Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.478/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

[displayimage]       
2C_478/2017            

 
 
 
Urteil vom 9. April 2018  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Zünd, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Bundesrichter Haag, 
Gerichtsschreiber Winiger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Maître Nicolas Capt, 
und dieser substituiert durch Rechtsanwalt 
Dr. Werner Ritter, 
 
gegen  
 
Universitätsrat der Universität St. Gallen. 
 
Gegenstand 
Ablehnung Dissertation, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 28. März 2017 
(B 2016/73). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Der in Deutschland wohnhafte A.________ ist seit dem Herbstsemester 2008
als Doktorand im Doktoratsprogramm für Betriebswirtschaftslehre der Universität
St. Gallen eingeschrieben. Nach erfolgreichem Abschluss der Kursphase gemäss
Art. 24 f. der damals geltenden Promotionsordnung vom 11. Dezember 2006 für das
Doktorat der Universität St. Gallen (im Folgenden: PromO; in Kraft gestanden
vom 1. August 2007 bis 1. August 2017) teilte ihm Prof. Dr. B.________ (als
Referent) mit E-Mail vom 7. Mai 2012 mit, dass zwei in Einzelarbeit verfasste
Beiträge seiner aus einzelnen Aufsätzen bestehenden kumulativen Dissertation im
Sinne von Art. 37 Abs. 1 PromO dem Qualitätsstandard von renommierten
internationalen Fachzeitschriften entsprechen und vor der Einreichung der
Dissertation mindestens die erste Runde des sogenannten Peer-Review-Verfahrens
erfolgreich durchlaufen haben müssten.  
 
A.b. Am 18. Juni 2012 reichte A.________ seine kumulative Dissertation mit dem
Titel "C.________" bei Prof. Dr. D.________ (als Korreferentin) ein. Sowohl der
Referent wie die Korreferentin beantragten der Programmkommission des
Doktoratsprogramms, die Dissertation zur vollständigen Überarbeitung
zurückzuweisen. Mit E-Mail vom 23. Oktober 2012 teilte der Referent A.________
mit, dass er der Programmkommission die Zurückweisung zur Überarbeitung
beantragt habe und legte gleichzeitig dar, wie die Arbeit zu verbessern sei.
Mit Beschluss vom 29. Oktober 2012 wies die Programmkommission des
Doktoratsprogramms die Dissertation von A.________ zur Überarbeitung bis zum
29. Oktober 2013 zurück. Diese Verfügung eröffnete das Studiensekretariat am
31. Oktober 2012 per Post (Einschreiben) an die damalige Adresse von A.________
in Berlin-Charlottenburg. Am 27. November 2013 wurde die Frist zur
Überarbeitung der Dissertation bis zum 31. Januar 2014 - unter Bezugnahme auf
die Verfügung vom 29./31. Oktober 2012 - erstreckt.  
 
A.c. Ende Januar 2014 reichte A.________ seine überarbeitete Dissertation beim
Referenten und bei der Korreferentin ein. Am 4. Februar 2014 setzte ihm der
Referent eine Frist bis zum 15. April 2014, um nachzuweisen, dass seine
Aufsätze die erste Runde des Peer-Review-Verfahrens erfolgreich durchlaufen
hätten. Mit Gutachten vom 24. März bzw. 5. Mai 2014 beantragten der Referent
bzw. die Korreferentin, die Dissertation mit der Note 3.0 abzulehnen. Auch
Prof. Dr. E.________, ETH Lausanne, als Drittgutachter beantragte am 30. März
2014 die Ablehnung der Dissertation. Mit Verfügung vom 19. Mai 2014 lehnte die
Programmkommission des Doktoratsprogramms die Dissertation von A.________
definitiv ab. Am 23. Mai 2014 eröffnete der Studiensekretär die Verfügung per
Post (Einschreiben) an die Adresse von A.________ in München und führte aus,
eine zum zweiten Mal eingereichte Dissertation könne nicht mehr zur
Überarbeitung zurückgegeben werden; bei Ablehnung der Dissertation gelte die
Doktorprüfung als endgültig nicht bestanden.  
 
B.  
Gegen den Entscheid der Programmkommission vom 19. Mai 2014 rekurrierte
A.________ bei der Rekurskommission der Universität St. Gallen, die den Rekurs
mit Entscheid vom 14. Januar 2015 abwies. Den dagegen von A.________ erhobenen
Rekurs wies der Universitätsrat der Universität St. Gallen mit Entscheid vom 7.
März 2016 ab. Das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen wies die dagegen
erhobene Beschwerde mit Urteil vom 28. März 2017 ab. 
 
C.  
Mit Eingabe vom 19. Mai 2017 erhebt A.________ Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Er beantragt, das
Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 28. März 2017 sei
aufzuheben. Die Dissertation des Beschwerdeführers sei als Erst- und nicht als
Zweiteinreichung abzulehnen und dem Beschwerdeführer sei Gelegenheit zu geben,
nochmals eine verbesserte Dissertation einzureichen. Eventualiter sei die
Angelegenheit zur Neubeurteilung an das Verwaltungsgericht des Kantons St.
Gallen zurückzuweisen. 
Der Universitätsrat der Universität St. Gallen und das Verwaltungsgericht des
Kantons St. Gallen beantragen die Abweisung der Beschwerde. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. Die Beschwerde ist gegen den verfahrensabschliessenden Entscheid einer
letzten kantonalen Instanz in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts
gerichtet. Die Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten sind grundsätzlich gegeben (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit.
d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1, Art. 90 BGG). Zu klären ist, ob ein
fachbereichbezogener Ausschlussgrund vorliegt (Art. 83 BGG).  
 
1.2. Gemäss Art. 83 lit. t BGG ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten unzulässig gegen Entscheide über das Ergebnis von Prüfungen und
anderen Fähigkeitsbewertungen, namentlich auf den Gebieten der Schule, der
Weiterbildung und der Berufsausübung. Diese Ausschlussbestimmung zielt auf
Prüfungsergebnisse im eigentlichen Sinn sowie auf alle Entscheide ab, die auf
einer Bewertung der intellektuellen oder physischen Fähigkeiten eines
Kandidaten beruhen, nicht aber auf andere Entscheide im Zusammenhang mit
Prüfungen wie insbesondere solche organisatorischer Natur (BGE 138 II 42 E. 1.1
S. 44; 136 I 229 E. 1 S. 231; je mit Hinweisen). Im Umkehrschluss ist Art. 83
lit. t BGG damit nicht angesprochen, soweit es - wie hier - darum geht, ob es
sich bei der Einreichung der Dissertation Ende Januar 2014 um eine Erst- oder
eine Zweiteinreichung handelt.  
 
1.3. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, kann auf die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingetreten werden.  
 
1.4. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann
insbesondere die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95
lit. a und b BGG). Bei der Prüfung verfügt das Bundesgericht über volle
Kognition und wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Das
Bundesgericht prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht
gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen
Fragen zu prüfen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden (
BGE 140 V 136 E. 1.1 S. 137 f. mit Hinweisen).  
 
1.4.1. Beruht der angefochtene Entscheid auf kantonalem oder kommunalem Recht,
sind die Rügegründe erheblich eingeschränkt. Der Eingriff in kantonales oder
kommunales Recht bildet nur insofern einen eigenständigen Beschwerdegrund, als
die Verletzung kantonaler verfassungsmässiger Rechte (Art. 95 lit. c BGG) oder
kantonaler Bestimmungen zum Stimm- und Wahlrecht (Art. 95 lit. d BGG) geltend
gemacht wird. Abgesehen davon kann das Bundesgericht die Handhabung kantonalen
(und kommunalen) Rechts nicht als solche prüfen, sondern lediglich daraufhin,
ob dadurch Bundes-, Völker- oder interkantonales Recht verletzt wird (Art. 95
lit. a, b und e BGG; BGE 140 I 320 E. 3.1 S. 321; 140 II 298 E. 2 S. 300; 138 I
143 E. 2 S. 150). Dabei steht die Prüfung im Vordergrund, ob eine Verletzung
des Willkürverbots vorliegt (Art. 9 BV; BGE 138 I 162 E. 3.3 S. 166; 136 I 241
E. 2.5.2 S. 250).  
Willkür in der Rechtsanwendung liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid
offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass
verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das
Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die
Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung
ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 140
III 16 E. 2.1 S. 18 f. mit Hinweisen). 
 
1.4.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, soweit sie
offensichtlich unrichtig, das heisst willkürlich, sind oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 105 Abs. 2 BGG). Zudem
muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein,
was in der Beschwerde klar und substanziiert aufzuzeigen ist (Art. 97 Abs. 1
BGG; BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 17 f. mit Hinweisen).  
Die Sachverhaltsfeststellung oder Beweiswürdigung einer Gerichtsbehörde ist
willkürlich (Art. 9 BV), wenn diese den Sinn und die Tragweite eines
Beweismittels offensichtlich verkannt hat, wenn sie ohne sachlichen Grund ein
wichtiges und entscheidwesentliches Beweismittel unberücksichtigt gelassen oder
wenn sie auf Grundlage der festgestellten Tatsachen unhaltbare
Schlussfolgerungen gezogen hat. Dass die Schlüsse nicht mit der eigenen
Darstellung der beschwerdeführenden Partei übereinstimmen, belegt keine Willkür
(BGE 137 III 226 E. 4.2 S. 234; 136 III 552 E. 4.2 S. 560). 
 
2.  
Nicht durchzudringen vermag vorab die Rüge, die Vorinstanz habe den Anspruch
auf rechtliches Gehör verletzt, indem sie die "Abnahme gehörig angebotener und
tauglicher Beweismittel verweigerte". Zwar umfasst der in Art. 29 Abs. 2 BV
gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör u.a. auch das Recht der
Betroffenen, mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden (BGE 135 II 286 E.
5.1 S. 293 mit Hinweisen). Jedoch ist dieser Anspruch nicht verletzt, wenn ein
Gericht deshalb auf die Abnahme beantragter Beweismittel verzichtet, weil es
aufgrund der bereits abgenommenen Beweise seine Überzeugung gebildet hat und
ohne Willkür in vorweggenommener (antizipierter) Beweiswürdigung annehmen kann,
dass seine Überzeugung durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde (BGE
134 I 140 E. 5.3 S. 148 mit Hinweisen). Diese Voraussetzungen waren vorliegend
ohne Weiteres erfüllt: Wie die Vorinstanz zu Recht ausgeführt hat, ist nicht
ersichtlich, inwiefern durch den beantragten Beizug der gesamten Akten über das
Doktorat (inkl. seiner Tätigkeit für das KMU-Institut der Universität) sowie
der Befragung des Beschwerdeführers zusätzliche entscheidrelevante Erkenntnisse
hätten gewonnen werden können, die sich nicht bereits aus den der Vorinstanz
vorliegenden Akten ergaben (vgl. angefochtener Entscheid E. 2). 
 
3.   
Beschwerdegegenstand im bundesgerichtlichen Verfahren bildet
unbestrittenermassen nicht (mehr) die Frage, ob der Beschwerdeführer im Januar
2014 eine als genügend zu bewertende Dissertation abgeliefert hat. Zu prüfen
ist vielmehr, ob es sich bei der Einreichung der Dissertation um eine
Ersteinreichung oder um eine Zweiteinreichung handelt (vgl. Beschwerdeschrift
lit. C/Ziff. 18). Eine nicht angenommene Dissertation kann bei der
Ersteinreichung zur Überarbeitung zurückgegeben werden (Art. 61 Abs. 1 PromO),
bei der Zweiteinreichung ist dagegen nur noch eine Ablehnung der Dissertation,
die den Anforderungen nicht genügt, möglich (Art. 61 Abs. 4 PromO). 
 
3.1. Die Vorinstanz vertritt - in Übereinstimmung mit der Universität St.
Gallen - die Auffassung, es handle sich um eine Zweiteinreichung, weshalb die
Doktoratsprüfung gemäss Art. 63 Abs. 1 lit. d PromO als endgültig nicht
bestanden gelte. Zwar räumt die Vorinstanz ein, die Verfügung vom 29./31.
Oktober 2012 sei durch die Universität St. Gallen völkerrechtswidrig und damit
mangelhaft eröffnet worden, weshalb ein schwerwiegender Verfahrensfehler
vorliege. Die Vorinstanz verneint indes die Nichtigkeit der Verfügung und geht
von der Anfechtbarkeit aus. Der Beschwerdeführer habe aufgrund einer E-Mail des
Referenten vom 23. Oktober 2012 nach Treu und Glauben davon ausgehen müssen,
dass seine Dissertation zur Überarbeitung zurückgewiesen würde. Er habe vor
Einreichung der überarbeiteten Dissertation im Januar 2014 Kenntnis vom Erlass
und Inhalt der Verfügung vom 29./31. Oktober 2012 gehabt. Schliesslich habe es
der Beschwerdeführer unterlassen, die Verfügung vom 29./31. Oktober 2012 zu
einem späteren Zeitpunkt anzufechten. Insofern sei ihm aus der mangelhaften
Eröffnung kein Nachteil erwachsen.  
 
3.2. Der Beschwerdeführer führt dagegen aus, die Verfügung vom 29./31. Oktober
2012 sei nichtig. Die Verfügung sei ihm gar nie eröffnet worden, weder per Post
noch auf dem völkerrechtlich korrekten Weg, weshalb die Verfügung keine
Rechtswirkung habe entfalten können. Der Beschwerdeführer habe davon ausgehen
dürfen, es handle sich um eine "informelle Rückweisung der Dissertation zur
Überarbeitung" durch den Referenten. Es sei ihm sehr wohl ein Nachteil
entstanden, da er gegen die Verfügung kein Rechtsmittel habe ergreifen können.
Hätte der Beschwerdeführer gewusst, dass er nur noch eine (letzte) Möglichkeit
habe, seine Dissertation einzureichen, hätte er ohne jeden Zweifel die
Dissertation noch sorgfältiger überarbeitet und sich mit dem Referenten noch
besser abgesprochen. Demzufolge handle es sich bei der Ende Januar 2014
eingereichten, überarbeiteten Dissertation um eine Erst- und nicht eine
Zweiteinreichung. Die Vorinstanzen hätten den rechtserheblichen Sachverhalt
willkürlich fehlerhaft festgestellt.  
 
4.  
Näher zu prüfen ist damit zunächst, ob die unmittelbare postalische Zustellung
der Verfügung vom 29./31. Oktober 2012 durch die Universität St. Gallen an den
in Deutschland lebenden Beschwerdeführer von Völkerrechts wegen an einem
Eröffnungsmangel leidet. 
 
4.1. Nach der Rechtsprechung stellt die Zustellung eines amtlichen Dokuments im
Ausland, sei es einer Verwaltungsverfügung oder eines gerichtlichen
Schriftstücks, einen staatlichen Hoheitsakt dar, der geeignet ist, die
Souveränität bzw. die Gebietshoheit des betroffenen Staates zu verletzen und
damit gegen Völkerrecht zu verstossen. In Ermangelung einer anders lautenden
staatsvertraglichen Bestimmung oder eines anderweitigen Einverständnisses des
betroffenen Staates ist die Verfügung daher grundsätzlich auf dem
diplomatischen oder konsularischen Weg zu eröffnen. Davon ausgenommen sind
bloss Mitteilungen rein informativen Inhalts, die keine Rechtswirkungen nach
sich ziehen und deshalb direkt per Post zugestellt werden dürfen (BGE 143 III
28 E. 2.2.1 S. 32; 136 V 295 E. 5.1 S. 305; 135 III 623 E. 2.2 S. 626; 124 V 47
E. 3a S. 50; Urteile 2C_408/2016 und 2C_409/2016 vom 19. Juni 2017 E. 2.2;
1C_236/2016 vom 15. November 2016 E. 3.2; 2C_827/2015 und 2C_828/2015 vom 3.
Juni 2016 E. 3.2, nicht publ. in: BGE 142 II 411).  
Entsprechend erlauben die Vertragsstaaten des Wiener Übereinkommens vom 24.
April 1963 über konsularische Beziehungen (WÜK; SR 0.191.02) - wozu sowohl die
Schweiz wie Deutschland zählen - der jeweiligen Vertragspartei im Sinne eines
Entgegenkommens, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen - staatsvertragliche
Grundlage oder fehlendes entgegenstehendes innerstaatliches Recht - die
Zustellung gerichtlicher und aussergerichtlicher Urkunden an eigene
Staatsbürger durch das Konsulat (Art. 5 lit. j WÜK). Eine direkte postalische
Zustellung in einem Vertragsstaat des WÜK, die nicht auf einer
völkerrechtlichen Vertragsgrundlage beruht oder dem innerstaatlichen Recht des
Empfängerstaates zuwiderläuft, ist grundsätzlich völkerrechtswidrig und
begründet damit im Lichte des Völkerrechts einen Eröffnungsmangel (Urteile
2C_408/2016 und 2C_409/2016 vom 19. Juni 2017 E. 2.2; 2C_827/2015 und 2C_828/
2015 vom 3. Juni 2016 E. 3.2, nicht publ. in: BGE 142 II 411; je mit
Hinweisen). 
 
4.2. Weiter hat die Schweiz (im Gegensatz zu Deutschland) auf dem Gebiet der
Verwaltungssachen die beiden einschlägigen Übereinkommen des Europarats
(Europäisches Übereinkommen vom 24. November 1977 über die Zustellung von
Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland und Europäisches Übereinkommen
vom 15. März 1978 über die Erlangung von Auskünften und Beweisen in
Verwaltungssachen im Ausland) bisher nicht ratifiziert, sondern lediglich
unterzeichnet (vgl. Elfter Bericht des Bundesrats über die Schweiz und die
Konventionen des Europarats vom 24. August 2016, BBl 2016 7045, 7059 Ziff.
4.2.1 und 4.2.2 und nunmehr Botschaft vom 30. August 2017 zur Genehmigung und
zur Umsetzung der Übereinkommen Nr. 94 und Nr. 100 des Europarates über die
grenzüberschreitende Verwaltungszusammenarbeit, BBl 2017 5947). Zwar gehen auch
mit der Unterzeichnung völkerrechtliche Verpflichtungen einher (vgl. Art. 18
des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge; SR
0.111), doch sind diese hier nicht von Belang (vgl. Urteil 1C_236/2016 vom 15.
November 2016 E. 3.3).  
 
4.3. Sodann enthalten auch andere sachspezifische bi- oder multilaterale
Abkommen keine Regelungen, die für die vorliegende Konstellation einschlägig
wären (vgl. angefochtener Entscheid E. 3.1). Hingegen sieht das kantonale Recht
(Art. 40 des Gesetzes vom 26. Mai 1988 über die Universität St. Gallen [sGS
217.11] in Verbindung mit Art. 10bis und Art. 26 Abs. 1 des Gesetzes vom 16.
Mai 1965 über die Verwaltungsrechtspflege [VRG/SG; sGS 951.1]) ausdrücklich
vor, dass Verfahrensbeteiligte mit Wohnsitz in Ausland eine Zustelladresse in
der Schweiz oder einen Vertreter mit Wohn- oder Geschäftssitz in der Schweiz zu
bezeichnen haben, ansonsten Mitteilungen im öffentlichen Publikationsorgan
eröffnet werden.  
 
4.4. Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz verbindlich (vgl. E. 1.4.2
hiervor) festgestellt, es gäbe keine Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer
von der Universität St. Gallen - gestützt auf Art. 10bis und Art. 26 Abs. 1 VRG
/SG - vorgängig aufgefordert worden wäre, ein Zustelldomizil in der Schweiz zu
bezeichnen (vgl. angefochtener Entscheid E. 3.2). Dessen ungeachtet eröffnete
der Studiensekretär dem Beschwerdeführer die Verfügung vom 29. Oktober 2012 am
31. Oktober 2012 per Post an dessen damalige Adresse in Deutschland; dies
stellt nach dem soeben Ausgeführten - und in Übereinstimmung mit der Vorinstanz
- eine mangelhafte Eröffnung bzw. einen schwerwiegenden Verfahrensfehler durch
die Universität St. Gallen dar.  
 
5.   
Uneinig sind sich die Verfahrensbeteiligten über die konkreten Folgen dieser
mangelhaften Eröffnung. Der Beschwerdeführer geht davon aus, die umstrittene
Verfügung sei nichtig bzw. entfalte keine Rechtswirkungen, während die
Vorinstanzen auf eine blosse Anfechtbarkeit der Verfügung geschlossen haben. 
 
5.1. Gemäss der bundesgerichtlichen Praxis ist davon auszugehen, dass ein
Urteil oder eine Verfügung erst mit der Mitteilung an die Parteien rechtliche
Existenz erlangt. Vor seiner Mitteilung ist es ein Nichturteil, was von Amtes
wegen zu berücksichtigen ist (BGE 142 II 411 E. 4.2 S. 413; 122 I 97 E. 3a/bb
S. 99). Dementsprechend vermögen Urteile oder Verfügungen, die den Parteien nie
mitgeteilt worden sind, keinerlei Rechtswirksamkeit zu entfalten (BGE 142 II
411 E. 4.2 S. 413; 136 V 295 E. 5.3 S. 306; 124 V 47 3a S. 50; Urteile 2C_734/
2017 vom 7. März 2018 E. 3.2; 2C_408/2016 und 2C_409/2016 vom 19. Juni 2017 E.
2.1; YVES DONZALLAZ, La notification en droit interne suisse, 2002, N. 25, 141
und 1115).  
 
5.2. Die direkte postalische Zustellung der Verfügung vom 29./31. Oktober 2012
an den Beschwerdeführer in Deutschland ohne staatsvertragliche Grundlage ist
nach dem Gesagten offensichtlich in Verletzung der Gebietshoheit dieses Staates
erfolgt (vgl. E. 4 hiervor). Entgegen den Ausführungen der Vorinstanz trifft es
nicht zu, dass völkerrechtswidrig zugestellte Verwaltungsverfügungen bloss
anfechtbar und nicht nichtig seien (vgl. angefochtener Entscheid E. 3.3). Es
handelt sich hier vielmehr um eine eigentliche Nichtzustellung im Sinne der
unter E. 5.1 hiervor dargelegten Praxis und nicht etwa bloss um eine an einem
Eröffnungsmangel leidende Zustellung.  
 
5.3. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz kann auch nicht gesagt werden, der
Beschwerdeführer habe sich trotz einer widerrechtlich erfolgten Zustellung auf
das weitere Verfahren eingelassen und könne sich damit nicht mehr nachträglich
auf den Zustellmangel berufen (vgl. Urteil 2C_827/2015 und 2C_828/2015 vom 3.
Juni 2016 E. 3.4, nicht publ. in: BGE 142 II 411, mit Hinweis auf BGE 105 Ia
307 E. 4 S. 313 f.). Aus den Akten ergeben sich keine konkreten Hinweise auf
eine solche "Einlassung". Vielmehr konnte und durfte der Beschwerdeführer
aufgrund des E-Mails des Referenten vom 23. Oktober 2012 davon ausgehen, dass
es sich mangels ordentlicher Zustellung um eine "informelle Rückweisung" im
Rahmen der Ersteinreichung seiner Dissertation gehandelt habe.  
 
5.4. Dem Beschwerdeführer können hier somit keine aus dem Grundsatz von Treu
und Glauben abgeleiteten Schranken, sich auf den Zustellmangel zu berufen,
entgegengehalten werden (vgl. neben der in E. 5.1 hiervor erwähnten Praxis auch
BGE 142 III 355 E. 3.3.3 S. 358; 131 III 448 E. 2.1 S. 448; Urteil 4A_161/2008
vom 1. Juli 2008 E. 4.1). Soweit zwei kürzlich ergangene bundesgerichtliche
Entscheide (Urteile 2C_408/2016 und 2C_409/2016 vom 19. Juni 2017 E. 2.1 und
3.2; 2C_827/2015 und 2C_828/2015 vom 3. Juni 2016 E. 3, nicht publ. in: BGE 142
II 411) den gegenteiligen Eindruck erweckt haben sollten, kann daran nach dem
Gesagten nicht festgehalten werden.  
 
5.5. Daraus ergibt sich, dass die völkerrechtswidrig erfolgte Zustellung der
Verfügung vom 29./31. Oktober 2012 an den Beschwerdeführer als formlose
Mitteilung ohne Rechtswirkung zu betrachten ist. Das hat zur Folge, dass die
Universität St. Gallen die Dissertation des Beschwerdeführers als Erst- und
nicht als Zweiteinreichung abzulehnen hat und damit dem Beschwerdeführer eine
Gelegenheit zur Überarbeitung im Sinne von Art. 61 Abs. 1 PromO einzuräumen
ist.  
 
5.6. Bei diesem Ergebnis kann schliesslich offengelassen werden, ob auch darin
ein Verstoss gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 9 BV) zu erblicken
ist, dass der Referent dem Beschwerdeführer eine Frist bis zum 15. April 2014
eingeräumt habe, um Nachweise für das Bestehen der ersten Runde der
Peer-Review-Verfahren zu erbringen, indes der Bewertungsprozess durch den
Referenten offenbar schon vorher abgeschlossen worden sei.  
 
6.  
 
6.1. Im Ergebnis ist damit die Beschwerde gutzuheissen und das angefochtene
Urteil des Verwaltungsgerichts St. Gallen vom 28. März 2017 aufzuheben.  
 
6.2. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66
Abs. 1 und 4 BGG). Die Universität St. Gallen hat den Beschwerdeführer für das
bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).  
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das angefochtene Urteil des
Verwaltungsgerichts St. Gallen vom 28. März 2017 aufgehoben. Die Universität
St. Gallen hat die Dissertation des Beschwerdeführers als Erst- und nicht als
Zweiteinreichung abzulehnen und damit dem Beschwerdeführer eine Gelegenheit zur
Überarbeitung im Sinne von Art. 61 Abs. 1 PromO einzuräumen. 
 
2.   
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.   
Die Universität St. Gallen hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Verwaltungsgericht des
Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 9. April 2018 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Winiger 

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