Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.604/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
2C_604/2017  
 
 
Urteil vom 10. Januar 2018  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, Haag, 
Gerichtsschreiberin Straub. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Gemeinde A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Otmar Bänziger, 
 
gegen  
 
B.________, 
Beschwerdegegner, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jürg Martin. 
 
Gegenstand 
Benützungsgebühr für Beanspruchung von öffentlichem Grund; Gemeindeautonomie, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 4.
Kammer, vom 23. Mai 2017 (A 16 45). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Baubehörde A.________ erteilte B.________ am 15. Dezember 1997 die
Baubewilligung für die Erstellung der Liegenschaft "C.________" auf dem
Grundstück Nr. xxx mit der Auflage, einen Parkplatznachweis von 33
Pflichtparkplätzen zu erbringen. Sie anerkannte 27 Parkplätze als erstellt; die
sechs fehlenden Parkplätze konnte B.________ mit einer Ersatzabgabe von Fr.
7'000.- pro Parkplatz abgelten. B.________ bezahlte in der Folge die
Ersatzabgabe und erstellte die erwähnte Baute. 
Am 7. Juli 2015 genehmigte die Regierung des Kantons Graubünden ein neues
Baugesetz der Gemeinde A.________ mit einer umfassenden Regelung über die
Pflichtparkplätze, die Ersatzabgabe und die Benutzungsgebühr für die
Beanspruchung von öffentlichem Grund durch parkierende Fahrzeuge. 
Mit Rechnungsverfügung vom 1. Juni 2016 erhob das Bauamt der Gemeinde
A.________ von B.________ für die Beanspruchung von öffentlichem Grund in
Ermangelung eigener Pflichtparkplätze eine Benützungsgebühr von Fr. 1'800.-
(Fr. 300.- pro fehlenden Pflichtparkplatz). 
 
B.  
Die Beschwerde gegen die Rechnungsverfügung wies der Gemeindevorstand
A.________ mit Veranlagungsverfügung vom 10. August 2016 ab. Das
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden hiess die dagegen erhobene Beschwerde
mit Urteil vom 23. Mai 2017 gut und hob die Veranlagungsverfügung auf. 
 
C.  
Am 27. Juni 2017 erhebt die politische Gemeinde A.________ beim Bundesgericht
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt, das
angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Rechnungsverfügung der Gemeinde
A.________ vom 1. Juni 2016 sei zu bestätigen. Eventualiter sei das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an das
Verwaltungsgericht zurückzuweisen. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden beantragt die Abweisung der
Beschwerde, soweit darauf eingetreten werde, und verweist auf die Ausführungen
im angefochtenen Entscheid. B.________ beantragt in seiner ausführlichen
Stellungnahme ebenfalls die Beschwerdeabweisung, soweit darauf eingetreten
werden könne. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen das
kantonal letztinstanzliche Urteil eines oberen Gerichts ist zulässig (Art. 82
Bst. a, Art. 86 Abs. 1 Bst. d und Abs. 2, Art. 90 BGG).  
Gemeinden sind gemäss Art. 89 Abs. 2 Bst. c BGG zur Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten legitimiert, wenn sie die Verletzung von
Garantien rügen, die ihnen die Kantons- oder Bundesverfassung gewährt. Darin
enthalten ist insbesondere die Gemeindeautonomie (BGE 142 I 177 E. 2 S. 180;
140 I 90 E. 1.1 S. 92). Für das Eintreten ist allein entscheidend, dass die
Gemeinde durch einen Akt in ihrer Eigenschaft als Trägerin hoheitlicher Gewalt
berührt ist und eine Verletzung der Autonomie in vertretbarer Weise geltend
macht. Ob die beanspruchte Autonomie besteht und ob sie im konkreten Fall
verletzt ist, ist keine Frage des Eintretens, sondern der materiellen
Beurteilung (BGE 136 I 404 E. 1.1.3 S. 407; 135 I 43 E. 1.2 S. 45; Urteil
2C_756/2015 vom 3. April 2017 E. 1.3.4, nicht publ. in: BGE 143 I 272). Die
politische Gemeinde A.________ beruft sich für ihre Autonomie im vorliegend
relevanten Bereich des Raumplanungs- und Baurechts auf Art. 65 der Verfassung
des Kantons Graubünden vom 14. September 2003 (KV/GR; SR 131.226) sowie Art. 22
und Art. 24 des Raumplanungsgesetzes für den Kanton Graubünden vom 6. Dezember
2004 (KRG/GR; BR 801.100) und macht in vertretbarer Weise eine Verletzung ihrer
Autonomie geltend. Auf die Beschwerde ist einzutreten. 
 
1.2. Nach der Rechtsprechung sind Gemeinden in einem Sachbereich autonom, wenn
das kantonale Recht diesen nicht abschliessend ordnet, sondern ihn ganz oder
teilweise der Gemeinde zur Regelung überlässt und ihr dabei eine relativ
erhebliche Entscheidungsfreiheit einräumt. Der geschützte Autonomiebereich kann
sich auf die Befugnis zum Erlass oder Vollzug eigener kommunaler Vorschriften
beziehen oder einen entsprechenden Spielraum bei der Anwendung kantonalen oder
eidgenössischen Rechts betreffen. Der Schutz der Gemeindeautonomie setzt eine
solche nicht in einem ganzen Aufgabengebiet, sondern lediglich im streitigen
Bereich voraus. Im Einzelnen ergibt sich der Umfang der kommunalen Autonomie
aus dem für den entsprechenden Bereich anwendbaren kantonalen Verfassungs- und
Gesetzesrecht (BGE 142 I 177 E. 2 S. 180). Die Gemeinde kann sich dagegen zur
Wehr setzen, dass eine kantonale Behörde ihre Prüfungsbefugnis überschreitet
oder die einschlägigen Vorschriften unrichtig auslegt und anwendet. Sie kann
überdies geltend machen, die kantonale Behörde habe die Tragweite von
verfassungsmässigen Rechten missachtet. Schliesslich kann sie sich im
Zusammenhang mit der behaupteten Autonomieverletzung auch auf das Willkürverbot
und auf Verfahrensgarantien berufen (BGE 139 I 169 E. 6.1 S. 172 f.). Die
Anwendung von Bundesrecht und von kantonalen verfassungsmässigen Rechten prüft
das Bundesgericht frei (Art. 95 lit. a und c BGG), die Handhabung des übrigen
kantonalen und kommunalen Rechts unter dem Gesichtswinkel des Willkürverbots
oder eines Verstosses gegen übergeordnetes Recht (BGE 142 I 177 E. 2 S. 180 f.;
137 V 57 E. 1.3 S. 60).  
 
2.  
Gemäss Art. 50 Abs. 1 BV ist die Gemeindeautonomie nach Massgabe des kantonalen
Rechts gewährleistet. Art. 65 KV/GR besagt analog dazu, dass die Autonomie der
Gemeinden gewährleistet ist und deren Umfang durch das kantonale Recht bestimmt
wird. Nach Art. 2 des Gemeindegesetzes des Kantons Graubünden vom 28. April
1974 (GG/GR; BR 175.050) ist die Gemeinde in einem Sachbereich autonom, wenn
das kantonale Recht diesen Bereich nicht abschliessend ordnet, sondern ihn ganz
oder teilweise der Gemeinde zur Regelung überlässt und ihr dabei eine relativ
erhebliche Entscheidungsfreiheit einräumt. In Art. 22 Abs. 1 und 2 KRG/GR is t
festgelegt, dass die Gemeinden die Grundordnung erlassen, wozu auch das
Baugesetz gehört. Die Gemeinde A.________ hat im Rahmen ihrer Autonomie das
Baugesetz vom 9. Dezember 2012 beschlossen (BauG; genehmigt am 7. Juli 2015).
Dieses enthält Regeln über zu erstellende Pflichtparkplätze bei Neubauten,
Umbauten und Erweiterungen (Art. 71 BauG), über die Leistung einer
Ersatzabgabe, wenn die vorgeschriebenen Abstellplätze nicht bereit gestellt
werden können (Art. 75 BauG), und über die Benutzungsgebühr für die
Beanspruchung von öffentlichem Grund durch parkierende Fahrzeuge (Art. 76
BauG). 
 
3.  
Die beschwerdeführende Gemeinde macht geltend, das Verwaltungsgericht habe
seine Prüfungsbefugnis überschritten und sei bei der Auslegung von Art. 76 BauG
vom klaren Wortlaut dieser Bestimmung abgewichen. 
 
3.1. Art. 76 BauG lautet wie folgt:  
Art. 76 Benützungsgebühr für Beanspruchung von öffentlichem Grund 
^1 Wer in Ermangelung eigener Parkplätze für das Abstellen von Autos
regelmässig öffentlichen Grund benützt, hat der Gemeinde per Ende Jahr eine
Benutzungsgebühr zu bezahlen. Diese Benützungsgebühr ist in jedem Fall von
jenem Grundeigentümer zu entrichten, der nicht ausreichend Pflichtparkplätze
vorzuweisen vermag und deshalb die Ersatzabgabe bezahlt hat.  
^2 Die Benutzungsgebühr bewegt sich im Rahmen zwischen Fr. 200.00 und Fr.
400.00 pro Jahr und wird vom Gemeinderat innerhalb dieses Rahmens jeweils für
das laufende Jahr festgelegt.  
 
Die Vorinstanz gelangte im angefochtenen Urteil zum Schluss, bei der in Art. 76
BauG vorgesehenen Benutzungsgebühr handle es sich um eine Kausalabgabe, für
deren Erhebung die Gemeinde im Einzelfall darlegen müsse, dass der öffentliche
Grund tatsächlich im unterstellten Umfang benutzt worden sei. Eine gesetzliche
Vermutung, dass dort, wo eine Ersatzabgabe bezahlt worden sei, auch der
öffentliche Grund in entsprechendem Umfang beansprucht werde, sei unzulässig.
Art. 76 Abs. 1 Satz 2 BauG sei deshalb so zu verstehen, dass die
Grundeigentümer, die nicht genügend Pflichtparkplätze nachweisen könnten und
eine Ersatzabgabe bezahlt hätten, eine Benutzungsgebühr entrichten müssten,
sofern sie den öffentlichen Grund auch tatsächlich und nachweislich
beanspruchten. Diese Auslegung stimme auch mit der Marginalie "Benützungsgebühr
für Beanspruchung von öffentlichem Grund" von Art. 76 BauG überein. Der
Gesetzestext könne nicht losgelöst vom ersten Satz des Art. 76 Abs. 1 BauG
verstanden werden. Für die Erhebung der Gebühr sei eine tatsächliche Benutzung
von öffentlichem Grund erforderlich. Bei der Bemessung der Gebühr sei
entsprechend dem Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip vom Wert der
beanspruchten Leistung auszugehen, was bedinge, dass überhaupt eine Leistung
beansprucht und Kosten verursacht worden seien. 
 
3.2. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht hat die Vorinstanz ihre
Überprüfungsbefugnis mit dieser Auslegung von Art. 76 Abs. 1 BauG nicht
überschritten.  
 
3.2.1. Lehre und Rechtsprechung unterscheiden bei den öffentlichen Abgaben
zwischen Steuern und Kausalabgaben sowie Lenkungsabgaben (vgl. BGE 143 I 220 E.
4.1 S. 221 mit Hinweisen). Bei Kausalabgaben handelt es sich um individuelle
Geldleistungen, die der Abgabepflichtige aufgrund des öffentlichen Rechts als
Entgelt für eine bestimmte staatliche Gegenleistung oder besondere Vorteile zu
entrichten hat. Steuern dagegen sind voraussetzungslos, d.h. unabhängig vom
konkreten Nutzen oder Verursacheranteil der steuerpflichtigen Person
geschuldet, ohne dass eine individuell zurechenbare Gegenleistung durch den
Staat erfolgt (BGE 140 I 176 E. 5.2 S. 180; Urteil 2C_1074/2016 vom 20. Juni
2017 E. 4.1). Gemeinden dürfen Kausalabgaben erheben, soweit ihnen im
fraglichen Bereich Rechtsetzungsautonomie zukommt und sie die Schranken des
kantonalen Rechts einhalten. Demgegenüber sind sie zur Erhebung von
eigenständigen Steuern ohne Ermächtigung im kantonalen Recht nicht befugt (vgl.
DANIELA WYSS, Kausalabgaben, 2009, S. 115; MÖSCHING, Fiskalische Massnahmen zur
Beschränkung von Zweitwohnungen, Jusletter 1. Dezember 2014, Rz. 13 f.; BGE 140
I 176 E. 7.3 S. 185 f.).  
 
3.2.2. Zu den Kausalabgaben gehört auch die Benutzungsgebühr. Sie ist das
Entgelt für die Benutzung einer öffentlichen Einrichtung oder für den
gesteigerten Gemeingebrauch an einer öffentlichen Sache. Sie wird nach Massgabe
der tatsächlichen Benutzung erhoben (BGE 143 I 220 E. 4.2 S. 222; ADRIAN
HUNGERBÜHLER, Grundsätze des Kausalabgabenrechts, ZBl 104/2003 S. 505 ff., S.
509; MICHAEL BEUSCH, Benutzungsgebühren - unter besonderer Berücksichtigung von
Lenkungsgebühren, in: Isabelle Häner/Bernhard Waldmann [Hrsg.], Kausalabgaben,
2015, S. 47 f.). Beim vorliegend gemäss Art. 76 BauG veranlagten Betrag handelt
es sich der Marginalie dieser Bestimmung zufolge um eine Benutzungsgebühr für
die Beanspruchung von öffentlichem Grund. Nach Art. 76 Abs. 1 Satz 1 BauG wird
für die regelmässige Benutzung des öffentlichen Grunds durch das Abstellen von
Autos ein Entgelt verlangt. Es handelt sich also entsprechend der Bezeichnung
in der Marginalie um eine Benutzungsgebühr und somit um eine Kausalabgabe. Als
solche setzt sie eine individuell zurechenbare besondere Leistung des
Gemeinwesens voraus und kann nur erhoben werden, wenn diese tatsächlich in
Anspruch genommen wurde.  
Dies muss auch für Grundeigentümer gelten, die nicht ausreichend
Pflichtparkplätze vorweisen können. Wie die Vorinstanz willkürfrei festhielt,
hat die Gemeinde auch diesfalls für die Erhebung der Gebühr konkret darzutun,
dass der betroffene Grundeigentümer den öffentlichen Grund auch tatsächlich im
unterstellten Umfang der fehlenden Parkplätze für das Parkieren von Autos
benutzt hat. Der zweite Satz von Art. 76 Abs. 1 BauG kann nicht so verstanden
werden, dass die jährliche Gebühr bereits wegen der fehlenden Pflichtparkplätze
geschuldet wäre. Eine solche Regelung könnte nicht mehr als Kausalabgabe
bezeichnet werden, da es an der Individualäquivalenz resp. der individuellen
Zurechenbarkeit der besonderen Gegenleistung fehlen würde (vgl. E. 3.2
hiervor). Vielmehr würde es sich dabei um eine Kostenanlastungssteuer handeln,
mit welcher einer bestimmten Gruppe von Personen die von der tatsächlichen
Benutzung des öffentlichen Grundes unabhängige Bezahlung einer jährlichen
Steuer auferlegt würde, weil diese Personen zu gewissen Aufwendungen des
Gemeinwesens eine nähere Beziehung aufweisen als die Gesamtheit der
Steuerpflichtigen (vgl. WYSS, a.a.O., S. 18; RENÉ WIEDERKEHR, Kausalabgaben,
2015, S. 21 ff.; Urteil 2C_519/2016 vom 4. September 2017 E. 3.5.4). Die
Erhebung einer solchen Steuer setzt eine entsprechende Grundlage im kantonalen
Recht voraus. Das Gesetz des Kantons Graubünden vom 31. August 2006 über die
Gemeinde- und Kirchensteuern (GKStG/GR; BR 720.200) sieht in Art. 2 Abs. 1 und
2 vor, dass die Gemeinden Einkommens- und Vermögenssteuern (Art. 4 GKStG/GR),
eine Grundstückgewinnsteuer (Art. 6 GKStG/GR), eine Handänderungssteuer (Art. 7
ff. GKStG/GR) sowie eine Liegenschaftensteuer (Art. 16 ff. GKStG/GR) erheben.
Gemäss Art. 2 Abs. 3 GKStG/GR kann die Gemeinde weitere Steuern erheben, wie
insbesondere eine Erbanfall- und Schenkungssteuer, eine Kurtaxe und eine
Tourismusförderungsabgabe. Die Kompetenznormen für die Erhebung weiterer
Steuern durch die Gemeinden in Art. 2 Abs. 3 und Art. 21 ff. GKStG/GR enthalten
keine ausdrückliche Delegation für die Erhebung einer Kostenanlastungssteuer
für die gesteigerte Benutzung von öffentlichem Grund. Die Auflistung der
kommunalen Besteuerungskompetenz in Art. 2 Abs. 3 GKStG/GR ist indes nicht
abschliessend (vgl. BGE 140 I 176 E. 7.3 S. 186). 
 
3.2.3. Eine gesetzliche Vermutung oder Annahme, wonach alle Grundeigentümer,
die nicht ausreichend Pflichtparkplätze vorweisen können, den öffentlichen
Grund regelmässig im Umfang der fehlenden Pflichtparkplätze benutzen, ist im
Rahmen einer Kausalabgabe nicht zulässig, da diesfalls die für Kausalabgaben
erforderliche individuelle Zurechenbarkeit fehlen würde. Die von der
beschwerdeführenden Gemeinde anvisierte Auslegung von Art. 76 Abs. 1 Satz 2
BauG würde die Benutzungsgebühr faktisch zu einer Steuer machen. Die Bestimmung
ist daher so auszulegen, dass die Benutzungsgebühr als Kausalabgabe auch für
Grundeigentümer mit zu wenigen Pflichtparkplätzen lediglich im Umfang der
tatsächlichen Beanspruchung des öffentlichen Grundes durch sie selbst oder ihre
Kunden geschuldet ist. Der Wortlaut des zweiten Satzes von Art. 76 Abs. 1 BauG
steht dieser Interpretation nicht entgegen. Die Formulierung, die Gebühr sei
"in jedem Fall von jenem Grundeigentümer zu entrichten, der nicht ausreichend
Pflichtparkplätze vorzuweisen vermag und deshalb die Ersatzabgabe bezahlt hat",
muss entgegen der Auffassung in der Beschwerde nicht so verstanden werden, dass
die Gebühr unabhängig von der tatsächlichen Beanspruchung des öffentlichen
Grundes geschuldet wäre. Sie kann ohne Weiteres so begriffen werden, dass die
tatsächliche Beanspruchung des öffentlichen Grundes für die Erhebung der Gebühr
vorausgesetzt ist, und der Grundeigentümer mit zu wenig Pflichtparkplätzen
diese Gebühr zu entrichten hat. Dass es sich bei Art. 76 Abs. 1 Satz 2 BauG
gemäss dieser Auslegung lediglich um eine Präzisierung des ersten Satzes
handelt (und nicht wie gemäss dem Verständnis in der Beschwerde um eine
zusätzliche Regelung), ist nicht zu beanstanden. Im Lichte dieser Auslegung ist
die von der Gemeinde im Rahmen ihrer Rechtsetzungsautonomie erlassene Regelung
mit dem übergeordneten Recht konform und insofern zulässig.  
Die Vorinstanz hat Art. 76 Abs. 1 BauG im Rahmen ihrer Überprüfungsbefugnis
willkürfrei so ausgelegt, dass sie dem übergeordneten Recht nicht widerspricht.
Sie hat damit weder die Gemeindeautonomie noch Bundes- oder anderes
übergeordnetes Recht verletzt. Ihre Auslegung von Art. 76 BauG ist nicht zu
beanstanden. 
 
4.  
 
4.1. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen.  
 
4.2. Bei diesem Verfahrensausgang sind die Kosten des bundesgerichtlichen
Verfahrens der beschwerdeführenden Gemeinde aufzuerlegen, die in ihrer
Eigenschaft als Abgabegläubigerin Vermögensinteressen verfolgt (Art. 66 Abs. 4
BGG). Sie hat dem Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren eine
Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).  
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin hat dem Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.- zu bezahlen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Verwaltungsgericht des
Kantons Graubünden, 4. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 10. Januar 2018 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Straub 

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