Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.483/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
2C_483/2017  
 
 
Urteil vom 6. Februar 2018  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Gerichtsschreiberin Petry. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.A.________, 
2. B.A.________, 
3. C.A.________, vertreten durch die Eltern, A.A.________ und B.A.________, 
4. D.A.________, vertreten durch die Eltern, A.A.________ und B.A.________, 
Beschwerdeführer, 
alle vier vertreten durch Rechtsanwältin Simona Flaminia Liechti, 
 
gegen  
 
Einwohnergemeinde Thun, Abteilung Sicherheit, Migrationsdienst,
Hofstettenstrasse 14, 3602 Thun, 
 
Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern, Kramgasse 20, 3011 Bern. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Wegweisung infolge falscher Angaben/
Verschweigens wesentlicher Tatsachen, 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 19. April 2017 (100.2016.312U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.A.________ (geb. 1977) ist türkischer Staatsbürger. Vom 25. Oktober 2001
bis 19. November 2002 war er in der Türkei mit der Landsfrau E.A.________
verheiratet. Während dieser Ehe führte er mit der Schwester der Ehefrau,
B.A.________ (geb. 1979), eine aussereheliche Beziehung, aus welcher der
gemeinsame Sohn F.________ (geb. 2003) hervorging.  
 
A.b. Am 26. November 2002 heiratete A.A.________ die in der Schweiz
niedergelassene türkische Staatsangehörige G.G._______ (geb. 1977). Gestützt
auf diese Ehe erhielt er eine Aufenthaltsbewilligung. Am 12. Juni 2008 wurde
A.A.________ die Niederlassungsbewilligung erteilt. Während der Ehe mit
A.A.________ gebar G.G._______ zwei Kinder (im Jahr 2005 bzw. 2006), deren
leiblicher Vater ihr früherer Ehemann H.G.________ ist. Die Ehe von
A.A.________ und G.G._______ wurde am 1. Dezember 2008 geschieden.  
 
A.c. Am 4. August 2003 heiratete B.A.________ den in der Schweiz
niedergelassenen türkischen Staatsangehörigen H.G.________ (Ex-Ehemann von
G.G._______). Gestützt auf diese Ehe erhielt sie eine Aufenthaltsbewilligung.
Am 11. März 2009 wurde ihr die Niederlassungsbewilligung erteilt. Die Ehe von
B.A.________ und H.G.________ wurde am 13. April 2009 geschieden.  
 
A.d. Am 25. November 2009 gebar B.A.________ eine Tochter, C.A.________, deren
Vaterschaft von A.A.________ anerkannt wurde. B.A.________ und A.A.________
heirateten am 23. Februar 2011. Am 9. August 2012 wurde ihr drittes gemeinsames
Kind, D.A.________, geboren. In der Folge ersuchten sie für ihren Sohn
F.________, den sie den Behörden bislang verschwiegen hatten, um Erteilung
eines Visums für den langfristigen Aufenthalt in der Schweiz.  
 
B.  
Mit Verfügung vom 22. Februar 2016 widerrief die Einwohnergemeinde Thun
(hiernach: Migrationsamt) die Niederlassungsbewilligungen von A.A.________,
B.A.________ sowie der gemeinsamen Töchter C.A.________ und D.A.________ wegen
Rechtsmissbrauchs und wies sie aus der Schweiz weg. Der Visumsantrag für den
Sohn F.________ wurde bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Entscheids in der
Sache sistiert. Eine dagegen gerichtete Beschwerde bei der Polizei- und
Militärdirektion des Kantons Bern blieb erfolglos (Entscheid vom 21. September
2016). Mit Urteil vom 19. April 2017 wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Bern die dagegen erhobene Beschwerde ebenfalls ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 23. Mai 2017
beantragen A.A.________ und B.A.________ sowie ihre Töchter C.A.________ und
D.A.________ die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils. Der Widerruf der
Niederlassungsbewilligungen sei für alle Beschwerdeführer aufzuheben. Zudem sei
ihnen für das vorinstanzliche Verfahren sowie vor Bundesgericht die
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren. 
Während das Staatssekretariat für Migration auf Vernehmlassung verzichtet,
beantragen sämtliche Vorinstanzen die Abweisung der Beschwerde. 
Mit Verfügung vom 29. Mai 2017 wurde der Beschwerde antragsgemäss aufschiebende
Wirkung zuerkannt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Gegen den Widerruf der Niederlassungsbewilligung ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig, weil grundsätzlich ein
Anspruch auf den Fortbestand der Niederlassungsbewilligung gegeben ist (Art. 83
lit. c Ziff. 2 BGG e contrario; BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4). Die Beschwerde
wurde unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG i.V.m. Art.
46 Abs. 1 lit. a BGG) und Form (Art. 42 BGG) eingereicht und die
Beschwerdeführer sind zur Erhebung des Rechtsmittels legitimiert (Art. 89 Abs.
1 BGG). Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist
einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG
), prüft jedoch unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und
Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) nur die geltend gemachten
Vorbringen, sofern rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE
142 I 135 E. 1.5 S. 144). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den
die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann deren
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn
sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich, ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die
beschwerdeführende Partei kann die Feststellung des Sachverhalts unter den
gleichen Voraussetzungen beanstanden, wenn die Behebung des Mangels für den
Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG).  
 
2.2. Zur Sachverhaltsfeststellung gehört auch die auf Indizien gestützte
Beweiswürdigung. Die Sachverhaltsfeststellung bzw. Beweiswürdigung erweist sich
als willkürlich im Sinne von Art. 9 BV, wenn das Gericht Sinn und Tragweite
eines Beweismittels offensichtlich verkannt hat, wenn es ohne sachlichen Grund
ein wichtiges und entscheidwesentliches Beweismittel unberücksichtigt gelassen
oder wenn es auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen unhaltbare
Schlussfolgerungen gezogen hat (BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 265 f.; Urteil 2C_310
/2014 vom 25. November 2014 E. 1.2). Eine entsprechende Rüge ist substanziiert
vorzubringen; auf rein appellatorische Kritik an der Sachverhaltsfeststellung
bzw. Beweiswürdigung geht das Bundesgericht nicht ein (BGE 139 II 404 E. 10.1
S. 444 f.).  
 
3.  
Die Beschwerdeführer rügen zunächst eine "schwerwiegende" Verletzung ihres
Anspruchs auf rechtliches Gehör. Das Verwaltungsgericht habe sich nur
ungenügend mit ihren Vorbringen auseinandergesetzt. 
Wesentlicher Bestandteil des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist die
Begründungspflicht. Diese soll verhindern, dass sich die Behörde von
unsachlichen Motiven leiten lässt, und den Betroffenen ermöglichen, die
Verfügung gegebenenfalls sachgerecht anzufechten. Dies ist nur möglich, wenn
sowohl sie als auch die Rechtsmittelinstanz sich über die Tragweite des
Entscheides ein Bild machen können. In diesem Sinn müssen wenigstens kurz die
Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und
auf welche sich ihr Entscheid stützt. Dies bedeutet indessen nicht, dass sie
sich ausdrücklich mit jeder tatbeständlichen Behauptung und jedem rechtlichen
Einwand auseinandersetzen muss. Vielmehr kann sie sich auf die für den
Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken (vgl. BGE 138 I 232 E. 5.1 S.
237 mit Hinweisen). 
Inwiefern der angefochtene Entscheid ungenügend begründet sein sollte, ist
nicht ersichtlich. Es ergibt sich daraus mit genügender Klarheit, weshalb die
Vorinstanz einen Widerrufsgrund als gegeben erachtete und den Entscheid des
Migrationsamtes schützte. Das Verwaltungsgericht hat zahlreiche Indizien
aufgeführt, die seiner Auffassung nach auf Ausländerrechtsehen hinweisen
(Chronologie der Ereignisse, Ehen übers Kreuz, Verschweigen des gemeinsamen
Sohnes, etc.). Die Beschwerdeführer haben somit ohne Weiteres erfassen können,
welche Überlegungen das Verwaltungsgericht geleitet haben. Dass sie diese nicht
teilen, belegt in keiner Weise eine ungenügende Begründung. Die
Beschwerdeführer vermochten das verwaltungsgerichtliche Urteil denn auch
durchaus sachgerecht anzufechten. Damit erweist sich die Rüge der Verletzung
des rechtlichen Gehörs als unbegründet. 
 
4.  
 
4.1. Nach Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 Abs. 1 lit. a AuG kann die
Niederlassungsbewilligung einer Person, die sich seit weniger als fünfzehn
Jahren in der Schweiz aufhält, widerrufen werden, wenn sie oder ihr Vertreter
im Bewilligungsverfahren falsche Angaben macht oder wesentliche Tatsachen
verschwiegen hat. Die falsche Angabe oder das Verschweigen wesentlicher
Tatsachen muss in der Absicht erfolgen, gestützt darauf den Aufenthalt oder die
Niederlassung bewilligt zu erhalten (vgl. BGE 142 II 265 E. 3.1 S. 265 f.).  
 
4.2. Falsche Angaben im Sinne der genannten Bestimmungen liegen unter anderem
vor, wenn die Migrationsbehörde über den fehlenden Willen zur Aufnahme einer
tatsächlichen ehelichen Lebensgemeinschaft getäuscht wird (Schein- oder
Ausländerrechtsehe; vgl. BGE 135 II 1 E. 4.2 S. 9 f.). Ob eine Scheinehe
geschlossen wurde bzw. ob die Ehe bloss formell besteht, entzieht sich in der
Regel dem direkten Beweis und ist nur durch Indizien zu erstellen (BGE 127 II
49 E. 5a S. 57). Zu diesen Indizien gehören unter anderem folgende Umstände:
Die Tatsache, dass die nachzuziehende Person ohne Heirat keine
Aufenthaltsbewilligung erlangen kann; die Umstände des Kennenlernens und der
Beziehung, so etwa eine kurze Bekanntschaft vor der Heirat oder geringe
Kenntnisse eines Ehegatten über den anderen (vgl. BGE 128 II 145 E. 3.1 S.
152). Auch die Zeugung eines Kindes mit einem anderen Partner als dem Ehegatten
stellt ein Indiz für eine Scheinehe dar, desgleichen das Führen einer zur Ehe
parallel verlaufenden Beziehung im Herkunftsland (vgl. Urteil 2C_998/2016 vom
10. Mai 2017 E. 3.4). Eine Scheinehe liegt umgekehrt nicht bereits dann vor,
wenn auch ausländerrechtliche Motive den Eheschluss beeinflusst haben.
Erforderlich ist, dass der Wille zur Führung der Lebensgemeinschaft im Sinne
einer auf Dauer angelegten wirtschaftlichen, körperlichen und spirituellen
Verbindung zumindest bei einem der Ehepartner fehlt (vgl. BGE 121 II 97 E. 3b
S. 102). Grundsätzlich muss die Migrationsbehörde die Ausländerrechtsehe
nachweisen. Dass eine solche vorliegt, darf dabei nicht leichthin angenommen
werden (vgl. BGE 128 II 145 E. 2.2 S. 151). Die Behörden müssen den Sachverhalt
von Amtes wegen möglichst zuverlässig abklären; indessen wird der
Untersuchungsgrundsatz durch die Mitwirkungspflicht der Parteien relativiert
(vgl. Art. 90 AuG). Diese kommt naturgemäss bei Tatsachen zum Tragen, die eine
Partei besser kennt als die Behörden und die ohne ihre Mitwirkung gar nicht
oder nicht mit vernünftigem Aufwand erhoben werden können (vgl. BGE 138 II 465
E. 8.6.4 S. 496 f.). Das gilt insbesondere, wenn bereits gewichtige Hinweise
für eine Ausländerrechtsehe sprechen; dann wird von den Eheleuten erwartet,
dass sie von sich aus Umstände vorbringen und belegen, um den echten Ehewillen
glaubhaft zu machen (Urteil 2C_279/2017 vom 25. September 2017 E. 3.1).  
 
4.3. Indizien dafür, dass die Beschwerdeführer 1 und 2 ihre jeweiligen Ehen mit
G.G._______ bzw. H.G.________ nur aus ausländerrechtlichen Überlegungen
eingegangen sind, ergeben sich im Wesentlichen aus den folgenden, durch die
Vorinstanz für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich festgestellten
Tatsachen:  
 
4.3.1. Weder der Beschwerdeführer 1 noch die Beschwerdeführerin 2 hatten vor
ihrer jeweiligen Eheschliessung ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz. Ohne
Heirat mit einer hier anwesenheitsberechtigten Person hätten sie keine
Aufenthaltsbewilligung erlangen können.  
 
4.3.2. Die Beschwerdeführer 1 und 2 hatten bereits vor der Eheschliessung mit
G.G._______ bzw. H.G.________ eine Beziehung, aus welcher der gemeinsame Sohn
F.________ hervorging. Dessen Existenz haben die Beschwerdeführer den Behörden
selbst auf konkrete Nachfrage hin verschwiegen. Erst Ende 2013 hat das
Migrationsamt davon erfahren.  
 
4.3.3. Relativ kurze Zeit nach der Heirat des Beschwerdeführers 1 mit
G.G._______ heiratete die Beschwerdeführerin 2 deren Ex-Ehemann H.G.________.  
 
4.3.4. Die während der betreffenden Ehen gezeugten Kinder stammen nicht vom
jeweiligen Ehepartner, sondern vom früheren Partner, was darauf schliessen
lässt, dass die früheren Beziehungen nie beendet wurden.  
 
4.3.5. Sowohl der Beschwerdeführer 1 als auch die Beschwerdeführerin 2 trennten
sich von ihren jeweiligen Ehepartnern kurze Zeit nach Erhalt der
Niederlassungsbewilligung. Weniger als ein Jahr nach den erfolgten Scheidungen
wurde ihr zweites gemeinsames Kind geboren.  
 
4.4. Wenn die Vorinstanz unter Würdigung der genannten Umstände zum Schluss
gelangt, dass die Beschwerdeführer 1 und 2 die Ehen mit G.G._______ bzw.
H.G.________ nur eingegangen seien, um in den Genuss von Aufenthalts- bzw.
Niederlassungsbewilligungen zu kommen, ist dies naheliegend und nicht zu
beanstanden.  
Die Beschwerdeführer wenden im Wesentlichen ein, die besagten Ehen seien auf
Druck der Verwandtschaft geschlossen worden, was nicht den Vorwurf einer
Scheinehe zulasse. Die jeweiligen Trennungen seien aufgrund der aufgeflogenen
Beziehung zwischen G.G._______ und H.G.________ erfolgt, was den ähnlichen
Zeitablauf erkläre. Das Verhalten von G.G._______ und H.G.________ könne den
Beschwerdeführern nicht negativ angelastet werden, denn nicht sie, sondern die
G.________ hätten eine aussereheliche Affäre gehabt. Schliesslich sei auch
nicht ersichtlich, inwiefern der gemeinsame Sohn F.________ ein Indiz für die
Scheinehen in der Schweiz sein sollte, sei doch die Beziehung zwischen dem
Beschwerdeführer 1 und der Beschwerdeführerin 2 bereits vor deren Einreise in
die Schweiz beendet gewesen. 
Diese Vorbringen sind nicht geeignet, die aus objektiver Sicht offenkundig
ungewöhnlichen Umstände im Zusammenhang mit den Eheschliessungen zu
relativieren (u.a. Ehen übers Kreuz in kurzem Abstand, aussereheliche Kinder,
rasche Trennung nach Erhalt der Niederlassungsbewilligung, Verschweigen des
gemeinsamen Sohnes). Die Vorinstanz hat sich auf gewichtige Anhaltspunkte
gestützt, die im Gesamtbild auf rechtsmissbräuchliche Eheschliessungen
hindeuten. Insbesondere der zeitliche Ablauf der Ereignisse lässt auf ein
planmässiges Vorgehen der Beschwerdeführer schliessen, welches bezweckte, in
der Schweiz ein Aufenthaltsrecht zu erlangen. Die Beschwerdeführer vermögen dem
nichts entgegenzusetzen, was die vorinstanzliche Einschätzung entkräften
könnte. In ihrer Argumentation beschränken sie sich weitgehend darauf, dem
Bundesgericht appellatorisch ihre eigene, abweichende Auffassung über die
Fakten- und Beweislage vorzutragen; sie legen aber nicht in einer den
Anforderungen von Art. 97 Abs. 1 BGG genügenden Weise dar, inwiefern die
Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz offensichtlich unrichtig wären bzw.
die Beweiswürdigung willkürlich sein sollte (vgl. E. 2.2 hiervor). Auf ihre
Ausführungen ist deshalb nicht weiter einzugehen. 
Unbehelflich ist sodann das Argument der Beschwerdeführer, der Widerruf sei
unzulässig, weil das Migrationsamt Anfang Februar 2014 die Kontrollfrist der
Niederlassungsbewilligungen der Beschwerdeführer trotz Kenntnis des gemeinsamen
Sohnes und der weiteren Indizien verlängert habe. Die Beschwerdeführer berufen
sich in diesem Zusammenhang auf das Urteil 2A.46/2002 vom 23. Mai 2002, in
welchem das Bundesgericht erwog, dass ein Widerruf der
Niederlassungsbewilligung nicht in Betracht falle, wenn diese in Kenntnis des
fragwürdigen Verhaltens des Betroffenen erteilt worden sei. Dies war jedoch
vorliegend nicht der Fall. Das Migrationsamt erhielt erst Ende 2013 im
Zusammenhang mit dem Einreisegesuch für F.________ Kenntnis vom gemeinsamen
Sohn der Beschwerdeführer 1 und 2 und konnte somit erst in der Folge weitere
Abklärungen vornehmen. Dass es im Zeitpunkt der Verlängerung der Kontrollfrist
noch nicht die notwendige Gewissheit über das Ausmass des Vorgehens hatte, kann
ihm in keiner Weise angelastet werden. Es steht ausser Zweifel, dass die
Beschwerdeführer 1 und 2 die Niederlassungsbewilligung nicht erhalten hätten,
wenn das Migrationsamt bei deren Erteilung über sämtliche Umstände im Bilde
gewesen wäre. 
 
4.5. Insgesamt ist deshalb nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz den
Widerrufsgrund von Art. 62 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 63 Abs. 1 lit. a AuG als
erfüllt betrachtete.  
 
4.6. Die minderjährigen Beschwerdeführerinnen 3 und 4 müssen sich das Verhalten
ihrer Eltern, die sie gesetzlich vertreten, anrechnen lassen, so dass auch für
sie ein Widerrufsgrund vorliegt. Das Migrationsamt hätte bei Kenntnis der
gesamten Umstände den Beschwerdeführern 1 und 2 die Niederlassungsbewilligung
nicht erteilt. Folglich wären auch die Beschwerdeführerinnen 3 und 4 nicht in
den Genuss einer Niederlassungsbewilligung gekommen (vgl. hierzu das Urteil
2C_359/2014 E. 4.4, insbesondere zur Weiterführung dieser unter dem
Bundesgesetz vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer
[ANAG; BS 1 121] entwickelten Praxis unter der Herrschaft des AuG).  
 
5.  
Streitig ist sodann die Verhältnismässigkeit des Widerrufs. 
 
5.1. Die Vorinstanz hat zur Verhältnismässigkeit erwogen, die Beschwerdeführer
1 und 2 lebten hier zwar seit rund 13 bzw. 14 Jahren, jedoch beruhten die
bewilligten Aufenthalte im Wesentlichen auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten.
Die Beschwerdeführer 1 und 2 seien mit den Verhältnissen in der Heimat nach wie
vor vertraut und es seien keine Gründe ersichtlich, welche eine Ausreise in ihr
Heimatland als unmöglich oder unzumutbar erscheinen lassen könnten. Der
Beschwerdeführer 1 sei wirtschaftlich integriert. Die Beschwerdeführer hätten
nie Sozialhilfe bezogen und seien schuldenfrei. Auch in sprachlicher Hinsicht
seien sie integriert. Indessen gingen diese Integrationsleistungen nicht über
das hinaus, was von ausländischen Personen mit einer Aufenthaltsdauer von rund
13 Jahren erwartet werden dürfe. Die beiden Töchter (im Zeitpunkt des
vorinstanzlichen Urteils sieben und vier Jahre alt) seien noch in einem
anpassungsfähigen Alter und könnten sich ohne grosse Anstrengungen in der
Türkei zurechtfinden. Dass die ältere Tochter inzwischen die Schule besuche,
ändere daran nichts.  
 
5.2. Die Beschwerdeführer machen geltend, ihre Bindung zur Türkei sei nicht
eng. Die politischen Umwälzungen der letzten Jahre hätten zur Folge, dass sie
immer weniger Bezug zu ihrer alten Heimat suchten und fänden. Eine
Wiedereingliederung sei in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht sehr
schwierig. Gerade Auslandstürken hätten es sehr schwer in der Türkei. Es sei
davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer 1 und 2 nach 14 Jahren Aufenthalt
in der Schweiz kaum mehr eine Arbeit erhalten könnten. Die
Beschwerdeführerinnen 3 und 4 seien in der Schweiz geboren und hätten keinen
konkreten Bezug zur Türkei.  
Dass der Beschwerdeführer 1 während der Zeit, als er sich auf eine
rechtsmissbräuchliche Ehe berief, wirtschaftlich integriert hat, erhält zu
seinen Gunsten nur geringes Gewicht und kann für sich allein nicht
ausschlaggebend sein, ebenso wenig der Umstand, dass die Beschwerdeführer hier
- wovon auch die Vorinstanz ausgeht - in üblichem Umfang integriert sind.
Anders wäre eine langjährige Aufenthaltsdauer zu werten, wenn die Behörden in
hinreichender Kenntnis aller Umstände trotzdem die Bewilligungen erteilt hätten
(vgl. zit. Urteil 2A.46/2002 vom 23. Mai 2002 E. 4); das trifft hier aber
gerade nicht zu. Die Beschwerdeführer 1 und 2 bestreiten zudem nicht, dass sie
mit den Verhältnissen in der Türkei nach wie vor vertraut sind. Spezifische
Gründe, die einer Rückkehr entgegenstehen würden, sind nicht dargetan. Der
blosse Umstand, dass die wirtschaftliche bzw. soziale Wiedereingliederung mit
Schwierigkeiten verbunden sein kann, lässt eine Rückkehr nicht unzumutbar
erscheinen. In Bezug auf die Beschwerdeführer 3 und 4 ist zu bemerken, dass
Minderjährige grundsätzlich den Inhabern der elterlichen Sorge oder Obhut zu
folgen haben; das ausländische unmündige Kind teilt deshalb schon aus
familienrechtlichen Gründen (vgl. Art. 301 Abs. 3 und Art. 301a ZGB)
grundsätzlich das ausländerrechtliche Schicksal des sorgeberechtigten
Elternteils und hat gegebenenfalls mit diesem das Land zu verlassen, wenn der
Elternteil keine Bewilligung (mehr) hat (BGE 139 II 393 E. 4.2.3 S. 400). Zudem
sind die Beschwerdeführerinnen 3 und 4 in einem anpassungsfähigen Alter und
haben ausserhalb der Familie in der Schweiz keinen wesentlichen eigenen Bezugs-
und Integrationsrahmen aufgebaut. 
 
5.3. Insgesamt erweist sich damit der Widerruf der Niederlassungsbewilligungen
als verhältnismässig.  
 
6.  
 
6.1. Die Beschwerdeführer machen schliesslich geltend, dass ihnen die
Vorinstanz die unentgeltliche Rechtspflege unter Beigabe eines Rechtsbeistands
antragsgemäss hätte erteilen müssen, da ihr Rechtsmittel nicht aussichtslos
gewesen sei.  
Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege hat eine Person, die nicht über die
erforderlichen Mittel verfügt und falls ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos
erscheint (Art. 29 Abs. 3 BV). Nicht aussichtslos sind Prozessbegehren, wenn
sich die Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder
jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob sich eine Partei,
die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, bei vernünftiger Überlegung
zu einem Prozess entschliessen würde (vgl. BGE 140 V E. 9.1 S. 537). 
Im vorliegenden Fall ist die Auffassung der Vorinstanz, wonach das Rechtsmittel
des Beschwerdeführers aussichtslos war, nicht zu beanstanden: Mit Blick auf die
tatsächlichen Umstände des vorliegenden Falls sowie unter Berücksichtigung der
Rechtsprechung im Zusammenhang mit dem Verschweigen von wesentlichen Tatsachen
waren die Erfolgsaussichten einer Beschwerde an die Vorinstanz deutlich kleiner
als das Risiko einer Abweisung. 
 
6.2. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet. Aus den in E. 6.1
genannten Gründen sowie in Anbetracht der Tatsache, dass sich die Rügen der
Beschwerdeführer weitgehend in appellatorischer Kritik an den Feststellungen
der Vorinstanz erschöpfen, ist auch das vor Bundesgericht gestellte Begehren um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wegen Aussichtslosigkeit
abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführer tragen die -
umständehalber reduzierten - bundesgerichtlichen Verfahrenskosten unter
solidarischer Haftung (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG), wobei die Beschwerdeführer 1
und 2 auch für den Kostenanteil der minderjährigen Beschwerdeführerinnen 3 und
4 aufzukommen haben.  
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden den Beschwerdeführern 1 und 2 unter
solidarischer Haftung auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, und dem Staatssekretariat für
Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 6. Februar 2018 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Petry 

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