststellen müssen, ob und welche Vorkehrungen die zuständigen Behörden während
den zwei Monaten vor der beantragten Ausschaffungshaft getroffen hatten, um dem
Beschleunigungsgebot Nachachtung zu schenken (Art. 76 Abs. 4 AuG; vgl. E. 3.3
hiervor). Insoweit stellte die Vorinstanz den rechtserheblichen Sachverhalt
unvollständig und damit rechtsfehlerhaft fest, sodass die vom SEM gemachten
Angaben berücksichtigt werden können, obwohl sie erst im bundesgerichtlichen
Verfahren vorgebracht wurden (vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG, Art. 105 Abs. 2 i.V.m.
Art. 95 lit. a BGG; E. 2.2 hiervor). In seiner Stellungnahme zur Vernehmlassung
des SEM geht der Beschwerdeführer nicht näher auf dessen Kontakte mit den
tunesischen Behörden ein und bestreitet diese nicht. Er verweist nur allgemein
auf seine Ausführungen zum Beschleunigungsgebot in der Beschwerdeschrift.
Angesichts der Tatsache, dass das SEM und die schweizerische Vertretung in
Tunesien nach dem Identifizierungsantrag vom Juni 2016 jedenfalls im September,
Oktober und Dezember bei den tunesischen Behörden vorstellig wurden und die
Identifizierung anmahnten, kann von einer Verletzung des Beschleunigungsgebots
indes keine Rede (mehr) sein. Vor dem Hintergrund dieses Sachverhalts erweist
sich die angeordnete Ausschaffungshaft als rechtmässig.

4. 
Gestützt auf die vorstehenden Erwägungen ist die Beschwerde im Ergebnis als
unbegründet abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann. Als
unterliegende Partei hat der Beschwerdeführer grundsätzlich keinen Anspruch auf
Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 BGG e contrario). Wenigstens teilweise sah
er sich allerdings erst angesichts der rechtsfehlerhaft unvollständigen
Sachverhaltsfeststellung der kantonalen Behörde zur Beschwerde an das
Bundesgericht veranlasst, sodass ihm zu Lasten des Kantons Basel-Landschaft
eine Parteientschädigung zuzusprechen ist (Art. 68 Abs. 4 i.V.m. Art. 66 Abs. 3
BGG; BGE 133 I 234 E. 3 S. 248; Urteile 2C_1093/2012 vom 28. Juni 2016 E. 5;
2C_16/2009 vom 26. August 2009 E. 4.3). Auf die Erhebung von Gerichtskosten
wird umständehalber verzichtet (Art. 66 Abs. 1 BGG). Angesichts dessen wird das
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gegenstandslos.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 
Der Kanton Basel-Landschaft hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung
von Fr. 2'500.-- auszurichten.

4. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonsgericht
Basel-Landschaft, Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, und dem
Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Februar 2017

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Fellmann

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