Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.497/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
2C_497/2017  
 
 
Urteil vom 5. März 2018  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Zünd, Bundesrichterin Aubry Girardin, Bundesrichter Stadelmann,
Bundesrichter Haag, 
Gerichtsschreiber Klopfenstein. 
 
Verfahrensbeteiligte 
B.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Fürsprecher Sararard Arquint, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Zürich, 
Berninastrasse 45, 8090 Zürich, 
 
Gegenstand 
Eingrenzung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 1.
Abteilung, Einzelrichter, vom 10. April 2017 (VB.2016.00627). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
B.________ (geb. 1975) stammt aus Tansania. Er reiste am 20. Januar 2003 in die
Schweiz ein. Aufgund einer ersten Ehe mit einer schweizerischen
Staatsangehörigen wurde ihm die Aufenthaltsbewilligung erteilt. Nach
rechtskräftiger Scheidung heiratete B.________ am 4. August 2008 eine
schweizerische Staatsangehörige. Am 3. Oktober 2008 wurde die gemeinsame
Tochter geboren. Mit Urteil vom 15. Juli 2011 ermächtigte das Bezirksgericht
Horgen die Ehegatten zur Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes. Die Tochter
wurde unter die Obhut der Mutter gestellt und dem Vater ein Besuchsrecht
eingeräumt. Mit Verfügung vom 14. Februar 2012 widerrief das Migrationsamt des
Kantons Zürich die Aufenthaltsbewilligung B.________s und wies diesen aus der
Schweiz weg. Dieser Entscheid wurde letztinstanzlich durch das Bundesgericht
bestätigt (Urteil 2C_1047/2013 vom 24. Juni 2014). B.________ reiste jedoch
innert der ihm angesetzten Ausreisefrist nicht aus der Schweiz aus. 
 
B.  
Mit Verfügung vom 12. Juli 2016 ordnete das Migrationsamt des Kantons Zürich
gegen B.________ eine Eingrenzung auf das Gemeindegebiet Urdorf an, befristet
auf zwei Jahre ab Eröffnung der Verfügung. Das Zwangsmassnahmengericht des
Bezirksgerichts Zürich bestätigte die Eingrenzung am 14. September 2016, ebenso
das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 10. April 2017. 
 
C.  
B.________ erhebt mit Eingabe vom 22. Mai 2017 beim Bundesgericht Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil
sei aufzuheben und die Sache zur ergänzenden Sachverhaltsfeststellung an die
erste Instanz zurückzuweisen. Eventualiter sei festzustellen, dass die in Frage
stehende Eingrenzung die persönliche Freiheit des Beschwerdeführers verletze.
Zudem beantragt er unentgeltliche Rechtspflege. 
 
D.  
Das Migrationsamt reicht keine Vernehmlassung ein, wohl aber eine am 31. August
2017 erfolgte Anpassung der Verfügung, worin der Eingrenzungsrayon auf das
Gemeindegebiet Lindau bzw. Urdorf erweitert wird. Das Verwaltungsgericht und
das SEM beantragen Abweisung der Beschwerde. B.________ repliziert. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den kantonal
letztinstanzlichen Endentscheid betreffend eine Eingrenzung ist grundsätzlich
zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG) und der
Beschwerdeführer ist dazu legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Unzulässig sind
reine Rückweisungsbegehren, wenn das Bundesgericht auch reformatorisch
entscheiden könnte (Art. 107 Abs. 2 BGG; BGE 137 II 313 E. 1.3 S. 317; 134 III
379 E. 1.3 S. 383; 133 III 489 E. 3.1 S. 489 f.), sowie Feststellungsbegehren,
wenn Leistungs- oder Gestaltungsbegehren möglich sind (Urteil 2C_364+ 425/2015
vom 3. Februar 2017 E. 2.4, nicht publ. in BGE 143 II 409). Der
Beschwerdeführer stellt primär ein Rückweisungsbegehren und kritisiert in der
Beschwerdebegründung, aufgrund des Motivwechsels in den Begründungen der
verschiedenen Vorinstanzen könne die Verhältnismässigkeit der Eingrenzung nicht
geprüft werden. Zugleich bringt er aber vor, die Eingrenzung sei nicht
verhältnismässig und deshalb unzulässig und aufzuheben. Das Rechtsbegehren ist
unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung nach Treu und Glauben
auszulegen (BGE 136 V 131 E. 1.2 S. 135 f.; Urteil 4A_116+118/2015 vom 9.
November 2015 E. 2.2.2, nicht publ. in BGE 141 III 539). Der Beschwerde kann
klar entnommen werden, dass der Beschwerdeführer die Aufhebung der Eingrenzung
anstrebt; sollte ein reformatorischer Entscheid möglich sein, kann das
Rechtsbegehren trotz seiner Formulierung als Antrag auf Aufhebung der
Eingrenzung betrachtet werden (vgl. zit. BGE 141 III 539 ebenda). 
 
2.  
 
2.1. Gemäss Art. 74 Abs. 1 AuG (SR 142.20) kann die zuständige Behörde einer
Person die Auflage machen, ein ihr zugewiesenes Gebiet nicht zu verlassen
(Eingrenzung) oder ein bestimmtes Gebiet nicht zu betreten (Ausgrenzung), wenn
 
a. sie keine Kurzaufenthalts-, Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung
besitzt und sie die öffentliche Sicherheit und Ordnung stört oder gefährdet;
diese Massnahme dient insbesondere der Bekämpfung des widerrechtlichen
Betäubungsmittelhandels; oder 
 
b. ein rechtskräftiger Weg- oder Ausweisungsentscheid vorliegt und konkrete
Anzeichen befürchten lassen, dass die betroffene Person nicht innerhalb der
Ausreisefrist ausreisen wird, oder sie die ihr angesetzte Ausreisefrist nicht
eingehalten hat; 
 
c. die Ausschaffung aufgeschoben wurde (Art. 69 Abs. 3). 
 
Der Ausgrenzung kommt eine mehrfache Funktion zu: Sie dient einerseits (in der
Variante von Art. 74 Abs. 1 lit. a AuG) dazu, gegen Ausländer vorgehen zu
können, welche die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden, bei denen aber
eine sofortige Wegweisung nicht möglich ist. Sie kommt auch in Betracht, wenn
der Ausländer wegen eines länger dauernden Wegweisungshindernisses gar nicht
ausgeschafft werden kann, aber die Notwendigkeit besteht, ihn von bestimmten
Orten fernzuhalten, namentlich um Verstösse gegen die Sicherheit und Ordnung zu
verhindern (BGE 142 II 1 E. 2.2 S. 3 f.). Andererseits (in der Variante von 
Art. 74 Abs. 1 lit. b AuG) ist die Ein- und Ausgrenzung - was sich auch aus
ihrer systematischen Stellung im Gesetz ergibt - eine Zwangsmassnahme zur
Sicherstellung und Durchsetzung von Fernhaltemassnahmen; sie ist eine mildere
Massnahme als die Vorbereitungs-, Ausschaffungs- oder Durchsetzungshaft (Art.
75 ff. AuG), d.h. sie geht weniger weit als der ausländerrechtlich begründete
Freiheitsentzug; sie darf aber wie dieser eine gewisse Druckwirkung zur
Durchsetzung der Ausreisepflicht entfalten; die Massnahme erlaubt, die weitere
Anwesenheit des Ausländers im Land zu kontrollieren und ihm gleichzeitig
bewusst zu machen, dass er sich hier illegal aufhält und nicht vorbehaltslos
von den mit einem Anwesenheitsrecht verbundenen Freiheiten profitieren kann (
BGE 142 II 1 E. 2.2 S. 3 f. und E. 4.5 S. 8; GRÉGOR CHATTON/LAURENT MERZ, in:
Nguyen/Amarelle [eds.], Code annoté de droit des migrations, Vol. II, LEtr,
2017, Art. 74 n. 22). 
 
2.2. Die Massnahme hat dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu entsprechen:
Sie muss geeignet sein, um das damit verfolgte Ziel erreichen zu können, und
darf nicht über das hierzu Erforderliche hinausgehen. Auf begründetes Gesuch
hin muss die zuständige Behörde für gewisse Gänge zu Behörden, Anwalt, Arzt
oder Angehörigen Ausnahmen bewilligen, soweit die entsprechenden
Grundbedürfnisse nicht sachgerecht und grundrechtskonform im bezeichneten
Aufenthaltsgebiet selber abgedeckt werden können. Schliesslich muss die
Massnahme auch die Zweck-Mittel-Relation wahren (Urteil 2C_287/2017 vom 1.
November 2017 E. 2.2 [zur Publikation vorgesehen]; BGE 142 II 1 E. 2.3 S. 4 f.,
mit weiteren Hinweisen).  
 
2.3. Da die Ein- oder Ausgrenzung verschiedene Zwecke verfolgt (E. 2.1) ist zur
Prüfung der Verhältnismässigkeit zunächst das angestrebte Ziel zu bestimmen und
alsdann - in einem zweiten Schritt - die ins Auge gefasste Massnahme daran zu
messen, ob damit das gesteckte Ziel erreicht werden kann (BGE 142 II 1 E. 2.4
S. 5). Geht es nicht um die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und
Ordnung (Art. 74 Abs. 1 lit. a AuG), sondern um die Durchsetzung von
Fernhaltemassnahmen (Art. 74 Abs. 1 lit. b AuG), kann die Massnahme ihr Ziel
nur erreichen, wenn die Ausreise tatsächlich möglich ist. Andernfalls kann die
Massnahme ihr Ziel von vornherein nicht erreichen, ist damit ungeeignet und
erweist sich so als unverhältnismässig (TARKAN GÖKSU in Caroni/Gächter/
Thurnherr [Hrsg.], SHK AuG, Art. 74 Rz. 17; vgl. analog für die
Durchsetzungshaft Art. 78 Abs. 6 lit. a AuG und BGE 140 II 409 E. 2.3.2).  
 
3.  
 
3.1. Das Migrationsamt und das Zwangsmassnahmengericht hatten die Eingrenzung
mit Art. 74 Abs. 1 lit. b AuG begründet. Das Ver-waltungsgericht erachtete
demgegenüber die Voraussetzungen von Art. 74 Abs. 1 lit. a als erfüllt: Der
Beschwerdeführer habe zwischen 2007 und 2012 mehrere strafbare Handlungen
begangen, u.a. Sachbeschädigung, Betäubungsmitteldelikte, Drohung, Nötigung,
Hausfriedensbruch und Hinderung einer Amtshandlung. 2013 und 2014 sei es zu
weiteren Übergriffen gekommen, welche Anlass für eine psychiatrische
Begutachtung gewesen seien. Am 26. Januar 2015 sei er in Zürich verhaftet
worden, wobei er in seinem Schuhwerk Marihuana versteckt habe, was Kontakte zur
Drogenszene nahelege. Da somit die Voraussetzungen gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. a
AuG erfüllt seien, sei nicht zu prüfen, ob die Ausschaffung des
Beschwerdeführers unmöglich sei, wie dieser geltend mache.  
 
3.2. Der Beschwerdeführer rügt, vor den unteren Instanzen sei nur die
Eingrenzung nach lit. b zur Diskussion gestanden. Die angeblichen Gefährdungen
der öffentlichen Sicherheit und Ordnung seien nicht Prozessthema gewesen. Erst
das Verwaltungsgericht habe die Eingrenzung mit lit. a begründet, womit er
nicht habe rechnen können. Er habe sich zu den entsprechenden Voraussetzungen
auch nicht äussern können. Die Vorinstanz habe damit das rechtliche Gehör
verletzt. Das Verwaltungsgericht habe auch keine effektive
Verhältnismässigkeitsprüfung durchgeführt und die Begründungspflicht verletzt.
Die Verhältnismässigkeit sei verletzt, weil die Eingrenzung bei ihm die Stress-
und Drucksituation und dadurch die Wahrscheinlichkeit der Delinquenz erhöhe.
Die Eingrenzung verhindere zudem die regelmässigen Kontakte zu seiner Tochter.
 
 
3.3. Streitgegenstand ist die Eingrenzung als solche. Die Frage, auf welchen
Rechtsgrund sie sich stützt (lit. a, b oder c von Art. 74 Abs. 1 AuG), ist
nicht eine Frage des Streitgegenstands, sondern der rechtlichen Begründung
(vgl. in Bezug auf die ausländerrechtlichen Bewilligungen Urteil 2C_1140/2015
vom 7. Juni 2016 E. 2.2.1). Da die Behörden, namentlich auch die letzte
kantonale Instanz (Art. 110 BGG), das Recht von Amtes wegen anzuwenden haben,
ist es ihnen - unter Vorbehalt der nachstehenden Ausführungen zum Anspruch auf
rechtliches Gehör - nicht verwehrt, die Eingrenzung mit einer anderen
rechtlichen Begründung zu stützen als dies die unteren Instanzen getan haben.
Ebenso kann auch das Bundesgericht im Rahmen der Rechtsanwendung von Amtes
wegen (Art. 106 Abs. 1 BGG) den angefochtenen Entscheid mit einer
substituierten Begründung bestätigen (BGE 142 II 293 E. 1.3 S. 296 f.). Dies
gilt auch hier, zumal das Gesetz - anders als etwa bei den beiden Haftarten
Ausschaffungshaft (Art. 76 AuG) und Durchsetzungshaft (Art. 78 AuG), welche auf
ganz unterschiedlichen Motiven beruhen - im Falle der Eingrenzung nach Art. 74
lit. a oder b AuG nicht unterschiedliche Strategien bereithält, die eine
substituierte Begründung verunmöglichen könnten (vgl. Urteil 2C_538/2010 vom
19. Juli 2010 E. 4.3.2).  
 
3.4. Nach der Praxis des Bundesgerichts umfasst der Anspruch auf rechtliches
Gehör grundsätzlich nicht den Anspruch darauf, zur rechtlichen Würdigung oder
zur juristischen Begründung des Entscheids angehört zu werden (BGE 130 III 35
E. 5 S. 37 ff.). Indessen ist das rechtliche Gehör zumindest der dadurch
beschwerten Partei dann zu gewähren, wenn eine Behörde ihren Entscheid mit
einer Rechtsnorm oder einem Rechtsgrund zu begründen beabsichtigt, die im
bisherigen Verfahren nicht herangezogen wurden, auf die sich die beteiligten
Parteien nicht berufen haben und mit deren Erhebung im konkreten Fall sie nicht
rechnen konnten (Urteil 8C_76/2007 vom 6. Juli 2007 E. 3.1, nicht publ. in BGE
133 I 201; 131 V 9 E. 5.4.1 S. 26; 128 V 272 E. 5b/bb S. 278; 126 I 19 E. 2c/aa
S. 22; 121 II 29 E. 2b/aa S. 32).  
 
3.5. Wie sich aus dem angefochtenen Entscheid und ergänzend aus den Akten (Art.
105 Abs. 2 BGG) ergibt, haben das Migrationsamt und das Zwangsmassnahmengericht
die Eingrenzung mit Art. 74 Abs. 1 lit. b AuG begründet. Der Beschwerdeführer
sei rechtskräftig aus der Schweiz weggewiesen, halte sich seit Ablauf der
Ausreisefrist (23. September 2014) illegal in der Schweiz auf, habe aber
bereits mehreren behördlichen Aufforderungen, die Schweiz zu verlassen, keine
Folge geleistet. Die Eingrenzung sei zulässig, zumal der Beschwerdeführer
offensichtlich nicht gewillt sei, freiwillig in sein Heimatland zurückzukehren
und bei der Papierbeschaffung mitzuwirken. Die Massnahme sei auch
verhältnismässig.  
 
In seiner Beschwerde an das Verwaltungsgericht vom 17. Oktober 2016 liess der
Beschwerdeführer ausdrücklich unbestritten, dass er der Aufforderung zur
Ausreise nicht nachkomme bzw. dass ein Wegweisungstitel bestehe; er bestritt
einzig die Verhältnismässigkeit der Eingrenzung mit der Argumentation, Tansania
verlange für die Rücknahme eigener Staatsbürger deren schriftliche
Einwilligung; er - der Beschwerdeführer - verweigere diese. Die Durchführung
der Wegweisung gegen seinen Willen sei nicht möglich. Die Eingrenzung sei daher
nicht geeignet, die damit zu verbindenden Zwecke zu erreichen. Sie sei auch
deshalb nicht verhältnismässig, weil sie seinen Kontakt zur Tochter
einschränke. 
 
3.6. Der Beschwerdeführer hatte aufgrund der rechtlichen Argumentation des
Migrationsamtes und des Zwangsmassnahmengerichts keinen Anlass, sich in seiner
Beschwerde an das Verwaltungsgericht zu den Delikten zu äussern, die ihm dieses
in der Folge in seinem Entscheid vorwarf. Wenn das Verwaltungsgericht auf diese
Delikte abstellen wollte und gestützt darauf die Eingrenzung mit der
substituierten Begründung von Art. 74 Abs. 1 lit. a AuG rechtfertigen wollte,
so hätte es dem Beschwerdeführer dazu Gelegenheit zur Stellungnahme geben
müssen. Insoweit hat die Vorinstanz den Anspruch auf rechtliches Gehör
verletzt. Hingegen konnte sich der Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren
erschöpfend zum Eingrenzungsgrund von lit. b und den dazu relevanten
Sachverhaltselementen samt Verhältnismässigkeitsprüfung äussern. Wenn - was im
Folgenden im Rahmen der Rechtsanwendung von Amtes wegen zu prüfen ist (vorne E.
3.3) - sich die Eingrenzung aufgrund von lit. b rechtfertigt, ist die Kritik
des Beschwerdeführers, die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung in Bezug
auf den Eingrenzungsgrund von lit. a sei unter Gehörsverletzung erfolgt, für
den Ausgang des Verfahrens nicht rechtserheblich (vgl. Art. 97 Abs. 1 in fine
BGG).  
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer bestätigt ausdrücklich, dass er tansanischer
Staatsangehöriger ist, gegen ihn ein rechtskräftiger Wegweisungsentscheid
vorliegt, die Ausreisefrist abgelaufen und er dieser Entscheidung nicht
nachgekommen ist, sondern sich konsequent weigert, die schriftliche
Einwilligung zur Rückkehr zu erteilen, was von Tansania für die Rücknahme
eigener Staatsbürger verlangt werde. Die Tatbestandsvoraussetzungen für die
Eingrenzung gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. b AuG sind damit klarerweise erfüllt.
Der Beschwerdeführer bestreitet (abgesehen von der nicht rechtserheblichen
Gehörsverletzung, vorne E. 3.6) einzig die Verhältnismässigkeit der Massnahme.
 
 
4.2. Der Beschwerdeführer hat vor dem Verwaltungsgericht argumentiert, die
Eingrenzung sei nicht verhältnismässig, weil der Vollzug der Wegweisung nicht
möglich sei. Tansania stelle ohne Einwilligung des Beschwerdeführers keine
Reisepapier aus und er verweigere diese Einwilligung. Die Massnahme sei daher
nicht geeignet, den mit ihr zu verbindenden Zweck zu erreichen.  
 
4.2.1. Soweit diese Argumentation die fehlende Verhältnismässigkeit schon
daraus abzuleiten scheint, dass eine zwangsweise Ausschaffung nach Tansania
ohne Einwilligung des Betroffenen nicht möglich sei (was grundsätzlich vom SEM
in seiner Stellungnahme bestätigt wird), ist sie unbegründet: Der rechtskräftig
Weggewiesene ist primär verpflichtet, selbständig auszureisen. Die Ausschaffung
ist subsidiär zur freiwilligen Ausreise. Das Bundesgericht hat mit dem vorne
erwähnten Urteil 2C_287/2017 vom 13. November 2017 klargestellt, dass die
Eingrenzung nach Art. 74 Abs. 1 lit. b AuG als mildere Massnahme gegenüber der
Durchsetzungshaft (Art. 78 AuG) auch und gerade dann zulässig ist, wenn eine
zwangsweise Ausschaffung nicht möglich ist, aber der Betroffene die freiwillige
Ausreise verweigert; die Eingrenzung ist eine Massnahme, die indirekt darauf
abzielt, den Betroffenen zur Einhaltung seiner Rechtspflicht zu bewegen (a.a.O.
E. 4). Dass eine zwangsweise Ausschaffung nach Tansania zurzeit unmöglich ist,
macht somit die Eingrenzung nicht unverhältnismässig. Erst wenn auch eine
freiwillige Ausreise objektiv nicht möglich ist, wäre die Eingrenzung nicht
zwecktauglich und daher unzulässig (a.a.O., E. 2.3 und E. 4.8). Das wird vom
Beschwerdeführer selber aber nicht behauptet. Das SEM bestätigt in seiner
Vernehmlassung, dass die tansanischen Behörden in der Schweiz bereit sind,
Ersatzreisedokumente für freiwillige Rückkehrer auszustellen, wenn diese das
erforderliche Formular selbständig ausfüllen. Der Beschwerdeführer stellt in
seiner Replik diese Ausführungen nicht in Frage. Er macht auch keinen Grund
geltend, weshalb er sich weigert, solche Papiere zu beantragen.  
 
4.2.2. Bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit ist je nach dem angestrebten
Ziel der Massnahme zu unterscheiden (vorne E. 2.3). Die Eingrenzung nach Art.
74 Abs. 1 lit. a AuG (entsprechend Art. 13e des früheren ANAG) betrifft
Personen, die sich rechtmässig in der Schweiz aufhalten, z.B. als Asylbewerber
während der Dauer des Asylverfahrens (Art. 42 AsylG) oder vorläufig
Aufgenommene (Art. 85 Abs. 5 AuG). Die Eingrenzung stellt für diese Personen
eine Einschränkung der grundsätzlich bestehenden Aufenthaltsberechtigung dar;
sie darf daher nicht weiter gehen als zur Verhinderung von Störung oder
Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich ist. Die
Eingrenzung nach Art. 74 Abs. 1 lit. b AuG betrifft demgegenüber Personen,
deren Aufenthalt nach Ablauf der Ausreisefrist in der ganzen Schweiz ohnehin
schon rechtswidrig ist. Für diese Personen verbietet die Eingrenzung nichts,
was ihnen nicht ohnehin schon verboten ist (Art. 10 ff. und Art. 115 Abs. 1
lit. b AuG), sondern versieht lediglich dieses Verbot für den übrigen Teil des
Landes mit einer zusätzlichen und höheren Strafandrohung (Art. 119 Abs. 1 AuG;
BGE 142 II 1 E. 4.5; zit. Urteil 2C_287/2017 E. 5.3). Die
Verhältnismässigkeitsprüfung stellt sich in dieser Situation anders dar als
wenn ein grundsätzlich rechtmässiger Aufenthalt eingeschränkt wird. Es geht
darum, in Form eines indirekten Druckmittels den Betroffenen zu veranlassen,
seiner Rechtspflicht zur Ausreise nachzukommen, zumal ein grundsätzliches und
erhebliches rechtsstaatliches Interesse daran besteht, dass rechtskräftige
Entscheide befolgt und durchgesetzt werden. Das Erfordernis der
Verhältnismässigkeit einer (direkten oder indirekten) Vollstreckungsmassnahme
enthält nicht nur ein Übermass-, sondern auch ein Untermassverbot: Die
angeordnete Massnahme soll nicht weiter gehen als zur Erreichung des Ziels
erforderlich ist, aber auch nicht weniger weit: Es soll diejenige Massnahme
angeordnet werden, die das angestrebte Ziel (gerade noch) sicherstellt (JAAG/
HÄGGI FURRER, Praxiskommentar Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. 2016, Art.
42 Rz. 13; zit. Urteil 2C_287/2017 E. 5.3).  
 
4.2.3. Der Beschwerdeführer weigert sich bisher, seiner Ausreiseverpflichtung
nachzukommen. Das mit der Eingrenzung verfolgte Ziel ist somit noch nicht
erreicht, so dass die Massnahme nicht über das Erforderliche hinausgeht. Der
Beschwerdeführer kann die Verhältnismässigkeit auch nicht mit der Begründung in
Frage stellen, er verweigere konsequent seine Einwilligung zu einer
selbständigen Rückkehr. In einem Rechtsstaat kann es nicht in Frage kommen, von
der Rechtsdurchsetzung abzusehen, weil der Betroffene erklärt, sich nicht an
die Rechtsordnung halten zu wollen (vgl. BGE 136 IV 97 E. 6.3.3 S. 116). Der
Einsatz indirekter Durchsetzungsmittel kann daher nicht schon unzulässig sein,
weil der Betroffene im Voraus erklärt, er werde sich durch diese Mittel nicht
zu rechtskonformem Verhalten bewegen lassen (vgl. zur Durchsetzungshaft Urteil
2C_441/2011 vom 15. Juni 2011 E. 2.2; 2C_936/2010 vom 24. Dezember 2010 E.
2.1). Sollte der Beschwerdeführer der Wegweisungsverfügung trotz der
Eingrenzung nicht nachkommen, so wäre diese entgegen seiner offenbaren
Auffassung nicht aufzuheben, sondern im Gegenteil zu verschärfen, damit das
angestrebte Ziel erreicht wird.  
 
4.3. Der Beschwerdeführer bestreitet sodann die Verhältnismässigkeit mit der
Begründung, die Eingrenzung verunmögliche ihm Besuche bei seiner Tochter, die
im Kanton Luzern in einem Kinderheim untergebracht sei. Er verkennt, dass ihm
der Kontakt mit seiner Tochter vom Gebiet der Schweiz aus bereits durch den
Widerruf der Aufenthaltsbewilligung und die damit verbundene Wegweisung
verunmöglicht wurde, welche ihm den weitere Aufenthalt in der ganzen Schweiz
verbietet, mit Einschluss des Kantons Luzern. Diese Entscheide sind
rechtskräftig und können im vorliegenden Verfahren nicht in Frage gestellt
werden, es sei denn, sie wären geradezu nichtig (BGE 130 II 56; Urteil 2C_846/
2017 vom 30. Oktober 2017 E. 4.2), was von jeder Behörde in jedem Stadium zu
beachten wäre (BGE 137 I 273 E. 3.1 S. 275; 132 II 342 E. 2.1 S. 346).
Nichtigkeitsgründe werden vom Beschwerdeführer jedoch nicht geltend gemacht und
sind auch nicht ersichtlich. Mit Bezug auf die Besuche bei seiner Tochter
verbietet ihm die streitige Eingrenzung an sich nichts, was ihm nicht ohnehin
schon durch den Wegweisungsentscheid verunmöglicht ist. Mit Blick auf die in
mehreren Urteilen entwickelte bundesgerichtliche Praxis zur Eingrenzung (vorne
E. 2.2) sind in begründeten Fällen Ausnahmebewilligungen für einen Besuch bei
der inzwischen bald zehnjährigen Tochter nicht ausgeschlossen, und möglich
bleiben auch - allenfalls mit kindergerechter Betreuung auf dem Hin- und
Rückweg - Besuche der Tochter bei ihrem Vater in dem für ihn eingegrenzten
Gebiet.  
 
4.4. Unbegründet ist schliesslich auch die Kritik des Beschwerdeführers, die
Eingrenzung verschärfe das Problem seiner Unterbringung in der Notunterkunft,
erhöhe Stress- und Drucksituationen und dadurch die Wahrscheinlichkeit einer
Destabilisierung. Der Beschwerdeführer hat es in der Hand, durch rechtmässiges
Verhalten (Befolgung seiner Ausreiseverpflichtung) die Massnahme hinfällig
werden zu lassen (vgl. zit. Urteil 2C_287/2017 E. 5.3; zur Ausschaffungshaft
Urteil 2C_252/2008 vom 10. Juni 2008 E. 2.4; zur Durchsetzungshaft Urteil
2C_624/2011 E. 3) und damit auch seinen Aufenthalt in der Notunterkunft zu
beenden. Es ist gerade der Sinn der Eingrenzung, ihn zu diesem Schritt zu
bewegen (vorne E. 4.2.1), weshalb sie eine spürbare Einschränkung darstellen
muss.  
 
5.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. Der Beschwerdeführer wird dadurch grundsätzlich
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Angesichts der im kantonalen Verfahren
wechselnden rechtlichen Begründungen (vorne E. 3) kann jedoch seine Beschwerde
nicht als aussichtslos betrachtet werden, so dass die beantragte unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren ist (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren
wird gutgeheissen und es wird dem Beschwerdeführer Rechtsanwalt Sararard
Arquint als Rechtsbeistand beigegeben. 
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Rechtsanwalt Sararard Arquint wird aus der Bundesgerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2'000.- ausgerichtet. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich, 1. Abteilung, Einzelrichter, dem Bezirksgericht Zürich,
Zwangsmassnahmengericht, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich
mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 5. März 2018 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Klopfenstein 

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