Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.788/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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2C_788/2017            

 
 
 
Urteil vom 2. November 2017  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Donzallaz, Stadelmann, 
Gerichtsschreiber Feller. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt, 
Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt, Bereich Recht. 
 
Gegenstand 
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt
als Verwaltungsgericht, Dreiergericht, vom 23. Juli 2017 (VD.2016.169). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a.  
Der am 1. Mai 1988 geborene marokkanische Staatsangehörige A.A.________
heiratete am 24. Juli 2008 in Marokko eine 1970 geborene Schweizerin. Am 28.
Juli 2008 reiste er zur Ehefrau in die Schweiz ein und erhielt am 6. Oktober
2009 eine Aufenthaltsbewilligung. Das Ehepaar hat eine gemeinsame Tochter
B.A.________, geboren am 29. Januar 2010, welche durch ihre Mutter über das
Schweizer Bürgerrecht verfügt. Spätestens Ende 2011 wurde die Wohngemeinschaft
aufgegeben, das Getrenntleben ist ab 12. März 2012 richterlich festgestellt.
Die Ehe wurde am 22. April 2015 geschieden. A.A.________ pflegt die Beziehung
zur Tochter im Rahmen eines begleiteten Besuchsrechts; er sieht sie dabei alle
14 Tage für jeweilen dreieinhalb Stunden. 
A.A.________ wurde am 9. Januar 2014 mit einer bedingten Geldstrafe von 40
Tagessätzen wegen Drohung und Ungehorsam gegen eine amtliche Verfügung
bestraft. Die Verurteilung wurde mit Urteil des Bundesgerichts 6B_1176/2014 vom
6. Januar 2015 rechtskräftig. Zudem wurde er mit Urteil des
Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 15. März 2017 zu einer
Freiheitsstrafe von 30 Monaten, davon 18 Monate bedingt, verurteilt, unter
anderem wegen versuchter schwerer Körperverletzung. Zugleich wurde eine
ambulante psychiatrische Behandlung nach Art. 63 Abs. 1 StGB angeordnet. Das
Urteil ist nicht rechtskräftig, es wurde dagegen Beschwerde an das
Bundesgericht erhoben (Verfahren 6B_634/2017). 
 
A.b.  
Mit Verfügung vom 3. März 2014 lehnte das Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt
die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung von A.A.________ ab und wies ihn
aus der Schweiz weg. Ein Rekurs an das Justiz- und Sicherheitsdepartement des
Kantons Basel-Stadt blieb erfolglos, und mit Urteil vom 23. Juli 2017 wies das
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht den gegen
den Departementsentscheid vom 25. April 2016 erhobenen Rekurs ab. 
 
B.  
Mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde bzw. Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten vom 14. August (richtig: 14. September) 2017 beantragt
A.A.________ dem Bundesgericht, das Urteil des Appellationsgerichts sei
aufzuheben; es sei die Aufenthaltsbewilligung gemäss Art. 8 EMRK zu erteilen
"oder ein neutrales Asylverfahren zu gewähren"; von der Wegweisung aus der
Schweiz sei abzusehen, auf einen Antrag auf Erlass eines Einreiseverbots sei zu
verzichten; die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen;
die dem angefochtenen Urteil zugrundeliegenden Entscheide des Migrationsamts
sowie des Justiz- und Sicherheitsdepartements seien "mit dem Grund der
Verletzung von Grundrechtsgarantien" neu zu revisionieren. 
Die Akten sind eingeholt, andere Instruktionsmassnahmen sind nicht angeordnet
worden. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Gemäss Art. 83 lit. c BGG ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten unzulässig gegen Entscheide auf dem Gebiet des Ausländerrechts
unter anderem betreffend Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das
Völkerrecht einen Anspruch einräumt (Ziff. 2), und die Wegweisung (Ziff. 4).
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist vorliegend bloss
insofern gegeben, als der Beschwerdeführer die Bewilligungsverweigerung anficht
und er einen bundes- oder völkerrechtlichen Anspruch auf deren Verlängerung hat
bzw. in vertretbarer Weise geltend macht (dazu nachfolgend E. 2). Grundsätzlich
unzulässig ist sie gegen die Wegweisung; diesbezüglich käme als
bundesrechtliches Rechtsmittel höchstens die subsidiäre Verfassungsbeschwerde
in Betracht (Art. 113 BGG), wobei nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte
gerügt werden kann (Art. 116 BGG), unter Beachtung der strengen
Begründungsanforderungen gemäss Art. 106 Abs. 2 (in Verbindung mit Art. 117)
BGG. Die Anträge betreffend Einreiseverbot (s. Art. 83 lit. c Ziff. 1 BGG) und
Asylverfahren (ausserhalb des Gegenstands des vorliegend streitigen
Bewilligungsverfahrens) sind nicht zu hören. 
Soweit die Beschwerde zulässig ist, ist darüber im vereinfachten Verfahren nach
Art. 109 BGG zu entscheiden. Der Entscheid wird bloss summarisch begründet,
wobei in der Begründung ganz oder teilweise auf den angefochtenen Entscheid
verwiesen werden kann (Art. 109 Abs. 3 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer war mit einer Schweizer Bürgerin verheiratet und
konnte die Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 42 AuG beanspruchen. Die
Ehe ist 2015 geschieden worden, sodass eine Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung gestützt auf diese Norm nicht mehr in Betracht fällt.
Gemäss Art. 50 Abs. 1 AuG besteht der Anspruch nach Art. 42 AuG nach Auflösung
der Ehe oder der Familiengemeinschaft auf Erteilung und Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung fort, wenn die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre
bestanden hat und eine erfolgreiche Integration besteht (lit. a); oder wichtige
persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen
(lit. b). Nach Art. 50 Abs. 2 AuG können wichtige persönliche Gründe namentlich
vorliegen, wenn der ausländische Ehegatte Opfer elterlicher Gewalt wurde oder
die Ehe nicht aus freiem Willen geschlossen hat oder die soziale
Wiedereingliederung im Herkunftsland stark gefährdet erscheint (nachehelicher
Härtefall).  
 
2.2. Da der Beschwerdeführer nicht drei Jahre in Ehegemeinschaft gelebt hat,
entfällt die Berufung auf Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG. In Betracht fällt hingegen
Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG. Bei der diesbezüglichen Prüfung sind auch die
Familienverhältnisse zu berücksichtigen (Art. 31 Abs. 1 lit. c der Verordnung
vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE; SR
142.201]). Für das Vorliegen eines nachehelichen Härtefalls kann mithin von
Bedeutung sein, dass der Beschwerdeführer eine minderjährige Tochter mit
Schweizer Bürgerrecht hat. Diese familiäre Beziehung fällt zudem in den
Schutzbereich von Art. 8 EMRK, welcher (gleich wie Art. 13 BV) den Schutz des
Familienlebens garantiert und - unter Umständen - einen selbstständigen
Anspruch auf die Erteilung oder Verlängerung einer ausländerrechtlichen
Bewilligung verschafft (BGE 140 I 145 E. 3.1 S. 146 f.; 139 I 330 E. 2.1 S. 335
f.), dies auch im Falle des um Bewilligung ersuchenden ausländischen
Elternteils eines Kindes mit gefestigtem Anwesenheitsstatus (Schweizer
Bürgerrecht, Niederlassungsbewilligung), der weder das Sorgerecht noch die
Obhut innehat (BGE 140 I 145 E. 3.2; 139 I 315 E. 2.2). Ob die Voraussetzungen
einer Bewilligungsverlängerung aufgrund der konkret geübten Pflege der
familiären Beziehung erfüllt sind, ist nicht Eintretensfrage, sondern Frage der
materiellen Beurteilung (BGE 137 I 284 E. 1.3 S. 287; s. auch BGE 140 I 145 E.
2.6 S. 322). Insgesamt ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten unter dem Aspekt von Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG zulässig.  
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz erläutert zutreffend die Voraussetzungen, unter denen dem
über ein Besuchsrecht verfügende Elternteil aus der familiären Beziehung zu
seinem Kind der Aufenthalt zu gestatten ist. Es kann dazu auf E. 2.3.2 des
angefochtenen Urteils verwiesen werden. Der Beschwerdeführer pflegt die
Beziehung zu seiner Tochter im Rahmen eines begleiteten Besuchsrechts. Er sieht
sie alle zwei Wochen für je dreieinhalb Stunden, dies unter Aufsicht. Dies
entspricht, selbst abgesehen von der Auflage, dass die Besuche begleitet sind,
in keiner Weise einem üblichen Besuchsrecht im Fall eines bald achtjährigen
Kindes. Die Vorinstanz hat erkannt, dass es dabei unter Berücksichtigung der
gesamten Umstände an der erforderlichen Intensität der Beziehung in affektiver
(und zudem auch in finanzieller) Hinsicht fehlt. Soweit die weitschweifige
Beschwerdeschrift Äusserungen zu diesem Aspekt enthält, sind sie nicht
geeignet, die diesbezüglich grundsätzlich verbindlichen
Sachverhaltsfeststellungen (vgl. Art. 105 Abs. 1 und 2 sowie Art. 97 Abs. 1 BGG
) und die daraus gezogenen rechtlichen Schlüsse der Vorinstanz in Frage zu
stellen. Es kann vollumfänglich auf E. 2.3.2 des angefochtenen Urteils
verwiesen werden; zusätzliche Erwägungen dazu erübrigen sich. Die Beziehung zur
Tochter steht der Bewilligungsverweigerung unter dem Aspekt von Art. 50 Abs. 1
lit. b AuG und Art. 8 EMRK nicht entgegen.  
 
3.2. Es bleibt zu prüfen, ob in anderer Hinsicht ein nachehelicher Härtefall im
Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG vorliegt. Der Beschwerdeführer macht
geltend, seine soziale Wiedereingliederung in seinem Herkunftsland sei im Sinne
von Art. 50 Abs. 2 AuG stark gefährdet. Die Vorinstanz hat sich damit in E. 2.6
ihres Urteils befasst und dargelegt, warum die vom Beschwerdeführer geltend
gemachte Bedrohung durch seinen Vater bzw. durch Stammesrache wenig glaubwürdig
sei. Der Beschwerdeführer führt nun vor Bundesgericht selber aus
(Beschwerdeschrift S. 41), er könne sich vorstellen, dass seine Situation mit
seinem Vater beruhigt sei; das sei nicht (mehr) das aktuelle Problem. Dabei ist
er zu behaften. Er schildert hingegen als Problem "die politische Verfolgung in
Marokko, wegen meiner geführten Demonstration gegen den König Mohammed VI."  
Gemäss Art. 99 Abs. 1 BGG dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nur so weit
vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt.
Weder in der Rekursschrift vom 22. Juli 2015 (richtig: 2016) an den
Regierungsrat zu Handen des Appellationsgerichts noch in der Replik vom 22.
November 2015 (richtig: 2016) an das Appellationsgericht ist von politischer
Verfolgung die Rede. Sollte eine solche bestehen, hätte der Beschwerdeführer
aber allen Anlass gehabt, dies ins vorinstanzliche Verfahren einzubringen,
welches namentlich die Rückkehr nach Marokko zum Thema hatte. Mit diesen
Vorbringen ist er im bundesgerichtlichen Verfahren nicht zu hören. 
Es sind keine anderen Umstände ersichtlich, die für eine schwere Gefährdung der
sozialen Wiedereingliederung im Herkunftsland sprechen. Was namentlich den
Gesundheitszustand des Beschwerdeführers betrifft, wird nichts vorgebracht, was
geeignet wäre, die entsprechende Folgerung der Vorinstanz (E. 2.6) in Frage zu
stellen. 
 
3.3. Die Verweigerung der Bewilligungsverlängerung verletzt mithin weder Art.
50 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Abs. 2 AuG noch Art. 8 EMRK. Damit erübrigt
sich, auf die zweitinstanzliche, noch nicht rechtskräftige Verurteilung des
Beschwerdeführers zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten einzugehen und die
Bewilligungsverweigerung unter dem Aspekt von Art. 51 Abs. 1 lit. b bzw. Art.
51 Abs. 2 lit. b in Verbindung mit Art. 62 Abs. 1 lit. b AuG zu prüfen oder
allenfalls das vorliegende Verfahren im Hinblick darauf bis zum Abschluss des
bundesgerichtlichen Verfahrens 6B_634/2017 zu sistieren.  
 
4.  
Was die Wegweisung betrifft, steht allein die subsidiäre Verfassungsbeschwerde
offen (vorne E. 1). Bei fehlender Aufenthaltsbewilligung gelten diesbezüglich
besonders hohe Anforderungen an die Geltendmachung der Verletzung
verfassungsmässiger Rechte und die Beschwerdebegründung (vgl. BGE 137 II 305 E.
3.3 S. 310 f.). Die Beschwerdeschrift enthält im Hinblick auf die Wegweisung
vorliegend keine diesen Anforderungen genügende substanziierte Rügen, weshalb
auf die Verfassungsbeschwerde nicht einzutreten ist. 
 
5.  
Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann schon darum nicht entsprochen
werden, weil die Beschwerde aussichtslos erschien (Art. 64 BGG). 
Damit sind die bundesgerichtlichen Kosten (Art. 65 BGG) dem Beschwerdeführer
als unterliegende Partei aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 erster Satz BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Appellationsgericht des
Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, Dreiergericht, und dem
Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 2. November 2017 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Feller 

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