Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.625/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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2C_625/2017            

 
 
 
Urteil vom 13. Dezember 2017  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Bundesrichter Haag, 
Gerichtsschreiber Hugi Yar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Fürsprecher Peter Huber, 
 
gegen  
 
Einwohnergemeinde Bern, Einwohnerdienste, Migration und Fremdenpolizei, 
Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern. 
 
Gegenstand 
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung infolge Aufhebung
der Ehegemeinschaft, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 2. Juni 2017 (100.2016.147U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ (geb. 1984) ist türkischer Staatsangehöriger. Er reiste am 27.
Februar 2006 illegal in die Schweiz ein und durchlief hier erfolglos ein
Asylverfahren. Am 7. August 2006 heiratete er eine niederlassungsberechtigte
Landsfrau. Da der Verdacht bestand, es handle sich um eine Ausländerrechtsehe
("Schein-" oder "Umgehungsehe"), wurde das Familiennachzugsgesuch abgewiesen
und A.________ angehalten, das Land zu verlassen, was er nicht tat. Im
September 2008 nahmen die Gatten ihre Ehe wieder auf, worauf A.________ im
Frühjahr 2009 eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei seiner Ehefrau
erteilt wurde. Die Einwohnergemeinde Bern, Einwohnerdienste, Migration und
Fremdenpolizei (EMF), verlängerte die Bewilligung regelmässig - letztmals bis
zum 31. Dezember 2014. Am 31. Mai 2012 haben die Eheleute den gemeinsamen
Haushalt aufgehoben; im Sommer 2014 begannen sie eine Paartherapie. Am 28.
Oktober 2015 wurde die kinderlos gebliebene Ehe geschieden. 
 
B.  
A.________ wurde in der Schweiz wiederholt straffällig: 
 
- Das Untersuchungsrichteramt II Emmental-Oberaargau, Fraubrunnen, verurteilte
ihn am 21. November 2006 wegen grober Verletzung von Verkehrsregeln zu einer
Busse von Fr. 1'000.-- bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei
Jahren. 
- Am 3. Dezember 2008 wurde er vom Bezirksamt Lenzburg wegen Missbrauchs einer
Fernmeldeanlage sowie Nötigung (mehrfacher Versuch) zu einer Geldstrafe von 20
Tagessätzen zu Fr. 50.--, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von 2 Jahren,
sowie zu einer Busse von Fr. 600.-- verurteilt. 
- Das Bezirksamt Lenzburg auferlegte ihm am 20. Oktober 2009 wegen
rechtswidrigen Aufenthalts und geringfügiger Widerhandlung gegen das BG über
die Ausländerinnen und Ausländer eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr.
30.--, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von drei Jahren, sowie eine
Busse von Fr. 300.00. 
- Die Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland bestrafte A.________ am 10. März 2014
wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln mit einer Geldstrafe von 20
Tagessätzen zu Fr. 50.00, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von vier
Jahren, sowie zu einer Busse von Fr. 600.00. 
- Am 15. April 2015 bestrafte das Bezirksgericht Brugg A.________ schliesslich
wegen Verletzung der Verkehrsregeln sowie Führens eines Motorfahrzeugs ohne
Führerausweis zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen à Fr. 50.00, wovon es 80
Tagessätze für bedingt vollziehbar erklärte und anstelle der unbedingten
Geldstrafe für 20 Tagessätze eine gemeinnützige Arbeitserbringung im Umfang von
80 Stunden anordnete; zudem auferlegte es A.________ eine Busse von Fr. 500.--.
Das Gericht verzichtete auf den Widerruf der mit dem Strafbefehl der
Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland bedingt ausgesprochenen Geldstrafe von 20
Tagessätzen zu Fr. 50.--, verlängerte jedoch die entsprechende Probezeit um ein
Jahr und verwarnte A.________. 
Am 30. April 2015 weigerte sich die Einwohnergemeinde Bern, Einwohnerdienste,
Migration und Fremdenpolizei (EMF), die Bewilligung von A.________ ein weiteres
Mal zu verlängern. Der Aufenthaltszweck (Verbleib bei der Gattin) sei erfüllt
bzw. nicht mehr gegeben; im Übrigen erscheine A.________ nicht genügend
integriert, um sich auf einen Bewilligungsanspruch nach gescheiterter Ehe
berufen zu können. Die hiergegen gerichteten kantonalen Rechtsmittel blieben
ohne Erfolg (Entscheid der Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern vom
7. April 2016 und Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 2. Juni
2017). 
 
C.  
A.________ beantragt vor Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern vom 2. Juni 2017 aufzuheben und "das Migrationsamt des Kantons
Bern" (recte: die Einwohnergemeinde Bern, Einwohnerdienste, Migration und
Fremdenpolizei [EMF]) anzuweisen, seine Aufenthaltsbewilligung zu verlängern.
A.________ macht geltend, sich seit über zehn Jahren in der Schweiz aufzuhalten
und sich hier integriert zu haben. Aus den verschiedenen Verurteilungen habe er
seine Lehren gezogen und seine Lebensführung angepasst, sodass es seit über
drei Jahren zu keinerlei Vorfall mehr gekommen sei. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) hat sich nicht vernehmen lassen.
A.________ hat an seinen Anträgen und Ausführungen festgehalten. 
 
D.  
Mit Verfügung vom 12. Juli 2017 legte der Abteilungspräsident der Eingabe
antragsgemäss aufschiebende Wirkung bei. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ausgeschlossen gegen Entscheide, welche
Bewilligungen betreffen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht
einen Anspruch einräumen (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Der Beschwerdeführer
macht in vertretbarer Weise geltend, gestützt auf seine mehr als dreijährige
Ehe mit einer hier niederlassungsberechtigten Partnerin über einen
Bewilligungsanspruch nach Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG (SR 142.20) zu verfügen. Ob
dieser besteht, bildet eine materielle Frage und keine solche des Eintretens
(vgl. das Urteil 2C_648/2014 vom 6. Juli 2015 E. 1.1; BGE 137 I 305 E. 2.5 S.
315; 136 II 177 E. 1.1 S. 179 f., 497 E. 3.3 S. 500 f.). Auf die frist- (vgl. 
Art. 100 Abs. 1 BGG) und grundsätzlich auch formgerecht (vgl. Art. 42 BGG)
eingereichte Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (vgl. Art. 82
ff. BGG) des durch den kantonal letztinstanzlichen richterlichen Endentscheid (
Art. 90 BGG) in eigenen schutzwürdigen Interessen betroffenen Beschwerdeführers
(vgl. Art. 89 Abs. 1 BGG) ist einzutreten.  
 
1.2. Das Bundesgericht prüft unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und
Begründungspflicht nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern die rechtlichen
Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).
Bezüglich des Sachverhalts ist das Bundesgericht an die Feststellungen der
Vorinstanz gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG); es kann diese indessen von Amtes
wegen berichtigen oder ergänzen, falls sie sich in einem entscheidwesentlichen
Punkt als offensichtlich falsch oder unvollständig erweisen (Art. 105 Abs. 2
BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254 f.; 133 III 350 E. 1.3 S. 351 f.).
Obwohl nicht ausdrücklich im Gesetz erwähnt, beruht auch die unvollständige
Sachverhaltsfeststellung auf einer Rechtsverletzung: Was rechtserheblich ist,
bestimmt sich nach dem materiellen Recht; eine in Verkennung der
Rechtserheblichkeit unvollständige Ermittlung der für die rechtliche
Beurteilung massgeblichen Tatsachen verletzt direkt die anzuwendende materielle
Norm (Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 95 BGG; BGE 136 II 65 E. 1.4 S. 68; 134 V 53
E. 4.3 S. 62; Urteil 2C_1/2017 vom 22. Mai 2017 E. 2.2). Zur
Sachverhaltsfeststellung gehört auch die auf Indizien gestützte Beweiswürdigung
(BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 265 ff.; Urteil 2C_65/2014 vom 27. Januar 2015 E.
1.3 mit Hinweisen). Soweit die Vorinstanz verschiedene relevante Aspekte nicht
oder nur unvollständig festgestellt und damit die erfolgreiche Integration zu
Unrecht verneint hat, ergänzt das Bundesgericht im Folgenden den Sachverhalt im
Rahmen von Art. 105 Abs. 2 BGG von Amtes wegen; insofern ist der sonst
diesbezüglich bestehende Ermessensspielraum der vorinstanzlichen kantonalen
Behörden beschränkt (vgl. unten E. 2.2.1; Urteil 2C_65/2014 vom 27. Januar 2015
E. 1.3).  
 
2.  
 
2.1. Ausländische Ehegatten und ledige Kinder unter 18 Jahren von Personen mit
Niederlassungsbewilligung haben grundsätzlich Anspruch auf Erteilung und
Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen zusammenwohnen (
Art. 43 Abs. 1 AuG). Trotz Auflösens bzw. definitiven Scheiterns der
Ehegemeinschaft besteht der Bewilligungsanspruch fort, wenn die Beziehung
mindestens drei Jahre gedauert und die betroffene ausländische Person sich hier
erfolgreich integriert hat (Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG [Integrationsklausel])
bzw. wichtige persönliche Gründe ihren weiteren Aufenthalt in der Schweiz
erforderlich machen (Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG [nachehelicher Härtefall]; vgl.
BGE 136 II 113 E. 3.3.3, 1 ff.; 139 I 315 E. 2; 140 II 129 ff.). Der
Beschwerdeführer beruft sich nicht mehr darauf, sich in einer nachträglichen
Härtefallsituation im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG zu befinden, wie er
dies noch in den kantonalen Verfahren getan hat. Es ist deshalb im Folgenden
einzig zu prüfen, ob die Vorinstanz Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG
bundesrechtskonform angewendet hat und sie davon ausgehen durfte, der
Beschwerdeführer könne nicht als hier "erfolgreich" integriert gelten (vgl. zum
Erfordernis der "erfolgreichen" Integration: THOMAS HUGI YAR, Von Trennungen,
Härtefällen und Delikten - Ausländerrechtliches rund um die Ehe- und
Familiengemeinschaft, in: Achermann u. Mitb. [Hrsg.], Jahrbuch für
Migrationsrecht 2012/2013 S. 31 ff., dort S. 74 ff.).  
 
2.2.  
 
2.2.1. Die Integration im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG soll
längerfristig und rechtmässig anwesenden Ausländerinnen und Ausländern
ermöglichen, am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben der
Gesellschaft teilzuhaben (Art. 4 Abs. 2 AuG; vgl. BGE 134 II 1 E. 4.1 S. 4 f.).
Dazu ist erforderlich, dass sie sich mit den gesellschaftlichen Verhältnissen
und Lebensbedingungen in der Schweiz auseinandersetzen und insbesondere eine
Landessprache erlernen (Art. 2 Abs. 4 AuG). Nach Art. 77 Abs. 4 der Verordnung
vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE, SR
142.201) liegt eine erfolgreiche Integration vor, wenn die Ausländerin oder der
Ausländer namentlich die rechtsstaatliche Ordnung und die Werte der
Bundesverfassung respektiert (lit. a) sowie den Willen zur Teilnahme am
Wirtschaftsleben und zum Erwerb der am Wohnort gesprochenen Landessprache
bekundet (vgl. das Urteil 2C_1125/2014 vom 9. September 2015 E. 3). Nach Art. 4
der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über die Integration von Ausländerinnen und
Ausländern (VintA; SR 142.205) zeigt sich der Beitrag zur Integration
namentlich in der Respektierung der rechtsstaatlichen Ordnung und der Werte der
Bundesverfassung (lit. a), im Erlernen der am Wohnort gesprochenen
Landessprache (lit. b), in der Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen in
der Schweiz (lit. c) sowie im Willen zur Teilnahme am Wirtschaftsleben und zum
Erwerb von Bildung (lit. d). Bei der Prüfung der Integrationskriterien verfügen
die zuständigen Behörden über einen gewissen Ermessensspielraum, in den das
Bundesgericht nur zurückhaltend eingreift (vgl. aber oben E. 1.2; Art. 54 Abs.
2 und Art. 96 Abs. 1 AuG und die Urteile 2C_175/2015 vom 30. Oktober 2015 E.
2.2; 2C_1125/2014 vom 9. September 2015 E. 3.2.1 sowie 2C_668/2011 vom 23. Juli
2012 E. 3.2.1).  
 
2.2.2. Nach der bundesgerichtlichen Praxis bedarf es bei einer ausländischen
Person, welche in der Schweiz beruflich integriert ist, über eine Anstellung
verfügt, immer finanziell unabhängig war, sich korrekt verhalten hat und eine
örtliche Sprache beherrscht, ernsthafter besonderer Umstände, damit die
kantonale Behörde, ohne Bundesrecht zu verletzen, das Vorliegen einer
erfolgreichen Integration verneinen darf (Urteile 2C_749/2011 vom 20. Januar
2012 E. 3.3 und 2C_839/2010 vom 25. Februar 2011 E. 7.1.2). Nicht erforderlich
ist eine besonders qualifizierte berufliche Karriere (Urteile 2C_1125/2014 vom
9. September 2015 E. 3.2.2 und 2C_430/2011 vom 11. Oktober 2011 E. 4.2). Auch
das Fehlen besonders enger sozialer Beziehungen schliesst für sich allein eine
erfolgreiche Integration nicht aus (Urteil 2C_839/2010 vom 25. Februar 2011 E.
7.1.2) - ebenso wenig das Fehlen von Vereinsmitgliedschaften (Urteil 2C_427/
2011 vom 26. Oktober 2011 E. 5.3). Eine ungenügende Integration besteht, wenn
die betroffene Person kein Erwerbseinkommen erwirtschaftet, welches ihren
Konsum zu decken vermag, und sie während einer substantiellen Zeitdauer auf
Sozialhilfeleistungen angewiesen war (Urteile 2C_857/2010 vom 22. August 2011
E. 2.3.1 und 2C_546/2010 vom 30. November 2010 E. 5.2.3 f.). Auch geringfügige
Strafen schliessen eine erfolgreiche Integration nicht notwendigerweise aus
(Urteile 2C_65/2014 vom 27. Januar 2015 E. 3.2 und 2C_749/2011 vom 20. Januar
2012 E. 4.3). Entscheidend ist die Gesamtabwägung der konkreten negativen und
positiven Integrationsindikatoren im Einzelfall (vgl. PETER UEBERSAX, § 7
Einreise und Aufenthalt, in: Uebersax/Rudin/Hugi Yar/Geiser [Hrsg.],
Ausländerrecht, 2. Aufl. 2009, N. 7.120; HUGI YAR, a.a.O., S. 74).  
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer hat unbestrittenermassen länger als drei Jahre mit
seiner hier niederlassungsberechtigten Gattin zusammengelebt. Die Vorinstanz
hat festgehalten, dass er sich zuvor teilweise illegal bzw. lediglich gestützt
auf vorsorgliche Massnahmen in der Schweiz aufgehalten habe, weshalb ihm nicht
die ganzen Anwesenheitsdauer von elf Jahren als ordentlicher Aufenthalt
angerechnet werden könne. Dies ist nicht zu beanstanden: Es entspricht der
bundesgerichtlichen Praxis, Aufenthalten, bei denen die ausländische Person
lediglich geduldet wird, einen geringeren Stellenwert beizumessen als einer
bewilligten Anwesenheit (vgl. BGE 137 II 10 E. 4.3 ff.; Urteile 2C_21/2016 vom
5. September 2016 E. 2.2 und 2C_1115/2015 vom 20. Juli 2016 E. 3.3.2). Der
Beschwerdeführer kritisiert diese Rechtsprechung, indem er auf die
Regularisierung von sich seit Jahren illegal im Land aufhaltenden
Ausländerinnen und Ausländer verweist; er verkennt dabei indessen, dass die
Situation der Regularisierung von "Sans-Papiers" nicht mit der Frage der
erfolgreichen Integration im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG verglichen
werden kann. Bei jener geht es darum, im Sinne einer Härtefallregelung aus
humanitären Gründen den Erwerb einer Bewilligung zu ermöglichen, dabei spielt
die Dauer der illegalen Anwesenheit zwar eine gewisse Rolle, entscheidend sind
für die Erteilung der entsprechenden  Ermessensbewilligungen zusätzlich aber
andere Kriterien als bei der "erfolgreichen" Integration im Rahmen von Art. 50
Abs. 1 lit. a AuG (vgl. HUGI YAR, a.a.O., S. 95 ff.). Die Ungleichbehandlung
zwischen den beiden Situationen beruht auf einem sachlichen Grund.  
 
3.2. Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass dem Beschwerdeführer rund
sieben massgebliche Aufenthaltsjahre angerechnet werden könnten, womit er sich
zwar nicht "relativ kurz", aber auch nicht bereits "besonders lang" im Land
aufhalte. In wirtschaftlich-beruflicher Hinsicht sei positiv zu werten, dass er
nicht verschuldet und immer für sich selber aufgekommen sei; er habe während
seines bisherigen Aufenthalts auch keine Leistungen der Sozialhilfe beziehen
müssen. Zugute zu halten sei ihm sodann, das er einer geregelten
Erwerbstätigkeit im Gastgewerbe nachgehe, wobei sein aktueller Arbeitgeber mit
seinen Leistungen sehr zufrieden sei und ihn für ein künftiges Projekt als
Geschäftsführer einsetzen möchte, sollte der Beschwerdeführer weiterhin über
die erforderliche Aufenthaltsbewilligung verfügen. Mit der Polizei- und
Militärdirektion könne davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer auch
sprachlich integriert sei. Die zu den Akten gegeben Schreiben zeichneten - so
das Verwaltungsgericht weiter - das Bild eines freundlichen, offenen, an den
hiesigen Verhältnissen interessierten Mannes und lasse durchaus auf soziale
Kontakte zu Einheimischen schliessen. Dies sei anzuerkennen, auch wenn keine
derart intensiven sozialen Bindungen bestünden, deren Abbruch den
Beschwerdeführer besonders hart treffen würde - es bestehe deshalb keine
"besondere" Verwurzelung in der hiesigen Gesellschaft.  
 
3.3.  
 
3.3.1. Die Vorinstanz hat sowohl die sprachliche, die wirtschaftliche als auch
die berufliche Integration bejaht, verneinte die "erfolgreiche" Integration
indessen wegen der Straffälligkeit des Beschwerdeführers. Unbestrittenermassen
ist dieser hier wiederholt straffällig geworden, teilweise gehen seine Taten
aber auf zehn und mehr Jahre zurück. Die Vorinstanz räumt ein, dass der
Beschwerdeführer keine Gewalt- und Betäubungsmitteldelikte begangen hat; seine
Delinquenz dürfe indessen nicht verharmlost werden, zumal sie teilweise in
laufende Probezeiten gefallen sei, "was von Unbelehrbarkeit und einer gewissen
Geringschätzung gegenüber der schweizerischen Rechtsordnung" zeuge. Dem
Verwaltungsgericht ist in seiner Grundaussage zwar zuzustimmen, doch trägt der
angefochtene Entscheid im Resultat der spezifischen Ausgangslage des konkreten
Einzelfalls nicht sachgerecht Rechnung. Das Verwaltungsgericht hat den
Sachverhalt teilweise unvollständig festgestellt, weshalb dieser im Folgenden
aus den Akten ergänzt wird (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. oben E. 1.2).  
 
3.3.2. Nicht jede Straftat führt dazu, dass die Integration als gescheitert zu
gelten hat (vgl. die Urteil 2C_65/2014 vom 27. Januar 2015 E. 3.2 und 2C_749/
2011 vom 20. Januar 2012 E. 4.3 und E. 4.4). Im Urteil 2C_65/2014 vom 27.
Januar 2015 war der dortige Beschwerdeführer zweimal rechtskräftig verurteilt
worden: Am 2. Februar 2011 wurde er wegen mehrfacher illegaler Einfuhr von
Fleischwaren und anderen Lebensmitteln zu einer Busse von Fr. 6'600.--
verurteilt; im gleichen Jahr noch wurde ihm eine unbedingte Geldstrafe von 120
Tagessätzen à Fr. 50.-- wegen der Beschäftigung ausländischer Personen ohne die
erforderlichen Bewilligungen auferlegt (E. 3.6). Die Straffälligkeit wurde
nicht als hinreichend schwer erachtet, um das Erfordernis der "erfolgreichen"
Integration infrage zu stellen. Im Urteil 2C_749/2011 vom 20. Januar 2012 war
der Betroffene während 5 Tagen in Haft wegen einer Verletzung des
Transportgesetzes; am 15. März 2007 wurde er zu einer Busse von Fr. 715.--
wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand (FIAZ) verurteilt. Schliesslich wurde er
mit Fr. 1'500.-- wegen Verletzung der Arbeitslosengesetzgebung gebüsst (E.
4.3). Die Straffälligkeit wurde auch in diesem Fall nicht als hinreichend
schwer beurteilt, um die "erfolgreiche" Integration infrage zu stellen, und die
Sache deshalb zu ergänzenden Abklärungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.  
 
3.3.3. Der Beschwerdeführer wurde - wie den Akten entnommen werden kann (vgl 
Art. 105 Abs. 2 BGG) - vor allem im Zusammenhang mit Strassenverkehrsdelikten
belangt: Einmal ging es darum, dass er als Pizzakurrier in Bern mit 77 km/h auf
einer Strecke mit Tempo 50 zu schnell gefahren war (Verurteilung vom 10. März
2014; begangen am 30. Januar 2014); das andere Mal war er nach dem
Führerausweisentzug zu seiner Frau gefahren, welche er in psychischer Not
glaubte, wobei er auf der Heimfahrt auf dem Pannenstreifen hielt, um einen
Telefonanruf seiner Gattin entgegenzunehmen; dabei wurde er von der Polizei
kontrolliert und verzeigt (Verurteilung vom 15. April 2015 begangen am 28. Mai
2014). Das Strafmandat vom 3. Dezember 2008 bezog sich auf einen Sachverhalt
vom 30. März 2007 und stand im Zusammenhang mit den ehelichen Problemen, wobei
die Ehegatten sich zum Zeitpunkt des Strafentscheids aber bereits versöhnt
hatten und seit September 2008 wieder zusammenlebten.  
 
3.3.4. Das strafrechtlich relevante Verhalten des Beschwerdeführers ist nicht
zu verharmlosen, umgekehrt hat er keine Delikte begangen, die von einer
niedrigen Gesinnung zeugen würden. Indem die Vorinstanz die einzelnen
Straftaten nicht vertieft analysiert und in den grösseren Zusammenhang des
unbestimmten Rechtsbegriffs der "erfolgreichen Integration" gestellt hat,
gewichtete sie die strafrechtlich relevanten Vorkommnisse bei der
erforderlichen Gesamtsicht der negativen und positiven Indikatoren zu schwer
und trug sie den zahlreichen konkreten positiven Aspekten in ihrer
Gesamtwürdigung zu wenig Rechnung. Straftaten, die vor der gescheiterten Ehe
erfolgten, von der die Bewilligung abgeleitet werden soll, sind nicht gleich
schwer zu gewichten, wie solche nach Eheschluss, da die erfolgreiche
Integration im Rahmen von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG sich im Wesentlichen auf
die Dauer der ehelichen Gemeinschaft bezieht und nicht auf Jahre zurückliegende
Vorkommnisse. Der Beschwerdeführer ist sich glaubwürdig seiner Vergehen bewusst
und bereut diese, was die Vorinstanz ihm selber zugesteht (E. 3.4 ihres
Entscheids; vgl. auch das Urteil 2C_65/2014 vom 27. Januar 2015 E. 3.6). Zwar
wurde er teilweise während der Probezeiten rückfällig, doch zog dies nie den
Widerruf einer bedingten Strafe nach sich und führte dies auch nicht zu einer
unbedingt zu vollziehende Freiheitsstrafe. Der Beschwerdeführer hat ab April
2014 - wie er geltend macht und von der Vorinstanz zu Unrecht nicht
berücksichtigt wurde (vgl. Art. 105 Abs. 2 BGG) - psychotherapeutische Hilfe in
Anspruch genommen, um die Scheidung aufzuarbeiten. Seit Juni 2014 verzichtet er
als Reaktion auf sein Fehlverhalten darauf, Auto zu fahren; er hat zudem seine
Arbeitsstelle gewechselt und eine neue Beschäftigung im Gastrobereich gefunden,
wo er zur allseitigen Zufriedenheit arbeitet (E. 3.3 des angefochtenen
Entscheids).  
 
3.3.5. Das Bezirksgericht Brugg hielt in seiner Kurzbegründung des Urteils vom
15. April 2015 - worauf die Vorinstanz zu Unrecht wiederum keinen Bezug
genommen und insofern den Sachverhalt unvollständig festgestellt hat (Art. 105
Abs. 2 BGG) - fest, dass beim Beschuldigten zu berücksichtigen sei, "dass seit
dem zu beurteilenden Vorfall vom 28. Mai 2014 sein Leben sich in diversen
Bereichen zu einem Besseren gewendet hat und dies hauptsächlich seinem eigenen,
aktiven Zutun zu verdanken" sei. So habe er mittels Vorzeigen von
unübertragbaren Monatsabonnementen der Verkehrsbetriebe Bern etwa auch belegt,
dass er vom Individualverkehr auf den öffentlichen Verkehr umgestiegen sei und
er damit seine Lehren aus dem Vorgefallenen gezogen habe.  
 
3.3.6. Zum gleichen Schluss kommt der von der Vorinstanz wiederum zu Unrecht
nicht berücksichtigte psychiatrische Bericht vom 5. Mai 2016 (vgl. oben E. 1.2)
: Die Deliktsprognose habe "heute ohne Einschränkungen" als gut zu gelten. Die
zum Teil weit zurückliegenden Verurteilungen hätten einen starken Bezug zum
damaligen Verhalten der Ehefrau und zum Strassenverkehr gehabt. Durch die mit
der Scheidung definitiv vollzogene Ablösung von der Gattin und durch den
überzeugten Verzicht, hier weiterhin Auto zu fahren, sowie wegen des
ausgeprägten Bedürfnisses des Beschwerdeführers, sich - auch im Hinblick auf
die sich abzeichnende berufliche Karriere - nunmehr einwandfrei zu verhalten,
könne ihm eine günstige Deliktsprognose gestellt werden.  
 
3.4. Dem Negativindikator der mehrfachen Delinquenz, die im Sinne des
Dargelegten zu relativieren ist, stehen eine Anwesenheitsdauer von rund 7
Jahren, eine gute Integrationsleistung in Bezug auf Arbeit, finanzielle
Unabhängigkeit, Sprachkompetenz in Dialekt und Hochsprache sowie soziale
Verwurzelung als positive Elemente gegenüber. Die zu den Akten gegebenen
Schreiben von Bekannten und Freunden zeichnen - auch nach Ansicht des
Verwaltungsgerichts (E. 3.3 des angefochtenen Entscheids [S. 8]) - das Bild
eines freundlichen, offenen, an den hiesigen Verhältnissen interessierten
Mannes und lassen auf soziale Kontakte zu Einheimischen schliessen. In der
Gesamtwürdigung überwiegen unter diesen Umständen die positiven Indikatoren die
mehrfache situationsbezogene - untergeordnete - Delinquenz, zumal der
Beschwerdeführer sein Verhalten inzwischen kontinuierlich hinterfragt und seine
Lebensführung seit drei Jahren konsequent im Sinne einer Eingliederung in die
hiesige Rechtsordnung angepasst hat. Soweit die Vorinstanz ihre
Bewilligungsverweigerung auf den Entscheid 2C_14/2016 stützt, ist dieser mit
dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar: In jenem Fall bestand nicht
nur eine Straffälligkeit, sondern zusätzlich eine ungenügende wirtschaftliche
Integration. Ergänzend kann schliesslich darauf hingewiesen werden, dass dem
Beschwerdeführer seine Aufenthaltsbewilligung nötigenfalls künftig wieder wird
entzogen werden können, sollte er sich nicht an die gesetzlichen Vorgaben
halten.  
 
4.  
 
4.1. Die Beschwerde ist somit gutzuheissen, der angefochtene Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Bern aufzuheben, und die Einwohnergemeinde
Bern, Einwohnerdienste, Migration und Fremdenpolizei (EMF) ist anzuhalten, dem
Beschwerdeführer die beantragte Aufenthaltsbewilligung auszustellen.  
 
4.2. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind keine Gerichtskosten zu erheben (
Art. 66 Abs. 3 BGG). Die Einwohnergemeinde Bern hat den Beschwerdeführer für
das bundesgerichtliche Verfahren jedoch angemessen zu entschädigen (Art. 68
Abs. 1 BGG).  
 
4.3. Zur Regelung der kantonalen Kosten- und Entschädigungsfrage wird die Sache
an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern zurückgewiesen.  
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern vom 2. Juni 2017 aufgehoben und die Einwohnergemeinde Bern,
Einwohnerdienste, Migration und Fremdenpolizei (EMF), angehalten, dem
Beschwerdeführer die beantragte Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. 
 
2.  
 
2.1. Es werden keine Kosten erhoben.  
 
2.2. Die Einwohnergemeinde Bern hat den Beschwerdeführer für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.  
 
3.   
Zur Regelung der kantonalen Kosten- und Entschädigungsfrage wird die Sache an
die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, und dem Staatssekretariat für
Migration (SEM) schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 13. Dezember 2017 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar 

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