Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.488/2017
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

2C_488/2017

Urteil vom 9. April 2019

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Seiler, Präsident,

Bundesrichter Zünd, Haag,

Gerichtsschreiber Kocher.

Verfahrensbeteiligte

Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer,

Beschwerdeführerin,

gegen

MWST-Gruppe A.________ Holding AG,

Beschwerdegegnerin,

vertreten durch SwissVAT AG.

Gegenstand

Mehrwertsteuer; Steuerperiode 2011,

Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I,

vom 11. April 2017 (A-5769/2016).

Sachverhalt:

A.

Die MWST-Gruppe A.________ Holding AG (nachfolgend: die Steuerpflichtige),
deren Gruppenträgerin die A.________ Holding AG mit Sitz in U.________/ZH ist,
wurde auf Anfang 2010 in das von der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV)
geführte Register der Mehrwertsteuerpflichtigen eingetragen. Die Gruppe
betätigt sich unter anderem im Bereich der Emissionsminderungszertifikate im
Sinne von Art. 2 Abs. 4 CO2-G 2011. Darunter sind international anerkannte
handelbare Bescheinigungen zu verstehen, die über im Auslanderzielte
Emissionsverminderungen Auskunft geben. Die Steuerpflichtige entwickelt,
unterstützt von externen Projektvermittlern, Emissionsminderungszertifikate der
Typen CER ( Certified Emission Reductions; Art. 12 des Kyoto-Protokolls bzw.
Art. 4 Abs. 2 lit. a CO2-V 2012) und VER ( Verified Emission Reductions). Die
im Ausland eingetretenen Emissionsverminderungen, die in einem CER zertifiziert
sind, können in eingeschränktem Umfang bei der Berechnung der inländischen
 Emissionen angerechnet werden (Art. 5 CO2-G 2011; Art. 48 CO2-V 2012). Die
Steuerpflichtige verkauft ihre Produkte hauptsächlich an ausländische Kunden
und erbringt diesen gegenüber ergänzende Beratungsleistungen.

B.

Gemäss der bis zum 1. Juli 2010 herrschenden Verwaltungspraxis der ESTV hatte
die Veräusserung von Emissionsrechten (Art. 2 Abs. 3 CO2 -G 2011) und den hier
interessierenden Emissionsminderungszertifikaten als steuerbarer
 Leistungsaustausch gegolten. Am 1. Juli 2010 änderte die ESTV ihre
Verwaltungsverordnung (MWST-Info 04, "Steuerobjekt") dahingehend, dass der
Handel nunmehr von der objektiven Mehrwertsteuerpflicht insgesamt ausgenommen
 sei (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG 2009). Im Einzelnen führte die ESTV
in ihrer Praxisänderung namentlich aus:

"Mit der Praxisänderung hat die ESTV auf die Rechtsentwicklung in der EU
reagiert; die Neuregelung - wonach viele EU-Staaten das
Reverse-Charge-Verfahren für den Handel mit Emissionsrechten eingeführt haben -
ist europarechtlich durch den neu eingeführten Art. 199a MwStSystRL gedeckt.
Für eine entsprechende Lösung fand sich bezüglich Inlandumsätzen im
schweizerischen Mehrwertsteuersystem jedoch keine Basis. Die Lösung der
Steuerausnahme betreffend die fraglichen Umsätze kannte vor der Einführung des
Reverse-Charge-Verfahrens in der EU beispielsweise Frankreich".

C.

Am 28. Oktober 2010 erkundigte die Gruppenträgerin sich bei der ESTV nach der
mehrwertsteuerlichen Behandlung von CO2 -Emissionsrechten. Im Anschluss an
verschiedene Kontakte ersuchte sie am 15. November 2012 die ESTV um Bestätigung
dessen, dass sowohl der Umsatz aus dem Verkauf von CER und VER als auch aus dem
Verkauf von Forwards und Optionen auf CER und VER unter die steuerbaren
Leistungen falle (sodass Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG 2009 nicht
anwendbar sei).

Die ESTV hielt in ihrer Verfügung vom 2. August 2016 fest, die Umsätze aus dem
Verkauf von CER und VER sowie aus dem Verkauf von Forwards und Optionen auf CER
und VER seien - entgegen der Auffassung der Steuerpflichtigen - von der Steuer
ausgenommen. Die Begründung ging hauptsächlich dahin, dass es sich bei den
Emissionsrechten und den ihnen diesbezüglich gleichartigen
Emissionsminderungszertifikaten um Wertrechte im Sinne von Art. 21 Abs. 2 Ziff.
19 lit. e MWSTG 2009) handle. Gleichzeitig nahm die ESTV für die Steuerperiode
2011 eine Nachbelastung von Fr. 228'374.-- vor.

Die Gruppenträgerin erhob am 14. September 2016 bei der ESTV Einsprache und
beantragte, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben. In verfahrensrechtlicher
Hinsicht sei die Sache als Sprungbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht
weiterzuleiten (Art. 83 Abs. 4 MWSTG 2009). Die ESTV kam diesem Antrag nach.

D.

Mit Urteil A-5769/2016 vom 11. April 2017 hiess das nunmehr mit der Sache
befasste Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, die Beschwerde teilweise gut.
Das Bundesverwaltungsgericht erwog, bei den CER und VER handle es sich weder um
Wertpapiere (E. 6.2) noch um Wertrechte (E. 6.3). Ebenso wenig könne gesagt
werden, Kaufverträge um CER bzw. VER stellten Derivate dar (E. 6.4). Mithin
falle der Verkauf von CER und VER nicht unter Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e
MWSTG 2009 (E. 7). Was den Verkauf von Forwards und Optionen anbelange, die auf
einem CER oder VER beruhen, handle es sich, übereinstimmend mit der Ansicht der
ESTV, tatsächlich um Umsätze von Derivaten im Sinne von Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19
lit. e MWSTG 2009 (E. 7). Entsprechend wies das Bundesverwaltungsgericht die
Sache im Sinne der Erwägungen zur Neufestsetzung der Steuerforderung für die
Steuerperiode 2011 an die Vorinstanz zurück.

E.

Mit Eingabe vom 23. Mai 2017 erhebt die ESTV beim Bundesgericht Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt, der angefochtene
Entscheid sei insoweit aufzuheben, als er feststellt, Umsätze aus Verkäufen von
Emissionsminderungszertifikaten seien steuerbar. Die Vorinstanz verzichtet auf
einen Antrag. Die Steuerpflichtige beantragt die Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1. 

1.1. Die Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten liegen vor (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1
lit. a, Art. 89 Abs. 2 lit. d in Verbindung mit Art. 141 MWSTV, Art. 90
[betreffend Feststellung] bzw. Art. 93 Abs. 1 lit. a [betreffend
Steuerforderung] und Art. 100 Abs. 1 BGG). 

1.2. Das Bundesgericht prüft das Bundesrecht von Amtes wegen (Art. 106 Abs. 1
BGG; BGE 144 III 462 E. 3.2.3 S. 465) und mit uneingeschränkter (voller)
Kognition (Art. 95 lit. a BGG; BGE 144 II 313 E. 5.1 S. 319).

1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 145 I 26 E. 1.5 S. 31).

2. 

2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz bundesrechtskonform zum
Schluss gelangt sei, dass der Verkauf von Emissionsminderungszertifikaten der
Typen CER und VER nicht unter Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG 2009 falle,
weshalb die Leistungen steuerbar seien. Nicht mehr streitig ist die
mehrwertsteuerliche Behandlung des Verkaufs von Forwards und Optionen auf
Emissionsminderungszertifikate der beiden Typen, da die Steuerpflichtige von
einer Beschwerde abgesehen hat.

2.2.

2.2.1. Das schweizerische CO2-Recht gründet im internationalen Recht,
insbesondere jenem der Vereinten Nationen, und setzt dieses um. So haben das
Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen vom 9. Mai 1992 über Klimaänderungen
(SR 0.814.01) und das Protokoll von Kyoto vom 11. Dezember 1997 zum
Rahmenübereinkommen (Kyoto-Protokoll; SR 0.814.011) zunächst zum Bundesgesetz
vom 8. Oktober 1999 über die Reduktion der CO2-Emissionen (CO2-G 1999; AS 2000
979, in Kraft vom 1. Mai 2000 bis zum 1. Januar 2013) und später zum
Bundesgesetz vom 23. Dezember 2011 über die Reduktion der CO2-Emissionen (CO2-G
2011; SR 641.71) geführt. Das Klimaübereinkommen vom 12. Dezember 2015 von
Paris (Pariser Übereinkommen; SR 0.814.012) ist seinerseits wegleitend für die
Totalrevision des CO2-Gesetzes nach 2020 (Botschaft vom 21. Dezember 2016 zur
Genehmigung des Klimaübereinkommens von Paris, BBl 2017 317, insb. 323 f. und
336).

2.2.2. Das CO2-G 2011 bezweckt die Verminderung von Treibhausgasemissionen mit
dem Ziel, einen Beitrag zu leisten, den globalen Temperaturanstieg auf weniger
als zwei Grad Celsius zu beschränken (Art. 1 Abs. 1 CO2-G 2011). Gemäss Art. 3
Abs. 1 CO2-G 2011 sind die Treibhausgasemissionen im Inland bis zum Jahr 2020
gegenüber 1990 gesamthaft um 20 Prozent zu vermindern. Das Reduktionsziel soll
in erster Linie durch Massnahmen nach dem CO2-Gesetz erreicht werden (Art. 4
Abs. 1 CO2-G 2011). Es kann vom Bundesrat in Einklang mit internationalen
Vereinbarungen auf 40 Prozent erhöht werden (Art. 3 Abs. 2 CO2-G 2011; BGE 143
II 87 E. 3.1 S. 89 f.).

2.2.3. Eine Massnahme zur Einhaltung des Reduktionsziels (Art. 3 Abs. 1 CO2-G
2011) stellt das Emissionshandelssystem (EHS) dar (Art. 15 ff. CO2-G 2011).
Unternehmen bestimmter Kategorien, die Anlagen mit hohen Treibhausgasemissionen
betreiben, kann der Bundesrat zur Teilnahme am EHS verpflichten (Art. 16 Abs. 1
CO2-G 2011). Diesen sogenannten EHS-Unternehmen wird die gesetzlich ebenfalls
vorgesehene CO2-Abgabe zurückerstattet (Art. 17 CO2-G 2011). Im Gegenzug müssen
die EHS-Unternehmen dem Bund im Umfang der von ihren Anlagen verursachten
(direkten) Emissionen jährlich Emissionsrechte oder
Emissionsminderungszertifikate abgeben (Art. 16 Abs. 2 CO2-G 2011). Die
Emissionsrechte werden den EHS-Unternehmen jährlich kostenlos zugeteilt, soweit
sie für deren treibhausgaseffizienten Betrieb notwendig sind. Die übrigen
Emissionsrechte werden versteigert (Art. 19 Abs. 1 und Abs. 2 CO2-G 2011). Für
Emissionen, die weder durch Emissionsrechte noch durch
Emissionsminderungszertifikate gedeckt sind, müssen EHS-Unternehmen dem Bund
einen vom Gesetz als "Sanktion" bezeichneten Betrag von Fr. 125.-- pro Tonne
CO2-Äquivalente (CO2eq) entrichten (Art. 21 CO2-G 2011; BGE 143 II 87 E. 3.2 S.
90).

2.2.4. Auf Grundlage des gemeinsamen multilateralen Klimaschutzrechts (vorne E.
2.2.1) haben die Schweiz und die Europäische Union auch ihre jeweiligen
Mehrwertsteuerordnungen angepasst. Nachdem Emissionsminderungszertifikate im
Sinne von Art. 2 Abs. 4 CO2-G 2011 begriffsnotwendig in jedem Fall einen
Auslandbezug aufweisen, liegt es nahe, der Kompatibilität der schweizerischen
Mehrwertsteuergesetzgebung mit der Europäischen Union besondere Beachtung zu
schenken. Das CO2-G 2011 strebt eine Angleichung an das Recht der Europäischen
Union unter anderem an, um die Teilnahme am Handel mit Treibhausgasemissionen
zu ermöglichen (Botschaft vom 26. August 2009 über die Schweizer Klimapolitik
nach 2012 [nachfolgend: Botschaft Klimapolitik nach 2012], BBl 2009 7433, insb.
7436, 7461 f., 7474, 7514 f.). Dies ist bei Beurteilung der hier massgebenden
Steuerperiode 2011 zu berücksichtigen. In Verdeutlichung dieser Absicht haben
die Eidgenössischen Räte zuletzt am 22. März 2019 das Abkommen vom 23. November
2017 zwischen der Schweiz und der EU zur Verknüpfung ihrer jeweiligen Systeme
für den Handel mit Treibhausgasemissionen genehmigt (BBl 2019 2643). Der
Bundesbeschluss vom 22. März 2019 untersteht dem fakultativen Referendum,
dessen Frist am 11. Juli 2019 ablaufen wird. Er ist mithin noch nicht in Kraft
getreten, macht aber deutlich, dass die Übertragung von
Emissionsminderungszertifikaten noch enger mit dem Recht der Europäischen Union
verzahnt werden soll. Unterschiedliche Steuersysteme können den angestrebten
Handel beeinträchtigen.

2.2.5. Es erscheint mit Blick darauf als sachgerecht, im Sinne einer
sachspezifisch beschränkten Ausnahme vom mehrwertsteuerlichen Richtlinienrecht
der Europäischen Union auszugehen, um zu beurteilen, ob eine Steuerausnahme
vorliege, wenngleich das Richtlinienrecht für die Schweiz keinerlei
Rechtswirkungen entfaltet. Das Richtlinienrecht der EU kann bei der Anwendung
des schweizerischen Mehrwertsteuerrechts als Erkenntnisquelle und
Auslegungshilfe dienen, soweit das inländische Mehrwertsteuerrecht nicht
ausdrücklich und bewusst von der Regelung der EU abweicht und einen
eigenständigen Weg beschreitet (BGE 139 II 346 E. 7.4.6 S. 362; 138 II 251 E.
2.5.1 S. 259; 124 II 193 E. 6a S. 203). Eine angleichende Auslegung ist ferner
am Platz, um Handelsdistorsionen zu vermeiden. Was namentlich den Bereich der
steuerausgenommenen Leistungen betrifft, lehnt die schweizerische Lösung sich
ausdrücklich an die Richtlinie 2006/112/EG des Rates der Europäischen
Gemeinschaft vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
(MwStSystRL) an und übernimmt sie diese teils wörtlich (Botschaft vom 25. Juni
2008 zur Vereinfachung der Mehrwertsteuer, BBl 2008 6885, insb. 6963 zu Art. 21
Abs. 1 E-MWSTG). Der Blick auf das Recht der EU liegt hier umso näher, als
dieses - im Unterschied zum MWSTG 2009 - eine ausdrückliche Regelung zu den
hier interessierenden Emissionsminderungszertifikaten enthält, auf die sich im
Übrigen auch die ESTV stets bezogen hat (Sachverhalt, lit. B).

2.2.6. Gemäss Art. 199a Abs. 1 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten der
Europäischen Union bis zum 30. Juni 2022 vorsehen, dass die Mehrwertsteuer auf
abschliessend genannten Leistungen vom steuerpflichtigen Empfänger geschuldet
wird. In den Positivkatalog fällt gemäss Art. 199a Abs. 1 lit. a MwStSystRL in
der heutigen Fassung die

"Übertragung von Treibhausgasemissionszertifikaten entsprechend der Definition
in Art. 3 der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit
Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft, die gemäss Art. 12 der
genannten Richtlinie übertragen werden können."

Art. 199a MwStSystRL wurde mit Wirkung vom 10. April 2010 durch die Richtlinie
2010/23/EG vom 16. März 2010 eingeführt und zuletzt mit Wirkung vom 2. Dezember
2018 durch Art. 1 Ziff. 1 der Richtlinie (EU) 2018/1695 vom 6. November 2018
neu gefasst. Er gilt weiterhin.

2.2.7. Der Handel mit Emissionsminderungszertifikaten fällt nach dem Recht der
Europäischen Union unter die Dienstleistungen (Art. 24 ff. MwStSystRL).
Dienstleistungen sind steuerbar, soweit die Richtlinie keine Ausnahme vorsieht
(Art. 131 ff. MwStSystRL). Im Bereich des Handels mit
Emissionsminderungszertifikaten besteht keine derartige Ausnahme. Mit der
Umkehrung der Steuerschuldnerschaft (Übergang zum Revers e-charge -Verfahren)
unterstreicht die MwStSystRL, dass die Übertragung von
Treibhausgasemissionszertifikaten eine steuerbare Leistung darstellt, ansonsten
sich die Frage der subjektiven Steuerpflicht nicht stellen könnte. Die einzige
Besonderheit von Art. 199a MwStSystRL besteht darin, dass die Mitgliedstaaten
in Abweichung von der Regel (Art. 9 ["Steuerpflichtiger"] und Art. 192a
["Steuerschuldner gegenüber dem Fiskus"] MwStSystRL) ermächtigt werden, die
subjektive Steuerpflicht auf den Leistungsempfänger zu übertragen. 

2.2.8. Die ESTV betont, dass beispielsweise Frankreich derart vorgegangen sei,
dass die Übertragung von Treibhausgasemissionszertifikaten als
steuerausgenommene Leistung behandelt worden sei (Sachverhalt, lit. B). Sie
beruft sich auf das Bulletin officiel des impôts (BOI) Nr. 58 vom 11. Juni
2009, 3 L-1-09 ("Taxe sur la valeur ajoutée. Régime applicable aux quotas
d'émission de gaz à effet de serre"). Dabei handelt es sich um eine Art
Kreisschreiben zu Art. 261C Ziff. 1 lit. e des französischen Code général des
impôts (nachfolgend: CGI/FR), der mit Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG 2009
vergleichbar ist. Diese Anordnung wurde indes mit BOI Nr. 6 vom 24. Januar
2011, 3A-1-11 ("Taxe sur la valeur ajoutée. Redevable de la taxe. Régime
applicable aux transferts de quotas d'émission de gaz à effet de serre")
aufgehoben, nachdem Art. 283 Ziff. 2septies CGI/FR geschaffen worden war.
Dieser lautet:

"Pour les transferts de quotas autorisant les exploitants à émettre des gaz à
effet de serre, au sens de l'article 3 de la directive 2003/87/CE du Parlement
européen et du Conseil du 13 octobre 2003 établissant un système d'échange de
quotas d'émission de gaz à effet de serre dans la Communauté et modifiant la
directive 96/61/CE du Conseil, et d'autres unités pouvant être utilisées par
les opérateurs en vue de se conformer à cette directive, la taxe est acquittée
par l'assujetti bénéficiaire du transfert."

Damit ist die Übertragung von Treibhausgasemissionszertifikaten auch nach
französischem Mehrwertsteuerrecht seit 2011 steuerbar. Sie wird im 
Reverse-charge -Verfahren erhoben, wie dies Art. 199a Abs. 1 lit. a MwStSystRL
im Sinne einer Option anbietet.

2.2.9. Dasselbe gilt für Deutschland. § 13b Abs. 2 Ziff. 6 des deutschen
Umsatzsteuergesetzes (nachfolgend: UStG/DE) unter dem Titel "Leistungsempfänger
als Steuerschuldner" hält fest:

"Für folgende steuerpflichtige Umsätze entsteht die Steuer mit Ausstellung der
Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung
folgenden Kalendermonats: Übertragung von Berechtigungen nach § 3 Nr. 3 des
Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes, Emissionsreduktionseinheiten nach § 2
Nr. 20 des Projekt-Mechanismen-Gesetzes und zertifizierten Emissionsreduktionen
nach § 2 Nr. 21 des Projekt-Mechanismen-Gesetzes."

Damit hat auch Deutschland die Option im Sinne von Art. 199a Abs. 1 lit. a
MwStSystRL wahrgenommen (dazu AXEL LEONARD, in Johann Bunjes/Reinhold Geist,
Umsatzsteuergesetz, 17. Aufl. 2018, N. 95 zu § 13b UStG/DE; OTTO-GERD LIPPROSS,
Umsatzsteuer, 24. Aufl. 2017, Ziff. 9.4.2.7 S. 1311; HOLGER STADIE,
Umsatzsteuergesetz, 3. Aufl. 2015, N. 95 und 96 zu § 13b UStG/DE). Deutschland
hatte indes, anders als Frankreich, die Übertragung von
Treibhausgasemissionszertifikaten seit jeher als steuerbare Dienstleistung
erachtet (siehe Bundesministerium für Finanzen [Hrsg.], Kreisschreiben
"Umsatzsteuerrechtliche Beurteilung des Emissionshandelssystems für
Treibhausgase" vom 2. Februar 2005). Die Einführung von § 13b Abs. 2 Ziff. 6
UStG/DE brachte nur eine Ausdehnung des Reverse-charge -Verfahrens auf diese
Art einer steuerbaren Dienstleistung (HANS-JOACHIM BÜLOW, in: Konrad Plückebaum
/Heinz Malitzky/Werner Widmann [Hrsg.], Umsatzsteuergesetz, 191. Lfg., April
2012, N. 71 zu § 13b UStG/DE; ders., in: Bernhard Schwarz/Werner Widmann/
Rolf-Rüdiger Radeisen [Hrsg.], UStG - Umsatzsteuergesetz, 183. Lfg., November
2015, N. 82 zu § 13b UStG/DE).

2.3.

2.3.1. Anlass zum vorliegenden Verfahren gibt der Umstand, dass die ESTV am 1.
Juli 2010 ihre diesbezügliche Verwaltungsverordnung (MWST-Info 04,
"Steuerobjekt") dahingehend abgeändert hat, dass der Handel seither von der
objektiven Mehrwertsteuerpflicht insgesamt ausgenommen sein soll. Sie schloss
sich der damaligen französischen Sichtweise an und setzte damit einen
Konterpunkt zum deutschen Umsatzsteuerrecht. Frankreich ist freilich bald
darauf zur Besteuerung übergegangen (vorne E. 2.2.4), zumal Art. 199a
MwStSystRL seit dem 10. April 2010 wirksam ist und klar zum Ausdruck bringt,
dass es sich um einen steuerbaren Umsatz handelt, unabhängig davon, ob der
betreffende Mitgliedsstaat ein Reverse-Charge -Verfahren vorsieht.

2.3.2. Es fragt sich, ob die Praxisänderung der ESTV vom 1. Juli 2010, auf die
sie sich auch im vorliegenden Verfahren beruft, bundesrechtskonform sei. Hierzu
ist vorab festzuhalten, dass das Mehrwertsteuerrecht von 2009 auf die
Übertragung von Emissionsminderungszertifikaten nicht eingeht. Dies mag damit
zusammenhängen, dass das ursprüngliche CO2-G 1999, das bis zum 1. Januar 2013
in Kraft stand, noch keinerlei Ausführungen zu den
Emissionsminderungszertifikaten enthielt. Diese stellten eine Neuerung des
CO2-G 2011 dar (Botschaft Klimapolitik nach 2012, a.a.O., insb. 7435, 7459 zu
Ziff. 2.3.4, 7472 zu Ziff. 4.4.2 und 7490 zu Art. 5 E-CO2-G 2011). Das
Richtlinienrecht der Europäischen Union weist seinerseits erst seit dem 10.
April 2010 auf die Emissionsminderungszertifikate hin (vorne E. 2.2.6), wenn
auch nur am Rande. Zu diesem Zeitpunkt war das neue Mehrwertsteuergesetz
bereits anwendbar (1. Januar 2010; Art. 116 Abs. 2 MWSTG 2009).

2.3.3. Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Anordnungen im Bundesrecht ist
landesrechtlich von den allgemeinen Regeln auszugehen. Gemäss Art. 130 Abs. 1
BV und Art. 1 Abs. 1 MWSTG erhebt der Bund eine Mehrwertsteuer. Dabei handelt
es sich um eine allgemeine Verbrauchssteuer. Der objektiven
Mehrwertsteuerpflicht (Art. 1 Abs. 2 lit. a, Art. 10 ff. MWSTG) unterliegen an
sich alle im Inland durch den Unternehmensträger gegen Entgelt erbrachten
Leistungen (Art. 18 Abs. 1 MWSTG; BGE 142 II 488 E. 2.3.1 S. 492). Anders
verhält es sich nur, wenn das Gesetz eine echte Ausnahme (Befreiung des
Umsatzes mit Recht zum Vorsteuerabzug; Art. 23 Abs. 1 MWSTG) oder eine unechte
Ausnahme (Befreiung des Umsatzes ohne Recht zum Vorsteuerabzug; Art. 21 Abs. 1
MWSTG) vorsieht (Urteil 2C_1076/2015 vom 9. Dezember 2015 E. 4.1, in: ASA 85 S.
737). Im Fall der unechten Ausnahmen besteht an sich keine Möglichkeit der
leistungserbringenden Person, die ihr im Zusammenhang mit dieser Leistung
erwachsenen Vorsteuern abzuziehen (Art. 28 Abs. 1 e contrario und Art. 29 Abs.
1 Halbsatz 1 MWSTG 2009; BGE 132 II 353 E. 4.3 S. 358), es sei denn, für die
Versteuerung der ausgenommenen Leistung könne von Gesetzes wegen optiert werden
("Option im objektiven Sinn" gemäss Art. 22 MWSTG 2009; BGE 140 II 495 E. 2.2.2
S. 498) und die steuerpflichtige Person habe die Option tatsächlich ausgeübt. 

2.3.4. Die ESTV ist der Ansicht, die streitbetroffenen
Emissionsminderungszertifikate fielen unter Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e
MWSTG 2009. Bei diesem Tatbestand handelt es sich um eine unechte
Steuerausnahme, bei welcher die Option im objektiven Sinn von vornherein
ausgeschlossen ist (Art. 22 Abs. 2 lit. a MWSTG 2009). Folgt man der ESTV,
hiesse dies, dass die Steuerpflichtige die streitbetroffenen Leistungen zwar
nicht zu versteuern hat, folgerichtig aber auch keinen Vorsteuerabzug vornehmen
kann. Geht man hingegen mit der Vorinstanz davon aus, dass eine steuerbare
Leistung vorliegt, stünde der Steuerpflichtigen der Vorsteuerabzug
grundsätzlich offen, wobei sie die Leistungen, die im Ausland verbraucht
werden, aufgrund des Bestimmungslandprinzips nicht zu versteuern hat (Art. 8
Abs. 1 in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 MWSTG 2009; Urteil 2C_207/2013 vom 28.
April 2014 E. 2.3.1 und 3.2.3, in: ASA 83 S. 49).

2.3.5. Die fehlende Möglichkeit des Vorsteuerabzugs zieht zwangsläufig eine
Schattensteuerbelastung ("taxe occulte") nach sich (dazu schon BGE 123 II 295
E. 5b S. 302; 132 II 353 E. 8.4 S. 367; zum geltenden Recht: BGE 141 II 199 E.
4.2 S. 203). Eine solche widerspricht der im System der Netto-Allphasensteuer
mit Vorsteuerabzug herrschenden Erhebungskonzeption (Art. 1 Abs. 1 Satz 1
MWSTG; BGE 144 II 412 E. 2.1 S. 416; 142 II 488 E. 2.2.2 S. 492). Im Vergleich
zu den Anbietern in der Europäischen Union, welche dieselbe Leistung anbieten,
aber den Vorsteuerabzug vornehmen können, was entweder eine höhere
Bruttogewinnmarge oder einen niedrigeren Preis erlaubt, ergibt sich für die
schweizerischen Marktteilnehmer ein Wettbewerbsnachteil. Dieser ist nur
hinzunehmen, soweit das Gesetz einen solchen ausdrücklich in Kauf nimmt. Im
Sinne eines blossen Erhebungsgrundsatzes (zum vorrevidierten Recht: BGE 124 II
193 E. 8a S. 211) schreibt zudem Art. 1 Abs. 3 lit. a MWSTG 2009 die
Wettbewerbsneutralität vor. In der Rechtsanwendung äussern die
Erhebungskonzeption und die Wettbewerbsneutralität sich namentlich darin, dass
eine eher weite Auslegung des Tatbestandes der steuerbaren Leistung am Platz
ist (BGE 142 II 488 E. 2.3.1 S. 492; 141 II 199 E. 4.1 S. 202). Spiegelbildlich
sind Steuerausnahmen, soweit bei der Auslegung ein Beurteilungsspielraum
verbleibt, eher eng auszulegen, da sie unter teleologischen und systematischen
Gesichtspunkten bei einer allgemeinen Verbrauchsteuer wie der Mehrwertsteuer
ganz grundsätzlich problematisch sind (BGE 140 II 495 E. 2.3.4 S. 500; 138 II
251 E. 2.3.3 S. 255).

2.3.6. Gemäss Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG 2009 sind von der Steuer
ausgenommen die "Umsätze von Wertpapieren, Wertrechten und Derivaten sowie von
Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen". Entstehungsgeschichtlich
fällt auf, dass die Wendung "Wertpapiere, Wertrechte und Derivate" ("les
papiers-valeurs, les droits-valeurs et les dérivés"; "cartevalori,
diritti-valore e derivati") keine Neuschöpfung des Rechts von 2009 darstellt.
Sie findet sich ebenso bereits in Art. 14 Ziff. 15 lit. e der Verordnung vom
22. Juni 1994 über die Mehrwertsteuer (MWSTV 1994; AS 1994 1464) und Art. 18
Ziff. 19 lit. e des Bundesgesetzes vom 2. September 1999 über die
Mehrwertsteuer (MWSTG 1999; AS 2000 1300).

2.3.7. Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG 2009 lehnt sich inhaltlich an das
Richtlinienrecht der Europäischen Union an (Kommentar des Eidgenössischen
Finanzdepartements vom 22. Juni 1994 zur MWSTV 1994 [nachfolgend: Kommentar
EFD], BBl 1994 III 530, insb. S. 545 zu Art. 14 Ziff. 15 MWSTV 1994; Urteile
2C_299/2009 vom 28. Juni 2010 E. 3.1, in: ASA 79 S. 563, RDAF 2010 II S. 494;
2C_686/2007 vom 19. Mai 2008 E. 2.3.3). Im Unterschied dazu ist in Art. 135
Abs. 1 lit. f MwStSystRL, der Parallelbestimmung des Richtlinienrechts,
allerdings nur von "Wertpapieren" die Rede. Die hier interessierenden
"Wertrechte" finden keine Erwähnung. Dasselbe ergibt sich aus § 4 Nr. 8 lit. e
UStG/DE ("... die Umsätze im Geschäft mit Wertpapieren und die Vermittlung
dieser Umsätze, ausgenommen die Verwahrung und die Verwaltung von
Wertpapieren...") und Art. 261C Abs. 1 lit. e CGI/FR ("Les opérations, autres
que celles de garde et de gestion portant sur les actions, les parts de
sociétés ou d'associations, les obligations et les autres titres...").

2.3.8. Es fragt sich, welche Bedeutung dem Begriff "Wertrecht" im
mehrwertsteuerlichen Zusammenhang zukommt. Aus dem Mehrwertsteuerrecht heraus
ergeben sich keine Anhaltspunkte. Auf Verordnungsstufe ist der Begriff
"Wertpapier" anzutreffen, nicht aber jener des "Wertrechts" (Art. 66 lit. d und
Art. 134 lit. c der Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 [MWSTV 2009;
SR 641.201]). Die rechtliche Regelung der Wertrechte in anderen Erlassen ist zu
berücksichtigen, zumal die Einheit der Rechtsordnung im Abgaberecht besonders
wünschbar ist (BGE 144 II 273 E. 2.2.7 S. 278; 143 II 8 E. 7.3 S. 23 f.; 143 II
685 E. 4.2.1 S. 690). Ins Obligationenrecht hat der Begriff des Wertrechts erst
am 1. Januar 2010 (Art. 973c OR) Eingang gefunden.

Der Rechtsbegriff wurde in Art. 2 lit. a des Bundesgesetzes vom 24. März 1995
über die Börsen und den Effektenhandel (BEHG; SR 954.1) verwendet, und zwar in
der vom 1. Februar 1997 bis zum 1. Januar 2016 geltenden Fassung (AS 1997
2044). Danach setzte der Oberbegriff der "Effekten" sich zusammen aus den
"vereinheitlichten und zum massenweisen Handel geeigneten Wertpapieren, nicht
verurkundeten Rechten mit gleicher Funktion (Wertrechte) und Derivaten". Der
Bundesrat begründete die Notwendigkeit des BEHG unter anderem damit, dass der
"internationale Trend zur Entmaterialisierung der Beteiligungsrechte und die
Abkehr von eigentlichen Schuldurkunden (...) im Verkehr mit blossen Wertrechten
eine gewisse Rechtsunsicherheit mit einem entsprechenden Handlungsbedarf für
das schweizerische Recht geschaffen" habe (Botschaft vom 24. Februar 1993 zu
einem Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel, BBl 1993 I 1369,
insb. Ziff. 112 S. 1374). Eine nähere Definition blieb aus.

Art. 2 lit. a BEHG ist mittlerweile aufgehoben worden, nachdem das Bundesgesetz
vom 3. Oktober 2008 über Bucheffekten (BEG; SR 957.1) gewisse Funktionen des
BEHG übernommen hat. Gemäss Art. 5 lit. g BEG gelten als Wertrechte die "Rechte
im Sinne von Art. 973c OR", wobei Art. 973c OR nur die "Eckpunkte des
rechtlichen Regimes, dem Wertrechte unterworfen sind", umreissen soll
(Botschaft vom 15. November 2006 zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager
Wertpapierübereinkommen [nachfolgend: Botschaft BEG], BBl 2006 9315, insb. 9393
zu E-Art. 973c OR). An anderer Stelle führt der Bundesrat immerhin folgendes
aus (Ziff. 1.2.4 S. 9328) :

"Mit Erlass des BEHG fand das Konzept der Wertrechte gesetzliche Verankerung.
Artikel 2 Bst. a BEHG definiert Wertrechte als nicht verurkundete Rechte mit
gleicher Funktion wie vereinheitlichte und zum massenweisen Handel geeignete
Wertpapiere. Allerdings weist diese Legaldefinition keinen materiellen Gehalt
auf; insbesondere sagt sie nicht, wann nicht verurkundete Rechte die gleiche
Funktion aufweisen wie Wertpapiere. Bei den Wertrechten ist die Loslösung des
Rechts von der Urkunde vollständig verwirklicht. Sie haben nach in der Schweiz
herrschender Lehre keinen dinglichen Charakter mehr, sondern stellen rein
obligatorische Rechte dar. Daraus wird abgeleitet, dass sie nach
zessionsrechtlichen Grundsätzen (Art. 164 ff. OR) übertragen und nach den
Vorschriften über die Forderungsverpfändung (Art. 899 f. ZGB) verpfändet
werden. Das heisst insbesondere, dass für die Abtretung ein schriftlicher
Abtretungsvertrag (Art. 165 Abs. 1 OR) und für die Verpfändung ein
schriftlicher Pfandvertrag (Art. 900 Abs. 1 ZGB) erforderlich ist."

2.3.9. Wertrechte sind entmaterialisiert. Im Unterschied zu den Wertpapieren
geht ihnen das körperliche Element ab. Im Übrigen haben die Werterechte
dieselbe Funktion wie Wertpapiere (Art. 973c Abs. 1 OR). Aufgrund der
Entmaterialisierung ergibt sich die Zuordnung der Rechtszuständigkeit nicht aus
dem Besitz der Urkunde, sondern aus den Büchern des Schuldners. Dieser ist
verpflichtet, über die von ihm ausgegebenen Wertrechte ein Buch zu führen, in
das die Anzahl und die Stückelung der ausgegebenen Wertrechte sowie die
Gläubiger einzutragen sind. Als Buch gilt insbesondere auch die Buchhaltung des
Schuldners, soweit daraus die geforderten Angaben hervorgehen (Art. 973c Abs. 2
OR). Das Wertrecht entsteht mit der Eintragung in das Buch und besteht nach
Massgabe dieser Eintragung (Art. 973c Abs. 3 OR). Es ist zedierbar und
verpfändbar (Art. 973c Abs. 4 OR; Botschaft BEG, a.a.O., S. 9393 f. zu E-Art.
973c OR).

2.4.

2.4.1. Die ESTV vertritt entgegen der Vorinstanz die Auffassung, die
streitbetroffenen Emissionsminderungszertifikate der Typen CER und VER
(Sachverhalt, lit. A) fielen unter die Wertrechte. Gegen eine Unterstellung der
genannten Emissionsminderungszertifikate unter Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e
MWSTG 2009 spricht zunächst, dass diese Steuerausnahme, die wie alle übrigen
Ausnahmetatbestände eher eng auszulegen ist (vorne E. 2.3.5), ihrem Charakter
nach auf den Bereich der Banken zugeschnitten ist. Dies darf im schweizerischen
Mehrwertsteuerrecht als unbestritten bezeichnet werden. Als der Bundesrat
erstmals vertieft an die Einführung einer Mehrwertsteuer dachte, erklärte er,
unter die "nicht besteuerten Leistungen" fielen auch die "Dienstleistungen im
Bankwesen" (Botschaft vom 24. März 1976 über die verfassungsmässige Neuordnung
des Finanz- und Steuerrechts des Bundes, BBl 1976 I 1384, insb. S. 1424 zu
Ziff. 664 lit. e).

2.4.2. Auch wenn es noch bis ins Jahr 1993 dauerte (BBl 1994 I 460), bis die
Schaffung einer Verfassungsgrundlage gelang, blieb es dabei, dass die
Steuerausnahme auf Bankdienstleistungen beschränkt bleiben sollte. So
erläuterte das Eidgenössische Finanzdepartement den Art. 14 Ziff. 15 MWSTV 1994
dahingehend, dass es - "entsprechend den Regelungen, welche auch die
Mitgliedstaaten der EU kennen" - grundsätzlich um die klassischen
Banktransaktionen gehe (Kommentar EFD, a.a.O., insb. S. 545 zu Art. 14 Ziff. 15
MWSTV 1994). Von derselben Überlegung liessen sich die Eidgenössischen Räte bei
Ausarbeitung des MWSTG 1999 leiten. Wiederum findet sich die Bezugnahme auf die
Europäische Union, die "klassischen Bankdienstleistungen" und zusätzlich der
Hinweis darauf, dass die Emission von und der Handel mit Wertpapieren "bereits
im Rahmen der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 27. Juni 1973 über die
Stempelabgaben steuerlich erfasst werden" (Bericht der Kommission für
Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates zur parlamentarischen Initiative
Dettling, BBl 1996 V 713, insb. S. 750 zu Art. 17 Ziff. 16 E-MWSTG 1999).

2.4.3. In der Schweiz, die das Emissionshandelssystem (EHS) in Art. 15 ff.
CO2-G 2011 regelt (vorne E. 2.2.3), besteht aufgrund des geringen Marktvolumens
kein Börsenhandel mit Emissionsrechten. Der Handel erfolgt deshalb
ausschliesslich bilateral zwischen den wenigen Anlagenbetreibern und etwaigen
Zwischenhändlern (Botschaft vom 1. Dezember 2017 zur Genehmigung des Abkommens
zwischen der Schweiz und der Europäischen Union zur Verknüpfung der
Emissionshandelssysteme und über seine Umsetzung, BBl 2018 411, insb. 416 zu
Ziff. 1.1). Demgegenüber können Emissionsrechte aus der Europäischen Union an
verschiedenen Börsen und bilateral gehandelt werden (417 zu Ziff. 1.1).
Aufgrund der beschlossenen, aber noch dem Referendum unterliegenden Verknüpfung
des schweizerischen EHS und jenes der Europäischen Union könnten auch
inländische Emissionsminderungszertifikate börslich gehandelt werden, wobei es
dabei nicht um Börsenverkehr im Sinne von Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG
2009 geht.

2.4.4. Zur Emission von und dem Handel mit Wertpapieren hielt das
Eidgenössische Finanzdepartement nach dem Gesagten schon bei Einführung der
MWSTV 1994 fest, dass "derartige Geschäfte bereits im Rahmen der Bestimmungen
des Bundesgesetzes vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben steuerlich erfasst
würden", weshalb die Erhebung der Mehrwertsteuer "in diesem Bereich ebensowenig
zweckmässig [wäre] wie bei den Versicherungsleistungen" (Kommentar EFD, a.a.O.,
S. 545 f. zu Art. 14 Ziff. 15 MWSTV 1994; siehe auch S. 545 zu Art. 14 Ziff. 14
MWSTV 1994). Dies spricht dafür, dass auch nach geltendem Recht die "Umsätze
(Kassa- und Termingeschäfte), einschliesslich Vermittlung von Wertpapieren,
Wertrechten und Derivaten", von welchen Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG
2009 spricht, auf jenen Handel beschränkt ist, der zur Umsatzabgabe nach Art.
13 ff. des Bundesgesetzes vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben (StG; SR
641.10) führt. Dies entspräche dem Gebot der Einheit der Rechtsordnung, die im
Abgaberecht besonders wünschbar ist (vorne E. 2.3.8). Abgabeobjekt der
Umsatzabgabe ist der Umsatz mit inländischen und ausländischen Obligationen,
Aktien, Anteilscheinen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung und von
Genossenschaften, Partizipationsscheinen, Genussscheinen, Anteilscheinen von
Anlagefonds sowie Papieren, die das StG den genannten Urkunden gleichstellt
(Art. 1 Abs. 1 lit. b StG). Emissionsminderungszertifikate gemäss Art. 2 Abs. 4
CO2-G 2011 fallen nicht unter die in Art. 1 Abs. 1 lit. b StG abschliessend
genannten Urkunden und sind diesen auch nicht gleichgestellt. Es besteht keine
Gefahr der doppelten Belastung mit Umsatzabgabe und Mehrwertsteuer (vorne E.
2.4.2).

2.4.5. Die ESTV zieht ferner die Parallele zwischen Wertpapieren und
Wertrechten. Abgesehen davon, dass es bei Umsätzen mit
Emissionsminderungszertifikaten aus den eben dargelegten Gründen ohnehin zu
keiner verpönten doppelten Belastung mit Umsatzabgabe und Mehrwertsteuer kommen
kann, lässt sich nicht mit Recht sagen, die hier streitbetroffenen
Emissionsminderungszertifikate fielen unter die Wertrechte. Damit den
Emissionsminderungszertifikaten der Charakter eines Wertrechts beigemessen
werden könnte, müsste der Bund, der das Emissionshandelsregister führt,
zunächst die Zertifikate ausgeben. Mit der konstitutiven Aufnahme der
Zertifikate in das Buch (Art. 973c Abs. 2 und 3 OR) müsste er anerkennen, dass
er als Schuldner dem Inhaber des Emissionsminderungszertifikats als Gläubiger
etwas schuldet. Wie zu zeigen ist, fehlt es in verschiedenerlei Hinsicht an
diesen Voraussetzungen:

- Das Emissionsminderungszertifikat wird nicht vom Bund ausgegeben, sondern von
einem Projektanten erstellt und von einer akkreditierten Prüfstelle validiert.
Es verkörpert keine Forderung des Inhabers gegen den Bund. Als solche Forderung
käme einzig die Rückerstattung der CO2-Abgabe in Betracht, eine andere Leistung
ist nicht ersichtlich.

- Die Befreiung von bzw. Rückerstattung der CO2-Abgabe erfolgt nach binärer
Codierung (Ja oder Nein), wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Diese
Voraussetzungen können zum Teil mit der Abgabe von Zertifikaten erfüllt werden.
Das Emissionsminderungszertifikat verkörpert also keine bestimmte
Forderungssumme in dem Sinn, dass der Bund gegen Abgabe eines Zertifikats mit
dem Betrag Fr. x die CO2-Abgabe im Umfang von Fr. x zurückerstattet.

- Das Emissionsminderungszertifikat bestätigt vielmehr, dass irgendwo im
Ausland gewisse Emissionsreduktionen stattgefunden haben und ermächtigt den
Inhaber unter bestimmten Voraussetzungen, diese an seine
Reduktionsverpflichtungen anzurechnen; es kann damit dazu beitragen, dass die
Voraussetzungen für eine Befreiung/Rückerstattung der CO2-Abgabe erfüllt sind.

- Wird ein erforderliches Emissionsminderungszertifikat nicht abgegeben,
erfolgt aber keine entsprechende Belastung mit der CO2-Abgabe, sondern es wird
in diesem Umfang eine finanzielle Sanktion auferlegt, die zwischen Fr. 125.--
und Fr. 160.-- pro Tonne beträgt (Art. 21, 28 und 32 CO2-G 2011). Oder
umgekehrt: Wird das Zertifikat abgegeben, so muss im entsprechenden Umfang
keine Sanktion bezahlt werden. Insofern ist das Zertifikat zwar, abstrakt
gesehen, äquivalent zu einer bestimmten Einheit CO2 bzw. im Ergebnis auch
äquivalent zum Betrag, der als Sanktion zu bezahlen ist, wenn die
erforderlichen Zertifikate nicht abgegeben werden. Aber es verkörpert, wie
dargelegt, keine Forderung des Inhabers gegenüber dem Bund. Zudem ist dieser
Sanktionsbetrag nicht fix, sondern er variiert zwischen Fr. 125.-- und Fr.
160.-- pro Tonne.

- Schliesslich hat das Zertifikat nicht für jedermann einen Wert, sondern nur
für diejenigen Unternehmen, die Reduktionsverpflichtungen mit
Emissionsminderungszertifikaten abgelten können. Es hängt dabei von
individuellen Gegebenheiten des betreffenden Unternehmens ab, ob und wie weit
Zertifikate an die Emissionsminderungsverpflichtungen angerechnet werden können
(Art. 48 f., 55a und Art. 75 CO2-V 2012). Diese Anrechnungsmöglichkeiten sind
sehr beschränkt.

Zusammenfassend kann nicht gesagt werden, das Zertifikat berechtige den
jeweiligen Inhaber per se, eine bestimmte Menge Emissionsreduktionen
anzurechnen (und damit einen bestimmten Sanktionsbetrag einzusparen); dies ist
erst bei erfüllten individuellen Gegebenheiten der Fall. Diese Konzeption
widerspricht dem Wesen eines Wertpapiers (bzw. eines Wertrechts als
entmaterialisierte Form des Wertpapiers), wonach dem jeweiligen Inhaber eine
bestimmte Forderung gegenüber dem Schuldner zusteht, die von keinen
individuellen Umständen abhängt.

2.4.6. Bei aller im Abgaberecht wünschbaren Einheit der Rechtsordnung (vorne E.
2.3.8) ist mithin für mehrwertsteuerliche Zwecke eine Unterstellung der
Emissionsminderungszertifikate unter Art. 973c OR nicht sachgerecht und daher
ausgeschlossen. Emissionsminderungszertifikate werden von den "Wertrechten"
gemäss Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG 2009 nicht erfasst. Sie sind mit
den klassischen handelsrechtlichen "Wertpapieren, Wertrechten und Derivaten"
nicht vergleichbar, weshalb deren Übertragung als steuerbare Dienstleistung zu
qualifizieren ist. Diese Qualifikation entspricht der Rechtslage, wie sie im
Bereich des mehrwertsteuerlichen Richtlinienrechts der Europäischen Union
herrscht. Es kann nicht davon gesprochen werden, das inländische
Mehrwertsteuerrecht wolle bewusst von der Regelung der EU abweichen und einen
eigenständigen Weg beschreiten (vorne E. 2.2.5).

2.5. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen.

2.6.

2.6.1. Nach dem Unterliegerprinzip (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG) sind die Kosten
des bundesgerichtlichen Verfahrens der ESTV aufzuerlegen.

2.6.2. Die ESTV hat der Steuerpflichtigen, die sich durch eine
Beratungsgesellschaft vertreten lässt, eine angemessene Parteientschädigung
auszurichten (Art. 68 Abs. 1 BGG in Verbindung mit Art. 9 des Reglements des
Bundesgerichts vom 31. März 2006 über die Parteientschädigung und die
Entschädigung für die amtliche Vertretung im Verfahren vor dem Bundesgericht
[SR 173.110.210.3]).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 6'000.-- sind der
Eidgenössischen Steuerverwaltung aufzuerlegen.

3.

Die Eidgenössische Steuerverwaltung hat der Beschwerdegegnerin für das
bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- zu
bezahlen.

4.

Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht,
Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. April 2019

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Kocher