Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.776/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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2C_776/2017            

 
 
 
Urteil vom 2. Oktober 2017  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Bundesrichter Haag, 
Gerichtsschreiber Feller. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprech Jürg Walker, 
 
gegen  
 
Departement des Innern des Kantons Solothurn, Migrationsamt. 
 
Gegenstand 
Erlöschen der Niederlassungsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom
27. Juli 2017. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Der 1984 geborene, aus Eritrea stammende A.________ reiste am 12. Dezember 2006
in die Schweiz ein und ersuchte um Asyl. Am 28. Februar 2008 wurde er als
Flüchtling anerkannt und es wurde ihm Asyl gewährt. Er erhielt zunächst die
Aufenthaltsbewilligung, am 25. Oktober 2011 die Niederlassungsbewilligung. Am
23. Juni 2014 reiste seine Ehefrau in die Schweiz ein, nachdem für sie am 13.
Mai 2014 der Familiennachzug bewilligt worden war. 
Am 10. Mai 2014 wurde A.________ in Deutschland verhaftet; er blieb bis zum 13.
November 2014, als er durch das Amtsgericht Rosenheim wegen Einschleusens von
Ausländern zu einer bedingt vollziehbaren Freiheitsstrafe von 14 Monaten
verurteilt wurde, in Untersuchungshaft. Er kehrte noch am 13. November 2014 in
die Schweiz zurück. Infolge dieser Verurteilung widerrief das Staatssekretariat
für Migration am 17. Dezember 2015 das Asyl, beliess ihm aber die
Flüchtlingseigenschaft. 
Am 6. März 2017 wurde das Asylgesuch der Ehefrau abgewiesen, jedoch auf eine
Wegweisung verzichtet. 
Am 19. April 2017 stellte das Departement des Innern des Kantons Solothurn
fest, dass die Niederlassungsbewilligung von A.________ erloschen sei, weil er
- bedingt durch die in Deutschland erlittene Untersuchungshaft - mehr als sechs
Monate landesabwesend gewesen sei (mindestens im Zeitraum vom 10. Mai bis und
mit zum 13. November 2014), ohne dass er um Aufrechterhaltung der
Niederlassungsbewilligung ersucht habe (Art. 61 Abs. 2 AuG). 
Mit Urteil vom 27. Juli 2017 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn
die gegen die Verfügung des Departements erhobene Beschwerde ab. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 14. September 2017
beantragt A.________ dem Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei
aufzuheben und es sei festzustellen, dass seine Niederlassungsbewilligung nicht
erloschen sei. 
 
2.   
Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet, weshalb darüber im
vereinfachten Verfahren entschieden wird (Art. 109 Abs. 2 BGG), ohne
Schriftenwechsel oder andere Instruktionsmassnahmen. Der Entscheid wird
summarisch begründet, und es kann ganz oder teilweise auf den angefochtenen
Entscheid verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG). 
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass Streitgegenstand einzig das Erlöschen der
Niederlassungsbewilligung ist, nicht aber der weitere Aufenthalt des
Beschwerdeführers oder seiner Ehefrau in der Schweiz, da sich die kantonale
Ausländerbehörde gemäss angefochtenem Entscheid bereit erklärt hat, dem
Beschwerdeführer und seiner Ehefrau eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. 
 
3.   
Gemäss Art. 61 Abs. 1 lit. a AuG erlischt eine ausländerrechtliche Bewilligung
mit der Abmeldung ins Ausland. Verlässt der Ausländer die Schweiz, ohne sich
abzumelden, so erlischt die Niederlassungsbewilligung nach sechs Monaten; auf
Gesuch hin kann sie während vier Jahren aufrechterhalten werden (Art. 61 Abs. 2
AuG). 
 
3.1. Dass der Beschwerdeführer mehr als sechs Monate landesabwesend war und
dass entsprechend seine Niederlassungsbewilligung nach Art. 61 AuG
grundsätzlich erloschen ist, legt das Verwaltungsgericht in E. II.3 sowie E.
II.4 erster Absatz seines Urteils dar, worauf verwiesen werden kann. Dies
bleibt vor Bundesgericht unbestritten. Heute ist allein noch die Frage
streitig, ob die zuständigen Behörden ihr obliegende Informationspflichten
verletzt haben und welche Konsequenzen eine allfällige entsprechende
Unterlassung auf das Erlöschen der Niederlassungsbewilligung haben könnte.  
 
3.2.   
 
3.2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, das Migrationsamt wäre verpflichtet
gewesen, ihn bzw. seine Ehefrau und seine Bekannten, die den Kontakt zum
Migrationsamt aufrecht erhielten, auf das drohende Erlöschen der
Niederlassungsbewilligung und auf die Möglichkeit der Reservierung der
Niederlassungsbewilligung aufmerksam zu machen; da dies nicht erfolgt sei,
müsse er so gestellt werden, wie wenn er die Reservierung der
Niederlassungsbewilligung rechtzeitig beantragt hätte. Dies ergibt sich seiner
Auffassung nach aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 und Art.
9 BV); wenn das Migrationsamt Kenntnis vom (unfreiwilligen) längeren
Auslandaufenthalt eines Ausländers habe, müsse es diesen über die gesetzliche
Regelung (Möglichkeit der Reservierung der Niederlassungsbewilligung, die im
Unterlassungsfall erlischt) informieren, bevor der Rechtsverlust eingetreten
sei.  
 
3.2.2. Vorliegend ergibt sich in tatsächlicher Hinsicht aus dem angefochtenen
Urteil, dass die Ehefrau nach ihrer Einreise von Ende Juni 2014 die zuständige
Einwohnerkontrolle über die am 10. Mai 2014 erfolgte Inhaftierung ihres
Ehemannes informierte. Nur in der Beschwerdeschrift (s. aber Art. 105 Abs. 1
und 2 sowie Art. 97 Abs. 1 BGG) ist zusätzlich von einer Haftbescheinigung die
Rede sowie von einem Schreiben des Amtsgerichts Rosenheim vom 20. Oktober 2014
(rund fünf Monate und zehn Tage nach der Verhaftung) betreffend die Ansetzung
der Hauptverhandlung auf den 13. November 2014. Insgesamt hat als erstellt zu
gelten, dass die Migrationsbehörde von der Untersuchungshaft Kenntnis haben
konnte.  
 
3.2.3. Vorab ist der vom Verwaltungsgericht erwähnte und vom Beschwerdeführer
anerkannte Grundsatz hervozuheben, dass eine Berufung auf allfällige Unkenntnis
der gesetzlichen Regelung ausser Betracht fällt. Auch die vorinstanzliche
Feststellung, dass der Gesetzgeber mit Art. 61 Abs. 2 AuG einen absoluten und
zwingenden Erlöschensgrund geschaffen hat und eindeutige Verhältnisse schaffen
wollte, sodass einem nicht rechtzeitig gestellten Gesuch nur bei Vorliegen
besonderer Verhältnisse stattgegeben werden kann, trifft im Grundsatz zu. Dazu
lässt sich im Wesentlichen auf E. II.3 des angefochtenen Urteils und auf die
dort zitierte Rechtsprechung verweisen.  
Zu den schon im kantonalen Verfahren gemachten Vorbringen des Beschwerdeführers
führt das Verwaltungsgericht konkret aus, dieser habe von der Möglichkeit eines
Gesuchs um Reservierung seiner Niederlassungsbewilligung nicht Gebrauch
gemacht, da er offenbar davon keine Kenntnis gehabt habe; auch wenn es für ihn
stossend erscheinen möge, habe die Ausländerbehörde - auch im Sinne einer
Gleichbehandlung aller übrigen Ausreisenden - keine Pflicht gehabt, ihn oder
seine Ehefrau auf die Möglichkeit der Reservierung hinzuweisen, weshalb kein
Grund bestehe, ihn so zu stellen, wie wenn er ein Gesuch um Reservierung
gestellt hätte (E. II.4 zweiter Absatz). Dies lässt sich nicht beanstanden: 
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gibt es keine umfassende
Verpflichtung der Behörden, Ausländer auf sämtliche sie betreffenden Fristen
aktiv hinzuweisen (Urteil 2C_52/2014 vom 23. Oktober 2014 E. 3.3 betreffend den
über sechs Monate dauernden Auslandaufenthalt, der die Aufenthaltsbewilligung
erlöschen lässt; Urteil 2C_97/2013 vom 26. August 2013 E. 4 betreffend die
Einhaltung der Fristen für den Familiennachzug). Zwar wird im zweitgenannten
Urteil erwähnt, dass sich ein Ausländer unter Hinweis auf Art. 56 AuG
allenfalls leichter auf den verfassungsmässigen Vertrauensschutz berufen könne,
falls besondere Umstände im Einzelfall eine Auskunftserteilung als geboten
hätten erscheinen lassen. Die Regelung über die Information durch
ausländerrechtliche Behörden gemäss Art. 56 AuG ist aber in keiner Weise
vergleichbar etwa mit Art. 27 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000
über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1), und
aus dem diese Norm betreffenden BGE 131 V 472 lässt sich für die vorliegende
Konstellation nichts ableiten. In der Tatsache allein, dass die
Ausländerbehörde Kenntnis von der längerdauernden Inhaftierung des
Beschwerdeführers erhalten hat, liegen jedenfalls noch keine derartigen
besonderen Umstände, die ihn berechtigten würden, das Gesuch um Reservierung
der Niederlassungsbewilligung auch nach Ablauf der diesbezüglichen Frist noch
stellen zu können. 
 
3.3. Der Beschwerdeführer kann nach dem Gesagten aus dem Umstand, dass er nicht
vor Ablauf der Frist von sechs Monaten gemäss Art. 61 Abs. 2 AuG auf die
Möglichkeit hingewiesen worden ist, ein Gesuch um Aufrechterhaltung der
Niederlassungsbewilligung stellen zu können, nichts zu seinen Gunsten
abzuleiten. Die Niederlassungsbewilligung ist wegen verpasster Gesuchsfrist
erloschen, und es kann, wie schon im kantonalen Gerichtsverfahren,
dahingestellt bleiben, ob einem Verlängerungsgesuch entsprochen worden wäre.  
Die offensichtlich unbegründete Beschwerde ist abzuweisen. 
 
4.   
Dem für das bundesgerichtliche Verfahren gestellten Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung kann schon darum nicht entsprochen werden, weil
die Beschwerde aussichtslos erschien (Art. 64 BGG). 
Entsprechend sind dem Beschwerdeführer als unterliegende Partei die
Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 65 und Art. 66 Abs. 1 erster Satz BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Solothurn und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich
mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 2. Oktober 2017 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Feller 

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