Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.502/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
2C_502/2017  
 
 
Urteil vom 18. April 2018  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Zünd, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Gerichtsschreiber Errass. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwältin Stephanie Selig, 
 
gegen  
 
Departement des Innern des Kantons Solothurn, Migrationsamt, Ambassadorenhof,
4509 Solothurn. 
 
Gegenstand 
Familiennachzug, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom
25. April 2017 (VWBES.2017.59). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ (1990; Somalierin) reiste am 12. November 2012 in die Schweiz ein
und ersuchte um Asyl, das sie in der Folge erhielt. Sie verfügt über eine
Aufenthaltsbewilligung. B.________ (1987; Somalier) reiste am 18. August 2014
in die Schweiz ein und stellte am 15. Oktober 2014 ein Asylgesuch. Dieses wurde
mangels Flüchtlingseigenschaft am 17. März 2017 abgelehnt. Von einer Wegweisung
wurde mit Blick auf das hängige Gesuch um Aufenthaltsbewilligung im Rahmen des
Familiennachzugs (lit. B hiernach) abgesehen. 
Am 4. März 2016 heirateten A.________ und B.________. Sie haben eine gemeinsame
Tochter (18. Juni 2015). Die Tochter wurde ebenfalls als Flüchtling anerkannt
und verfügt über eine Aufenthaltsbewilligung. 
 
B.  
Am 1. September 2016 beantragte A.________ den Familiennachzug für ihren
Ehemann. Im Rahmen der Gewährung des rechtlichen Gehörs brachte sie vor, dass
ihr Ehemann nur über eine N-Bewilligung (  recte : Ausweis N [Art. 71a Abs. 1
lit. b VZAE (SR 142.201)] für Asylbewerber) verfüge. Damit sei es ihrem Ehemann
nicht möglich, Arbeit zu finden, denn wenn er diesen vorweise, komme in aller
Regel keine Anstellung zustande. Hätte ihr Ehemann eine B-Bewilligung (  recte
 : Ausweis B [Art. 71 Abs. 1 VZAE]), würde er sofort Arbeit finden. So habe ein
Arbeitgeber ihrem Ehemann gegenüber ausgeführt, er würde ihn sofort anstellen,
hätte er eine solche Bewilligung. Ihr Ehemann sei wirklich bemüht, Arbeit zu
finden. Mit einer Bewilligung des Familiennachzugsgesuchs könnte die Familie
auch von der Sozialhilfe wegkommen. Das Migrationsamt des Kantons Solothurn
wies das Gesuch um Familiennachzug namens des Departements des Innern mit
Verfügung vom 2. Februar 2017 ab. Die dagegen erhobene Beschwerde an das
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn war erfolglos.  
 
C.  
Vor Bundesgericht beantragt A.________, die Ziffern 1 (Abweisung) und 2
(unentgeltliche Rechtspflege) des Urteils des Verwaltungsgerichts des Kantons
Solothurn vom 25. April 2017 aufzuheben, den Familiennachzug zugunsten ihres
Ehemanns zu bewilligen, allenfalls die Sache zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen und die integrale unentgeltliche Rechtspflege zu
gewähren. 
 
D.  
Das Verwaltungsgericht und das Migrationsamt des Kantons Solothurn beantragen
ohne Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde. Das Staatssekretariat für
Migration hat sich nicht vernehmen lassen. 
 
E.  
Mit Schreiben vom 21. November 2017 teilte die Beschwerdeführerin dem
Bundesgericht mit, dass es ihrem Ehemann gelungen sei, einen Arbeitsvertrag
abzuschliessen, doch habe das Migrationsamt des Kantons Solothurn diese
Tätigkeit nicht bewilligt. Angesichts dieses Umstands habe der Arbeitgeber in
der Folge das Arbeitsverhältnis wieder aufgelöst. Ihrem Ehemann sei es indes
wiederum gelungen, eine Arbeitsstelle zu finden. Er habe einen unbefristeten
Arbeitsvertrag abschliessen können (Beginn 1. Januar 2018) mit einem Bruttolohn
von Fr. 2'300.-- (Teilzeit von 60%). Bei der Abgabe des Gesuchs teilte das
Migrationsamt ihm indes bereits mit, dass es nicht bewilligt werden könne. Es
sei aus ihrer Sicht unverständlich, wenn das Migrationsamt einerseits das
Beschäftigungsgesuch ablehne, andererseits aber fehlendes Bemühen auf dem
Arbeitsmarkt moniere. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheide ausgeschlossen, welche
Bewilligungen betreffen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht
einen Anspruch einräumen (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Für das Eintreten
genügt, wenn die betroffene Person in vertretbarer Weise dartut, dass
potenziell ein solcher Anspruch besteht (BGE 139 I 330 E. 1.1 S. 332). In
diesem Fall bildet die Frage, ob der Familiennachzug zu bewilligen ist,
Gegenstand der materiellen Beurteilung (BGE 139 I 330 E. 1.1 S. 332).  
 
1.2. Die Beschwerdeführerin ist ein anerkannter somalischer Flüchtling (Person
i.S.v. Art. 3 Abs. 1 AsylG [SR 142.32]), der in der Schweiz Asyl gewährt wurde
(vgl. Art. 49 AsylG). Sie hat Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung im
Kanton, in dem sie sich rechtmässig aufhält sowie nach fünfjähriger
rechtmässiger Anwesenheit - längerfristige Freiheitsstrafen bzw. erhebliche
Verstösse gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorbehalten - auf die
Niederlassungsbewilligung (Art. 60 AsylG). Zwar kann die Beschwerdeführerin
keinen Anspruch auf Familiennachzug in direkter Anwendung von Art. 44 AuG
(Familiennachzug von Personen mit Aufenthaltsbewilligung) geltend machen (BGE
139 I 330 E. 1.2 S. 332 mit Hinweisen). Sie verfügt wegen ihrer flüchtlings-
und asylrechtlichen Situation indessen über ein  gefestigtes Anwesenheitsrecht,
welches ihr erlaubt, sich auf den konventions- bzw. verfassungsrechtlich
garantierten Schutz ihres Familienlebens zu berufen (Art. 8 EMRK und Art. 13 BV
; BGE 139 I 330).  
 
1.3. Auf die frist- (Art. 100 Abs. 1 BGG) und formgerecht (Art. 42 BGG) gegen
den negativen, kantonal letztinstanzlichen ausländerrechtlichen
Nachzugsentscheid eingereichte Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten ist einzutreten (vgl. BGE 139 I 330 E. 1.4.2 i.f. S. 335).  
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerdeführerin hat ihren Ehemann erst nach ihrer Flucht und nach
Erhalt des Asyls geheiratet. Dementsprechend richtet sich hier die Frage der
Familienvereinigung nach Art. 8 EMRK i.V.m. AuG (vgl. BGE 139 I 330 E. 1.3.2
und 1.4.1 S. 334 f. mit zahlreichen Hinweisen).  
 
2.2. Der Gesetzgeber hat den ausländerrechtlichen Familiennachzug in den Art.
42 ff. AuG geregelt. Bezüglich eines solchen von ausländischen Personen, deren
Aufenthaltsbewilligung auf einem gefestigten Anwesenheitsrecht beruht, ist
trotz Fehlens eines gesetzlichen Bewilligungsanspruchs (Art. 44 AuG) das
behördliche Ermessen beschränkt (vgl. Art. 96 AuG). Der Anwendungsbereich von 
Art. 8 EMRK ist - wie hier - berührt, wenn eine staatliche Entfernungs- oder
Fernhaltemassnahme eine nahe, echte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung
einer in der Schweiz  gefestigt anwesenheitsberechtigten Person beeinträchtigt,
ohne dass es dieser möglich bzw. zumutbar wäre, das entsprechende Familienleben
andernorts zu pflegen (vgl. BGE 139 I 330 E. 2.3 S. 337). Mit Blick auf den
Schutz des Privat- und Familienlebens der betroffenen Personen sind in diesem
Fall gute Gründe erforderlich, um den Nachzug ihrer Familienangehörigen zu
verweigern (BGE 139 I 330 E. 2.4.1 S. 337). Solche liegen vor, wenn die
Betroffenen die Bewilligungsvoraussetzungen von Art. 44 AuG i.V.m. Art. 73 VZAE
nicht erfüllen oder Erlöschensgründe im Sinne von Art. 51 Abs. 2 AuG bestehen.
Die meisten europäischen Staaten gewähren das Recht auf Nachzug der engeren
Familie erst, wenn deren Unterhalt gesichert erscheint bzw. die Familie über
eine geeignete Wohnung verfügt (vgl. BGE 139 I 330 E. 2.4.1 S. 338).  
 
2.3. Der Nachzugsanspruch bei einer gefestigten Aufenthaltsbewilligung eines
der Ehepartner besteht im Rahmen des Schutzes des Privat- und Familienlebens
unter Berücksichtigung des gesetzlichen Systems, wenn der ausländische Ehegatte
mit der hier gefestigt anwesenden Person zusammenwohnt (Art. 44 lit. a AuG),
die Eheleute über eine bedarfsgerechte Unterkunft verfügen (Art. 44 lit. b AuG)
und sie nicht auf Sozialhilfe angewiesen sind. Zudem müssen die jeweiligen
Nachzugsfristen eingehalten sein (Art. 73 Abs. 1 - 3 VZAE). Der Anspruch
entfällt, wenn er rechtsmissbräuchlich geltend gemacht wird (bspw. Umgehungs-
oder Scheinehe) oder einer der Widerrufsgründe von Art. 62 AuG vorliegt, d.h.
insbesondere, wenn der Partner, für den die anwesende Person (mit) zu sorgen
hat, der Sozialhilfe bedarf (Art. 51 Abs. 2 i.V.m. Art. 62 lit. e AuG; vgl. zu
diesem Kriterium das EGMR-Urteil  Hasanbasic gegen Schweiz vom 11. Juni 2013
[Nr. 52166/09] § 59).  
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführerin wurde am 14. März 2014 Asyl gewährt. Gestützt
darauf erhielt sie eine Aufenthaltsbewilligung. Dementsprechend kann sie nur
noch unter besonderen Umständen ausgewiesen oder in ihre Heimat zurückgeschafft
werden (Art. 63 bzw. 65 AsylG und BGE 135 II 110 ff.; 139 II 65 E. 4 und 5).
Ihre Beziehung zur Schweiz als Asylland ist damit eng (BGE 139 I 330 E. 3.1 S.
338; 122 II 1 E. 3d S. 10) : Sozialhilferechtliche Probleme können ihr
persönlich flüchtlings- und asylrechtlich nicht entgegengehalten und ihre
ausländerrechtliche Anwesenheit darf nicht wegen solcher beendet werden; auf
ihre eigene finanzielle Situation kommt es somit nicht unmittelbar an (vgl. BGE
139 I 330 E. 3.1 S. 338; 122 II 1 E. 3c S. 8). Nach Art. 23 des Abkommens vom
28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (SR 0.142.30) ist ihr als
anerkannter Flüchtling ohne ausländerrechtliche Folgen vielmehr "die gleiche
Fürsorge und öffentliche Unterstützung wie den Einheimischen" geschuldet.  
 
3.2. Birgt der Nachzug eines Familienangehörigen die Gefahr der
Fürsorgeabhängigkeit der  nachzuziehenden Person oder eine Erhöhung der
finanziellen Abhängigkeit des anwesenden Flüchtlings, kann es sich im
öffentlichen Interesse indessen rechtfertigen, von der Erteilung einer
Aufenthaltsbewilligung abzusehen. Das Zulassungskriterium des Vorhandenseins
hinreichender finanzieller Mittel und damit der Entlastung der Sozialhilfe und
der öffentlichen Finanzen ist als Voraussetzung des Familiennachzugs
konventionsrechtlich anerkannt (dazu die Hinweise in BGE 139 I 330 E. 3.2 S.
339), doch sind die statusspezifischen Umstände beim (nachträglichen,
ausländerrechtlichen) Familiennachzug von Flüchtlingen mit Asylstatus jeweils
mit zu berücksichtigen (vgl. BGE 139 I 330 E. 3.2 S. 339; 122 II 1 E. 2 S. 6).
Soll nach Art. 74 Abs. 5 VZAE der "besonderen Situation von vorläufig
aufgenommenen Flüchtlingen [...] beim Entscheid über die Gewährung des
Familiennachzugs Rechnung" getragen werden, muss dies angesichts der besseren
Rechtsstellung umso mehr für anerkannte Flüchtlinge gelten. Bei einem
anerkannten Flüchtling mit Asyl überwiegen regelmässig die privaten Interessen
am Familiennachzug, wenn eine Ausreise unzumutbar erscheint und keine
fremdenpolizeilichen Entfernungs- oder Fernhaltegründe bestehen (vgl. BGE 139 I
330 E. 3.2 S. 339; 122 II 1 E. 2e S. 6; 120 Ib 1 E. 3c).  
 
4.  
 
4.1. Der Ehemann der Beschwerdeführerin ist wie diese Staatsangehöriger von
Somalia. Er hat am 15. Oktober 2014 in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt,
weshalb er sich während dieser Zeit in der Schweiz aufhalten kann (Art. 42
AsylG). Die Vorinstanz zieht zu Recht keine gemeinsame Rückkehr nach Somalia in
Betracht. Sie erwägt indes, lässt aber die Frage schliesslich offen, ob ein
gemeinsames Leben in Italien zumutbar sei, verfüge der Ehemann der
Beschwerdeführerin doch dort über eine humanitäre Aufenthaltsbewilligung. Ob
die Beschwerdeführerin in eine solche überhaupt eingeschlossen würde, ist
offen. Mit einem Umzug nach Italien verlöre sie auch den Asylstatus in der
Schweiz. Insofern lässt sich mit Blick auf den Asylentscheid zugunsten der
Beschwerdeführerin nicht sagen, dass die Eheleute ihre Beziehung in zumutbarer
Weise in Italien oder einem anderen Drittstaat leben könnten,  zu dem engere
Beziehungen bestünden als zur Schweiz (vgl. BGE 139 I 330 E. 3.3 S. 340).  
 
4.2. Strittig ist im vorliegenden Fall einzig, ob die finanzielle Situation der
Beschwerdeführerin bzw. ihres Ehemanns dem Familiennachzug zum Zeitpunkt des
vorinstanzlichen Entscheids entgegengestanden hat.  
 
4.2.1. Nach der bundesgerichtlichen Praxis zum Familiennachzug von Flüchtlingen
(mit Asyl) stehen finanzielle Gründe der Familienzusammenführung entgegen, wenn
die Gefahr einer  fortgesetzten und erheblichen Fürsorgeabhängigkeit besteht.
Dabei ist von den aktuellen Verhältnissen auszugehen, die wahrscheinliche
finanzielle Entwicklung aber auf  längere Sicht mit zu berücksichtigen. Zudem
ist  nicht nur das Einkommen des hier anwesenheitsberechtigten
Familienangehörigen in die Beurteilung miteinzubeziehen, sondern die
finanziellen Möglichkeiten aller Familienmitglieder über längere Sicht hinweg
(vgl. BGE 139 I 330 E. 4.1 S. 341; 122 II 1 E. 3c S. 8). Das Einkommen der
Angehörigen, die an die Lebenshaltungskosten der Familie beitragen sollen und
können, ist daran zu messen, ob und in welchem Umfang sich dieses grundsätzlich
als tatsächlich realisierbar erweist. In diesem Sinn müssen die
Erwerbsmöglichkeiten und das damit verbundene Einkommen mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit auf mehr als nur kurze Frist hin gesichert erscheinen (BGE
139 I 330 E. 4.1 S. 341; 122 II 1 E. 3c S. 8 f.). Dabei ist zu berücksichtigen,
dass das Interesse, die öffentliche Fürsorge vor dem Risiko zusätzlicher
Belastung zu bewahren, nur dann eine massive Erschwerung oder gar ein
Verunmöglichen des Familienlebens von anerkannten Flüchtlingen mit Asyl
rechtfertigt, wenn die entsprechende Gefahr in zeitlicher und umfangmässiger
Hinsicht als erheblich zu gewichten ist; die Schweiz hat diesbezüglich gewisse
Konsequenzen aus der Asylgewährung, der Ehefreiheit der Betroffenen (Art. 14 BV
) und der damit verbundenen allfälligen künftigen Familienbildung zu tragen (
BGE 139 I 330 E. 4.2. S. 341; 122 II 1 E. 3a). Unternehmen der anerkannte
Flüchtling oder andere Familienmitglieder alles Zumutbare, um auf dem
Arbeitsmarkt den eigenen und den Unterhalt der Familie möglichst autonom
bestreiten zu können, kann dies genügen, um den Ehegattennachzug zu gestatten
und das Familienleben in der Schweiz zuzulassen. Dabei ist zu beachten, dass
dem gefestigt anwesenden Flüchtling mit Asyl ein Aufenthaltsrecht zukommt, das
einen Familiennachzug ausserhalb des Familienasyls gebieten und die Schweiz im
Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung verpflichten kann, den Betroffenen
zu ermöglichen, die hierfür erforderlichen Voraussetzungen zu erfüllen (vgl.
BGE 126 II 335 E. 2b/cc) bzw. im Sinne einer verfassungs- und
konventionsrechtlichen Schutzpflicht zumindest weniger hohe Anforderungen an
die finanzielle Unabhängigkeit zu stellen als in nicht asyl- und
flüchtlingsrechtlich relevanten Fällen (vgl. BGE 139 I 330 E. 4.2 S. 342).  
 
4.2.2. Die Beschwerdeführerin ist seit dem 10. November 2012 in der Schweiz, am
14. März 2014 erhielt sie Asyl und am 18. Juni 2015 gebar sie ihre Tochter. Die
Beschwerdeführerin betreut noch ihr zweijähriges Kind und hat - wie sich aus
den Akten ergibt (Art. 105 Abs. 2 BGG) - gesundheitliche Probleme. Sie ist noch
keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen. Sie macht indes geltend, dass sie an
verschiedenen Beschäftigungsprogrammen für Asylsuchende teilgenommen und
während fünf Monaten eine Vollzeitstelle innegehabt habe. Die
Beschäftigungsprogramme sind im Rahmen von Art. 8 EMRK i.V.m. Art. 44 lit. c
AuG grundsätzlich nicht relevant. Wie es sich mit der Vollzeitstelle genau
verhält, kann offengelassen werden. Jedenfalls ist bereits ein beträchtlicher
Betrag an Sozialhilfe (rund Fr. 69'000.--) bezogen worden, der vor allem ihr
und ihrer Tochter zugute gekommen ist. Diese sozialhilferechtlichen Probleme
können ihr indes persönlich flüchtlings- und asylrechtlich nicht
entgegengehalten werden; auf ihre eigene finanzielle Situation kommt es nicht
unmittelbar an (siehe oben E. 3.1).  
 
4.2.3. Für die Beurteilung der Gefahr einer fortgesetzten und erheblichen
Fürsorgeabhängigkeit sind auch die finanziellen Möglichkeiten des Ehemanns der
Beschwerdeführerin einzubeziehen (siehe oben E. 4.2.1). Dieser reiste am 18.
August 2014 in die Schweiz ein und hat sich - wie sich aus den Akten ergibt (
Art. 105 Abs. 2 BGG) - um seine Integration bemüht: Er besuchte verschiedene
Deutschkurse, welche er mit sehr gut abschloss, und spricht bereits die
Landessprache italienisch gut. Angesichts seines laufenden Asylverfahrens war
ihm während einer gewissen Zeit die Erwerbstätigkeit untersagt (vgl. Art. 43
AsylG). Er hat danach verschiedene Bewerbungen eingereicht. Während des
vorinstanzlichen Verfahrens reichte er einen Arbeitsvertrag vom 20. März 2017
mit einem Pensum von rund 20-25% und einem Stundenlohn von Fr. 27.30 ein, wobei
dieser nur in Kraft trete, wenn eine ausländerrechtliche Arbeitsbewilligung
vorliege. Die Beschwerdeführerin reichte zu diesem Vertrag ein
Bestätigungsschreiben ein, dass ihr Ehemann netto Fr. 2'600.-- erhalten würde,
wenn er eine gültige Aufenthaltsbewilligung vorweisen könnte. Der geringe
Anstellungsgrad resultiere daraus, dass der Ehemann ausländerrechtlich nur 
innerkantonal beschäftigt werden könne. Wie die Beschwerdeführerin vor
Bundesgericht ausgeführt hat, ist dieser Vertrag mangels Bewilligung des
Migrationsamtes seitens des Arbeitgebers wieder gekündigt worden. Der Ehemann
der Beschwerdeführerin hat in der Folge einen weiteren Arbeitsvertrag
abschliessen können, welcher wiederum nicht bewilligt wurde. Schliesslich
konnte er einen unbefristeten Arbeitsvertrag abschliessen (Beginn 1. Januar
2018) mit einem Bruttolohn von Fr. 2'300.-- (Teilzeit von 60%).  
Diese neu eingereichten und genannten Arbeitsverträge können als echte Noven,
d.h. nach dem Datum des vorinstanzlichen Entscheids entstandene Tatsachen oder
Beweismittel, vor Bundesgericht nicht berücksichtigt werden (Art. 99 Abs. 1 BGG
; BGE 139 II 120 E. 3.1.2 S. 123). 
 
4.2.4. Auszugehen ist zunächst von den aktuellen, vorinstanzlich festgestellten
Verhältnissen: Der Ehemann der Beschwerdeführerin lernt deutsch und spricht
eine zweite Landessprache. Er hatte einen Arbeitsvertrag vom 20. März 2017 mit
einem Pensum von rund 20-25% und einem Stundenlohn von Fr. 27.30. In Bezug auf
diesen Vertrag ist allerdings der Betrag von Fr. 2'600.-- anzurechnen.
Massgebend ist "die wahrscheinliche finanzielle Entwicklung aber auf längere
Sicht" (vgl. BGE 139 I 330 E. 4.1 S. 341). Es ist demzufolge derjenige Betrag
einzusetzen, den der Ehemann der Beschwerdeführerin erhalten würde, wenn er im
Besitz einer Aufenthaltsbewilligung wäre und nicht der Beschäftigungsgrad und
die Entlöhnung für eine nur innerkantonale Beschäftigung als Asylbewerber. Mit
diesem Betrag würde er die Sozialhilfebeiträge von Fr. 2'467 (Fr. 1736.--
[Beschwerdeführerin und Kind] + Fr. 731.30 [Ehemann der Beschwerdeführerin];
vgl. Urkunde 7 zur Beschwerde vor Vorinstanz) ohne weiteres wettmachen und
könnte damit die Familie autonom unterhalten. Kommt hinzu, dass das bisherige
Verhalten des Ehemannes der Beschwerdeführerin darauf schliessen lässt, dass er
zukünftig seine Familie autonom unterhalten wird. Obwohl seine Muttersprache
somalisch ist und er in Somalia nur die Primarschule besucht hat, hat er die
italienische Sprache gelernt, welche er sehr gut spricht, wie eine
Mitarbeiterin des Migrationsamtes festgestellt hat. Zwischen 2008 und 2014 hat
er in Italien durchgehend gearbeitet. Dies zeigt zum einen, dass er sich in
Italien integriert hat, und legt zum anderen nahe, dass er auch  willens ist,
sich rasch in der Schweiz zu integrieren und seinen Lebensunterhalt und
denjenigen seiner Familie selbst zu bestreiten. Seine guten Abschlüsse in
Deutsch belegen dies. Insofern sind die diesbezüglichen vorinstanzlichen
Ausführungen offensichtlich unrichtig (Art. 97 Abs. 1 BGG).  
 
4.2.5. Zusammenfassend ist Folgendes festzuhalten: Angesichts der
Arbeitswilligkeit und den bisherigen Bemühungen des Ehemanns der
Beschwerdeführerin, sich in der Schweiz zu integrieren, darf davon ausgegangen
werden, dass er in Zukunft einen genügend hohen Verdienst erzielen wird, um die
Familie autonom zu unterhalten. In jedem Fall ist aber davon auszugehen, dass
damit die bestehende Fürsorgeabhängigkeit der Beschwerdeführerin mindestens
vermindert wird (BGE 122 II 1 E. 3e S. 11). Die Gefahr, dass die öffentliche
Fürsorge durch den strittigen Familiennachzug zusätzlich belastet würde, ist
somit weder in zeitlicher noch in umfangmässiger Hinsicht als erheblich zu
qualifizieren, weshalb sich eine Verunmöglichung des Familienlebens des hier
anerkannten Flüchtlings mit Asyl nicht rechtfertigt (BGE 139 I 330 E. 4.2 S.
341).  
 
5.  
Demnach erweist sich die Beschwerde als begründet und ist gutzuheissen. Der
Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 25. April 2017 ist
aufzuheben und die Sache an das Migrationsamt zur Erteilung einer
Aufenthaltsbewilligung zurückzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang sind keine
Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Hingegen hat der Kanton Solothurn die
Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu
entschädigen (Art. 68 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
und Verbeiständung im bundesgerichtlichen Verfahren ist damit gegenstandslos.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn wird über die kantonale Kosten-
und Entschädigungsregelung neu zu befinden haben (Art. 67 e contrario und Art.
68 Abs. 5 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Solothurn vom 25. April 2017 wird aufgehoben und die Sache an das
Migrationsamt zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Solothurn hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von
Fr. 2'500.-- auszurichten. 
 
4.  
Die Sache wird zu Neuverlegung der vorinstanzlichen Kosten- und
Entschädigungsfolgen an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Solothurn und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich
mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 18. April 2018 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Errass 

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