Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.50/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

[displayimage]       
2C_50/2017             

 
 
 
Urteil vom 22. August 2018  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Zünd, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Bundesrichter Haag, 
Gerichtsschreiberin Genner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Staatssekretariat für Migration, 
Quellenweg 6, 3003 Bern, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
A.C.________, 
Beschwerdegegner, 
vertreten durch Rechtsanwalt Christian Affentranger, 
 
Amt für Migration des Kantons Luzern, Fruttstrasse 15, 6002 Luzern, 
Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern, Bahnhofstrasse 15, 6002
Luzern. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Wegweisung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 4. Abteilung, vom 22.
November 2016 
(7H 16 64). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.C.________ (geb. 1989) stammt aus dem Kosovo und ist serbischer
Staatsangehöriger. Am 5. November 1990 reiste er im Familiennachzug in die
Schweiz ein und erhielt die Aufenthaltsbewilligung; seit dem 10. September 2001
verfügt er über die Niederlassungsbewilligung. Am 29. Dezember 2011 ehelichte
A.C.________ die kosovarische Staatsangehörige B.C.________ (geb. 1992), worauf
diese in die Schweiz einreiste. Die Gatten trennten sich am 18. Mai 2013; die
Ehe wurde mit Urteil des Grundgerichts U.________ (Kosovo) vom 30. Oktober 2015
geschieden. 
Das Amtsstatthalteramt Luzern bestrafte A.C.________ am 24. Juni 2008 mit einer
Busse von Fr. 300.-- wegen Tätlichkeiten (begangen am 4. April 2008). 
Am 8. November 2012 sprach das Kriminalgericht des Kantons Luzern A.C.________
der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung (begangen am 16. Januar 2009,
jeweils in gemeinsamer Tatbegehung) schuldig und verurteilte ihn zu einer
Freiheitsstrafe von drei Jahren, davon 18 Monate bedingt aufgeschoben bei einer
Probezeit von zwei Jahren. Nach Durchführung der Rechtsmittelverfahren vor dem
Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung (Urteil vom 24. Juni 2013) und dem
Bundesgericht (Urteil 6B_1040/2013 vom 18. August 2014) sprach das
Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung, A.C.________ am 3. Februar 2015 der
sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung schuldig und verurteilte ihn zu einer
Freiheitsstrafe von drei Jahren, davon 24 Monate bedingt aufgeschoben bei einer
Probezeit von zwei Jahren. 
Die Staatsanwaltschaft Emmen hatte A.C.________ am 4. Juli 2013 zu einer
bedingt aufgeschobenen Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 70.-- und einer
Busse von Fr. 300.-- verurteilt wegen Tätlichkeiten und Drohung (begangen am
28. Dezember 2012) zum Nachteil von dessen damaliger Ehefrau B.C.________. Am
31. März 2014 hatte die Staatsanwaltschaft Emmen zudem eine Busse von Fr.
100.-- ausgesprochen wegen Tätlichkeiten (begangen am 2. März 2014). 
 
B.  
Nachdem das Amt für Migration des Kantons Luzern A.C.________ am 15. September
2015 das rechtliche Gehör gewährt hatte, widerrief es am 16. November 2015 die
Niederlassungsbewilligung und wies A.C.________ aus der Schweiz weg. Die
dagegen erhobene Beschwerde wies das Justiz- und Sicherheitsdepartement des
Kantons Luzern am 2. März 2016 ab. Daraufhin gelangte A.C.________ an das
Kantonsgericht Luzern, welches seine Beschwerde mit Urteil vom 22. November
2016 guthiess. Der Entscheid des Justiz- und Sicherheitsdepartements vom 2.
März 2016 wurde aufgehoben und A.C.________ verwarnt. 
 
C.  
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) erhebt am 16. Januar 2017 Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht mit dem Antrag,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Entscheid des Justiz- und
Sicherheitsdepartements vom 2. März 2016 zu bestätigen. 
Das Kantonsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde. A.C.________
beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei, und das
Urteil des Kantonsgerichts zu bestätigen. Das Justiz- und
Sicherheitsdepartement hat auf Vernehmlassung verzichtet. Zu den Bemerkungen
des SEM vom 31. März 2017 nimmt A.C.________ am 12. April 2017 Stellung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Nach Art. 89 Abs. 2 lit. a BGG in Verbindung mit Art. 14 Abs. 2 der
Organisationsverordnung vom 17. November 1999 für das Eidgenössische Justiz-
und Polizeidepartement (OV-EJPD; SR 172.213.1) ist das Staatssekretariat für
Migration (SEM) in den Bereichen des Ausländer- und Bürgerrechts berechtigt,
beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen
letztinstanzliche kantonale Entscheide zu führen. Das Beschwerderecht der
Bundesbehörden soll den richtigen und rechtsgleichen Vollzug des
Bundesverwaltungsrechts sicherstellen. Dabei muss grundsätzlich kein
spezifisches öffentliches Interesse an der Anfechtung der Verfügung bzw. des
Urteils nachgewiesen werden; erforderlich ist nur, dass es der
beschwerdeführenden Verwaltungseinheit nicht um die Behandlung abstrakter
Fragen des objektiven Rechts, sondern um konkrete Rechtsfragen eines
tatsächlich bestehenden Einzelfalls geht (BGE 129 II 1 E. 1.1 S. 3 f.; vgl.
auch Urteil 2C_343/2010 / 2C_344/2010 vom 11. April 2011, nicht publ. in: BGE
137 II 199). Dies ist hier der Fall, weshalb die Behördenbeschwerde zulässig
ist.  
 
1.2. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass,
so dass auf die Beschwerde einzutreten ist.  
 
2.  
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinn von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 142 I 135 E. 1.6 S.
144). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115
E. 2). Die beschwerdeführende Partei kann die Feststellung des Sachverhalts
unter den gleichen Voraussetzungen beanstanden, wenn die Behebung des Mangels
für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). 
 
3.  
Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als erst
der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). 
 
3.1. Bezogen auf die materielle Beurteilung der Beschwerde sind echte Noven,
d.h. Tatsachen oder Beweismittel, welche sich auf das vorinstanzliche
Prozessthema beziehen, sich jedoch erst zugetragen haben oder entstanden sind,
nachdem vor der Vorinstanz keine neuen Tatsachen und Beweismittel mehr
vorgetragen werden konnten, nach konstanter Rechtsprechung im Verfahren vor dem
Bundesgericht  von vornherein unzulässig (BGE 139 III 120 E. 3.1.2 S. 123; 136
II 497 E. 3.3 S. 501; 135 I 221 E. 5.2.4; 133 IV 342 E. 2.1 S. 344; Urteil
2C_853/2015 vom 5. April 2016 E. 2.3.1). Dieser Grundsatz ergibt sich aus der
Rolle des Bundesgerichts als der obersten rechtsprechenden Behörde des Bundes
(vgl. Art. 188 Abs. 1 BV, Art. 1 Abs. 1 BGG), welche - nebst der erwähnten
Kognitionsbeschränkung betreffend Fragen des aktenkundigen Sachverhalts (vgl.
E. 2) - ihrem Sachurteil keine Tatsachen oder Beweismittel zugrundelegen darf,
die im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils noch nicht existiert haben (vgl.
auch BERNARD CORBOZ, in: Corboz et alii [éd.], Commentaire de la LTF [Loi sur
le Tribunal fédéral], 2. Aufl. 2014, N. 26 zu Art. 99 BGG).  
Nach dem angefochtenen Entscheid eingetretene Tatsachen bzw. die zugehörigen
Beweismittel müssen nur zugelassen werden, wenn sie prozessuale Aspekte im
Verfahren vor dem Bundesgericht betreffen, wie etwa die Rechtzeitigkeit der
Beschwerdeerhebung (wesentlich für die Eintretensfrage), die Mittellosigkeit im
Zusammenhang mit der unentgeltlichen Rechtspflege oder das Ereignis, welches
die Gegenstandslosigkeit des Beschwerdeverfahrens bewirkt (vgl. weitere
Beispiele bei CORBOZ, a.a.O., N. 20-22 zu Art. 99 BGG; YVES DONZALLAZ, Loi sur
le Tribunal Fédéral, Commentaire, 2008, N. 4055 zu Art. 99 BGG). 
Das vom Beschwerdegegner eingereichte Zwischenzeugnis der D.________ AG vom 23.
Januar 2017 und der Bericht des Vollzugs- und Bewährungsdienstes vom 31. Januar
2017 stellen echte Noven dar und sind somit unzulässig. 
 
3.2. Art. 99 Abs. 1 BGG zielt auf Tatsachen ab, die erst durch das angefochtene
Urteil rechtserheblich werden. Diese sogenannten unechten Noven sind Tatsachen
und Beweismittel, welche im vorangegangenen Verfahren - obwohl sie bereits
vorhanden und der Partei bekannt (nicht: notorisch) waren - nicht vorgebracht
und auch von den Vorinstanzen nicht festgestellt worden sind. Aktenkundige
Tatsachen sind keine Noven (BGE 136 V 362 E. 3.3.1 S. 364). Vor Bundesgericht
kann sich die beschwerdeführende Partei auf Tatsachen stützen, die nicht
Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens gebildet hatten, wenn die Vorinstanz
ein neues rechtliches Argument anführt, mit dem die Partei zuvor nicht
konfrontiert worden war (vgl. Urteil 5A_115/2012 vom 20. April 2012 E. 4.4.2;
KARL SPÜHLER, in: SPÜHLER/AEMISEGGER/DOLGE/VOCK, Bundesgerichtsgesetz [BGG],
Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, N. 2 zu Art. 99 BGG). Unzulässig sind hingegen
neue Tatsachen, die bereits der Vorinstanz hätten vorgelegt werden können (BGE
136 III 123 E. 4.4.3 S. 129).  
 
3.2.1. Das beschwerdeführende SEM legt folgende neue Beweismittel (aus dem
Dossier der ehemaligen Ehefrau des Beschwerdegegners) ins Recht:  
 
- Bericht zum Antrag auf Aufenthaltsbewilligung des Frauenhauses V.________ vom
5. Juli 2013, wonach die Schwestern und Eltern des Beschwerdegegners dessen
damalige Ehefrau misshandelt und am Besuch eines Deutschkurses gehindert
hätten; 
- Kurzbericht des Spitals W.________ vom 29. Dezember 2012 betreffend den
Gesundheitszustand der damaligen Ehefrau nach Erleiden der häuslichen Gewalt
(Drohung und Tätlichkeit) am Vorabend (vgl. Verurteilung vom 4. Juli 2013); 
- Integrationsvereinbarung vom 17. September 2012 zwischen der damaligen
Ehefrau und dem Amt für Migration des Kantons Luzern. 
Diese Beweismittel stellen unechte Noven dar. Es stellt sich die Frage, ob das
Novenverbot gemäss Art. 99 Abs. 1 BGG auch gilt, wenn eine Bundesbehörde - wie
hier - gestützt auf Art. 89 Abs. 2 lit a BGG erstmals vor Bundesgericht am
Verfahren teilnimmt. 
Das Bundesgericht hat die Frage im Urteil 2A.32/1995 vom 1. März 1996 E. 2,
nicht publ. in BGE 122 II 221 (betreffend die Eidgenössische Steuerverwaltung)
offengelassen. Später hat es entschieden, die von der Eidgenössischen
Steuerverwaltung als Beschwerdeführerin erstmals vor Bundesgericht
eingereichten Beweismittel seien nicht zu beachten, nachdem das Bundesgericht
an die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz gebunden sei und es sich nicht
um Beweise handle, welche von der Vorinstanz von Amtes wegen hätten erhoben
werden müssen (Urteil 2A.256/2003 vom 8. Januar 2004 E. 3.2). In der Lehre wird
die Frage, ob die beschwerdeführende Bundesbehörde, welche erstmals vor
Bundesgericht am Verfahren teilnimmt, unechte Noven vorbringen darf - soweit
behandelt -, bejaht (HANSJÖRG SEILER, in: SEILER/VON WERDT/GÜNGERICH/
OBERHOLZER, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Handkommentar, 2. Aufl. 2016, N. 6 zu 
Art. 99 BGG; MEYER/DORMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2.
Aufl. 2011, N. 50 zu Art. 99 BGG). 
Im Bereich des Raumplanungs- und Umweltrechts hat das Bundesgericht erwogen,
bei den Stellungnahmen der Bundesämter sei auf die Unterscheidung von echten
und unechten Noven zu verzichten, soweit es um Fachfragen und nicht um die
Tatsachen des konkreten Falls gehe (Urteil 1C_589/2014 vom 3. Februar 2016 E.
4.2). 
 
3.2.2. Das beschwerdeführende SEM beantragt, die neuen Beweismittel seien
gestützt auf Art. 99 Abs. 1 BGG als zulässige unechte Noven zu berücksichtigen.
Zur Begründung macht es geltend, es habe im Verfahren vor der Vorinstanz keine
Parteistellung gehabt und somit vor Bundesgericht erstmals Gelegenheit
erhalten, neue Tatsachen vorzubringen. Zudem habe die Vorinstanz den
Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt, indem sie auf den Beizug
dieser Beweismittel verzichtet habe.  
Es trifft zu, dass das SEM bisher keine Gelegenheit hatte, seinen Standpunkt
darzulegen, denn weder die streitige Verfügung vom 16. November 2015 noch der
Entscheid des Justiz- und Sicherheitsdepartements vom 2. März 2016 waren ihm
eröffnet worden. Bundesbehörden, die zur Beschwerde an das Bundesgericht
berechtigt sind, können die Rechtsmittel des kantonalen Rechts ergreifen und
sich vor jeder kantonalen Instanz am Verfahren beteiligen, wenn sie dies
beantragen (Art. 111 Abs. 2 BGG). Dies setzt voraus, dass sie vom (jeweiligen)
Verfahren Kenntnis erhalten, was nicht gewährleistet ist, wenn - wie hier -
eine gesetzliche Pflicht zur Eröffnung nur hinsichtlich des letztinstanzlichen
kantonalen Entscheids besteht (Art. 112 Abs. 4 BGG i.V.m. Art. 1 lit. c der
Verordnung vom 8. November 2006 über die Eröffnung letztinstanzlicher
kantonaler Entscheide in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten [SR
173.110.47]; vgl. auch BGE 136 II 359 E. 1.2 S. 364). 
 
3.2.3. Die Vereinigung der betroffenen Abteilungen des Bundesgerichts (I. und
II. öffentlich-rechtliche Abteilung, I. und II. sozialversicherungsrechtliche
Abteilung, II. zivilrechtliche Abteilung) hat an ihrer Sitzung vom 20. Juni
2018 im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 23 Abs. 2 BGG entschieden, dass eine
Bundesbehörde, die im kantonalen Verfahren nicht beteiligt war und erstmals vor
Bundesgericht Beschwerde erhebt, unechte Noven vorbringen kann.  
Die in E. 3.2.1 genannten Beweismittel sind somit zulässig und in die
Beurteilung einzubeziehen. 
 
4.  
 
4.1. Durch die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren ist der
Widerrufsgrund nach Art. 63 Abs. 1 lit. a AuG (SR 142.20) i.V.m. Art. 62 lit. b
AuG erfüllt. Der Tatbestand von Art. 63 Abs. 1 lit. b AuG ist subsidiärer Natur
und daher nicht einschlägig.  
 
4.2. Zu prüfen bleibt die Verhältnismässigkeit der Massnahme im Sinn von Art.
96 Abs. 1 AuG, wonach die öffentlichen Interessen und die persönlichen
Verhältnisse sowie der Grad der Integration zu berücksichtigen sind. Der
Beschwerdegegner beruft sich zudem auf Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des
Privat- und Familienlebens) mit der Begründung, er sei psychisch schwer
angeschlagen und lebe - wie schon während der Ehe - aufgrund der "enormen
Abhängigkeit" bei seinen Eltern. Zudem habe er keine Kinder und sei seit der
Scheidung wieder Single.  
 
4.2.1. Nach der Rechtsprechung ist das in Art. 8 EMRK geschützte Recht auf
Familienleben berührt, wenn eine staatliche Entfernungs- oder
Fernhaltemassnahme eine nahe, echte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung
einer in der Schweiz gefestigt anwesenheitsberechtigten Person beeinträchtigt,
ohne dass es dieser möglich bzw. zumutbar wäre, das entsprechende Familienleben
andernorts zu pflegen (BGE 139 I 330 E. 2.1 S. 335 f.). Zum geschützten
Familienkreis gehört in erster Linie die Kernfamilie, d.h. die Gemeinschaft der
Ehegatten mit ihren minderjährigen Kindern (BGE 135 I 143 E. 1.3.2 S. 146 mit
Hinweisen). Das Verhältnis zu volljährigen Kindern fällt nur unter das
geschützte Familienleben, wenn eine besondere Abhängigkeit besteht, welche über
die normalen affektiven Bindungen hinausgeht, namentlich infolge von
Betreuungs- oder Pflegebedürfnissen bei körperlichen oder geistigen
Behinderungen und schwerwiegenden Krankheiten (BGE 139 II 393 E. 5.1 S. 402;
137 I 154 E. 3.4.2 S. 159; 135 I 143 E. 3.1 S. 148; 120 Ib 257 E. 1d S. 260;
Urteile 2C_147/2014 vom 26. September 2014 E. 5.4; 2C_451/2007 vom 22. Januar
2008 E. 2.2; 2A.564/2006 vom 10. Januar 2007 E. 2.4; Urteile des EGMR  Emonet
u.A. gegen Schweiz vom 13. Dezember 2007 [Nr. 39051/03] § 35;  Slivenko gegen
Lettland vom 9. Oktober 2003 [Nr. 48321/99] § 97;  Ezzouhdi gegen Frankreich
 vom 13. Februar 2001 [Nr. 47160/99] § 34).  
Der Beschwerdegegner ist geschieden und kinderlos. Es gelingt ihm nicht
darzutun, dass das Verhältnis zu seinen Eltern, bei denen er im Zeitpunkt des
angefochtenen Urteils noch wohnte, ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis im
Sinn der Rechtsprechung darstellen würde. Schon die Vorinstanz hat ein
derartiges Abhängigkeitsverhältnis gestützt auf die Feststellung, der
Beschwerdegegner habe erfolgreich eine Lehre und eine Weiterbildung absolviert
und sei zu 100% arbeitstätig, ohne Willkür verneint. Auch der von der
Vorinstanz eingeholte Verlaufsbericht bei der behandelnden Psychiaterin vom 30.
September 2016, in dem eine Dysthymie (ICD 10: F34.1) diagnostiziert wurde,
vermochte die Vorinstanz nicht von der geltend gemachten "lebenspraktischen
Abhängigkeit" des Beschwerdegegners von seinen Eltern zu überzeugen. Der
Beschwerdegegner bringt nichts vor, das diese Feststellungen als willkürlich
erscheinen liesse. Die Beziehung zu seinen Eltern fällt nicht in den
Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Familienlebens. 
 
4.2.2. Das Recht auf Achtung des Privatlebens kann auch ohne Familienbezug
tangiert sein, wenn ausländerrechtliche Massnahmen im Raum stehen. Das
Bundesgericht hat einen auf Art. 8 EMRK (Anspruch auf Privatleben) gestützten
Aufenthaltsanspruch vor allem bei Ausländern der zweiten Generation angenommen,
die hier aufgewachsen sind (vgl. BGE 139 I 16 E. 2.2.2 S. 20 f.; Urteil 2D_45/
2013 vom 3. Februar 2014 E. 1.2).  
Der Beschwerdegegner, welcher im Alter von eineinhalb Jahren in die Schweiz
gekommen war, ist der zweiten Ausländergeneration zuzurechnen (vgl. Urteil
2C_608/2015 vom 1. Februar 2016 E. 4). Die Vorinstanz hat für das Bundesgericht
grundsätzlich verbindlich (vgl. E. 2) festgestellt, dass der Beschwerdegegner
eine Berufslehre abgeschlossen hat und in finanziell geregelten Verhältnissen
lebt. Er kann somit in wirtschaftlich-beruflicher Hinsicht als integriert
gelten, was auch der Beschwerdeführer nicht in Abrede stellt. Ein Anspruch aus 
Art. 8 Ziff. 1 EMRK (Recht auf Privatleben) ist daher grundsätzlich zu bejahen.
Der Eingriff in das geschützte Rechtsgut ist statthaft, soweit er gesetzlich
vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die
nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes,
zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der
Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer (
Art. 8 Ziff. 2 EMRK). 
 
5.  
 
5.1. Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, das Verschulden des
Beschwerdegegners sei in ausländerrechtlicher Hinsicht erheblich, so dass ein
gewichtiges öffentliches Interesse bestehe, dass er das Land verlasse. Indessen
gelte er als Ausländer der zweiten Generation und sei wirtschaftlich gut
integriert. Auch in sozialer Hinsicht sei er integriert. Es sei ihm positiv
anzurechnen, dass er seine Vergangenheit aufarbeite und sich in psychiatrische
Behandlung begeben habe, dies noch bevor ihm der Widerruf der
Niederlassungsbewilligung in Aussicht gestellt worden sei. Dem eingeholten
Verlaufsbericht seiner Psychiaterin sei zu entnehmen, dass der Beschwerdegegner
diese freiwillige Behandlung konsequent weiterverfolge und keine abstrakte oder
konkrete Gefährdung der öffentlichen Sicherheit erkennbar sei. Seit der
Tatbegehung seien mittlerweile sieben Jahre vergangen; der Beschwerdegegner
habe die Tat als junger Erwachsener begangen. Obwohl er zusätzlich zweimal
wegen Tätlichkeiten zu Bussen sowie einmal wegen Tätlichkeiten und Drohung zu
einer bedingten Geldstrafe und einer Busse verurteilt worden sei, handle es
sich beim Beschwerdegegner nicht um einen notorischen Gewalttäter, der sich von
verhängten Strafen unbeeindruckt zeige. Diese Taten seien nicht gravierend und
seit der letzten Tätlichkeit im Jahr 2014 habe sich der Beschwerdegegner nichts
mehr zuschulden kommen lassen. Er sei gewillt, seine deliktische Vergangenheit
hinter sich zu lassen und an sich zu arbeiten, was die von ihm begonnene
deliktsorientierte Psychotherapie beweise. Auf ein Abhängigkeitsverhältnis zu
seinen Eltern könne sich der Beschwerdegegner nicht berufen. Jedoch befinde
sich sein gesamtes familiäres, soziales und berufliches Umfeld in der Schweiz.
Seine als gelungen zu bezeichnende Eingliederung wäre bei einer Ausreise in
seinen Heimatstaat, den er im Alter von zwei Jahren verlassen habe und nur von
Ferienbesuchen kenne, gefährdet. Er habe nie von der Sozialhilfe unterstützt
werden müssen und lebe in finanziell geregelten Verhältnissen. Er habe auch nie
verwarnt werden müssen. Seine privaten Interessen am Verbleib in der Schweiz
vermöchten daher das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts
knapp zu überwiegen.  
 
5.2. Der Beschwerdeführer hält dafür, es gehe nicht um eine einmalige Straftat
eines ansonsten integrierten Angehörigen der zweiten Ausländergeneration,
sondern um ein wiederholtes unverbesserliches Verhalten des Beschwerdegegners.
Die von diesem begangenen Gewaltdelikte würden Tätlichkeiten gegen einen
Unbekannten (Tat vom 4. April 2008), die Vergewaltigung einer Minderjährigen in
gemeinsamer Begehung (Tat vom 16. Januar 2009), psychische und physische Gewalt
gegen seine Ehefrau in Form von Todesdrohung und Schlägen (Tat vom 28. Dezember
2012) sowie Tätlichkeiten gegen seine Cousine (Tat vom 2. März 2014) umfassen.
Der Beschwerdegegner scheine insbesondere wenig Achtung vor Frauen zu haben,
seien doch die meisten seiner Opfer Frauen. Er habe sich von strafrechtlichen
Massnahmen nicht beeindrucken lassen, weshalb es äusserst fraglich sei, ob er
künftig gewillt oder gar fähig sei, sich an die hiesige Rechtsordnung zu
halten.  
Die Vorinstanz habe die eheliche Gewalt, welche der Beschwerdegegner gegen
seine Frau ausgeübt habe, nicht gewürdigt und damit den Sachverhalt
offensichtlich unrichtig festgestellt. Die Akten der mittlerweile geschiedenen
Ehegattin hätten zwingend beigezogen werden müssen. Anhand dieser Akten hätte
sich feststellen lassen, dass das Verhalten des Beschwerdegegners zu einer
Bewilligungsverlängerung für die Ehefrau wegen eines nachehelichen Härtefalls
geführt habe. Zudem hätten diese Akten weitere Einblicke in die (mangelhafte)
Integration des Beschwerdegegners in die schweizerischen Verhältnisse
ermöglicht. Aus dem Bericht zum Antrag auf Aufenthaltsbewilligung Art. 50 AuG
des Frauenhauses V.________ vom 5. Juli 2013 gehe hervor, dass die damalige
Ehefrau des Beschwerdegegners nicht nur von diesem selbst, sondern auch von
dessen Eltern und Schwestern misshandelt und gedemütigt worden sei. Nach dem
tätlichen Angriff vom 28. Dezember 2012 habe die Ehefrau drei Wochen bei
Verwandten gewohnt, bevor sie auf Bitten des Beschwerdegegners zu diesem
zurückgekehrt sei. Nach einer weiteren Auseinandersetzung am 19. Mai 2013 sei
sie durch ihren Schwiegervater aus dem Haus gewiesen worden. Obwohl das Amt für
Migration den Besuch eines Deutsch- und Integrationskurses als Bedingung für
die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung der Ehefrau gestellt habe, sei
diese vom Beschwerdegegner und dessen Familie am Besuch des Kurses gehindert
worden mit der Begründung, sie brauche nicht Deutsch zu lernen, da sie nur im
Haushalt arbeite. Mit Blick auf dieses Verhalten könne nicht von einer sozialen
Integration des Beschwerdegegners in die hiesige Gesellschaft gesprochen
werden. 
 
5.3. Der Beschwerdegegner bestreitet die Tatsachen, welche der Beschwerdeführer
im Zusammenhang mit seiner Integration anführt. Auch könne sein Verhalten nicht
als unverbesserlich bezeichnet werden. Seit der Tat vom 16. Januar 2009 seien
acht Jahre verstrichen, und seither habe er sich "grossmehrheitlich" positiv
verhalten. Die beiden letzten Strafbefehle betreffend Tätlichkeiten und Drohung
in den Jahren 2013 und 2014 hätten ihren Ursprung in ehelichen und familiären
Streitigkeiten, welche sich seit der Scheidung vom 30. Oktober 2015 gelegt
hätten. Seither sei er nie mehr straffällig geworden. Er arbeite tagsüber zu
100% als Maschinenführer und habe sich freiwillig einer psychiatrischen
Behandlung unterzogen, um inskünftig derartige Delinquenz zu unterlassen. Seine
Psychiaterin habe seine Rückfallgefahr als sehr gering eingestuft. Gemäss ihrem
Gutachten leide er an verschiedenen psychischen Störungen und müsse nach wie
vor starke Antidepressiva einnehmen. Während der Zeit der Halbgefangenschaft
und der daraus folgenden Trennung von seiner Familie habe sich sein psychischer
Zustand weiter verschlechtert. Da er zudem keine tatsächliche Verbindung zu
seinem Heimatstaat habe, wäre es unverhältnismässig, seine
Niederlassungsbewilligung zu widerrufen.  
 
6.  
 
6.1. Ausgangspunkt für das migrationsrechtliche Verschulden ist die vom
Strafgericht ausgesprochene Strafe (BGE 134 II 10 E. 4.2 S. 23; 129 II 215 E.
3.1 S. 216). Bei schweren Straftaten, wozu nach der Rechtsprechung die
Vergewaltigung zählt (BGE 122 II 433 E. 2d; Urteile 2C_162/2012 vom 12. Oktober
2012 E. 3.2.1; 2C_18/2009 vom 7. September 2009 E. 2.4; 2C_427/2008 vom 23.
Januar 2009 E. 3.2; 2A.348/2005 vom 21. Oktober 2005 E. 3), muss zum Schutz der
Öffentlichkeit ausländerrechtlich selbst ein geringes Restrisiko weiterer
Beeinträchtigungen der gefährdeten Rechtsgüter (sexuelle Integrität,
Gesundheit, Leib und Leben) nicht in Kauf genommen werden (BGE 134 II 10 E. 4.3
S. 24; 130 II 176 E. 4.2 bis E. 4.4 S. 185 ff. mit Hinweisen; Urteil 2C_431/
2016 vom 9. Januar 2017 E. 2.1). Handelt es sich um ausländische Personen, die
nicht in den Anwendungsbereich des Freizügigkeitsabkommens (FZA; SR
0.142.112.681) fallen, dürfen auch generalpräventive Gesichtspunkte
berücksichtigt werden (Urteil 2C_260/2016 vom 6. Juni 2016 E. 2.2 mit
Hinweisen).  
 
6.2. Die Niederlassungsbewilligung eines Ausländers, der sich schon seit langer
Zeit im Land aufhält, soll indessen auch ausserhalb des Anwendungsbereichs von 
Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 Abs. 1 BV nur mit Zurückhaltung widerrufen werden
(vgl. Art. 96 AuG). Bei wiederholter bzw. schwerer Straffälligkeit ist dies
jedoch selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn die ausländische Person hier
geboren ist und ihr ganzes bisheriges Leben im Land verbracht hat (BGE 139 I 31
E. 2.3.1 S. 33). Eine erneute (auch geringe) Straffälligkeit erhöht in erster
Linie das öffentliche Interesse daran, dass die ausländische Person das Land
verlässt (Urteil 2C_453/2015 vom 10. Dezember 2015 E. 5.3).  
 
6.3. Geht es um Straftaten, welche der betreffende Ausländer als Minderjähriger
begangen hat, lässt nach der Rechtsprechung des EGMR die allgemeine Erfahrung
darauf schliessen, dass Jugendliche sich in Entwicklung befinden, ihre
Delinquenz als episodisch erscheint und mit dem Übertritt ins Erwachsenenalter
vielfach aufhört (vgl. Urteile des EGMR  Emre gegen Schweiz [Nr. 1] vom 22. Mai
2008 [Nr. 42034/04] § 74;  Maslov gegen Österreich vom 23. Juni 2008 [Nr. 1638/
03]) § 75). In derartigen Konstellationen kommt dem Kriterium des Zeitablaufs
seit der Tatbegehung und einem Wohlverhalten während dieser Zeitspanne im
Hinblick auf die Beurteilung des Rückfallrisikos eine erhöhte Tragweite zu
(Urteile 2C_804/2016 vom 21. März 2017 E. 4.3.3; 2C_795/2010 vom 1. März 2011
E. 3.3; 2C_18/2009 vom 7. September 2009 E. 2.3; 2C_98/2009 vom 10. Juni 2009
E. 2.5-2.7). Von entscheidender Bedeutung für die Interessenabwägung ist aber
auch, ob es sich bei den begangenen (Jugend-) Straftaten um Gewaltdelikte
handelt (Urteil des EGMR  Maslov §§ 81 und 84 f.).  
 
7.  
 
7.1. Im vorliegenden Fall geht es um eine Freiheitsstrafe von drei Jahren. Die
sexuelle Nötigung und anschliessende Vergewaltigung einer minderjährigen
(siebzehnjährigen) Frau, zu zweit in Mittäterschaft begangen, ist ein sehr
schwerer Verstoss gegen die Rechtsordnung, der durch nichts zu rechtfertigen
ist (vgl. auch Urteil 2C_162/2012 vom 12. Oktober 2012 E. 3.3.1). Der
Beschwerdegegner hat diese Straftaten als junger Erwachsener (im Alter von 19
Jahren) begangen, was sein Verschulden in migrationsrechtlicher Hinsicht leicht
mindert (vgl. E. 6.3). Es handelt sich jedoch nicht um die erste Verurteilung:
Bereits am 24. Juni 2008 war der Beschwerdegegner wegen Tätlichkeiten gebüsst
worden.  
 
7.2. Die Delikte, welche zur verfahrensauslösenden Verurteilung führten, lagen
im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils knapp acht Jahre zurück. Indessen hat
der Beschwerdegegner auch in der nachfolgenden Zeitspanne kein Wohlverhalten an
den Tag gelegt.  
Während des hängigen Strafprozesses, am 28. Dezember 2012, schlug er seine
Ehefrau und bedrohte sie mit dem Tod, was zur Verurteilung vom 4. Juli 2013
wegen Tätlichkeiten und Drohung führte. Nach der Rechtsprechung ist die
Ausübung häuslicher Gewalt ein Grund, um die Aufenthaltsbewilligung zu
verweigern (Urteil 2C_1039/2012 vom 16. Februar 2013 E. 3.3 am Ende). Aus den
Akten geht hervor, dass der damaligen Noch-Ehefrau des Beschwerdegegners als
Opfer der Straftaten vom 28. Dezember 2012 (Verurteilung vom 4. Juli 2013) eine
Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG i.V.m. Art. 50
Abs. 2 AuG (nachehelicher Härtefall) erteilt worden ist, wozu das (damalige)
Bundesamt für Migration am 3. Oktober 2013 seine Zustimmung erteilte. Mit dem
Beschwerdeführer ist davon auszugehen, dass die häusliche Gewalt gegen die
damalige Ehefrau nicht geringfügig war, wird doch im Kontext von Art. 50 Abs. 2
AuG praxisgemäss eine gewisse Intensität der Oppression vorausgesetzt (vgl.
Urteil 2C_873/2013 vom 25. März 2014 E. 4.4, nicht publ. in: BGE 140 II 289;
BGE 138 II 229 E. 3.2 S. 232 f.). Der Beschwerdeführer darf seinen Standpunkt
mit Beweismitteln aus dem Dossier der Ex-Ehefrau untermauern (vgl. E. 3.2.3).
Einschlägig ist der Kurzbericht des Spitals W.________ vom 29. Dezember 2012,
in dem bei der damaligen Ehefrau des Beschwerdegegners eine Schädelkontusion,
eine Schulterkontusion rechts, ein Hämatom am linken Beckenkamm, ein Hämatom am
linken Knie und eine Kontusion der rechten Hand diagnostiziert wurden. 
Wenig mehr als ein weiteres Jahr danach machte sich der Beschwerdegegner der
Tätlichkeit zum Nachteil seiner Cousine schuldig (Strafbefehl vom 31. März
2014). 
 
7.2.1. Zu Recht kritisiert der Beschwerdeführer - insbesondere was die
häusliche Gewalt betrifft -, dass die Vorinstanz diese Taten als "nicht
gravierend" bezeichnet hat: Der Beschwerdegegner hat sich unverbesserlich
gezeigt, indem er weiterhin im Bereich der körperlichen Integrität und der
Freiheit delinquierte. Ein Rückfallrisiko erscheint bei dieser Vorgeschichte
keineswegs ausgeschlossen. Die Vorinstanz ist gestützt auf den Verlaufsbericht
der behandelnden Psychiaterin vom 30. September 2016, welcher auch Fragen der
Vorinstanz zur Rückfallgefahr behandelt, zu einem anderen Schluss gelangt (vgl.
E. 5.1). Es ist jedoch zu bedenken, dass dieser Bericht kein unabhängiges
Sachverständigengutachten darstellt. Ein Gutachten wäre das probate
Beweismittel, um die Rückfallgefahr festzustellen, denn diese ist das Ergebnis
einer Einschätzung, welche nach den Regeln der Wissenschaft durch
sachverständige Personen vorgenommen wird. Die Aussagen der behandelnden
Psychiaterin zur Rückfallgefahr haben letztlich die Funktion einer
Parteibehauptung (vgl. dazu BGE 141 III 433 E. 2.6). Es kann aber offenbleiben,
ob die Vorinstanz die Tragweite des Berichts als Beweismittel verkannt und
willkürlich darauf abgestellt hat (vgl. BGE 142 II 433 E. 4.4 S. 444), da der
Rückfallgefahr im vorliegenden Fall nur untergeordnete Bedeutung zukommt bzw.
selbst ein geringes Rückfallrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. E. 6.1).
 
 
7.2.2. Im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils (22. November 2016) lag die
letzte Straftat (Tätlichkeiten, begangen am 2. März 2014) erst etwa zweieinhalb
Jahre zurück. Zudem wurde der Beschwerdegegner erst am 3. Februar 2015
rechtskräftig verurteilt, so dass im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils noch
nicht einmal die Probezeit der verfahrensauslösenden Verurteilung abgelaufen
war. Bei dieser Sachlage ist die entlastende Wirkung des Zeitablaufs etwas zu
relativieren (vgl. auch Urteil des EGMR  Saljia gegen Schweiz vom 10. Januar
2017 [Nr. 55470/19] § 46 f.). Schliesslich stand der Beschwerdegegner seit dem
15. September 2015 (Gewährung des rechtlichen Gehörs) unter dem Eindruck des
Widerrufsverfahrens. Es kann somit nicht gesagt werden, er habe sich bewährt.  
 
7.3. Zusammenfassend begründet die verfahrensauslösende Verurteilung zu drei
Jahren Freiheitsstrafe in Verbindung mit den weiteren Verurteilungen des
Beschwerdegegners ein erhebliches sicherheitspolizeiliches Interesse an der
Beendigung des Aufenthalts.  
 
8.  
Dem öffentlichen Interesse sind die privaten Interessen des Beschwerdegegners
gegenüberzustellen, worauf die widerstreitenden Interessen gegenenander
abzuwägen sind. 
 
8.1. Der Beschwerdegegner ist im Alter von eineinhalb Jahren in die Schweiz
gekommen. Er hat somit fast sein ganzes Leben hier verbracht, was ein grosses
Interesse am Verbleib in der Schweiz impliziert.  
 
8.2. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann das Verhältnis des
Beschwerdegegners zu seinem Heimatland nicht als "sehr lose" bezeichnet werden.
Immerhin hat er sich im Kosovo mit einer Kosovarin verheiratet und sich auch
dort wieder von ihr scheiden lassen. Beides lässt auf eine gewisse
Verbundenheit mit dem Herkunftsland schliessen. Zudem steht ausser Zweifel,
dass der Beschwerdegegner die albanische Sprache beherrscht. Der
Beschwerdeführer weist sodann zu Recht auf den (sich in den Akten befindenden)
Antrag auf Erteilung eines Rückreisevisums vom 12. Februar 2016 hin. Darin
bezeichnet der Beschwerdegegner die Ortschaft U.________ im Kosovo als sein
Zuhause, indem er schreibt: "Verbringe meine Ferien in den Kosovo bei mir zu
Hause in U.________."  
 
8.3. Der Beschwerdegegner ist beruflich-wirtschaftlich gut integriert, was auch
der Beschwerdeführer nicht in Abrede stellt. Dieser ortet hingegen Defizite bei
der sozialen Integration. Zur Begründung führt er den Bericht zum Antrag auf
Aufenthaltsbewilligung des Frauenhauses V.________ vom 5. Juli 2013 an. Darin
wird (gestützt auf Angaben der damaligen Ehefrau des Beschwerdegegners)
geschildert, dass die Familie des Beschwerdegegners die damalige Ehefrau
kontrolliert, ausgenutzt und misshandelt habe, alles mit Billigung des
Beschwerdegegners. Den Besuch eines Deutschkurses habe man ihr verweigert. Als
sie per 23. April 2013 eine Arbeit auf Stundenlohnbasis gefunden habe, habe die
Familie dies abgelehnt, und es sei erneut zu schweren Auseinandersetzungen mit
den Schwiegereltern gekommen. Der Schwiegervater habe sie polizeilich aus der
Wohnung weisen lassen. Bei ihrem Eintritt ins Frauenhaus V.________ am 23. Mai
2013 habe sie erfahren, dass der Beschwerdegegner bestrebt sei, im Kosovo die
Scheidung einzureichen. Am 12. Juni 2013 sei sie in eine eigene Wohnung
gezogen. Ein Zusammenleben mit ihrem Ehemann könne ihr aufgrund der Ereignisse
nicht mehr zugemutet werden.  
Der Beschwerdegegner bestreitet diese Tatsachen. Seine Familie habe seine Frau
unterstützt und ihr einen Deutschkus im Kosovo bezahlt; zudem habe sie die
Kosten für Fahrstunden und für die Hochzeit übernommen. Die Ehefrau habe sich
mit der Wohnsituation (Zusammenleben des Ehepaars mit den Eltern des Ehemanns)
einverstanden erklärt. Nach dem Vorfall wegen Tätlichkeiten und Drohung vom 28.
Dezember 2012 habe die Ehefrau die Strafverfolgung nachträglich am 18. April
2013 sistieren lassen. Erst später sei das Verfahren aufgrund der ambivalenten
Gemütsstimmung der Ehefrau und der erfolglosen Wiedervereinigung wieder
aufgenommen worden und habe zum Strafbefehl geführt. Die Vorkommnisse seien
nicht so dramatisch gewesen, wie der Beschwerdeführer glaubhaft zu machen
versuche. Die beiden letzten Strafbefehle wegen Tätlichkeiten und Drohung
hätten aus ehelichen und familiären Streitigkeiten resultiert. Seither sei er
nie mehr straffällig geworden. Er sei sehr gut integriert, was sich an seinem
Arbeitsplatz zeige. Er werde von den Mitarbeitenden sehr geschätzt und aufgrund
seiner überdurchschnittlichen Leistungen sei sein Lohn kontinuierlich erhöht
worden. 
 
8.4. Mit dieser Stellungnahme vermag der Beschwerdegegner die Bedenken, welche
sich hinsichtlich seiner sozialen Integration ergeben, nicht auszuräumen. Aus
der Integrationsvereinbarung des Amts für Migration vom 17. September 2012
betreffend die ehemalige Ehefrau geht klar hervor, dass der Besuch eines
Deutsch- und Integrationskurses von mindestens 120 Lektionen als Bedingung für
die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung gestellt wurde. Anscheinend wurde
die Ehefrau daran gehindert, diesen Kurs zu besuchen; der Beschwerdegegner
vermag die Behauptung nicht zu widerlegen. Dass der Beschwerdegegner zuliess,
dass sein Vater seine Ehefrau am 19. Mai 2013 aus der Wohnung wies, lässt seine
Integration zusätzlich in einem zweifelhaften Licht erscheinen, wie auch die
Tatsache, dass er die häusliche Gewalt gegen seine Frau und Cousine zu
verharmlosen versucht.  
 
8.5. Zusammenfassend wird das Interesse des Beschwerdeführers, als faktischer
Angehöriger der zweiten Ausländergeneration in der Schweiz zu bleiben, deutlich
abgeschwächt dadurch, dass seine soziale Integration bestenfalls als mässig
gelten kann und dass er - entgegen den Erwägungen der Vorinstanz - intakte
Beziehungen zu seinem Herkunftsland unterhält. Wie in E. 8.2 und 8.3 dargelegt,
hat er sich im Kosovo verheiratet und hat dort - notabene zunächst ohne Wissen
der Ehefrau - auch die Scheidung eingereicht; zudem hat er den Kosovo
ausdrücklich als "Zuhause" bezeichnet. Die Schlussfolgerung der Vorinstanz,
wonach eine Eingliederung im Kosovo unzumutbar sei, erscheint vor diesem
Hintergrund nicht nachvollziehbar. Auch aus der beruflichen Integration ergeben
sich keine untrennbaren Verbindungen zur Schweiz, welche die Aufrechterhaltung
der Bewilligung gebieten würden.  
 
8.6. Es bedürfte ausserordentlicher Umstände, um das öffentliche Interesse an
der Wegweisung eines zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilten
Sexualstraftäters, welcher noch vor Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils
erneut zweimal straffälig geworden ist, aufzuwiegen. Solche Umstände liegen
nicht vor; in diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass sich der
Beschwerdegegner nicht auf das Recht auf Achtung des Familienlebens berufen
kann. Die Ausübung ehelicher Gewalt (mit nachfolgender Erteilung einer
Härtefallbewilligung für das Opfer) während des hängigen Strafprozesses ist
Grund genug, dem Beschwerdegegner Uneinsichtigkeit zu attestieren und
dementsprechend von einem erhöhten Interesse am Widerruf der Bewilligung
auszugehen. Die gelungene wirtschaftlich-berufliche Integration vermag daran
nichts zu ändern. Dem Beschwerdegegner wird zugute kommen, dass er in der
Schweiz eine Lehre abgeschlossen hat; auch die Beherrschung der deutschen
Sprache kann sich als Vorteil erweisen. Der Beschwerdegegner ist jung und voll
arbeitsfähig. Die Behauptung, er würde im Kosovo keine adäquate Behandlung für
seine psychischen Probleme erhalten, weil dort die von ihm benötigten
Antidepressiva nicht verfügbar seien, entbehrt jeder Grundlage. Es gibt keinen
Grund anzunehmen, dass der Aufbau einer Existenz im Kosovo oder in Serbien
nicht möglich sein sollte.  
 
8.7. Zusammenfassend überwiegen die öffentlichen Interessen an der Beendigung
des Aufenthalts die privaten Interessen des Beschwerdegegners an einem weiteren
Verbleib in der Schweiz. Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung erweist
sich als verhältnismässig.  
 
9.  
Die Beschwerde ist gutzuheissen, das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der
Entscheid des Justiz- und Sicherheitsdepartements des Kantons Luzern vom 2.
März 2016 ist zu bestätigen. Die Vorinstanz wird über die Kosten- und
Entschädigungsfolgen des vorangegangenen Verfahrens neu zu befinden haben. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdegegner die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist
nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen, und das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom
22. November 2016 wird aufgehoben. Der Entscheid des Justiz- und
Sicherheitsdepartements des Kantons Luzern vom 2. März 2016 wird bestätigt. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.   
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Kantonsgericht Luzern zurückgewiesen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Kantonsgericht Luzern, 4.
Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. August 2018 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Genner 

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