Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.685/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
2C_685/2017  
 
 
Urteil vom 6. Februar 2018  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Zünd, Haag, 
Gerichtsschreiberin Straub. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Martin Imthurn, 
 
gegen  
 
Kantonales Steueramt Aargau, 
Tellistrasse 67, 5001 Aarau. 
 
Gegenstand 
Erbschaftssteuern, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 2.
Kammer, vom 9. Juni 2017 (WBE.2017.74). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ ist Alleinerbin ihres am 6. Februar 2010 verstorbenen Bruders
B.________. Bis zu dessen Tod wohnten beide im Zweifamilienhaus ihrer
vorverstorbenen Eltern. Im Rahmen der Veranlagung der Erbschaftssteuer vom 6.
März 2013 setzte das Kantonale Steueramt Aargau (KStA) das A.________
angefallene Vermögen auf Fr. 1'809'271.- fest. Gestützt auf den gemäss § 147
Abs. 2 i.V.m. § 149 des Steuergesetzes des Kantons Aargau vom 15. Dezember 1998
(StG/AG; SAR 651.100) für Erben der Klasse 2 (Geschwister und Grosseltern)
anwendbaren Tarif erhob es eine Erbschaftssteuer von Fr. 368'132.35. 
 
B.  
Das KStA wies die Einsprache, mit welcher A.________ die Besteuerung nach dem
Tarif für die Klasse 1 (Personen, die mit der zuwendenden Person während
mindestens 5 Jahren in Wohngemeinschaft [gleicher Wohnsitz] gelebt haben)
beantragt hatte, am 4. Juli 2016 ab. 
Den dagegen von A.________ erhobenen Rekurs hiess das Spezialverwaltungsgericht
des Kantons Aargau mit Urteil vom 22. Dezember 2016 gut und veranlagte nach dem
Tarif für die Klasse 1 eine Erbschaftssteuer von Fr. 148'434.40. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau hiess die hiergegen erhobene
Beschwerde des KStA mit Urteil vom 9. Juni 2017 gut und hob das Urteil des
Spezialverwaltungsgerichts vom 22. Dezember 2016 auf. Die
verwaltungsgerichtlichen Verfahrenskosten von Fr. 13'174.- sowie die Kosten des
Rekursverfahrens von Fr. 13'220.- auferlegte es A.________. 
 
C.  
Mit Eingabe vom 14. August 2017 erhebt A.________ beim Bundesgericht Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, das Urteil des
Verwaltungsgerichts vom 9. Juni 2017 sei aufzuheben und die von ihr geschuldete
Erbschaftssteuer auf Fr. 148'434.40 festzusetzen. Eventualiter sei die
Kostenregelung gemäss Dispositivziffer 2 des angefochtenen Urteils aufzuheben
und die Sache zur Neuverlegung der Kosten an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Das Verwaltungsgericht erläutert in seiner Vernehmlassung die Berechnung der
Verwaltungsgerichtsgebühren und beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das
KStA beantragt ebenfalls die Beschwerdeabweisung. Die Eidgenössische
Steuerverwaltung verzichtet auf Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde richtet sich gegen den verfahrensabschliessenden Entscheid
einer letzten kantonalen Instanz in einer Angelegenheit des öffentlichen
Rechts. Die Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten liegen vor (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1
lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1 und Art. 90 BGG).  
 
1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG
), prüft jedoch unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und
Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) nur die geltend gemachten
Vorbringen, sofern rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE
138 I 274 E. 1.6 S. 280 f.). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde,
den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die beschwerdeführende
Partei kann die Feststellung des Sachverhalts unter den gleichen
Voraussetzungen beanstanden, wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Dabei gelten, wie bei
den in Art. 106 Abs. 2 BGG genannten Rügen, strenge Anforderungen an die
Begründung (BGE 139 I 72 E. 9.2.3.6 S. 96 mit Hinweis).  
 
1.3. Der Eingriff in kantonales oder kommunales Recht bildet nur insofern einen
eigenständigen Beschwerdegrund, als die Verletzung kantonaler
verfassungsmässiger Rechte oder kantonaler Bestimmungen zum Stimm- und
Wahlrecht geltend gemacht wird (Art. 95 lit. c und d BGG). Abgesehen davon kann
das Bundesgericht die Auslegung und Anwendung kantonalen Verfassungs-,
Gesetzes- oder Verordnungsrechts lediglich daraufhin überprüfen, ob dadurch
Bundes-, Völker- oder interkantonales Recht verletzt wird (Art. 95 lit. a, b
und e BGG). Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und
interkantonalem Recht gilt eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG;
BGE 142 II 369 E. 2.1 S. 372). Soweit sich die Beschwerdeführerin in ihren
Ausführungen auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid
beschränkt und den vorinstanzlichen Erwägungen ihre eigene, abweichende
Rechtsauffassung gegenüberstellt, ohne die geltend gemachte Verletzung von
Grundrechten und kantonalem Recht zu begründen, ist auf ihre Ausführungen nicht
näher einzugehen.  
 
2.  
Die Beschwerdeführerin bringt vor, indem es das Verwaltungsgericht abgelehnt
habe, die von ihr genannten Zeugen zu befragen, habe es ihren Anspruch auf
rechtliches Gehör verletzt. Dies umso mehr als es anerkenne, dass der Nachweis
des gemeinsamen Haushalts nicht nur mittels behördlichen Registern erbracht
werden könne. 
 
2.1. Das rechtliche Gehör dient einerseits der Klärung des Sachverhaltes und
stellt anderseits ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass
eines Entscheides dar, welcher in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift.
Dazu gehört insbesondere das Recht der Betroffenen, sich vor Erlass eines
solchen Entscheides zur Sache zu äussern und an der Erhebung wesentlicher
Beweise mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn
dieses geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens zu beeinflussen (BGE 140 I 99
E. 3.4 S. 102; 135 II 286 E. 5.1 S. 293; je mit Hinweisen).  
Dem Gehörsanspruch entspricht die Pflicht der Behörden, die Vorbringen
tatsächlich zu hören, ernsthaft zu prüfen und in ihrer Entscheidfindung
angemessen zu berücksichtigen. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass die
betroffene Person den Entscheid sachgerecht anfechten kann. Sie muss die
wesentlichen Überlegungen enthalten, von denen sich die Behörde hat leiten
lassen und auf die sie ihren Entscheid stützt. Nicht erforderlich ist, dass
sich die Vorinstanz in ihrer Begründung mit allen Parteistandpunkten
einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich
widerlegt (BGE 142 II 49 E. 9.2 S. 65; 137 II 266 E. 3.2 S. 270 mit
Hinweisen). 
 
2.2. Im Rahmen des Schriftenwechsels beantragte die Beschwerdeführerin im
vorinstanzlichen Verfahren, es seien der Gemeindeschreiber und die Leiterin der
Einwohnerdienste der Gemeinde Lengnau als Zeugen zu befragen und es sei beim
kantonalen Einwohnerregister die Auskunft einzuholen, welchen Inhalt das
Einwohnerregister der Gemeinde Lengnau am 6. Februar 2010, am 5. August 2016
und am 19. Januar 2017 mit Bezug auf die dem Erblasser und der
Beschwerdeführerin zugeordneten Wohnungsidentifikatoren gehabt habe,
eventualiter sei die gleiche Auskunft beim Bundesamt für Statistik einzuholen.
Die Vorinstanz hielt im angefochtenen Urteil fest, der vom KStA im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstmals thematisierte eidgenössische
Wohnungsidentifikator (EWID) scheine zwar geeignet, den Nachweis für das
Vorliegen oder Nichtvorliegen eines gemeinsamen Haushaltes zu erbringen. Da
vorliegend indes unbestritten sei, dass zwei (bis auf die Waschmaschine)
vollständig ausgestattete Wohnungen bestehen würden, brauche nicht auf diesen
Identifikator abgestellt zu werden. Damit würden sich die beantragten
Befragungen sowie das Einholen einer Auskunft beim kantonalen Einwohnerregister
und dem Bundesamt für Statistik erübrigen.  
Die Vorinstanz hat im angefochtenen Entscheid hinreichend begründet, weshalb
sie auf die beantragten Beweiserhebungen verzichtete. Da sie ihren Entscheid
nicht auf die fraglichen Wohnungsidentifikatoren stützte, durfte sie darauf
verzichten, die diesbezüglich beantragten Beweiserhebungen vorzunehmen. Es
liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, wenn ein Gericht auf die
Abnahme beantragter Beweismittel verzichtet, weil es aufgrund der bereits
abgenommenen Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in
vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, dass seine Überzeugung durch
weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde (BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236 f.
mit Hinweisen). 
 
3.  
 
3.1. Gemäss § 1 Abs. 1 lit. f StG/AG erhebt der Kanton Aargau eine Erbschafts-
und Schenkungssteuer. Dabei handelt es sich um eine nicht harmonisierte, rein
kantonalrechtliche Steuerart (Art. 129 Abs. 1 BV; Art. 2 des Bundesgesetzes vom
14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und
Gemeinden [StHG; SR 642.14] e contrario). Das Bundesgericht prüft demnach, ob
der angefochtene Entscheid Bundesrecht, Völkerrecht oder kantonale
verfassungsmässige Rechte verletzt (Art. 95 lit. a, b und c BGG; vgl. E. 1.3
hiervor).  
 
3.2. Die Erbschafts- und Schenkungssteuer ist in Abschnitt 6 des kantonalen
Steuergesetzes geregelt (§§ 142 ff. StG/AG). Gemäss § 147 Abs. 1 StG/AG wird
die Steuer nach dem steuerbaren Betrag des Vermögensanfalls und nach dem
Verwandtschaftsgrad der steuerpflichtigen Person zur erblassenden, schenkenden
oder zuwendenden Person berechnet. Für die Verwandtschaftsgrade gelten gemäss §
147 Abs. 2 StG/AG drei Klassen: Klasse 1 (lit. a) : Personen, die mit der
zuwendenden Person während mindestens 5 Jahren in Wohngemeinschaft (gleicher
Wohnsitz) gewohnt haben; Klasse 2 (lit. b) : Geschwister und Grosseltern;
Klasse 3 (lit. c) : alle weiteren steuerpflichtigen Personen. Die Steuersätze
für die verschiedenen Klassen sind in § 149 Abs. 1 StG/AG festgelegt.  
Gemäss § 54a Abs. 2 der Verordnung zum Steuergesetz des Kantons Aargau vom 11.
September 2000 (StGV/AG; SAR 651.111) gilt als gleicher Wohnsitz im Sinne von §
147 Abs. 2 StG/AG der gemeinsame Haushalt an gleicher Adresse am gleichen
steuerlichen Wohnsitz. Diese per 1. Januar 2014 in Kraft getretene Bestimmung
konkretisiert gemäss der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts des Kantons
Aargau die Bestimmung von § 147 Abs. 2 lit. a StG/AG, ohne in den bestehenden
Rechtszustand einzugreifen (Urteil WBE.2013.524 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Aargau vom 11. September 2014 E. 2.1). Sie wurde daher als
Auslegungshilfe auf den vorliegenden Sachverhalt aus dem Jahr 2010 angewendet. 
 
4.  
Die Beschwerdeführerin bringt vor, das Verwaltungsgericht habe zwei
gleichartige Sachverhalte zu Unrecht ungleich behandelt und damit gegen Art 8
Abs. 1 und Art. 127 Abs. 2 BV verstossen. Es habe den Grundsatz der
Gleichmässigkeit der Besteuerung verletzt, da es von einem falschen Verständnis
des Begriffs "gemeinsamer Haushalt" ausgegangen sei oder eventuell diesen
Begriff auf den festgestellten Sachverhalt falsch angewendet habe. Die
privilegierte Besteuerung nach § 147 Abs. 2 lit. a StG/AG sei zu Unrecht
verweigert worden. 
 
4.1. Im Bereich der Steuern wird der Grundsatz der Rechtsgleichheit (Art. 8
Abs. 1 BV) durch die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichmässigkeit der
Besteuerung sowie den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit konkretisiert (Art. 127 Abs. 2 BV). Nach dem Grundsatz der
Gleichmässigkeit der Besteuerung sind Personen, die sich in gleichen
Verhältnissen befinden, in derselben Weise mit Steuern zu belasten. Wesentliche
Ungleichheiten in den tatsächlichen Verhältnissen müssen zu entsprechend
unterschiedlichen Steuerbelastungen führen (BGE 133 I 206 E. 6.1 S. 215 f.;
Urteil 2C_550/2016 vom 8. März 2017 E. 4.1).  
 
4.2. Ob während fünf Jahren ein gemeinsamer Haushalt geführt wurde, ist eine
Tatfrage (vgl. BGE 137 V 383 E. 5.1 S. 391). Die diesbezüglichen Feststellungen
der Vorinstanz sind für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich (Art. 105
Abs. 1 und 2 und Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. E. 1.2 hiervor) und werden von der
Beschwerdeführerin nicht beanstandet. Dagegen ist eine Rechtsfrage, ob die
Vorinstanz von einem richtigen Verständnis des Begriffs des "gemeinsamen
Haushalts" ausgegangen ist (vgl. BGE 137 V 383 E. 5.1 S. 391 mit Hinweisen).
Die Frage betrifft die Auslegung und Anwendung von kantonalem Recht und ist auf
eine Verletzung von Bundes-, Völker- oder interkantonalem Recht hin zu
überprüfen (vgl. E. 1.3 hiervor).  
 
4.3. Die Vorinstanz verwies zunächst auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung
zum Begriff des gemeinsamen Haushalts im Bereich der Pensionskassenansprüche
hinterbliebener Lebenspartner (Lebenspartnerrenten). Im von der Vorinstanz
zitierten Urteil hielt das Bundesgericht fest, der Begriff der gemeinsamen
Haushaltung sage für sich allein nichts darüber aus, wie das gemeinsame Wohnen
gestaltet sein solle. Die Verbindung des Begriffs mit der Voraussetzung der
gegenseitigen Unterstützungspflicht weise dagegen auf eine eng zu verstehende
Wohngemeinschaft hin (BGE 138 V 86 E. 5.1.1 S. 94). Der manifeste Wille, ihre
Lebensgemeinschaft als ungeteilte Wohngemeinschaft in derselben Haushaltung zu
leben, sei in jenem Fall bei den Lebenspartnerinnen nicht vorhanden gewesen (
BGE 138 V 86 E. 5.1.2 S. 95). Der Umstand des getrennten Wohnsitzes schliesse
eine gemeinsame Haushaltung aus (BGE 138 V 86 E. 5.1.3 S. 95). Weiter zitierte
die Vorinstanz die Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den
Grossen Rat vom 21. Mai 1997 zur Totalrevision der aargauischen Steuergesetze
(Bericht und Entwurf zur 1. Beratung; Botschaft 97.002968). Danach sollten
inskünftig bei der Berechnung der Erbschaftssteuer auch Personen in den Genuss
eines bevorzugten Steuersatzes kommen, die mit dem Vermögensabtreter während
mindestens fünf Jahren in Wohngemeinschaft gelebt hätten. Es werde bewusst
nicht an ein Konkubinatsverhältnis angeknüpft, da dieser Nachweis kaum zu
erbringen sei. Eine Wohngemeinschaft unter gleichem steuerlichen Wohnsitz lasse
sich hingegen alleine aus den Akten belegen. Die Frist von fünf Jahren solle
sicherstellen, dass nur bevorzugt behandelt werde, wer zur zuwendenden Person
ein persönliches Verhältnis habe, das aufgrund seiner Dauer nicht nur Rechte,
sondern auch Beistandspflichten moralischer Art begründet habe (Botschaft,
a.a.O., zu § 146 des Entwurfes des Steuergesetzes S. 106). Die Vorinstanz
schloss daraus, dass das Erfordernis des gemeinsamen Haushalts gemäss § 147
Abs. 2 StG/AG i.V.m. § 54a Abs. 2 StGV/AG angesichts der vom Gesetzgeber
gewollten moralischen Beistandspflicht ebenfalls als eng zu verstehende
Wohngemeinschaft auszulegen sei.  
Das Verwaltungsgericht erwog weiter, die Umstände, aufgrund derer das
Bundesgericht zum Schluss gelangte, eine gemeinsame Haushaltung mit getrennten
Wohnsitzen sei ausgeschlossen, müssten auch für die Frage eines gemeinsamen
Haushalts bei Bestehen zweier separater Wohnungen im selben Haus gelten. Die
Bewohner würden sich auch bei dieser Wohnform jederzeit einen Rückzugsort
offenhalten, der sich dazu noch unmittelbar Tür an Tür befinde und deshalb
vermutlich häufiger in Anspruch genommen werde. Mit dem Schlafen in separaten
Wohnungen existiere die Wohngemeinschaft während mindestens einem Drittel des
Tages nicht mehr, und es sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin und
der Erblasser je ein eigenes Bad benutzt hätten. Bei der Nutzung von zwei
vollständig ausgestatteten Wohnungen liege daher kein gemeinsamer Haushalt im
Sinne von § 147 StG/AG i.V.m. § 54a Abs. 2 der Verordnung zum Steuergesetz des
Kantons Aargau vom 11. September 2000 (StGV/AG; SAR 651.111) vor. 
 
4.4. Im Folgenden ist zu prüfen, ob die Vorinstanz mit ihrer Auslegung von §
147 Abs. 2 StG/AG gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit verstossen hat oder
in Willkür verfallen ist (vgl. E. 1.3 hiervor).  
 
4.4.1. Gemäss der Botschaft vom 21. Mai 1997 zur Totalrevision der aargauischen
Steuergesetze verzichtete der Regierungsrat bewusst darauf, den bevorzugten
Steuersatz vom Vorliegen eines Konkubinatsverhältnisses abhängig zu machen, und
stellte stattdessen auf das Erfordernis einer Wohngemeinschaft am gleichen
steuerlichen Wohnsitz ab (vgl. Botschaft, a.a.O., zu § 146 des Entwurfes des
Steuergesetzes S. 106). Er ging davon aus, dass das persönliche Verhältnis von
in Wohngemeinschaft lebenden Personen nach einer Dauer von fünf Jahren auch
Beistandspflichten moralischer Art umfasse, was eine bevorzugte Behandlung
rechtfertige (vgl. Botschaft, a.a.O., zu § 146 des Entwurfes des Steuergesetzes
S. 106). Der Grosse Rat des Kantons Aargau genehmigte den Antrag, die
Wohngemeinschaften in § 146 Abs. 2 des Entwurfs (heute § 147 Abs. 2 StG/AG) in
die erste Klasse einzureihen, mit der Begründung, dass sich in einer
Wohngemeinschaft lebende Personen häufig näher stehen würden als Kinder und
Eltern, Stief- oder Pflegeeltern. Als Beispiele wurden gleich- und nicht
gleichgeschlechtliche Konkubinatspaare und Betagten-Wohngemeinschaften genannt
(Wortprotokoll der 47. Sitzung des Grossen Rates des Kantons Aargau vom 5. Mai
1998, Art. 597 [Steuergesetz Totalrevision: Detailberatung und
Gesamtabstimmung] § 146 Abs. 2 S. 937 f.).  
 
4.4.2. Somit ist bei den Wohnpartnern in erster Linie, aber keineswegs
ausschliesslich an Konkubinatspaare zu denken. Neben der minimalen Zeitdauer
des gemeinsamen Wohnens sind auch der gleiche steuerrechtliche Wohnsitz und das
Vorhandensein einer Wohngemeinschaft vorausgesetzt. Nachbarschaftliche
Beziehungen in einem Mehrfamilienhaus stellen keine Wohngemeinschaft dar (vgl.
MARTIN IMTHURN, in: Klöti-Weber/Siegrist/Weber [Hrsg.], Kommentar zum Aargauer
Steuergesetz, 4. Aufl. 2015, Rz. 3 f. zu § 147 StG/AG). Dieses Verständnis
liegt auch der kantonalen Rechtsprechung zugrunde: Unter den Begriff
"Wohngemeinschaft" kann auch eine nicht geschlechtliche Beziehung subsumiert
werden. Es genügt, dass zwischen den Betroffenen eine gegenseitige (moralische)
Unterstützung in der Art eines Ehepaares bestanden hat (Urteil 3-RV.2006.216
des Steuerrekursgerichts des Kantons Aargau [heute: Spezialverwaltungsgericht]
vom 21. Juni 2007 E. 3.3.3.2 S. 266 f.). Der aargauische Gesetzgeber hat in §
147 Abs. 2 StG/AG gerade nicht den Begriff des Konkubinats verwendet, sondern
mit den Begriffen Wohngemeinschaft und gleicher Wohnsitz eigenständige
steuerrechtliche Voraussetzungen für die Anwendung des privilegierten Tarifs
geschaffen (Urteil 3-RV.2013.39 des Spezialverwaltungsgerichts des Kantons
Aargau vom 24. Oktober 2013 E. 9.1.2 S. 10 f.). Mit der Regelung wurde eine
über das Konkubinatsverhältnis hinausgehende Ausweitung des Kreises der
Begünstigten beabsichtigt, wobei die Gesetzesrevision stets die Beibehaltung
der einfachen Nachweisbarkeit durch behördlich geführte Akten im Blick hatte
(Urteil WBE.2013.524 des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 11.
September 2014 E. 2.3 S. 7).  
 
4.4.3. Im Unterschied zu den Regelungen im Bereich der Pensionskassenansprüche
für hinterbliebene Lebenspartner bezieht sich § 147 Abs. 2 lit. a StG/AG nach
dem Gesagten nicht spezifisch auf Konkubinatspaare, sondern privilegiert auch
andere Formen von Wohngemeinschaften. Dabei stehen die Gemeinschaft, der
gegenseitige Beistand und das gemeinsame Wohnen im Vordergrund. Die Frage der
Wohngemeinschaft bzw. des gemeinsamen Haushalts ist entsprechend differenziert
zu betrachten. Die Rechtsprechung aus dem Bereich der Lebenspartnerrenten kann
daher in Bezug auf § 147 Abs. 2 lit. a StG/AG nicht unbesehen übernommen
werden. Daraus ergibt sich jedoch noch nicht, dass, wie die Beschwerdeführerin
vorbringt, zwei gleichartige Sachverhalte ungleich behandelt worden wären.  
 
4.4.4. Eine mathematisch exakte Gleichbehandlung jedes einzelnen
Steuerpflichtigen ist aus praktischen Gründen nie völlig erreichbar. Eine
gewisse Schematisierung und Pauschalisierung des Steuerrechts ist daher
unausweichlich und zulässig (BGE 131 I 291 E. 3.2.1 S. 306; 128 I 240 E. 2.3 S.
243). Gemäss § 147 Abs. 2 lit. a StG/AG ist für die privilegierte Besteuerung
eine Wohngemeinschaft und ein gemeinsamer Wohnsitz während mindestens fünf
Jahren vorausgesetzt. Ob der Erblasser mit einer Person in Wohngemeinschaft
gelebt hat, ist für die Steuerbehörden im Gegensatz zum steuerrechtlichen
Wohnsitz im Nachhinein oft schwer überprüfbar. Dass sie bei der Anwendung von §
147 Abs. 2 lit. a StG/AG gewisse schematische Abgrenzungen vornehmen, ist daher
zulässig. Die Vorinstanz erwog im angefochtenen Urteil, bei der Nutzung von
zwei vollständig ausgestatteten Wohnungen liege kein gemeinsamer Haushalt im
Sinne dieser Bestimmung vor. Damit erfolgte eine Abgrenzung, die unabhängig von
weiteren Kriterien im Einzelfall für die Frage einer Wohngemeinschaft auf das
Merkmal der gemeinsamen Wohnung abstellt. Eine Wohngemeinschaft in zwei
komplett ausgestatteten Wohnungen auszuschliessen, scheint vor dem Hintergrund,
dass in dieser Situation das Leben jederzeit vollumfänglich auf die eigene
Wohnung beschränkt werden kann, sachlich begründet. Anhand dieser schematischen
Abgrenzung konnte die Vorinstanz unabhängig von den Kriterien des jederzeit
möglichen Rückzugs und des Vorhandenseins von mehreren Schlaf- und Badezimmern
willkürfrei einen gemeinsamen Haushalt der Beschwerdeführerin und ihres
verstorbenen Bruders verneinen. Da mit dem Bestehen einer einzigen gemeinsamen
Wohnung auf ein unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten sachlich
gerechtfertigtes Kriterium für die steuerrechtliche Privilegierung abgestellt
wird, ist auch der Grundsatz der Rechtsgleichheit nicht verletzt. Die
Beschwerde ist insoweit abzuweisen.  
 
5.  
Die Beschwerdeführerin beantragt, eventualiter sei die Kostenregelung im
angefochtenen Urteil aufzuheben und die Sache zur Neuverlegung der Kosten an
die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie hält die Gerichtsgebühren für die Verfahren
vor dem Verwaltungsgericht und dem Spezialverwaltungsgericht von jeweils Fr.
13'000.- für treuwidrig. 
 
5.1. Das Verwaltungsgericht hat der Beschwerdeführerin im angefochtenen Urteil
die verwaltungsgerichtlichen Verfahrenskosten, bestehend aus einer Staatsgebühr
von Fr. 13'000.- sowie der Kanzleigebühr und den Auslagen von Fr. 174.-
(gesamthaft Fr. 13'174.-) auferlegt und verfügt, die Kosten des
Rekursverfahrens, bestehend aus einer Staatsgebühr von Fr. 13'000.- sowie der
Kanzleigebühr und den Auslagen von Fr. 220.- (gesamthaft Fr. 13'220.-), seien
von ihr zu bezahlen. In seiner Vernehmlassung hat das Verwaltungsgericht auf
den Gebührenrahmen gemäss § 22 Abs. 1 lit. c des Dekrets des Kantons Aargau
über die Verfahrenskosten vom 24. November 1987 (VKD/AG; SAR 221.150)
verwiesen. Innerhalb dieses Rahmens wende das Verwaltungsgericht zur Berechnung
der Staatsgebühr ab einem Streitwert von Fr. 10'000.- einen degressiven Tarif
an. Dieser führe bei einem Streitwert von Fr. 220'000.- zu einer Staatsgebühr
von Fr. 13'000.-.  
 
5.2. Das VKD/AG kennt einen Tarif für Zivilsachen (§ 6 ff.), einen Tarif für
Strafsachen (§ 15 ff.) und einen Tarif für die Verwaltungsrechtspflege (§ 22
ff.). Im Gegensatz zum Tarif in Zivilsachen (vgl. § 7 Abs. 1 VKD/AG) ist der
Tarif für Verfahren vor dem Verwaltungsgericht gemäss § 22 Abs. 1 lit. c VKD/AG
nach oben begrenzt auf Fr. 30'000.-. Die für das verwaltungsgerichtliche
Verfahren erhobene Gerichtsgebühr ist im mittleren Bereich des Gebührenrahmens
von § 22 Abs. 1 lit. c VKD/AG angesiedelt und kann entgegen der Auffassung in
der Beschwerde nicht als willkürlich bzw. treuwidrig bezeichnet werden. Dass
die Gebühr (leicht) höher festgesetzt wurde, als sie gemäss § 7 Abs. 1 VKD/AG
in einem Zivilprozess mit gleichem Streitwert ausgefallen wäre, mag erstaunen,
zumal die Gerichtsgebühr in Zivilsachen nach oben offen ist, begründet jedoch
keinen Verstoss gegen Treu und Glauben.  
Für das Rekursverfahren vor dem Spezialverwaltungsgericht beträgt die
Staatsgebühr gemäss § 22 Abs. 1 lit. b VKD/AG Fr. 200.- bis Fr. 15'000.-. Die
vom Verwaltungsgericht festgesetzte Gebühr von Fr. 13'000.- ist damit im
obersten Bereich des Gebührenrahmens angesiedelt. Mit Blick auf die Bedeutung
der Streitsache und den Streitwert scheint es indes zutreffend, dass die
Vorinstanz bei der Bemessung der Verwaltungsgerichtsverfahrenskosten von einem
mittelgrossen Fall ausging. Die Vorinstanz hatte im Wesentlichen eine einzige
Rechtsfrage zu klären. Auch vor dem Spezialverwaltungsgericht stellten sich
lediglich eine überschaubare Zahl klar abgrenzbarer und nicht besonders
schwieriger Rechtsfragen. Es ist vorliegend auch nicht ersichtlich, dass das
Spezialverwaltungsgericht einen überdurchschnittlichen Zeitaufwand für die
Verfahrenserledigung betrieben hätte; jedenfalls lassen weder der Umfang der
Akten noch die Rechtsschrift oder das Urteil in jenem Verfahren auf solches
schliessen. Sprechen die massgeblichen Bemessungsfaktoren aber für einen
höchstens mittelschweren und eher wenig aufwändigen Fall, hätte die Vorinstanz
auch die Gebühr für das Rekursverfahren vor dem Spezialverwaltungsgericht im
unteren bis mittleren Bereich des Gebührenrahmens festsetzen müssen, also im
Bereich des Mittelwerts von rund Fr. 7'500.-. Der Vorinstanz kommt in diesem
Bereich ein Ermessensspielraum zu, weshalb eine gewisse Abweichung vom
Mittelwert noch nicht als willkürlich anzusehen wäre. Hingegen lässt es sich
sachlich nicht vertreten, für einen mittleren Fall Verfahrenskosten am oberen
Rand des Gebührenrahmens zu erheben. Damit erweist sich die vom
Verwaltungsgericht erhobene Gerichtsgebühr von Fr. 13'000.- für das Verfahren
vor dem Spezialverwaltungsgericht als willkürlich. Die Beschwerde ist in diesem
Punkt gutzuheissen. 
 
6.  
Die Beschwerde ist aufgrund dieser Erwägungen hinsichtlich der Kosten des
Rekursverfahrens gutzuheissen. Im Übrigen ist sie abzuweisen. Die Sache ist zur
Neufestsetzung der Verfahrenskosten im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz
zurückzuweisen. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die
Verfahrenskosten im Umfang ihres Unterliegens (Art. 66 Abs. 1 BGG). Im Umfang
seines Unterliegens sind die Verfahrenskosten dem Kanton Aargau aufzuerlegen,
der als Abgabegläubiger Vermögensinteressen verfolgte (Art. 66 Abs. 1 und Abs.
4 e contrario BGG). Der Kanton Aargau hat der Beschwerdeführerin eine
reduzierte Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und die Dispositivziffer 2.2 des
Urteils des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 9. Juni 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Festsetzung der Staatsgebühr im Rekursverfahren an das
Verwaltungsgericht des Kantons Aargau zurückgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 6'000.- werden im Umfang von Fr. 5'500.- der
Beschwerdeführerin und im Umfang von Fr. 500.- dem Kanton Aargau auferlegt. 
 
3.  
Der Kanton Aargau hat der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 500.- zu bezahlen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonalen Steueramt Aargau, dem
Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, und der Eidgenössischen
Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 6. Februar 2018 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Straub 

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