Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.60/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_60/2017

Urteil vom 30. Januar 2017

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Stadelmann,
Gerichtsschreiber Feller.

Verfahrensbeteiligte
A.A.________, 
Beschwerdeführerin,
B.A.________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Stefan Galligani,

gegen

Migrationsamt des Kantons Thurgau,
Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau.

Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau
vom 4. Januar 2017.

Sachverhalt:

A.
Die serbische Staatsangehörige A.A.________ hat aus einer geschiedenen Ehe in
Serbien einen am 25. März 1998 geborenen Sohn, B.A.________. Sie reiste am 1.
Mai 2013 zu ihrem heutigen Ehemann, Schweizer, hierzulande ein und erhielt eine
Aufenthaltsbewilligung. Sohn B.A.________ blieb beim Vater in der Heimat, der
die elterliche Sorge hatte.
Am 22. Oktober 2015 stimmte der Vater der Übernahme der Pflege für B.A.________
durch die Mutter zu. B.A.________ reiste am 25. Oktober 2015 (offenbar mit
einem Besuchervisum) in die Schweiz ein. A.A.________ stellte am 27./28.
Oktober 2015 ein Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung an
B.A.________ (Familiennachzug). Das Migrationsamt des Kantons Thurgau wies das
Gesuch am 27. Juni 2016 ab und verfügte die Wegweisung, unter Ansetzung einer
Ausreisefrist auf den 31. Juli 2016. Den gegen diese Verfügung erhobenen Rekurs
wies das Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau ab. Mit
Ziffer 2 des Entscheiddispositivs verpflichtete das Departement B.A.________,
die Schweiz bis zum 29. Oktober 2016 zu verlassen, unter Androhung der
zwangsweisen Ausschaffung bei Nichteinhaltung der Frist. Dagegen gelangten
Mutter und Sohn mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau,
dessen verfahrensleitender Vizepräsident am 28. Oktober 2016 superprovisorisch
anordnete, dass die zwangsweise Ausschaffung vorläufig nicht zu vollziehen sei.
Mit (Teil-) Entscheid vom 4. Januar 2017 trat das Verwaltungsgericht auf die
Beschwerde nicht ein, soweit sie sich gegen die Wegweisung gemäss Ziffer 2 des
Rekursentscheids des Departements richtet (Dispositiv Ziffer 1); die am 28.
Oktober 2016 superprovisorisch ergangene Anordnung des verfahrensleitenden
Vizegerichtspräsidenten, es sei die zwangsweise Ausschaffung vorläufig nicht zu
vollziehen, hob es auf (Dispositiv Ziffer 2); B.A.________ wurde angewiesen,
die Schweiz umgehend zu verlassen (Dispositiv Ziffer 3).

B. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiärer
Verfassungsbeschwerde vom 16. Januar 2017 beantragen A.A.________ und
B.A.________ dem Bundesgericht, es sei der Teilentscheid des
Verwaltungsgerichts aufzuheben; es sei B.A.________ der Aufenthalt in der
Schweiz während des vorinstanzlichen Verfahrens zu erlauben; eventualiter sei
die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

C.
Es ist weder ein Schriftenwechsel noch sind andere Instruktionsmassnahmen
angeordnet worden.
Mit dem vorliegenden instanzabschliessenden Urteil wird das Gesuch, dem
Beschwerdeführer sei der Aufenthalt in der Schweiz für die Dauer des
bundesgerichtlichen Verfahrens superprovisorisch zu erlauben, gegenstandslos.

Erwägungen:

1.
Gemäss Art. 83 Abs. 1 lit. c BGG ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten unzulässig gegen Entscheide auf dem Gebiet des Ausländerrechts
betreffend Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht
einen Anspruch einräumen (Ziff. 2), sowie betreffend die Wegweisung (Ziff. 4).

1.1. Der angefochtene Entscheid hat zunächst einen Entscheid betreffend die
Wegweisung zum Gegenstand; in diesem Punkt ist das Verwaltungsgericht auf die
Beschwerde nicht eingetreten. In dieser Hinsicht steht angesichts von Art. 83
lit. c Ziff. 4 BGG die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
nicht zur Verfügung und ist nur die subsidiäre Verfassungsbeschwerde gegeben.
Die dem Bundesgericht vorgelegte Rechtsschrift geht auf den vom
Verwaltungsgericht herangezogenen Nichteintretensgrund (Rechtsmittelfrist; Art.
64 Abs. 1 lit. a und lit. c in Verbindung mit Art. 64 Abs. 3 AuG) nicht ein.
Dispositiv Ziffer 1 des angefochtenen Entscheids ist somit nicht angefochten
worden, und die vom Departement angeordnete sofortige, bei Bedarf zwangsweise
durchzusetzende Ausreiseverpflichtung (Ziffer 2 seines Entscheiddispositivs)
ist insofern rechtskräftig.

1.2. Zusätzlich bildet separat Gegenstand des angefochtenen Entscheids, ob der
Beschwerdeführer den Abschluss des Nachzugs- bzw. Bewilligungsverfahrens (nach
wie vor hängig vor dem Verwaltungsgericht) in der Schweiz abwarten kann, was
das Verwaltungsgericht im Sinne eines Gesuchs um vorläufige
Aufenthaltsgestaltung unter dem Aspekt von Art. 17 AuG geprüft und verneint
hat.
Die Beschwerdeführerin hat eine Aufenthaltsbewilligung; das Nachzugsgesuch für
den Beschwerdeführer stützt sich auf Art. 44 AuG, welcher als solcher keine
Bewilligungsansprüche verschafft. Indessen beruht die Aufenthaltsbewilligung
der Beschwerdeführerin auf Art. 42 AuG und stellt insofern ein gefestigtes
Anwesenheitsrecht dar, sodass sich der Kindernachzug nach Art. 44 AuG auf Art.
8 EMRK stützen lässt. Beruht der Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung
allein auf Art. 8 EMRK, genügt ein fristgerecht gestelltes Nachzugsgesuch,
anders als bei Bewilligungen mit gesetzlichem Anspruch (Art. 42 und Art. 43
AuG), nicht. Vielmehr darf diesfalls das betroffene Kind auch zum Zeitpunkt der
Anhebung des bundesgerichtlichen Verfahrens bzw. zum Zeitpunkt des Endurteils
des Bundesgerichts noch nicht volljährig sein (BGE 136 II 497 E. 3.2 S. 500;
Urteil 2D_58/2014 vom 15. August 2014 E. 2.1 mit Hinweisen). Der
Beschwerdeführer ist vor bald einem Jahr, am 25. März 2016, volljährig
geworden. Allerdings wird geltend gemacht, er stehe in einem
Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Mutter, sodass der Schutzbereich von Art. 8
EMKR im Sinne des Rechts auf Achtung des Familienlebens im vorliegenden
Bewilligungsverfahren zum Tragen komme und der Ausschlussgrund von Art. 83 lit.
c Ziff. 2 BGG nicht greife. Da der Entscheid über den prozessualen Aufenthalt
während des Bewilligungsverfahrens einen Zwischenentscheid über vorsorgliche
Massnahmen darstellt, kann auch mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten bloss die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden
(Art. 98 BGG), sodass die Frage nach der Art des massgeblichen Rechtsmittels
offen bleiben kann.
Es fragt sich weiter, ob nach der Rechtskraft des vom Verwaltungsgericht nicht
als Zwischen-, sondern als Teilentscheid gewerteten Entscheids betreffend die
Wegweisung noch Raum für einen Entscheid über den prozessualen Aufenthalt
während des Bewilligungsverfahrens besteht. Auch dies kann offen bleiben,
erweist sich doch die Beschwerde aus den nachstehend wiedergegebenen Gründen
als offensichtlich unbegründet.

2. 

2.1. Für eine vorsorgliche Massnahme während des kantonalen
Rechtsmittelverfahrens ist an sich das kantonale Recht massgeblich. Geht es um
die provisorische Anwesenheitsberechtigung im Beschwerdeverfahren betreffend
ausländerrechtliche Bewilligungen, ist die Regelung von Art. 17 AuG zu beachten
(Urteil 2C_544/2016 vom 4. August 2016 E. 2.1 mit Hinweis). Danach haben
Ausländer, die (für einen vorübergehenden Aufenthalt) rechtmässig eingereist
sind und die nachträglich eine Bewilligung für einen dauerhaften Aufenthalt
beantragen, den Entscheid im Ausland abzuwarten (Abs. 1); werden die
Zulassungsvoraussetzungen offensichtlich erfüllt, so kann die zuständige
kantonale Behörde den Aufenthalt während des Verfahrens gestatten (Abs. 2).
Daraus leitet die Rechtsprechung ab, dass der Aufenthalt während des
Bewilligungsverfahrens zu gestatten ist, falls die Voraussetzungen eines
gesetzlichen, verfassungs- oder konventionsrechtlichen Anspruchs auf
Bewilligung mit grosser Wahrscheinlichkeit gegeben sind (BGE 139 I 37 E. 2.2 S.
40 f.; Urteil 2C_544/2016 vom 4. August 2016 E. 2.1 mit Hinweis).

2.2. Vorliegend käme als Anspruchsnorm einzig Art. 8 EMRK in Betracht. Die
Anforderungen an die Anerkennung eines eigentlichen Abhängigkeitsverhältnisses
zwischen Kindern und Eltern, die im Falle eines volljährigen Kindes einen
Bewilligungsanspruch entstehen liessen, sind hoch (vgl. dazu BGE 137 I 154. E.
3.4.2 S. 159; 115 Ib 1 E. 2 S. 4 ff.; 120 Ib 257 E. 1d und e S. 260 ff.; Urteil
2C_885/2016 vom 22. September 2016 E. 2.2). Die allgemein umschriebenen
psychischen Probleme, an denen der Beschwerdeführer namentlich wegen
Übergriffen seines Vaters heute leiden soll, genügen für die Annahme einer
derartigen Abhängigkeit des bald 19-jährigen Beschwerdeführers nicht. Dagegen
sprechen namentlich die nachvollziehbaren Ausführungen der Vorinstanz in E.
3.3.3, auf die verwiesen werden kann (Art. 109 Abs. 3 BGG). Den
Beschwerdeführern ist im Übrigen in Erinnerung zu rufen, dass es für die
Beurteilung keineswegs auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der
Gesuchseinreichung ankommt (vgl. vorstehend E. 2.1 zweiter Absatz). Wenn die
Beschwerdeführer geltend machen, die Vorinstanz hätte im Hinblick auf die
Beziehung zwischen Mutter und Sohn vertiefte Abklärungen treffen müssen,
verkennen sie einerseits die Natur von Entscheiden über Art. 17 AuG, für welche
die Behörde gerade keine vertieften Abklärungen treffen muss (Urteil 2C_76/2013
vom 23. Mai 2013 E. 2.3.2), und geben andererseits implizit zu verstehen, dass
das behauptete Abhängigkeitsverhältnis nicht auf der Hand liegt. Damit aber
sind die Zulassungsvoraussetzungen jedenfalls nicht offensichtlich erfüllt; die
Verweigerung des prozessualen Aufenthalts verletzt Art. 17 Abs. 2 AuG nicht.

3. 
Die offensichtlich unbegründete Beschwerde ist im vereinfachten Verfahren nach
Art. 109 BGG abzuweisen.
Diesem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten nach Massgabe von
Art. 65 sowie Art. 66 Abs. 1 erster Satz und Abs. 5 BGG aufzuerlegen.

 

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftung auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Thurgau und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. Januar 2017

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Feller

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