Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.751/2017
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2017
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2017


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
2C_751/2017  
 
 
Urteil vom 21. Dezember 2017  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Zünd, 
Bundesrichter Haag, 
Gerichtsschreiber Hugi Yar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Häusermann, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Zürich, 
Berninastrasse 45, 8090 Zürich, 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, Neumühlequai 10, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4.
Abteilung, vom 3. Juli 2017 (VB.2017.00281). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der am 17. April 1994 in der Schweiz geborene A.________ ist Staatsangehöriger
von Bosnien und Herzegowina. Er wurde ursprünglich in den Flüchtlings- und
Asylstatus seiner Eltern einbezogen. Das Migrationsamt des Kantons Zürich
erteilte ihm 1998 eine Aufenthaltsbewilligung; seit 2002 ist er im Besitz der
Niederlassungsbewilligung. 
 
B.  
 
B.a. A.________ wurde in der Schweiz seit seinen Jugendjahren straffällig:  
 
- Die Jugendstaatsanwaltschaft erliess am 17. Mai 2010, 1. März 2011 sowie am
18. Juni 2012 drei Strafbefehle gegen ihn wegen sexueller Nötigung, mehrfacher
Sachbeschädigung, Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes, Diebstahls,
versuchter Entwendung eines Motorfahrzeugs zum Gebrauch, mehrfachen
Hausfriedensbruchs sowie unberechtigter Verwendung eines Fahrrads. 
- Mit Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 18. März 2015 wurde A.________ des
mehrfachen, teilweise versuchten Raubes, der mehrfachen, teilweise versuchten
Erpressung, des mehrfachen geringfügigen Missbrauchs einer
Datenverarbeitungsanlage, des Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie
der mehrfachen Übertretung dieses Gesetzes schuldig gesprochen und mit einer
Freiheitsstrafe von 42 Monaten sowie einer Busse von Fr. 500.-- bestraft. Das
Gericht schob den Vollzug der Freiheitsstrafe zugunsten einer Massnahme für
junge Erwachsene (Art. 61 StGB) auf. 
 
B.b. A.________ war am 9. Mai 2014 verhaftet worden; am 17. Juli 2014 trat er
den vorzeitigen Strafvollzug in der Jugendvollzugsanstalt Pöschwies an. Das Amt
für Justizvollzug des Kantons Zürich wies A.________ am 15. Dezember 2014 auf
den 22. Dezember 2014 in die offene Abteilung des Massnahmezentrums U.________
ein. Obwohl intakte Aussichten bestanden, dass er die Massnahme bis zum Ablauf
von deren Höchstdauer am 21. Dezember 2018 erfolgreich abschliessen könnte,
beantragte A.________ am 23. Oktober 2017, die Massnahme aufzuheben, da er
nicht mehr motiviert sei, sie weiterzuführen, und er mit der Wegweisung aus der
Schweiz nach Beendigung der Massnahme rechnen müsse. Mangels fehlender
Kooperationsbereitschaft erschien dem Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich
die Massnahme am 24. November 2017 nicht mehr zielführend, weshalb sie diese
auf den 27. November 2017 aufhob und A.________ in die Freiheit entliess.  
 
B.c. Mit Verfügung vom 4. Mai 2016 widerrief das Staatssekretariat für
Migration (SEM) wegen der Straffälligkeit und der veränderten Situation in
Bosnien und Herzegowina sowohl das Asyl als auch die Flüchtlingseigenschaft von
A.________.  
 
C.  
Am 13. September 2016 widerrief das Migrationsamt des Kantons Zürich
seinerseits die Niederlassungsbewilligung von A.________; gleichzeitig hielt es
ihn an, das schweizerische Staatsgebiet unverzüglich nach der Entlassung aus
dem Massnahmenvollzug zu verlassen. A.________ habe bei seinen Straftaten ein
"brutales, rücksichtsloses" und eigennütziges Verhalten an den Tag gelegt; bei
seinen Taten habe er generell eine kriminelle Energie gezeigt, welche nicht
mehr bagatellisiert werden dürfe. A.________ habe sich "weder von den
Vorstrafen noch von laufenden Strafuntersuchungen beeindrucken" lassen und habe
weiter delinquiert, "wobei die Verstösse immer gravierendere Formen" angenommen
hätten. Es bestehe aufgrund seiner schwerwiegenden Straffälligkeit ein
gewichtiges öffentliches Interesse daran, dass er die Schweiz verlasse. Zwar
zähle er zur "Zweiten Generation" von ausländischen Staatsbürgern, doch sei er
weder beruflich noch sozial (ausserhalb der Familie) hier in nennenswerter
Weise integriert. Er sei jung, gesund, ledig und kinderlos, was es ihm erlaube,
in seiner Heimat Fuss zu fassen; immerhin sei er rund zehnmal mit seinen Eltern
bereits dort gewesen und spreche er überdies Bosnisch. Die hiergegen
gerichteten kantonalen Rechtsmittel blieben ohne Erfolg (Entscheid der
Rekursabteilung der Sicherheitsdirektion vom 17. März 2017 und Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 3. Juli 2017). 
 
D.  
 
D.a. A.________ beantragt vor Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts
des Kantons Zürich vom 3. Juli 2017 aufzuheben und ihn lediglich zu verwarnen;
eventuell sei das Urteil aufzuheben und die Vorinstanzen anzuweisen, das
Verfahren zu sistieren und frühstens im Juli 2018 wieder aufzunehmen;
subeventuell sei das Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung im
Sinne der Erwägungen an die kantonalen Behörden zurückzuweisen. Für das
bundesgerichtliche Verfahren sei ihm im Falle des Unterliegens die
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren. A.________ macht
geltend, die ausländerrechtliche Beurteilung sei zu früh erfolgt, so dass ein
allfälliger Erfolg der strafrechtlichen Massnahme gar nicht habe berücksichtigt
werden können; die aufenthaltsbeendende Massnahme sei unverhältnismässig, die
Interessenabwägung nicht korrekt durchgeführt und sein Anspruch auf rechtliches
Gehör verletzt worden.  
 
D.b. Der Abteilungspräsident hat am 8. September 2017 der Eingabe von
A.________ antragsgemäss aufschiebende Wirkung beigelegt und es am 26.
September 2017 abgelehnt, seine Verfügung auf Antrag des Migrationsamts des
Kantons Zürich hin in Wiedererwägung zu ziehen. Am 11. September 2017 liess er
die kantonalen Akten einholen. Am 28. November 2017 ergänzte das Migrationsamt
des Kantons Zürich diese mit der Verfügung vom 24. November 2017 des Amts für
Strafvollzug bezüglich des Abbruchs der Massnahme für junge Erwachsene durch
A.________.  
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gegen den Widerruf der Niederlassungsbewilligung steht die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4). Ob
die Voraussetzungen für den Widerruf gegeben sind, bildet keine Frage des
Eintretens, sondern eine solche der materiellen Beurteilung (vgl. BGE 137 I 305
E. 2.5 S. 315). Auf die frist- und - zumindest teilweise (vgl. nachstehende E.
1.2) - formgerecht eingereichte Eingabe des durch den angefochtenen
Endentscheid in schutzwürdigen eigenen Interessen betroffenen Beschwerdeführers
ist einzutreten (vgl. Art. 42, Art. 82 lit. a i.V.m. Art. 86 Abs. 1 lit. d,
Art. 83 lit. c Ziff. 2 [e contrario], Art. 89 Abs. 1, Art. 90, Art. 100 Abs. 1
BGG). Für den Fall, dass das Bundesgericht die Zulässigkeit der Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten verneinen sollte, erhebt der
Beschwerdeführer gleichzeitig subsidiäre Verfassungsbeschwerde; auf diese - die
gegen den Wegweisungsentscheid zulässig wäre, indessen diesbezüglich nicht
weiter begründet wird (vgl. BGE 137 II 305 ff.; Urteil 2C_136/2017 vom 20.
November 2017 E. 1.4.2) - ist nicht einzutreten (vgl. Art. 113 BGG).  
 
1.2. Die Beschwerdebegründung muss praxisgemäss in der Eingabe an das
Bundesgericht selber enthalten sein; pauschale Verweise auf Eingaben an die
vorinstanzlichen Behörden genügen den verfahrensrechtlichen Vorgaben vor
Bundesgericht nicht. Die Beschwerdebegründung soll eine effiziente
Entscheidfindung erleichtern. Daher reicht es im bundesgerichtlichen Verfahren
nicht, unter Behauptung einer Rechtsverletzung Vorbringen und Aktenstücke aus
dem vorinstanzlichen Verfahren integral in die Beschwerdeschrift zu übernehmen
und dem Bundesgericht zur umfassenden Prüfung zu unterbreiten; die
beschwerdeführende Person muss sich vielmehr sachbezogen mit den Argumenten der
Vorinstanz im Einzelnen auseinandersetzen; es genügt nicht, wenn sie die
Kritik, die sie in den kantonalen Verfahren vorgebracht hat, vor Bundesgericht
einfach unverändert wiederholt (vgl. das Urteil 4A_709/2011 vom 31. Mai 2012 E.
1.1 und 1.4; BGE 133 II 396 E. 3.1 S. 400; 123 V 335 E. 1b S. 337 f.; 113 Ib
287 E. 1 S. 287 f.; siehe auch ANDREAS GÜNGERICH, in: Seiler et al. [Hrsg.],
Bundesgerichtsgesetz (BGG), 2. Aufl. 2015, N. 4 zu Art. 42 BGG; FLORENCE AUBRY
GIRARDIN, in: Corboz et al. [Hrsg.], Commentaire de la LTF, 2. Aufl. 2014, N.
33 zu Art. 42 BGG; LAURENT MERZ, in: Niggli/Uebersax/Wiprächtiger [Hrsg.], BSK
Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 56 zu Art. 42 BGG). Soweit der
Beschwerdeführer seine Darlegungen aus dem kantonalen Rekurs- und
Beschwerdeverfahren umfassend in die vorliegend zu beurteilende Eingabe kopiert
hat (S. 11 - 34 der 40-seitigen Rechtsschrift), ohne sich mit den Ausführungen
des Verwaltungsgerichts zu seinen Einwänden detailliert auseinander zu setzen,
ist auf seine Eingabe nicht weiter einzugehen.  
 
1.3.  
 
1.3.1. Das Bundesgericht prüft unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und
Begründungspflicht nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern die rechtlichen
Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Es
ist an den entscheidrelevanten Sachverhalt gebunden, wie ihn die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), wenn sich dieser nicht als
offensichtlich falsch oder unvollständig erweist, was von der
beschwerdeführenden Person in Auseinandersetzung mit den Ausführungen im
angefochtenen Entscheid verfassungsbezogen aufzuzeigen ist (Art. 105 Abs. 2 und
Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254 f.; 133 III 350 E.
1.3). Zur Sachverhaltsfeststellung gehört auch die auf Indizien gestützte
Beweiswürdigung (BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 265 ff.; Urteil 2C_402/2015 vom 11.
November 2016 E. 2.2.2). Neue Tatsachen und Beweismittel kann das Bundesgericht
nur insoweit berücksichtigen, als der angefochtene Entscheid hierzu Anlass gibt
(Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 136 II 497 E. 3.3 S. 500 f.).  
 
 
1.3.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe seinen Anspruch
auf rechtliches Gehör (Art. 29 BV) verletzt, weil sie auf seine Vorbringen
nicht richtig eingegangen sei und ihren Entscheid ungenügend begründet habe;
der Sachverhalts sei dadurch einseitig festgestellt worden. Seine Einwände
überzeugen nicht: Die Begründung kann sich praxisgemäss auf die
entscheidwesentlichen Punkte beschränken; sie muss so abgefasst sein, dass sich
der Betroffene über die Tragweite des Entscheids ein Bild machen und in
Kenntnis der Grundlagen des anzufechtenden Akts an die höhere Instanz gelangen
kann. Um dies zu ermöglichen, muss die Behörde wenigstens kurz die Überlegungen
nennen, von denen sie sich hat leiten lassen und die sie ihrem Entscheid
zugrunde gelegt hat (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1 S. 253 mit Hinweisen).  
 
1.3.3. Das angefochtene Urteil genügt diesen Vorgaben: Wenn die Vorinstanz
davon ausgegangen ist, gestützt auf die von ihr aufgezählten Elemente (Sprache,
Ferienaufenthalte, usw.,) sei dem Beschwerdeführer die Rückkehr in seine Heimat
zumutbar, hat sie sinngemäss die anderslautende Einschätzung und die
entsprechenden Einwände des Beschwerdeführers hiergegen verworfen. Dabei musste
sie nicht auf alle Details eingehen, zumal bereits die Verfügung des
Migrationsamts und der Entscheid der Rekursabteilung der Sicherheitsdirektion
diesbezüglich detailliert begründet waren. Das Verwaltungsgericht hat nicht
verkannt, dass der Beschwerdeführer in der Schweiz geboren ist und deshalb für
die aufenthaltsbeendende Massnahme die strengeren Regeln für hier sozialisierte
Ausländer der "Zweiten Generation" zur Anwendung kamen. Dabei durfte es in
seinem Entscheid - in willkürfrei erfolgter antizipierter Beweiswürdigung (vgl.
BGE 141 I 60 E. 3.3 S. 64 mit Hinweisen) - den von den Vorinstanzen erstellten
Sachverhalt übernehmen. Das Verwaltungsgericht hat auch dem Umstand Rechnung
getragen, dass es sich beim Raub "lediglich" um einen Versuch gehandelt hat;
aus der Tatbeschreibung ergab sich die Art der Verletzungen des Opfers (E. 3.3
des angefochtenen Entscheids), welche der Beschwerdeführer zu Unrecht zu
verharmlosen versucht. Die Behauptung, dass "er in Bosnien und Herzegowina über
keinerlei Bezugspersonen verfügt", ist insofern aktenwidrig, als er selber
darauf hingewiesen hat, dass in der Heimat noch Cousins seines Vaters lebten.  
 
1.3.4. Als neues Element kann die nach dem angefochtenen Entscheid ergangene
Verfügung des Amts für Justizvollzugs vom 24. November 2017 über den Abbruch
der vom Gericht am 18. März 2015 angeordneten Massnahme für junge Erwachsene (
Art. 61 StGB) durch den Beschwerdeführer nicht berücksichtigt werden (Art. 99
BGG). Würde sie in die bundesgerichtliche Beurteilung miteinbezogen,
unterstriche sie den sich bereits aus den restlichen Elementen ergebenden
Umstand, dass der Beschwerdeführer nicht bereit erscheint, sich in die hiesigen
Verhältnisse einzugliedern und von den ihm gebotenen Hilfestellungen Gebrauch
zu machen (vgl. unten E. 3). Trotz guter Aussichten auf den mit der Massnahme
erhofften erfolgreichen Reifungsprozess bis zum 21. Dezember 2018 hat der
Beschwerdeführer die entsprechende Betreuung vorzeitig abgebrochen.  
 
2.  
 
2.1. Die Niederlassungsbewilligung kann widerrufen werden, (1.) wenn die
ausländische Person zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe, d.h. zu einer
solchen von mehr als einem Jahr, verurteilt worden ist; dabei spielt keine
Rolle, ob die Sanktion bedingt, teilbedingt oder unbedingt ausgesprochen wurde
(Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 lit. b AuG; BGE 139 I 31 E. 2.1 S. 32;
Urteil 2C_679/2015 vom 19. Februar 2016 E. 5.1); oder (2.) wenn der Ausländer
in schwerwiegender Weise gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der
Schweiz oder im Ausland verstossen hat bzw. er diese gefährdet (Art. 63 Abs. 1
lit. b AuG).  
 
2.2. Die aufenthaltsbeendende Massnahme muss verhältnismässig sein (vgl. Art.
96 AuG; Art. 13 Abs. 1 i.V.m. Art. 36 Abs. 3 BV; Art. 8 Ziff. 2 EMRK). Zu
berücksichtigen sind dabei namentlich die Schwere des Delikts und des
Verschuldens des Betroffenen, der seit der Tat vergangene Zeitraum, das
Verhalten des Ausländers während diesem, der Grad seiner Integration bzw. die
Dauer der bisherigen Anwesenheit, sein Gesundheitszustand sowie allgemein die
ihm und seiner Familie drohenden Nachteile (BGE 135 II 377 E. 4.3 S. 381 f.).
Keines dieser Elemente ist für sich allein ausschlaggebend; erforderlich ist
eine Würdigung der gesamten Umstände im Einzelfall (vgl. das Urteil 2C_846/2014
vom 16. Dezember 2014 E. 2.4 mit Hinweisen). Der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte (EGMR) prüft bei der Beurteilung der Zulässigkeit
aufenthaltsbeendender Massnahmen im Rahmen von Art. 8 Ziff. 2 EMRK jeweils die
gleichen Kriterien (vgl. BGE 139 I 31 E. 2.3.3 S. 34 mit weiteren Hinweisen).  
 
2.3. Soweit dies zu keinem Widerspruch zu übergeordnetem Recht - und
insbesondere der EMRK - führt, berücksichtigt das Bundesgericht bei seiner
Interessenabwägung auch die verfassungsrechtlichen Vorgaben von Art. 121 Abs. 3
BV; danach sollen gewisse schwere Delikte losgelöst von der Anwesenheitsdauer
zum Verlust des Aufenthaltsrechts und weiteren ausländerrechtlichen Sanktionen
führen (vgl. BGE 139 I 16 E. 5.3 S. 31; Urteile 2C_679/2015 vom 19. Februar
2016 E. 6.2.3 [mit Hinweisen] und 2C_576/2014 vom 13. Januar 2015 E. 2.5). Bei
entsprechend gewichtigen Straftaten und bei Rückfall sowie bei wiederholter
(unverbesserlicher) Delinquenz besteht regelmässig ein wesentliches
öffentliches Interesse daran, die Anwesenheit eines Ausländers zu beenden, der
die hiesige Rechtsordnung in schwerwiegender Weise oder andauernd missachtet
und damit zeigt, dass er auch künftig weder gewillt noch fähig ist, diese zu
respektieren (vgl. BGE 139 I 145 E. 2.4 und 2.5 S. 149 ff.; das Urteil 2C_903/
2010 vom 6. Juni 2011 E. 3.1, nicht publ. in BGE 137 II 233 ff.; 130 II 176 E.
4.4.2 S. 190 f.).  
 
3.  
 
3.1. Der Widerrufsgrund von Art. 63 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 i.V.m. Art. 62
lit. b AuG (SR 142.20) ist vorliegend erfüllt (vgl. BGE 135 II 377 E. 4.2 und
das Urteil 2C_486/2013 vom 4. November 2013 E. 3.1) : Das Bezirksgericht Zürich
verurteilte den Beschwerdeführer am 18. März 2015 unter anderem wegen
versuchten Raubes und versuchter Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von 42
Monaten, die es zugunsten einer Massnahme nach Art. 61 StGB aufschob. Der
Beschwerdeführer hat bei seinem Raubversuch - nach der Einschätzung des
Strafgerichts, auf welche grundsätzlich abzustellen ist (BGE 134 II 10 E. 4.2)
- "brutal" gehandelt: Er griff eine zufällig ausgewählte Person an und schlug
mit einem Holzstock auf sie ein, bis dieser zerbrach; in der Folge versetzte er
ihr Faustschläge, worauf sie zu Boden sank und der Täter von ihr erfolglos die
Herausgabe ihrer Wertsachen verlangte. Nachdem das Opfer wehrlos am Boden lag,
versetzte der Beschwerdeführer ihm weitere Faustschläge sowie mindestens einen
Fusstritt in den Oberkörper. Das Opfer erlitt dadurch mehrfache Prellungen am
Ellbogen, am rechten unteren Rippenbogen, am rechten oberen Beckenkamm und am
seitlich hinteren Schädel; nach der Tat war das Opfer rund zwei Wochen
arbeitsunfähig. Das Strafgericht hielt fest, der Beschwerdeführer sei
rücksichtslos sowie gewaltsam vorgegangen und habe die Zufügung erheblicher
Verletzungen in Kauf genommen. Auch bei den anderen Delikten ging der
Beschwerdeführer gegen die Opfer drohend vor, um aus rein finanziellen Motiven
und Eigennutz von 14- bis 15-jährigen Jugendlichen Geld oder geldwerte
Leistungen zu erpressen. Bezüglich dieser Nebendelikte nahm das Strafgericht
zwar nur ein leichtes Verschulden an, unterstrich aber, dass die kriminelle
Energie des Beschwerdeführers auch bei diesen Delikten zum Ausdruck gekommen
sei.  
 
 
3.2. Mit der Vorinstanz ist davon auszugehen, dass angesichts der Strafhöhe,
der wiederholt gezielt eingesetzten Gewalt und der Jugendstrafen
ausländerrechtlich insgesamt von einem erheblichen Verschulden auszugehen ist.
Soweit der Beschwerdeführer einwendet, bei der Haupttat wegen des Konsums von
Alkohol, Kokain und Cannabis nicht sich selber gewesen zu sein, übersieht er,
dass ihm diesbezüglich im Strafurteil nur eine "leichte Verminderung der
Schuldfähigkeit" zugestanden wurde. Sein Verhalten im Massnahmenvollzug war
anfänglich problematisch und zog Disziplinarmassnahmen nach sich. Nach einem
Bericht des Vollzugszentrums sei bei ihm als deliktsrelevanter Problembereich
eine chronifizierte Gewaltbereitschaft, eine dissoziale Persönlichkeitsstörung
und eine Suchtproblematik ausgemacht worden. Hinsichtlich der Legalprognose sei
von einem moderaten bis deutlichen strukturellen Rückfallrisiko für
einschlägige Delikte (Raub und Erpressung) auszugehen. Das Verhalten des
Beschwerdeführers hat sich seit der letzten Tat (Mai 2014) nicht nachhaltig
geändert, auch wenn in einzelnen späteren Massnahmeberichten von gewissen
Fortschritten die Rede ist. Gestützt auf das hohe Strafmass und die Natur und
Anzahl der begangenen Delikte, welche zumindest auch eine Gewalttat (Raub)
mitumfassten, bei welcher der Beschwerdeführer Leib und Leben seines Opfers als
wichtigstes schutzwürdiges Rechtsgut beeinträchtigt hat, besteht
ausländerrechtlich ein erhebliches Interesse daran, dass er die Schweiz
verlässt.  
 
3.3. Soweit der Beschwerdeführer darauf hinweist, dass seine Familie hier lebe,
vermochten die Beziehungen zu seinen Angehörigen ihn nicht davon abzuhalten,
immer weiter und immer schwerer straffällig zu werden. Die Haupttat beging der
Beschwerdeführer zu einem Zeitpunkt, als die Strafuntersuchungen bezüglich der
Nebendelikte bereits liefen, was ein schlechtes Licht auf seine Bereitschaft
und Fähigkeit wirft, sich künftig wohlverhalten zu wollen bzw. zu können. Er
ist in der Schweiz beruflich kaum integriert; mehrere Anlehren, auch solche
während des Massnahmenvollzugs in Bereichen, die ihn interessierten, brach er
ab. Seine soziale Integration kann im Hinblick auf seine Straftaten bereits zur
Schulzeit nicht als gelungen bezeichnet werden, selbst wenn er heute auch
einige Beziehungen zu Schweizern unterhalten und hier Fussball spielen sollte.
Der Beschwerdeführer zeigt kein glaubhaftes Zukunftsprojekt auf, aus dem
geschlossen werden könnte, dass er seinen Weg gefunden hat und ein
Rückfallrisiko deshalb derart gering erscheint, dass es sich rechtfertigen
würde, ihm - trotz der bereits gebotenen, jedoch fruchtlos gebliebenen
Hilfestellungen - eine weitere (letzte) Chance zu geben. Die von ihm beantragte
Verwarnung ist wegen seines Verhaltens nicht geeignet, hinreichenden Schutz vor
der bestehenden Rückfallgefahr zu bieten, weshalb die Vorinstanz davon absehen
konnte, den Beschwerdeführer lediglich zu verwarnen, und ihm vielmehr sofort
die Niederlassungsbewilligung entziehen durfte.  
 
3.4. Der mittlerweile rund 23-jährige, gesunde Beschwerdeführer ist ledig, in
keiner Beziehung und hat keine Kinder. Die Verbindungen zu seinen Eltern und
seinem Bruder sind zwar intakt und werden gelebt, können jedoch auch von der
Heimat aus grenzüberschreitend mit Besuchen und Kontakten über das Internet
bzw. mittels der klassischen Kommunikationsmittel gepflegt werden. Eine
Abhängigkeit des volljährigen Beschwerdeführers von seiner Familie wird nicht
dargetan und ist nicht ersichtlich. In Bosnien und Herzegowina leben nach den
Angaben des Beschwerdeführers noch Cousins väterlicherseits, zu denen er aber
nur lose Kontakte unterhalten will. Nichts steht indessen einer Intensivierung
dieser Beziehungen entgegen. Zwar will der Beschwerdeführer mit seinem
Heimatland nur noch über die Staatsangehörigkeit verbunden sein; dies ist
indessen aufgrund des verbindlich festgestellten Sachverhalts (Art. 105 Abs. 1
BGG) nicht der Fall: Der Beschwerdeführer hat regelmässig (rund zehnmal) seine
Ferien von drei Wochen in der Heimat verbracht, ist über seine Familie mit den
dortigen Gebräuchen vertraut und spricht Bosnisch. Soweit er sich in dieser
Sprache nicht schriftlich ausdrücken kann, wird es ihm möglich sein, dies zu
erlernen. Seine hier erworbenen sprachlichen und beschränkten beruflichen
Kenntnisse (in der Automobilbranche) können ihm beim Aufbau einer Existenz in
der Heimat dienlich sein. Nachdem ihm die Sozialisierung in der Schweiz
missglückt ist, wird er durch die aufenthaltsbeendende Massnahme trotz der
Geburt in der Schweiz nicht aus Verhältnissen gerissen, in denen er als
vertieft verwurzelt gelten könnte. Seine hiesigen Angehörigen können ihn in der
Heimat psychisch und finanziell unterstützen.  
 
3.5. Dem Beschwerdeführer wird die Rückkehr in seine Heimat sicher nicht leicht
fallen; indessen überwiegen die öffentlichen Sicherheitsbelange dennoch seine
privaten Interessen, trotz seiner Straftaten in der Schweiz verbleiben zu
können. Entgegen seinen Einwänden erliess das Migrationsamt die
aufenthaltsbeendende Massnahme am 13. September 2016 auch nicht zu früh: Nach 
Art. 70 Abs. 1 VZAE (SR 142.201) bleibt im Falle des Straf- oder
Massnahmenvollzugs die bisherige ausländerrechtliche Bewilligung bis zur
Entlassung aus diesen gültig. Das Anwesenheitsverhältnis ist spätestens auf den
Zeitpunkt der bedingten oder unbedingten Entlassung aus dem Straf- oder dem
Massnahmenvollzug neu zu regeln (Art. 70 Abs. 2 VZAE). Nach der Rechtsprechung
ist auf eine vernünftige zeitliche Distanz zwischen der Verfügung und der
Entlassung zu achten; die Zeitspanne zwischen der Regelung des künftigen
Aufenthalts und der Entlassung aus dem Vollzug soll die voraussichtliche Dauer
eines allfälligen Rechtsmittelverfahrens nicht überschreiten (Urteile 2C_394/
2016 vom 26. August 2016 E. 4.1; 2C_903/2010 vom 6. Juni 2011 E. 5.2.3 und BGE
131 II 329 E. 2.3 und 2.4). Im vorliegenden Fall schien der Erfolg der
Massnahme nicht zum Vornherein gesichert und bestand aufgrund der Berichte der
Vollzugsbehörden die Möglichkeit eines Scheiterns, sodass es nahelag,
erstinstanzlich frühzeitig über die ausländerrechtliche Zukunft des
Beschwerdeführers zu entscheiden, zumal weiteren positiven Entwicklungen im
Massnahmenvollzug bis zum Entscheid des Verwaltungsgerichts noch Rechnung
getragen werden konnte bzw. musste und der Beschwerdeweg zudem über drei
Instanzen führte. Das gewählte Vorgehen hatte den Vorteil, dass sowohl die
Straf- bzw. Massnahmenvollzugsbehörden wie der Beschwerdeführer wussten, wovon
sie bezüglich der künftigen ausländerrechtlichen Situation auszugehen hatten,
was es ihnen erlaubte, sich hierauf einzurichten. Allgemein ist eine
aufenthaltsbeendende Massnahme auch möglich, wenn sich der Betroffene im Straf-
und Massnahmenvollzug allenfalls gebessert hat, sodass ein Zuwarten mit der
Verfügung bis zum Ende des Straf- oder Massnahmenvollzugs nicht
notwendigerweise Sinn macht (vgl. das Urteil 2C_903/2010 vom 6. Juni 2011 E.
5.2.4). Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die maximale Dauer der Massnahme
länger war als die ausgesprochene Strafe, was es dem Beschwerdeführer
ermöglichte, vor deren erfolgreichem Abschluss zu beantragen, ihn aus dem
Massnahmenvollzug zu entlassen; dies hat er denn auch getan, weshalb er sich
heute auf freiem Fuss befindet, obwohl das ausländerrechtliche
Beschwerdeverfahren erst mit dem vorliegenden Urteil abgeschlossen wird. Der
Eventualantrag, die Vorinstanz sei anzuweisen, das Verfahren zu sistieren, ist
deshalb unbegründet.  
 
4.  
 
4.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erweist sich als
unbegründet und ist abzuweisen; auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird
nicht eingetreten.  
 
4.2. Dem bundesgerichtlichen Verfahrensausgang entsprechend würde der
unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 BGG); es rechtfertigt
sich indessen, ihm die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu
gewähren (Art. 64 BGG). Bei der Festsetzung der Entschädigung an den
Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass
die Beschwerdeschrift über weite Strecken lediglich Kopien der Eingaben an die
kantonalen Behörden enthielt.  
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen. 
 
2.  
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten. 
 
3.  
Dem Antrag auf unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird
entsprochen: 
 
3.1. Es werden keine Kosten erhoben.  
 
3.2. Dem Beschwerdeführer wird Rechtsanwalt Thomas Häusermann als
unentgeltlicher Rechtsbeistand beigegeben; es wird diesem aus der Gerichtskasse
eine Entschädigung von Fr. 1'200.-- zugesprochen.  
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration
schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 21. Dezember 2017 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar 

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben