Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.551/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
2C_551/2017        

Urteil vom 24. Juli 2017

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Donzallaz,
Bundesrichter Stadelmann,
Gerichtsschreiber Mösching.

Verfahrensbeteiligte
A.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Advokat Guido Ehrler,

gegen

Staatssekretariat für Migration.

Gegenstand
Zustimmung zur Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, Unentgeltliche
Prozessführung, Nichteintreten,

Beschwerde gegen die Zwischenverfügung des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung
VI,
vom 16. Mai 2017.

Sachverhalt:

A. 
Die 1968 geborene kamerunische Staatsangehörige A.________ reiste am 6.
November 2005 in die Schweiz ein und durchlief erfolglos ein Asylverfahren. Sie
kam ihrer Ausreisepflicht nicht nach und ihr Aufenthaltsort war den Behörden in
der Folge nicht bekannt. Mit Antrag vom 4. Oktober 2016 ersuchte das
Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt das Staatssekretariat für Migration (SEM)
um Zustimmung zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung wegen Vorliegens eines
schwerwiegenden persönlichen Härtefalls gestützt auf Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG.
Das SEM trat mit Verfügung vom 22. Februar 2017 auf diesen Antrag nicht ein.

B. 
Am 30. März 2017 erhob A.________ gegen den Entscheid des SEM Beschwerde beim
Bundesverwaltungsgericht und beantragte, die Verfügung sei aufzuheben und das
SEM sei anzuweisen, auf den kantonalen Antrag einzutreten. Am 10. April 2017
erliess das Bundesverwaltungsgericht eine Zwischenverfügung und forderte -
unter Androhung des Nichteintretens im Unterlassungsfall - A.________ auf, bis
zum 9. Mai 2017 einen Kostenvorschuss von Fr. 1'000.-- zu leisten. Mit Eingabe
vom 9. Mai 2017 ersuchte A.________ um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung. Die zuständige Instruktionsrichterin des
Bundesverwaltungsgerichts wies mit Verfügung vom 16. Mai 2017 das Gesuch um
unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung ab und erstreckte die Frist
zur Bezahlung des Kostenvorschusses zuerst bis zum 24. Mai 2017, danach bis zum
23. Juni 2017. Zur Begründung führte sie aus, dass sich nach summarischer
Prüfung der Sach- und Rechtslage die Begehren von A.________ als zum Vornherein
aussichtslos erwiesen.

C. 
A.________ gelangt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom
15. Juni 2017 an das Bundesgericht. Sie beantragt, die Zwischenverfügung sei
aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen, ihr für das vor dem
Bundesverwaltungsgericht hängige Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege mit
Guido Ehrler als Rechtsbeistand zu gewähren. Eventualiter sei ihr für das
bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege und Guido Ehrler
als Rechtsbeistand zu gewähren.
Am 16. Juni 2017 wurde der Beschwerde superprovisorisch aufschiebende Wirkung
zuerkannt. Zudem holte das Bundesgericht die Akten ein. Im Übrigen verzichtete
es auf die Anordnung weiterer Instruktionsmassnahmen.
Mit dem vorliegenden instanzabschliessenden Urteil wird das Gesuch um
aufschiebende Wirkung gegenstandslos.

Erwägungen:

1.

1.1. Angefochten ist eine Zwischenverfügung des Bundesverwaltungsgerichts, mit
welcher der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Rechtspflege verweigert
worden ist. Hierbei handelt es sich um einen selbstständig eröffneten
Zwischenentscheid, welcher einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne
von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken kann (BGE 133 IV 335 E. 4 S. 338; Urteil
1C_75/2016 vom 11. April 2016 E. 1).

1.2. Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache (BGE 137
III 380 E. 1.1 S. 382; 133 III 645 E. 2.2 S. 647 f.). Gegen einen Endentscheid
des Bundesverwaltungsgerichts in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts
ist grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. a und Art. 90 BGG). Die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist unzulässig gegen
Entscheide auf dem Gebiet des Ausländerrechts betreffend Bewilligungen, auf die
weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumen (Art. 83
lit. c Ziff. 2 BGG). Für das Eintreten genügt, wenn die Betroffene in
vertretbarer Weise dartut, dass potenziell ein Anspruch auf die Bewilligung
besteht; ob die jeweiligen Voraussetzungen tatsächlich gegeben sind, bildet
Gegenstand der materiellen Beurteilung (BGE 136 II 177 E. 1.1 S. 179 f., 497 E.
3.3 S. 500 f.). Die Beschwerdeführerin macht in vertretbarer Weise einen
Anspruch nach Art. 8 EMRK geltend. Damit kann die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sowohl gegen den Entscheid in der Sache
als auch gegen den vorliegenden Zwischenentscheid ergriffen werden. Auf die
form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten (Art. 42 Abs. 2
und Art. 100 Abs. 1 BGG).

2. 
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 29 Abs. 3 BV bzw. Art.65
Abs. 1 VwVG. Das Bundesverwaltungsgericht hätte ihrer Beschwerde ausreichende
Prozesschancen zugestehen und ihr die unentgeltliche Prozessführung gewähren
müssen.

2.1. Als aussichtslos sind Begehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten
beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als
ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als
aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage
halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine
Partei, die über die nötigen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung
zu einem Prozess entschliessen würde. Eine Partei soll einen Prozess, den sie
auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen
können, weil er sie nichts kostet. Ob im Einzelfall genügende Erfolgsaussichten
bestehen, beurteilt sich aufgrund einer vorläufigen und summarischen Prüfung
der Prozessaussichten, wobei die Verhältnisse im Zeitpunkt der Einreichung des
Gesuchs massgebend sind (BGE 138 III 217 E. 2.2.4 S. 218; 133 III 614 E. 5 S.
616 mit Hinweisen).

2.2. Nach Art. 14 Abs. 1 AsylG (SR 142.31) kann ab Einreichung des Asylgesuches
bis zur Ausreise nach einer rechtskräftig angeordneten Wegweisung, nach einem
Rückzug des Asylgesuches oder bis zur Anordnung einer Ersatzmassnahme bei nicht
durchführbarem Vollzug eine asylsuchende Person kein Verfahren um Erteilung
einer ausländerrechtlichen Aufenthaltsbewilligung einleiten, ausser es bestehe
ein Anspruch auf deren Erteilung. Der Grundsatz des Vorrangs des Asylverfahrens
wird durchbrochen, wenn ein konventionsrechtlicher Anspruch auf die Erteilung
der beantragten ausländerrechtlichen Bewilligung offensichtlich besteht (vgl.
BGE 139 I 330 E. 1.4.2 S. 335; Urteil 2C_459/2011 vom 26. April 2012 E. 1.1,
nicht publ. in: BGE 138 I 246 ff.; 137 I 351 E. 3.1; Urteil 2C_947/2016 vom 17.
März 2017 E. 3.3 je mit Hinweisen). Wie die Vorinstanz zutreffend unter Verweis
auf die aktuelle bundesgerichtliche Rechtsprechung ausführte, ist das
grundsätzlich nicht der Fall, wenn sich die Gesuchstellerin, wie vorliegend,
einzig auf ihr Recht auf Privatleben beruft (BGE 137 I 351 E. 3.1 S. 354 f.;
Urteil 2C_947/2016 vom 17. März 2017 E. 3.3).

2.3. Die von der Beschwerdeführerin gegen diese Rechtsprechung vorgebrachten
Einwände laufen ins Leere.

2.3.1. Bei der Beurteilung von Art. 14 Abs. 1 AsylG ist weder die grosszügigere
Eintretenspraxis zu Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG (vgl. zu deren Voraussetzungen
E. 1.2) hilfsweise beizuziehen (Urteil 2C_947/ 2016 vom 17. März 2017 E. 3.4)
noch folgt aus der positiven Beurteilung durch die Härtefallkommission des
Kantons Basel-Stadt, welche gestützt auf Art. 30 Abs. 1 lit. b erfolgte, dass
ein offensichtlicher Anspruch aus Art. 8 EMRK auf Erteilung einer
Aufenthaltsbewilligung bestehen würde.

2.3.2. Ebensowenig führt der Verweis der Beschwerdeführerin auf Art. 17 Abs. 2
AuG sowie die E. 3.5 des soeben erwähnten Urteils 2C_947/2016 vom 17. März 2017
dazu, dass der Vorrang des AsylG im vorliegenden Fall aufzuheben wäre. Gemäss
den dortigen Erwägungen äussert sich Art. 17 Abs. 2 AuG nur dazu, unter welchen
Umständen ein Bewilligungsentscheid nicht im Ausland abgewartet werden muss,
nämlich wenn die Zulassungsvoraussetzungen offensichtlich erfüllt sind. Wie im
Falle von Art. 17 Abs. 2 AuG ist auch über den Aufenthaltsanspruch im Rahmen
von Art. 14 Abs. 1 AsylG nicht aufgrund einer umfassenden Prüfung, sondern nur
in einer summarischen Würdigung der Erfolgsaussichten zu entscheiden.
Dementsprechend prüft auch das Bundesgericht nicht vertieft und umfassend, ob
ein Anspruch auf Bewilligung besteht, sondern nur, ob die Vorinstanz zu Recht
erwogen hat, die Voraussetzungen seien nicht offensichtlich erfüllt. Der
summarischen Würdigung der Erfolgsaussichten ist Genüge getan, wenn nur
offensichtliche Ansprüche aus dem Schutz des Familienlebens gemäss Art. 8 Abs.
1 EMRK berücksichtigt werden, nicht aber solche einzig gestützt auf das Recht
auf Privatleben. Diesen Vorgaben ist die Vorinstanz entgegen der Ansicht der
Beschwerdeführerin nachgekommen. Es besteht kein Anlass, in Widerspruch zur
kürzlich bestätigten Rechtsprechung vom gesetzlichen Vorrang des Asylverfahrens
abzuweichen.

2.3.3. Dementsprechend gelangt das AuG gar nicht erst zur Anwendung. Es ist dem
Kanton Basel-Stadt folglich nicht möglich, der Beschwerdeführerin eine
Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG zu erteilen und
das SEM ist nicht verpflichtet, auf den kantonalen Antrag einzutreten. Auch
kann die Beschwerdeführerin aus BGE 141 II 169 E. 3 f., welcher sich
ausführlich zu den Anforderungen an die Gesetzesdelegation im Anwendungsbereich
des AuG (insb. Art. 99 AuG in Verbindung mit Art. 85 der Verordnung vom 24.
Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE; SR
142.201]) äussert, nichts zu ihren Gunsten ableiten.

2.4. Gemäss Art. 14 Abs. 2 AsylG kann ein Kanton mit Zustimmung des SEM einer
ihm  nach diesem Gesetz zugewiesene Personeine Aufenthaltsbewilligung erteilen.
Gemäss verbindlicher Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz wurde die
Beschwerdeführerin am 12. Dezember 2005 gemäss Art. 27 AsylG dem Kanton
Solothurn zugeteilt. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts von Art. 14 Abs. 2
AsylG kann nur der Kanton Solothurn ein auf diese Bestimmung gestütztes
Aufenthaltsverfahren durchführen, nicht aber der aktuelle Wohnsitzkanton. Aus
den angeführten Beispielen der Beschwerdeführerin, wonach angeblich das SEM
früher in vergleichbaren Fällen Anträgen des Wohnsitzkantons die Zustimmung zum
Aufenthalt gegeben habe, kann die Beschwerdeführerin nichts zu ihren Gunsten
ableiten. Es bestehen keine Hinweise darauf, dass die Voraussetzungen für einen
Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht (vgl. dazu BGE 136 I 65 E. 5.6 S. 78)
bestehen würden.

2.5. Die Vorinstanz hat im angefochtenen Entscheid eine summarische Überprüfung
vorgenommen und ist zum Schluss gekommen, dass aufgrund der eindeutigen
gesetzlichen Regelung die Abgrenzung zwischen dem Härtefallverfahren nach Art.
14 Abs. 2 AsylG und Art. 30 lit. b AuG keine Fragen aufwerfe. Die
Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung würden unter
diesen Umständen nicht vorliegen, sodass die Beschwerde zur Aufhebung des
Entscheides des SEM aussichtslos erscheine. Aus der Beschwerde ergibt sich
nicht und es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die vorinstanzliche
Begründung bzw. die angefochtene Zwischenverfügung selbst rechts- bzw.
verfassungswidrig sein soll.

2.6. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen.

3.

3.1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin
kostenpflichtig. Ihr sind den Umständen der vorliegenden Angelegenheit
angemessene Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

3.2. Wie die oben stehenden Ausführungen zeigen, hat sich die Beschwerde als
von Anfang an aussichtslos erwiesen. Es fehlt somit an einer der kumulativen
Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das
bundesgerichtliche Verfahren und das entsprechende Gesuch der
Beschwerdeführerin ist abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht,
Abteilung VI, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. Juli 2017

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Mösching

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