Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.638/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
2C_638/2017        

Urteil vom 19. Juli 2017

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Gerichtsschreiber Feller.

Verfahrensbeteiligte
A.A.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwältin Bettina Surber,

gegen

Migrationsamt des Kantons St. Gallen,
Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen.

Gegenstand
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 30. Mai 2017.

Erwägungen:

1. 
A.A.________, 1991 geborene Staatsangehörige Mazedoniens, heiratete am 11.
Oktober 2013 den türkischen Staatsangehörigen B.A.________, der über eine
Aufenthaltsbewilligung verfügt. Gestützt auf die Eheschliessung wurde ihr eine
Aufenthaltsbewilligung mit Gültigkeit bis 26. März 2015 erteilt. Sie reiste am
27. März 2014 in die Schweiz ein. Seit November 2014 lebten die Ehegatten
getrennt. Mit Verfügung vom 17. Juni 2015 lehnte das Migrationsamt des Kantons
St. Gallen die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung ab. Ein Rekurs an das
Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen blieb erfolglos, und
mit Entscheid vom 30. Mai 2017 wies das Verwaltungsgericht des Kantons St.
Gallen die gegen den Departementsentscheid vom 30. Oktober 2015 erhobene
Beschwerde ab.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten bzw. (für den Fall der
Unzulässigkeit dieses Rechtsmittels) mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde
beantragt A.A.________ dem Bundesgericht, den Entscheid des Verwaltungsgerichts
aufzuheben und das Migrationsamt des Kantons St. Gallen anzuweisen, ihre
Aufenthaltsbewilligung zu verlängern.
Es ist weder ein Schriftenwechsel noch sind andere Instruktionsmassnahmen
angeordnet worden.

2. 

2.1. Gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unzulässig gegen Entscheide auf dem
Gebiet des Ausländerrechts betreffend Bewilligungen, auf die weder das
Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt. Hängt die
Zulässigkeit des Rechtsmittels vom Bestehen eines Rechtsanspruchs ab, ist ein
potenzieller Anspruch in vertretbarer Weise geltend zu machen (BGE 139 I 330 E.
1.1 S. 332).

2.2. Die Beschwerdeführerin ist mit einem Ausländer verheiratet, der bloss eine
Aufenthaltsbewilligung hat; die ihr erteilte Bewilligung stützte sich auf Art.
44 AuG, eine Norm, die - vorbehältlich gewisser Umstände, deren Vorliegen hier
nicht behauptet wird - keinen Bewilligungsanspruch verschafft. Nachdem die
Beschwerdeführerin nicht mehr in Ehegemeinschaft lebt, hat sie keinen
bundesgesetzlichen Anspruch auf Bewilligungserneuerung; namentlich fällt Art.
50 AuG als Anspruchsnorm ausser Betracht, lässt diese doch höchstens
Bewilligungsansprüche nach Art. 42 und 43 AuG weiterbestehen. Da es an einer
gelebten ehelichen Beziehung mit einem hier anwesenheitsberechtigten Ehemann
fehlt, kann die Beschwerdeführerin auch keinen Bewilligungsanspruch nach Art. 8
EMRK geltend machen. Einen solchen will sie indessen aus Art. 10 Abs. 1 und 2
BV ableiten. Gemäss Art. 10 Abs. 1 BV hat jeder Mensch das Recht auf Leben.
Art. 10 Abs. 2 BV gewährt jedem Menschen das Recht auf persönliche Freiheit,
insbesondere auf körperliche und geistige Unversehrtheit. Die
Beschwerdeführerin beruft sich auf diese verfassungsmässigen Rechte im
Zusammenhang mit ihren gesundheitlichen Problemen; ihre psychische Gesundheit
ist beeinträchtigt.
Medizinische Aspekte sind mit zu berücksichtigen bei der Prüfung, ob ein
nachehelicher Härtefall im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AuG
vorliegt (Urteil 2C_837/2016 vom 23. Dezember 2016 E. 1.4) und die Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gestützt auf diese Anspruchsnorm
zulässig ist. Ausserhalb des Anwendungsbereichs einer derartigen Anspruchsnorm
sind gesundheitliche Probleme primär von Bedeutung im Zusammenhang mit der
Prüfung, ob Vollzugshindernisse bei der Wegweisung bestehen, wobei
diesbezüglich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
unzulässig ist (Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG) und allein die subsidiäre
Verfassungsbeschwerde offen steht. Um ausnahmsweise direkt aus Art. 10 BV einen
den Weg zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten öffnenden
Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung anzuerkennen und nicht
bloss einen Aufschub des Wegweisungsvollzugs zu erwägen, bedürfte es ganz
ausserordentlicher Umstände, sind doch selbst im Rahmen einer Beurteilung unter
dem Aspekt von Art. 50 Abs. 2 AuG die Schranken hoch, um aus gesundheitlichen
Gründen die Fortführung des Aufenthalts zu gestatten (vgl. Urteil 2C_721/2014
vom 15. Januar 2015 E. 3.2.2). Selbst im Hinblick auf einen blossen Aufschub
des Wegweisungsvollzugs ist erforderlich einerseits ein lebenskritischer
Gesundheitszustand und andererseits, dass der Staat, in den der Ausländer
wegzuweisen ist, keine medizinische Versorgung aufweist, sodass die Rückkehr zu
einer raschen und lebensgefährlichen Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes
führen würde (BGE 137 II 305 E. 4.3 S. 311 f.). Die Wertung ihrer psychischen
Probleme durch die Beschwerdeführerin, verbunden mit der Wiedergabe von
Einschätzungen von Fachpersonen, sind - auch im Lichte der Erwägungen des
angefochtenen Entscheids (E. 3.2.3 und 3.3) - offensichtlich nicht geeignet,
den im beschriebenen Sinn erforderlichen hohen Grad gesundheitlicher
Beeinträchtigung und eine konkrete Lebensgefährdung spezifisch in ihrer Heimat
und mithin ausserordentliche, einen Bewilligungsanspruch schaffende Umstände
aufzuzeigen. Zu erwähnen ist auch, dass die Ängste und negativen Reaktionen,
die durch einen negativen Bewilligungsentscheid ausgelöst werden, grundsätzlich
nicht zu einer Bewilligungserteilung führen können. Es besteht keine Handhabe,
ausnahmsweise aus Art. 10 BV einen Anspruch auf Bewilligungsverlängerung
abzuleiten. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist nach
Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG offensichtlich unzulässig.

2.3. Soweit die Beschwerdeführerin die Verletzung von Art. 10 BV im Rahmen der
subsidiären Verfassungsbeschwerde geprüft haben will, ist sie zu diesem
Rechtsmittel in Bezug auf die Frage der Bewilligungsverlängerung nicht
legitimiert: Da die angerufene Verfassungsnorm, wie in E. 2.2 dargelegt, keinen
Bewilligungsanspruch verleiht, ist sie in dieser Hinsicht nicht in rechtlich
geschützten Interessen betroffen (Art. 115 lit. b BGG; dazu BGE 133 I 185).
Zulässig wäre die Verfassungsbeschwerde zwar in Bezug auf die Wegweisung. Die
Rechtsschrift enthält indessen keine Begründung, die sich spezifisch mit der
Frage des Verzichts auf die Wegweisung bei Nichtverlängerung der
ausländerrechtlichen Bewilligung befasst. Jedenfalls wird nicht in einer den
Anforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG (in Verbindung mit Art. 117 BGG)
genügenden Weise dargetan, inwiefern der Wegweisungsvollzug bei fehlender
ausländerrechtlicher Bewilligung Art. 10 BV verletzen würde (s. dazu BGE 137 II
305).

2.4. Auf die Beschwerden ist gestützt auf Art. 108 Abs. 1 lit. a und b BGG mit
Entscheid des Abteilungspräsidenten als Einzelrichter im vereinfachten
Verfahren nach Art. 108 BGG nicht einzutreten.

2.5. Die Gerichtskosten (Art. 65 BGG) sind entsprechend dem Verfahrensausgang
der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 erster Satz BGG).

 Demnach erkennt der Präsident:

1. 
Auf die Beschwerden wird nicht eingetreten.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons St. Gallen und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 19. Juli 2017

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Feller

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