Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.657/2017
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

2C_657/2017

Urteil vom 22. August 2019

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Seiler, Präsident,

Bundesrichter Zünd,

Bundesrichterin Aubry Girardin,

Bundesrichter Donzallaz,

Bundesrichter Stadelmann,

Gerichtsschreiberin Mayhall.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

Beschwerdeführer,

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas Eichenberger,

gegen

Kanton Bern.

Gegenstand

Entschädigung für Todesfeststellung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern,
Einzelrichter, vom 22. Juni 2017 (100.2017.123U).

Sachverhalt:

A.

Die Kantonspolizei Bern fand am 29. Januar 2015 in einer Wohnung in
Herzogenbuchsee den mutmasslich leblosen Körper eines Mannes vor. Sie gelangte
an Dr. med. A.________, der zu diesem Zeitpunkt Notfalldienst verrichtet. Dr.
med A.________ begab sich in die Wohnung und stellte den Tod der vorgefundenen
Person fest. Nachdem der dafür in Rechnung gestellte Betrag von Fr. 155.45 vom
Nachlass bzw. von den Hinterbliebenen infolge Ausschlagung der Erbschaft nicht
beglichen und im Rahmen der konkursamtlichen Liquidation der Erbschaft am 23.
Februar 2016 ein Verlustschein über Fr. 152.65 ausgestellt worden war, ersuchte
Dr. med. A.________ am 30. Juni 2016 die Polizei- und Militärdirektion des
Kantons Bern um Begleichung des offenen Betrags von Fr. 152.65, eventualiter um
den Erlass einer anfechtbaren Verfügung. Mit Verfügung vom 28. März 2017 wies
die kantonale Polizei- und Militärdirektion das Gesuch ab und auferlegte Dr.
med. A.________ Verfahrenskosten von Fr. 600.--.

B.

Mit Urteil vom 22. Juni 2017 wies der Einzelrichter am Verwaltungsgericht des
Kantons Bern die von Dr. med. A.________ gegen die Verfügung vom 28. März 2017
erhobene Beschwerde ab, soweit er darauf eintrat. Ebenso wies er die
Eventualklage ab, soweit er darauf eintrat.

C.

Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 20. Juli 2017 an
das Bundesgericht beantragt Dr. med. A.________, das Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 22. Juni 2017 sei vollumfänglich
aufzuheben und der Beschwerdegegner sei zu verpflichten, ihm Fr. 152.65 nebst
Verzugszins von 5 % seit dem 31. Juli 2016 zu bezahlen, eventualiter sei die
Streitsache im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz oder an die kantonale
Polizei und Militärdirektion zurückzuweisen.

Die Vorinstanz und die kantonale Polizei- und Militärdirektion schliessen auf
Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer ficht vor Bundesgericht einen Endentscheid eines
Einzelrichters am Verwaltungsgericht des Kantons Bern auf dem Gebiet des
öffentlichen Rechts an, mit welchem seine Beschwerde abgewiesen worden ist,
soweit darauf eingetreten wurde, und seine Eventualklage ebenfalls abgewiesen
worden ist, soweit darauf eingetreten wurde. Die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 83 [e
contrario], Art. 86 Abs. 1 lit. d, Art. 90 und Art. 100 Abs. 1 BGG).

1.2. Der Beschwerdeführer, der am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat
und mit seinen Anträgen unterlegen ist, hat ein schutzwürdiges Interesse an
dessen Aufhebung und Abänderung (Art. 89 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer ist
zur Beschwerdeführung legitimiert und auf seine Beschwerde ist einzutreten.

1.3. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine
Rechtsverletzung nach Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und Abs. 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern
allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE
138 I 274 E. 1.6 S. 280 f. mit Hinweis). Die Verletzung von Grundrechten und
kantonalem Recht untersucht es in jedem Fall nur insoweit, als eine solche Rüge
in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2
BGG; BGE 139 I 229 E. 2.2 S. 232; 134 II 244 E. 2.2 S. 246).

2.

Der Beschwerdeführer rügt, entgegen der Auffassung der Vorinstanz sei die
Polizei insbesondere aufgrund von Bundesrecht (Art. 34a Abs. 1 lit. c, Art. 34a
Abs. 3 der Zivilstandsverordnung vom 28. April 2004 [ZStV; SR 211.112.2])
verpflichtet, Todesfälle zu melden, wobei sie der Meldung eine ärztliche
Bescheinigung beizulegen habe (Art. 35 Abs. 5 ZStV). In Erfüllung dieser
Pflicht habe die Polizei somit nicht nur darauf hingewirkt, dass der
Beschwerdeführer die ärztliche Dienstleistung erbringe, welche für die
Todesfeststellung erforderlich sei, sondern habe einen öffentlich-rechtlichen
Auftrag mit ihm abgeschlossen. Auf diesen seien die Art. 394 ff. OR als
subsidiäres öffentliches Recht anwendbar. Gestützt auf Art. 394 Abs. 3 OR,
wonach eine Vergütung geschuldet sei, wenn sie verabredet oder üblich sei,
hätte die Vorinstanz den Kanton Bern verpflichten müssen, die berufliche
Tätigkeit des Beschwerdeführers mit dem Betrag von Fr. 152.65 zu entschädigen.

2.1. Bei der Meldung des Todes muss eine ärztliche Bescheinigung eingereicht
werden (Art. 35 Abs. 5 ZStV). Die Person, welche einen Todesfall meldet, hat
somit von Bundesrechts wegen für die Bescheinigung zu sorgen. Eine Meldepflicht
trifft gemäss Art. 34a Abs. 1 lit. c ZStV, wenn der Todesfall nicht (von einer
Person im Sinne von Art. 34a Abs. 1 lit. a und lit. b ZStV) gemeldet worden
ist, jede Behörde, welcher der Todesfall zur Kenntnis kommt. Die Polizeibehörde
ist von jeder Person, welche beim Tod einer unbekannten Person zugegen war oder
die Leiche einer unbekannten Person findet, unverzüglich zu benachrichtigen;
die Polizeibehörde leitet die Meldung an das Zivilstandsamt weiter (Art. 34a
Abs. 3 ZStV in Verbindung mit Art. 40 ZGB). Eine Meldepflicht der Erben ist
hingegen nicht vorgesehen.

2.2. Die Polizei, die vorliegend am 29. Januar 2015 den Tod einer Person in
einer Wohnung in Herzogenbuchsee zu melden hatte, handelte somit in Erfüllung
einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung. Zur Erfüllung dieser
öffentlich-rechtlichen Verpflichtung hatte die Polizei zwingend einen Arzt
beizuziehen, um der Meldung die von Art. 35 Abs. 5 ZStV geforderte ärztliche
Bescheinigung beizulegen (TONI SIEGENTHALER, Das Personenstandsregister, 2013,
S. 144 f.; WILLI HEUSSLER, International-rechtliche Probleme des
Vormundschafts- und Kindesrecht aus der Sicht des Zivilstandswesens - unter
besonderer Berücksichtigung der Zusammenarbeit zwischen Zivilstandsbehörden und
vormundschaftlichen Organen, in: Zeitschrift für Vormundschaftswesen 1999 S. 3
f.).

2.2.1. Die Tätigkeiten des Gemeinwesens, durch die es die zur Erfüllung der
öffentlichen Aufgaben notwendigen Sachgüter und Leistungen beschafft, wird in
der Lehre als Bedarfsverwaltung bezeichnet (PIERRE TSCHANNEN/ULRICH ZIMMERLI/
MARKUS MÜLLER, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2014, § 19 N. 28; TOBIAS
JAAG, Bedarfsverwaltung, in: Kommunikation, Festschrift für Rolf H. Weber zum
60. Geburtstag, S. 544). Die Beschaffung von Dienstleistungen, wie etwa der
Beizug von Experten für die Erstellung von Gutachten, erfolgt regelmässig durch
die Erteilung eines Auftrags (JAAG, a.a.O., S. 546).

2.2.2. Mit dem Beizug des Beschwerdeführers als Arzt zur Erstellung der
ärztlichen Bescheinigung des Todes erteilte die Polizei diesem die Anordnung,
als Experte ein (wenn auch sehr kurzes) Gutachten in Form einer ärztlichen
Bescheinigung zu erstellen, wobei die Freiwilligkeit der Annahme des Angebots
durch den Beschwerdeführer für die Eingehung eines Vertragsverhältnisses
typisch ist. Bei der durch die Polizei erteilten Anordnung handelt es sich
nicht um ein privatrechtliches Angebot zum Abschluss eines
Vertragsverhältnisses, sondern um ein Rechtsverhältnis des kantonalen
öffentlichen Rechts (BGE 134 I 159 E. 3 S. 163). Mangels präziser Bestimmungen
im kantonalen Recht ist das Bundesprivatrecht als subsidiäres kantonales Recht
anwendbar. Das als subsidiäres kantonales Recht anwendbare Bundesprivatrecht
überprüft das Bundesgericht nur unter dem eingeschränkten Blickwinkel der
Willkür (Art. 95 lit. a BGG).

2.2.3. Nach Auftragsrecht schuldet der Auftraggeber eine Vergütung, wenn sie
verabredet oder üblich ist (Art. 394 Abs. 3 OR). Dass im kantonalen Recht eine
gesetzliche Grundlage dafür bestehen würde, dem Erben oder der
Erbengemeinschaft die Kosten für die Bescheinigung des Todes des Erblassers
aufzuerlegen, lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen. Ebensowenig
wurde geltend gemacht, dass im kantonalen Recht eine gesetzliche Grundlage
dafür bestehen würde, der Arzt hätte die betreffende ärztliche Dienstleistung
unentgeltlich zu erbringen. Angesichts dessen, dass mit dem Beizug eines Arztes
zur Ausstellung der ärztlichen Bescheinigung (oben, E. 2.2) ein öffentlich
rechtliches Rechtsverhältnis eingegangen wurde (oben, E. 2.2.2), für welches
gestützt auf das Bundesprivatrecht als subsidiär anwendbarem kantonalen Recht
eine Vergütung geschuldet ist, ist die Vorinstanz, wie der Beschwerdeführer
zutreffend rügt, bei der Verweigerung der Vergütung an den Beschwerdeführer für
die ärztliche Dienstleistung im Betrag von Fr. 152.65 in Willkür verfallen. Die
Beschwerde ist gutzuheissen, das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der
Kanton Bern, handelnd durch die Polizei- und Militärdirektion, ist zu
verpflichten, dem Beschwerdeführer Fr. 152.65 zuzüglich den beantragten
Verzugszins von 5 % ab 31. Juli 2016 (Zahlungsaufforderung als Mahnung, vgl.
BGE 143 II 37 E. 5.2.2 S. 43 f., unter Verweis auf BGE 106 Ib 279 E. 3 und E. 4
S. 284 ff.) zu leisten.

3.

Der Kanton Bern, der Vermögensinteressen wahrnimmt, hat die Gerichtskosten zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 und Abs. 4 BGG) und dem Beschwerdeführer für das
bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 68
Abs. 1 BGG). Die Vorinstanz wird die Kosten- und Entschädigungsfolgen neu
verlegen (Art. 67, Art. 68 Abs. 5 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern, Einzelrichter, vom 22. Juni 2017 wird aufgehoben.

2.

Der Kanton Bern, handelnd durch die Polizei- und Militärdirektion, wird
verpflichtet, dem Beschwerdeführer Fr. 152.65 zuzüglich Zins von 5 % ab 31.
Juli 2016 zu leisten.

3.

Die bundesgerichtlichen Kosten von Fr. 1'200.-- werden dem Kanton Bern
auferlegt.

4.

Der Kanton Bern hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren
eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- auszurichten.

5.

Die Sache wird zur Neuverlegung der vorinstanzlichen Kosten- und
Entschädigungsfolgen an die Vorinstanz zurückgewiesen.

6.

Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Verwaltungsgericht des
Kantons Bern, Einzelrichter, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. August 2019

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Die Gerichtsschreiberin: Mayhall