Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.670/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
2C_670/2017        

Urteil vom 22. August 2017

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Donzallaz,
Gerichtsschreiber Feller.

Verfahrensbeteiligte
A.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Jüsi, advokatur kanonengasse,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.

Gegenstand
Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Wegweisung; Eintreten auf
Rechtsmittel, Fristwahrung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4.
Abteilung, vom 18. Juli 2017.

Sachverhalt:

A. 
Die 1956 geborene A.________, serbische Staatsangehörige, heiratete am 15. März
2002 einen in der Schweiz niedergelassenen Landsmann. Gestützt auf die (am 5.
März 2012 geschiedene) Ehe erhielt sie zunächst eine Aufenthaltsbewilligung und
am 30. März 2007 die Niederlassungsbewilligung. Seit November 2007 bezog sie
Sozialhilfe, weshalb sie ermahnt und verwarnt wurde. Mit Verfügung vom 9.
November 2016 widerrief das Migrationsamt des Kantons Zürich die
Niederlassungsbewilligung von A.________. Die eingeschrieben versandte
Verfügung wurde dem Migrationsamt am 23. November 2016 mit dem Vermerk "nicht
abgeholt" retourniert.
Am 3. April 2017 ersuchte A.________ die Sicherheitsdirektion des Kantons
Zürich um Wiederherstellung der Rekursfrist und Ansetzung einer Frist zur
Ergänzung der Rekursschrift; eine solche reichte sie am 2. Mai 2017 nach. Am
22. Mai 2017 wies die Sicherheitsdirektion das Fristwiederherstellungsgesuch
ab, trat auf den Rekurs nicht ein und setzte der Betroffenen eine neue
Ausreisefrist an. Die gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 18. Juli 2017 ab; es
setzte die Ausreisefrist neu auf den 31. August 2017 an. Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege und -vertretung wies es wegen Aussichtslosigkeit
des Rechtsmittels ab.

B. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sowie subsidiärer
Verfassungsbeschwerde vom 3. August 2017 beantragt A.________ dem
Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts sowie der Entscheid der
Sicherheitsdirektion seien aufzuheben; die Sache sei zur Durchführung des
materiellen Rekursverfahrens an die Sicherheitsdirektion zurückzuweisen; das
angefochtene Urteil sei jedenfalls bezüglich unentgeltliche Prozessführung und
unentgeltliche Rechtsverbeiständung aufzuheben und es seien die Vorinstanzen
anzuweisen, auf Kostenauflage zu verzichten und den Rechtsbeistand für seine
Bemühungen als unentgeltlicher Rechtsbeistand angemessen zu entschädigen; für
den Fall der Abweisung der Beschwerde sei das Migrationsamt des Kantons Zürich
anzuweisen, eine angemessene neue Ausreisefrist von drei Monaten anzusetzen.
Es ist weder ein Schriftenwechsel noch sind andere Instruktionsmassnahmen
angeordnet worden.
Mit dem vorliegenden instanzabschliessenden Urteil wird das Gesuch um
aufschiebende Wirkung gegenstandslos.

Erwägungen:

1. 
Wie die nachfolgenden Erwägungen zeigen, erweist sich die Beschwerde als
offensichtlich unbegründet, sodass darüber im vereinfachten Verfahren nach Art.
109 BGG entschieden werden kann. Dabei wird der Entscheid summarisch begründet;
in der Begründung kann ganz oder teilweise auf den angefochtenen Entscheid
verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG).

2. 

2.1. Die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich trat auf den Rekurs gegen die
Verfügung des Migrationsamts wegen verspäteter Einreichung des Rechtsmittels
nicht ein. Massgeblich für ihren Entscheid sind die Vorschriften des Zürcher
Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 (VRG). Zudem finden gemäss §
71 VRG die Vorschriften der schweizerischen ZPO betreffend die Fristen (als
ergänzendes kantonales Recht) Anwendung.
Der Rekurs ist innert 30 Tagen schriftlich einzureichen (§ 22 Abs. 1 VRG); der
Fristenlauf beginnt dabei am Tag nach Mitteilung des angefochtenen Aktes, ohne
solche am Tag nach seiner amtlichen Veröffentlichung und ohne solche am Tag
nach seiner Kenntnisnahme (§ 22 Abs. 2 VRG). Die Zustellung von Verfügungen und
Entscheiden erfolgt durch eingeschriebene Postsendung oder auf andere Weise
gegen Empfangsbestätigung (Art. 138 Abs. 1 ZPO). Gemäss Art. 138 Abs. 3 lit. a
ZPO gilt die Zustellung bei einer eingeschriebenen Postsendung, die nicht
abgeholt worden ist, als am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch
erfolgt, sofern die Person mit der Zustellung rechnen musste (Zustellfiktion).
§ 12 Abs. 2 Satz 1 VRG erlaubt die Wiederherstellung einer versäumten Frist,
wenn der säumigen Person keine grobe Nachlässigkeit zur Last fällt (s. auch
Art. 148 Abs. 1 ZPO).

2.2. Vorliegend ist die Verfügung des Migrationsamtes mit eingeschriebener Post
an die Beschwerdeführerin versandt worden; da sie beim Zustellungsversuch nicht
angetroffen wurde, erstellte der Postbote eine Abholungseinladung, wobei er
nach verbindlicher Feststellung im angefochtenen Urteil (Art. 105 Abs. 1 BGG)
den ursprünglich mit dieser verbundenen Aufkleber mit dem Code für die Abholung
auf dem Briefumschlag anbrachte, mithin ein Formular Abholungseinladung
bearbeitet worden sein muss. Die Beschwerdeführerin holte die Sendung nicht
innert sieben Tagen bei der Poststelle ab und diese gelangte am 23. November
2016 an den Absender, das Migrationsamt, zurück; die Sicherheitsdirektion
erachtete auf diesem Hintergrund die Verfügung des Migrationsamts als im Sinne
der gesetzlichen Zustellfiktion im Monat November 2016 zugestellt. Die
Beschwerdeführerin will in ihrem Briefkasten keine Abholungseinladung
vorgefunden haben. Von der Verfügung selber erhielt sie erst am 30. März 2017
Kenntnis, und nach ihrer Auffassung begann die Rekursfrist erst am darauf
folgenden Tag zu laufen, sodass der Rekurs rechtzeitig erhoben worden sei.

2.3. Streitig ist allein, ob die Abholungseinladung für die Verfügung des
Migrationsamts (mit deren Zustellung sie unbestrittenermassen zu rechnen hatte)
in den Briefkasten der Beschwerdeführerin gelegt worden ist, was Bedingung für
das Eintreten der Zustellfiktion ist. Sollte dies der Fall sein, stellte sich
noch die Frage, ob die Voraussetzungen für die Wiederherstellung der Frist
erfüllt waren, was das Verwaltungsgericht verneint. Diese Frage macht die
Beschwerdeführerin nicht (jedenfalls nicht hinreichend, vgl. Art. 42 Abs. 2
BGG) zum Gegenstand ihrer Beschwerde; sollte die Abholungseinladung tatsächlich
in ihren Briefkasten gelegt worden sein, stellte die Nichtabholung aber
jedenfalls nicht mehr eine bloss leichte Nachlässigkeit dar.

2.4. Ob die Abholungseinladung in den Briefkasten gelegt worden ist, lässt sich
nicht beweisen. Mit diesem Aspekt haben sich das Verwaltungsgericht wie auch
schon die Sicherheitsdirektion unter Hinweis auf die bundesgerichtliche
Rechtsprechung (Urteile 1C_129/2015 vom 9. Juli 2015 E. 3 sowie 6B_940/2013 vom
31. März 2014 E. 2.1.1) befasst (s. auch Urteil 2C_783/2016 vom 20. Februar
2017 E. 2.3). Aufgrund der Postinformation, dass die Sendung dem Empfänger
angezeigt worden ist, besteht eine natürliche Vermutung für die Zustellung der
Abholungseinladung (Umkehr der Beweislast). Die Vermutung kann vom Empfänger
widerlegt werden, wenn er eine überwiegende Wahrscheinlichkeit von Fehlern bei
der Zustellung nachweist. Das Verwaltungsgericht befasst sich damit in E. 3.2
und E. 3.3 in allgemeiner und in auf den konkreten Fall bezogener Weise. Die
Beschwerdeführerin bringt nichts vor, was geeignet wäre, diese Erwägungen, auf
die verwiesen werden kann, als rechtsfehlerhaft erscheinen zu lassen. Zunächst
ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung nicht nachvollziehbar, warum die
Regeln über die Zustellfiktion im Falle, wo eine Partei behauptet, nie vom
Zustellversuch erfahren zu haben, nicht anwendbar sein sollten; die Figur der
natürlichen Vermutung dafür, dass die Abholungseinladung in den Briefkasten
gelegt wurde, beschlägt typischerweise gerade derartige Fälle. Besondere
Unregelmässigkeiten bei der Zustellung von eingeschriebener Post zeigt die
Beschwerdeführerin nicht auf. Entgegen ihrer Auffassung hat sich das
Verwaltungsgericht aufgrund der Unterlagen des Einzelfalls konkret mit der
Vorgehensweise des Postboten befasst und namentlich den von der
Beschwerdeführerin schon im kantonalen Verfahren vorgebrachten Einwand, das
Anzeigen der Sendung sei nur mit einem Tastendruck quittiert worden,
nachvollziehbar widerlegt; zu dieser Erwägung lässt sich der Beschwerdeschrift
nichts entnehmen. Weiter hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgehalten, dass
sich die natürliche Vermutung für ein Ablegen der Abholungseinladung im
Briefkasten nicht mit der generellen Äusserung widerlegen lässt, die
Beschwerdeführerin hätte sofort reagiert, wenn sie eine Einladung vorgefunden
hätte, käme dies doch einer prinzipiellen Umkehr der natürlichen Vermutung
gleich. Welchen (weiteren) speziellen Einzelfallaspekt die Vorinstanz
übergangen hätte, ist nicht ersichtlich. Schliesslich besteht kein Anlass, auf
die einschlägige Rechtsprechung zurückzukommen, wie die Beschwerdeführerin dies
anregt.
Wenn die Sicherheitsdirektion wegen der Säumnis der Beschwerdeführerin auf den
Rekurs nicht eingetreten ist, stellt dies weder eine Verweigerung des
rechtlichen Gehörs noch eine Verletzung der Rechtsweggarantie dar. Das
Eintreten auf ein Rechtsmittel setzt das Einhalten der massgeblichen
Verfahrensvorschriften (namentlich der Rechtsmittelfristen) voraus. Dies hat
die Beschwerdeführerin vorliegend nicht getan und keinen Anspruch auf
Behandlung des Rekurses.

2.5. Das grundsätzlich als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
entgegenzunehmende Rechtsmittel ist offensichtlich unbegründet und abzuweisen.
Raum für die subsidiäre Verfassungsbeschwerde bestünde allein in Bezug auf das
Ansetzen einer Ausreisefrist als Modalität der Wegweisung (vgl. Art. 113 in
Verbindung mit Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG); indessen fehlt es diesbezüglich an
Rügen verfassungsrechtlicher Natur (vgl. aber Art. 106 Abs. 2 in Verbindung mit
Art. 117 BGG). Auf die Verfassungsbeschwerde ist nicht einzutreten.

2.6. Nicht zu beanstanden ist, dass das Verwaltungsgericht die ihm
unterbreitete Beschwerde als aussichtslos wertete und darum das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung abwies bzw. der
Beschwerdeführerin Kosten auferlegte und ihr eine Parteientschädigung versagte
(E. 6.1 und 6.2 des angefochtenen Urteils).

3. 
Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung vor Bundesgericht
kann schon darum nicht entsprochen werden, weil die Rechtsbegehren aussichtslos
erschienen (Art. 64 BGG), wie die vorstehenden Erwägungen zeigen. Damit sind
die Gerichtskosten (Art. 65 BGG) entsprechend dem Verfahrensausgang der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 erster Satz BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen.

2. 
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.

3. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

4. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

5. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. August 2017

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Feller

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