Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.73/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_73/2017

Urteil vom 9. Februar 2017

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Zünd,
Bundesrichter Haag,
Gerichtsschreiber Hugi Yar.

Verfahrensbeteiligte
A.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Philipp Füllemann,

gegen

Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt.

Gegenstand
Ausschaffungshaft,

Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt
als Verwaltungsgericht,
Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, vom 28. Dezember 2016.

Sachverhalt:

A. 
A.________ (geb. 1988) ist tunesischer Staatsangehöriger. Nach eigenen Angaben
hält er sich seit einiger Zeit abwechslungsweise in Italien bei einem Kollegen
und in Frankreich bei seiner Schwester auf. Am 1. Juli 2016 wurde er nach einer
Grenzkontrolle von den französischen an die schweizerischen Behörden übergeben;
diese wiesen ihn gleichentags weg und nahmen ihn in Ausschaffungshaft. Die
Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen am Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt (als Verwaltungsgericht) prüfte und bestätigte diese am 4. Juli
2016 bis zum 30. September 2016.

B. 
In der Folge wurde die administrative Festhaltung von A.________ verlängert,
letztmals am 28. Dezember 2016 bis zum 30. März 2017. Die Einzelrichterin für
Zwangsmassnahmen ging davon aus, der Haftgrund der Untertauchensgefahr bzw. der
Missachtung eines bis zum 11. März 2019 gültigen Einreiseverbots in den
Schengenraum bestehe fort; eine weitere Festhaltung von A.________ könne mit
Blick auf sein Verhalten nicht als unverhältnismässig bezeichnet werden. Die
schweizerischen Behörden hätten sich kontinuierlich darum bemüht, seine
tunesische Staatsbürgerschaft zu erstellen und ein Reisepapier für ihn zu
besorgen.

C. 
A.________ beantragt vor Bundesgericht, den Haftgenehmigungsentscheid vom 28.
Dezember 2016 aufzuheben und ihn sofort auf freien Fuss zu setzen; für seine
widerrechtlich ausgestandene Haft sei ihm eine Entschädigung zu Lasten des
Kantons Basel-Stadt in der Höhe von Fr. 200.-- pro Tag zuzusprechen. A.________
macht geltend, die Einzelrichterin habe Verfahrensfehler übersehen, das
Beschleunigungsgebot nicht beachtet und unverhältnismässig entschieden; die
Ausschaffungshaft könne grundsätzlich nur für sechs Monate vorgesehen werden;
die von ihr genehmigte Haftverlängerung hierüber hinaus rechtfertige sich
nicht.
Die Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen am Appellationsgericht Basel-Stadt,
das Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt und das Staatssekretariat für
Migration (SEM) beantragen, die Beschwerde abzuweisen. Die Bundes- wie die
kantonalen Behörden hätten sich mit Nachdruck um die Identitätsbestätigung und
die Beschaffung von Reisepapieren für A.________ bemüht. Die Zusammenarbeit der
schweizerischen mit den tunesischen Behörden habe sich eingespielt und
inzwischen auch bewährt.

Erwägungen:

1.

1.1. Gegen den kantonal letztinstanzlichen richterlichen Entscheid betreffend
Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht kann mit Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht gelangt werden
(Art. 82 lit. a, 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 90 sowie Art. 89 Abs. 1 BGG;
BGE 142 I 135 E. 1; Urteil 2C_1089/2012 vom 22. November 2012 E. 1). Dieses
wendet das Recht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG); es
prüft, unter Berücksichtigung der Begründungspflicht der beschwerdeführenden
Person (Art. 42 BGG), indessen nur die vorgebrachten Rügen, es sei denn, die
rechtlichen Mängel erwiesen sich als offensichtlich. Das Bundesgericht ist
nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden
rechtlichen Fragen zu beantworten, wenn diese in seinem Verfahren nicht mehr
problematisiert werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Die beschwerdeführende
Person muss sich im Bezug auf den Verfahrensgegenstand in rechtlicher wie
tatsächlicher Hinsicht sachbezogen mit den Ausführungen im angefochtenen
Entscheid auseinandersetzen und darlegen, dass und inwiefern die Vorinstanz den
Sachverhalt offensichtlich falsch festgestellt bzw. willkürlich gewürdigt oder
anderweitig Bundesrecht verletzt hat (Art. 42 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 2
BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.3; 133 III 350 E. 1.3, 393 E. 7.1, 462 E. 2.4).
Soweit die vorliegende Beschwerde diesen Anforderungen genügt, ist unter dem
nachstehenden Vorbehalt darauf einzutreten.

1.2. Unzulässig ist der Antrag, dem Beschwerdeführer bei einer Gutheissung der
Beschwerde eine Haftentschädigung zuzusprechen: Das Begehren geht über den
vorinstanzlichen Verfahrensgegenstand hinaus und ist unzulässig (Art. 99 Abs. 2
BGG), zumal Ansprüche auf Haftentschädigung nicht bereits wegen Art. 5 Ziff. 5
EMRK Gegenstand des Haftprüfungsverfahrens bilden (vgl. EGMR-Urteil  Jusic
gegen Schweiz vom 2. Dezember 2010 [Nr. 4691/06] §§ 103 ff.; BGE 137 I 296 E. 6
S. 303 f.; 129 I 139 E. 3 S. 142; Urteile 2C_575/2016 vom 12. Juli 2016 E. 1.2
und 2C_168/2013 vom 7. März 2013 E. 1.2). Soweit der Beschwerdeführer mit
seinem Rechtsmittel eine Entschädigung für die erlittene Ausschaffungshaft
erwirken will, ist nicht darauf einzutreten.

2.
Der Beschwerdeführer stellt zu Recht nicht infrage, dass gegen ihn am 1. Juli
2016 ein inzwischen rechtskräftiger Wegweisungsentscheid ergangen ist. Auch der
Haftgrund besteht fort (vgl. hierzu BGE 130 II 56 E. 3 mit Hinweisen) : Der
Beschwerdeführer hält sich seit Jahren illegal in Europa auf, wobei er zwischen
Frankreich, wo seine Schwester lebt, und Italien, wo er weggewiesen wurde und
gegen ihn eine Einreisesperre erging, hin und her reist. Der Beschwerdeführer
hat widersprüchliche Angaben zum Verbleib seines Passes bzw. zu seinem sozialen
Umfeld (Freundin mit verstorbenem Kind; Absicht, einen homosexuellen Partner in
Italien zu heiraten usw.) gemacht und wiederholt erklärt, auf keinen Fall nach
Tunesien zurückkehren, sondern nach Frankreich oder Italien ausreisen zu
wollen, wo er ohne Papiere leben könne. Trotz wiederholter Aufforderungen dazu
liess er sich weder von seiner Schwester noch seinen Eltern Papiere schicken,
obwohl er dies mehrmals in Aussicht gestellt hatte. Sein bisheriges Verhalten
lässt befürchten, dass er sich ohne Festhaltung dem Vollzug der Ausschaffung
entziehen wird (Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 AuG), zumal er erklärt hat, sich
bei einer Haftentlassung illegal nach Frankreich absetzen zu wollen. Die
Schweizer Behörden dürfen hierzu nicht Hand bieten, nachdem die Einreise in das
Hoheitsgebiet eines anderen Staats unter Verletzung von dessen
Einreisebestimmungen unter Strafe gestellt ist (Art. 115 Abs. 2 AuG). Der
Beschwerdeführer hat eine schengenweite, bis zum 11. März 2019 gültige
Einreisesperre missachtet und sich mit deren Verletzung behördlichen
Anordnungen widersetzt (Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 4 sowie 76 Abs. 1 lit. b
Ziff. 1 i.V.m. Art. 75 Abs. 1 lit. c AuG). Das Gleiche gilt, soweit er bereits
am 20. Juni 2016 bei der Einreise in die Schweiz in Brig angehalten und nach
Italien zurückgewiesen wurde, wobei er nur zehn Tage später wieder versucht
hat, illegal über die Schweiz nach Frankreich zu gelangen.

3.

3.1. Die Vorbereitungs- und die Ausschaffungshaft sowie die Durchsetzungshaft
dürfen zusammen grundsätzlich eine maximale Dauer von sechs Monaten nicht
überschreiten (Art. 79 Abs. 1 AuG); mit Zustimmung der kantonalen richterlichen
Behörde kann diese indessen um höchstens zwölf Monate verlängert werden, (a)
wenn die betroffene Person nicht mit der zuständigen Behörde kooperiert oder
(b) sich die Übermittlung der für die Ausreise erforderlichen Unterlagen durch
einen Nichtschengenstaat verzögert (Art. 79 Abs. 2 AuG). Die für den Vollzug
der Weg- oder Ausweisung notwendigen Vorkehren sind umgehend zu treffen (Art.
76 Abs. 4 BV; Beschleunigungsgebot). Die Ausschaffungshaft soll den Vollzug der
Entfernungsmassnahme sicherstellen und muss ernsthaft geeignet sein, diesen
Zweck zu erreichen, was nicht (mehr) der Fall ist, wenn die Weg- oder
Ausweisung trotz der behördlichen Bemühungen nicht in einem angemessenen
Zeitraum vollzogen werden kann. Die Festhaltung hat, weil unverhältnismässig,
dann als rechtswidrig zu gelten, wenn triftige Gründe für solche Verzögerungen
sprechen oder praktisch feststeht, dass sich der Vollzug kaum innert
vernünftiger Frist wird realisieren lassen (BGE 130 II 56 E. 4.1.3 S. 61 mit
Hinweisen).

3.2. Nach der bundesgerichtlichen Praxis ist jeweils aufgrund sämtlicher
Umstände im Einzelfall zu klären, ob die Haft (noch) geeignet bzw. erforderlich
erscheint und sie nicht gegen das Übermassverbot, d.h. das sachgerechte und
zumutbare Verhältnis von Mittel und Zweck, verstösst (zur Ausschaffungshaft:
BGE 133 II 1 E. 5.1 S. 5 und unpublizierte E. 7; BGE 126 II 439 ff.; zur
Durchsetzungshaft: BGE 134 I 92 E. 2.3.2 S. 97; 133 II 97 E. 2.2 S. 100;
Urteile 2C_1182/ 2014 vom 20. Januar 2015 E. 3.3 und 2C_168/2013 vom 7. März
2013 E. 3). Die entsprechende Anforderung ergibt sich aus dem Haftzweck, aus
Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK und dem verfassungsmässigen
Verhältnismässigkeitsgrundsatz (Art. 5 Abs. 2 und Art. 36 Abs. 3 i.V.m. Art. 10
Abs. 2 BV) sowie aus der von der Schweiz im Rahmen des Schengenbesitzstands
übernommenen sogenannten "Rückführungsrichtlinie" (Richtlinie 2008/115/EG des
Europäischen Parlaments und des Rats vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame
Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger
Drittstaatsangehöriger, ABl. L 348 vom 24. Dezember 2008 S. 98 ff.). Wird als
"letztes Mittel" von Zwangsmassnahmen Gebrauch gemacht, so müssen diese
verhältnismässig sein und dürfen nicht über die Grenzen des Erforderlichen
hinausgehen (Art. 8 Abs. 4 RL 2008/115/EG). Drittstaatsangehörige, gegen die
ein Rückkehrverfahren hängig ist, sollen nur in Haft genommen werden, wenn im
konkreten Fall keine anderen, milderen Zwangsmassnahmen wirksam erscheinen; die
Festhaltung hat so kurz wie möglich zu sein; sie darf sich nur auf die Dauer
der laufenden Abschiebungsvorkehrungen erstrecken, soweit diese mit der
gebotenen Sorgfalt vorangetrieben werden (vgl. Art. 15 Abs. 1 RL 2008/115/EG).
Grundsätzlich ist der Gesetzgeber - in Übereinstimmung mit der europäischen
Regelung (Art. 15 Abs. 6 RL 2008/115) - davon ausgegangen, dass eine
Festhaltung bis zur Maximaldauer von 18 Monaten zulässig ist, wenn die
Verzögerungen in erster Linie auf das Verhalten des Betroffenen zurückgehen
(Urteil 2C_1182/2014 vom 20. Januar 2015 E. 3.3.2).

3.3. Die Behörden sind im Rahmen von Art. 76 Abs. 4 AuG (Beschleunigungsgebot)
nicht gehalten, schematisch bestimmte Handlungen vorzunehmen. Sie haben aber zu
beachten, dass die Freiheit einer Person nach Art. 31 Abs. 1 BV nur in den vom
Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene
Weise entzogen werden darf (vgl. auch Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK). Im Hinblick
auf die Modalitäten der Ausschaffungshaft präzisiert Art. 76 Abs. 4 AuG diese
Verfassungsbestimmung dahingehend, dass die für den Vollzug der Weg- oder
Ausweisung notwendigen Vorkehren umgehend zu treffen sind. Das so verankerte
Beschleunigungsgebot gilt als verletzt, wenn während mehr als zwei Monaten
keinerlei Vorkehren mehr im Hinblick auf den Vollzug der Wegweisung getroffen
wurden (Untätigkeit der Behörden), ohne dass die Verzögerung in erster Linie
auf das Verhalten ausländischer Behörden oder des Betroffenen selber zurückgeht
(BGE 139 I 206 E. 2.1 S. 211; 124 II 49 E. 3a S. 50 f.; Urteile 2C_575/2016 vom
12. Juli 2016 E. 4.3 und 2C_1182/2014 vom 20. Januar 2015 E. 3.2.1, je mit
Hinweisen).

4.

4.1. Der Beschwerdeführer hat sich geweigert, mit den Behörden
zusammenzuarbeiten und ist seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen (Art.
90 AuG). Das Verfahren zur Beschaffung von Reisepapieren ist nach seiner
Anhaltung insofern sofort eingeleitet worden, als er zu seiner
aufenthaltsrechtlichen Situation umfassend befragt wurde. Im Rahmen der
Migrationspartnerschaft mit Tunesien ist am 10. März 2015 in Tunis vereinbart
worden, dass die Schweizer Behörden nicht mehr jeweils im Einzelfall um die
Abklärung von Personalien nachfragen, sondern dies über die Botschaft künftig
gruppenweise tun werden. Dieses Vorgehen kann im ungünstigsten Fall dazu
führen, dass einige Wochen verstreichen, bis eine entsprechende (neue) Liste an
die tunesischen Behörden übermittelt wird. Die damit verbundenen Verzögerungen
sind im Hinblick auf die verabredeten Modalitäten der Zusammenarbeit
hinzunehmen, zumal der Beschwerdeführer seine Festhaltung jederzeit verkürzen
bzw. beenden kann, indem er bei der Papierbeschaffung mitwirkt.

4.2. Die kantonalen Behörden haben das Staatssekretariat für Migration (SEM)
umgehend um Vollzugshilfe ersucht; das SEM übermittelte die Liste, auf der die
Identität des Beschwerdeführers zur Prüfung unterbreitet wurde, der Schweizer
Botschaft in Tunesien am 2. September 2016. Am 13. Januar 2017 hat das SEM im
Rahmen einer weiteren Gruppenanfrage die tunesischen Behörden über die
Botschaft erneut darum ersucht, die Personalien des Beschwerdeführers zu
bestätigen, wobei inzwischen dessen Passnummer ermittelt und den tunesischen
Behörden zur Verfügung gestellt werden konnte. Die Schweizer Botschaft
ihrerseits hat am 7. Oktober 2016 und am 18. Januar 2017 die tunesischen
Behörden auf die noch ausstehende Identifizierung des Beschwerdeführers
hingewiesen. Nach Anerkennung der Identität und der Staatsbürgerschaft kann das
erforderliche Reisepapier erfahrungsgemäss innert rund 14 Tagen erhältlich
gemacht werden. Dasselbe gälte, wenn der Beschwerdeführer bereit wäre, bei der
Beschaffung der erforderlichen Unterlagen mitzuwirken.

4.3. Zwar geht das Bundesgericht davon aus, dass bei einer Untätigkeit von rund
zwei Monaten anzunehmen ist, dass das Beschleunigungsgebot verletzt und das
Wegweisungsverfahren nicht mit dem nötigen Nachdruck verfolgt wurde. Die
kantonalen Behörden dürfen praxisgemäss auch dann nicht untätig bleiben, wenn
der Ausländer sich - wie hier - unkooperativ zeigt. Sie müssen vielmehr
versuchen, seine Identität festzustellen und sich die für seine Ausschaffung
erforderlichen Papiere zu beschaffen. Sie haben mit der gebotenen Sorgfalt alle
vernünftigerweise zur Verfügung stehenden Massnahmen zu ergreifen, die geeignet
erscheinen, den Vollzug der Wegweisung voranzutreiben. Die Migrationsbehörden
von Bund und Kanton sind diesen Pflichten - entgegen der Kritik des
Beschwerdeführers - nachgekommen: Sie wandten sich nicht nur an die tunesischen
Behörden, sondern gingen - wie der rege Mailaustausch in den Akten belegt -
auch den Hinweisen nach, dass er allenfalls über eine Bewilligung in Italien
verfügen könnte; sie arbeiteten auch eng mit den französischen Behörden
zusammen, um über die in Nantes lebende Schwester des Beschwerdeführers weitere
Angaben zu dessen Identität und einer allfälligen Anwesenheitsberechtigung in
einem der Nachbarstaaten zu erlangen. Sämtliche Abklärungen blieben erfolglos
und ergaben, dass der Beschwerdeführer weder in Italien noch in Frankreich über
eine legale Aufenthaltsmöglichkeit verfügt; beide Länder lehnten seine
Übernahme ab, womit die schweizerischen Behörden zuständig blieben, für den
Vollzug seiner Wegweisung nach Tunesien zu sorgen, nachdem sich der
Beschwerdeführer illegal auf schweizerischem Hoheitsgebiet aufhält und nur der
Heimatstaat völkerrechtlich verpflichtet ist, ihn zurückzunehmen (vgl. BGE 133
II 97 E. 4.2.2 S. 103 mit Hinweisen auf die einschlägige völkerrechtliche
Doktrin; 130 II 56 E. 4.1.2 S. 60). Der Umstand, dass er sich allenfalls in
Italien bzw. in Frankreich einfacher illegal aufhalten könnte, bildet keine
Veranlassung, seine Haft zu beenden und ihm Gelegenheit zu geben, sich in eines
der Nachbarländer abzusetzen.

5. 
Was der Beschwerdeführer weiter einwendet, überzeugt nicht: Der Umstand, dass
teilweise Aktenstücke von Mitarbeitern der Migrationsbehörden ins Französische
übersetzt wurden, verletzte seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nicht (Art.
29 Abs. 2 BV), da er gemäss des für das Bundesgericht verbindlich
festgestellten Sachverhalts (Art. 105 Abs. 1 BGG) dieser Sprache mächtig ist.
Der Beschwerdeführer hat sich mit Unterbrüchen während Jahren in Frankreich
aufgehalten, was nahelegt, dass er Französisch spricht und versteht; im Übrigen
zog das Migrationsamt teilweise auch einen Arabisch-Übersetzer bei und
unterzeichnete der Beschwerdeführer jeweils seine auf Französisch
durchgeführten Einvernahmen - soweit ersichtlich - vorbehaltslos. Im letzten
Haftprüfungsverfahren war er unentgeltlich durch eine Rechtsanwältin vertreten.
Da seine Haft am 30. Dezember 2016 ohne Verlängerungsentscheid dahinfiel,
musste er davon ausgehen, dass eine weitere Verhandlung stattfinden würde. Sein
Einwand, er sei durch diese überrascht worden, ist unglaubwürdig, hat er doch
selber am 23. Dezember 2016 (Eingang beim Verwaltungsgericht) ein
Haftentlassungsgesuch gestellt.

6.

6.1. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit
darauf eingetreten werden kann: Die beanstandete Haftverlängerung über sechs
Monate hinaus (bis zum 30. März 2017) ist rechtens, da die
Verfahrensverzögerungen auf das Verhalten des Beschwerdeführers und die
Vorbereitung der Rückübernahme durch Tunesien zurückzuführen sind. Der Vollzug
der Wegweisung ist absehbar, nachdem inzwischen die Passnummer des
Beschwerdeführers ermittelt werden konnte; das Beschleunigungsgebot wurde
ebenso wenig verletzt wie der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör
bzw. auf ein faires Verfahren (Art. 29 Abs. 1 bzw. Art. 31 Abs. 2 BV). Es wird
ergänzend auf die Ausführungen im kantonalen Haftgenehmigungsentscheid
verwiesen.

6.2. Der Beschwerdeführer beantragt für den Fall des Unterliegens, ihm die
unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren: Da das Bundesgericht in Haftsachen in
der Regel davon absieht, Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 2. Satz BGG), ist
das Gesuch als gegenstandslos abzuschreiben. Nachdem der Beschwerdeführer nicht
durch einen zugelassenen Anwalt vertreten war, hätte sein Rechtsbeistand nicht
als unentgeltlicher Vertreter bestellt werden können, sollte sein Ersuchen sich
auch auf einen solchen bezogen haben (vgl. das Urteil 2C_1182/ 2014 vom 20.
Januar 2015 E. 4). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (vgl. Art. 68
Abs. 3 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Es werden keine Kosten erhoben.

3. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird als gegenstandslos
abgeschrieben.

4. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Appellationsgericht des
Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, Einzelrichterin für
Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, und dem Staatssekretariat für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. Februar 2017

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar

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