Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.444/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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2C_444/2017            

 
 
 
Urteil vom 19. Februar 2018  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Bundesrichter Haag, 
Gerichtsschreiber Fellmann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Stadt Bülach, v.d. Abteilung Bevölkerung, und Sicherheit, Allmendstrasse 4a,
8180 Bülach. 
 
Gegenstand 
Waffenerwerbsschein, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 3.
Abteilung, vom 5. April 2017 (VB.2016.00466). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ (geb. 1981) stellte am 29. Juni 2015 bei der Stadtpolizei Bülach ein
Gesuch um Erteilung eines Waffenerwerbsscheins für zwei Handfeuerwaffen und
eine Faustfeuerwaffe zu jagdlichen und sportlichen Zwecken. Die Stadt Bülach
wies das Gesuch mit Verfügung vom 31. Juli 2015 ab. 
 
B.  
Ein an das Statthalteramt des Bezirks Bülach gerichteter Rekurs gegen die
Verfügung vom 31. Juli 2015 blieb erfolglos (Entscheid vom 13. Oktober 2015).
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hiess eine Beschwerde von A.________
gegen den Rekursentscheid vom 13. Oktober 2015 wegen erheblicher Verletzung des
rechtlichen Gehörs teilweise gut, soweit es darauf eintrat und wies die Sache
zu neuer Entscheidung an das Statthalteramt zurück (Urteil vom 11. Februar
2016). 
Das Statthalteramt wies das Gesuch um Erteilung eines Waffenerwerbsscheins mit
Entscheid vom 1. Juli 2016 erneut ab. 
Gegen den Entscheid vom 1. Juli 2016 gelangte A.________ mit Beschwerde an das
Verwaltungsgericht. Nachdem A.________ am 19. Januar 2017 Akteneinsicht gewährt
worden war und er mit Eingabe vom 20. Februar 2017 zu einem Fragebogen des
Statthalteramts Stellung genommen hatte, wies das Verwaltungsgericht sein
Rechtsmittel mit Urteil vom 5. April 2017 ab, soweit es darauf eintrat. 
 
C.  
A.________ erhebt mit Eingabe vom 12. Mai 2017 "Verwaltungsgerichtsbeschwerde"
an das Bundesgericht. Er beantragt im Wesentlichen die Aufhebung des
angefochtenen Urteils und eventualiter die Erteilung eines Waffenerwerbsscheins
durch das Bundesgericht. Weiter ersucht er um Erteilung der unentgeltlichen
Rechtspflege für das bundesgerichtliche und das vorinstanzliche Verfahren. 
Das Verwaltungsgericht beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
einzutreten ist. Die Stadt Bülach lässt sich vernehmen, ohne ausdrücklich einen
Antrag zu stellen. A.________ nimmt zu den Vernehmlassungen mit Eingabe vom 27.
Juni 2017 Stellung. Zudem liess er sich unaufgefordert mit Schreiben vom 9.
Juni 2017 und 15. Juli 2017 vernehmen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist das letztinstanzliche, verfahrensabschliessende Urteil eines
kantonalen oberen Gerichts in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts, in
der die ordentliche Beschwerde an das Bundesgericht zulässig ist (Art. 82 lit.
a, Art. 83, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 90 BGG). Der
Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und drang dort
mit seinen Anträgen nicht durch. Er ist durch den angefochtenen Entscheid
besonders berührt und verfügt über ein schutzwürdiges Interesse an dessen
Aufhebung (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf das im Übrigen frist- und - unter Vorbehalt
einer in allen Punkten rechtsgenüglichen Begründung - formgerecht eingereichte
Rechtsmittel (Art. 42 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 106 Abs. 2 BGG) ist einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere
die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und
lit. b BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG), doch prüft es im Rahmen der allgemeinen Begründungspflicht (Art.
42 Abs. 1 und Abs. 2 BGG) nur die geltend gemachten Rügen, sofern die
rechtlichen Mängel des angefochtenen Entscheids nicht offensichtlich sind (BGE
140 III 115 E. 2 S. 116; Urteil 2C_8/2016 vom 17. Oktober 2016 E. 2.1 [nicht
publ. in: BGE 143 II 87]). Die Verletzung von Grundrechten prüft das
Bundesgericht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht
und begründet worden ist (qualifizierte Rügepflicht gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG;
vgl. BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280 f.; 136 II 304 E. 2.5 S. 314).  
 
2.2. Seinem Urteil legt das Bundesgericht den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat. Von Amtes wegen oder auf ausreichend begründete
Rüge hin (vgl. zu den Anforderungen an Sachverhaltsrügen BGE 139 I 72 E.
9.2.3.6 S. 96; 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254 f.; Urteil 2C_8/2016 vom 17. Oktober
2016 E. 2.2 [nicht publ. in: BGE 143 II 87]) korrigiert das Bundesgericht die
vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen, wenn diese offensichtlich
unrichtig sind oder sie auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG
beruhen. Die Behebung des Mangels erfolgt nur, sofern er für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG;
BGE 136 II 304 E. 2.4 S. 313 f.; Urteil 2C_8/2016 vom 17. Oktober 2016 E. 2.2
[nicht publ. in: BGE 143 II 87]).  
 
2.3. Im bundesgerichtlichen Verfahren dürfen neue Tatsachen und Beweismittel
nur so weit vorgebracht werden, als der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass
gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer reicht mit seinen Eingaben
diverse Beweismittel zu den Akten. Allerdings legt er nicht dar und ist auch
nicht ersichtlich, inwiefern erst der vorinstanzliche Entscheid deren
Einreichung veranlasst. Im vorliegenden Verfahren bleiben sie daher
unbeachtlich.  
 
3.  
Wer eine Waffe oder einen wesentlichen Waffenbestandteil erwerben will,
benötigt einen Waffenerwerbsschein (Art. 8 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 20.
Juni 1997 über Waffen, Waffenzubehör und Munition [Waffengesetz, WG; SR
514.54]). Keinen Waffenerwerbsschein erhalten nach Art. 8 Abs. 2 WG Personen,
die 
"a. das 18. Altersjahr noch nicht vollendet haben; 
b. unter umfassender Beistandschaft stehen oder durch eine vorsorgebeauftragte
Person vertreten werden; 
c. zur Annahme Anlass geben, dass sie sich selbst oder Dritte mit der Waffe
gefährden; 
d. wegen einer Handlung, die eine gewalttätige oder gemeingefährliche Gesinnung
bekundet, oder wegen wiederholt begangener Verbrechen oder Vergehen im
Strafregister eingetragen sind, solange der Eintrag nicht gelöscht ist." 
 
 
3.1. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts wies der Beschwerdeführer
im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils nur einen Eintrag im Strafregister aus,
der eine Verurteilung vom 11. Februar 2010 wegen grober Verletzung der
Verkehrsregeln betraf. Bei dieser Straftat handelt es sich zwar um ein Vergehen
(vgl. Art. 90 Ziff. 2 SVG [in der bis 31. Dezember 2012 gültigen Fassung, AS
1975 1264 1268; AS 2006 3459 3536] i.V.m. Art. 10 Abs. 3 StGB). Eine
wiederholte Delinquenz im Sinne von Art. 8 Abs. 2 lit. d WG lag jedoch nicht
vor. Ebensowenig ergeben sich aus dem angefochtenen Urteil Hinweise, wonach die
konkreten Tatumstände den Schluss auf eine gewalttätige oder gemeingefährliche
Gesinnung des Beschwerdeführers zulassen könnten (vgl. Urteile 2C_158/2011 vom
29. September 2011 E. 3.3; 2C_125/2009 vom 4. August 2009 E. 3.3; 2C_93/2007
vom 3. September 2007 E. 5.1). Damit hat das Verwaltungsgericht einen
Hinderungsgrund im Sinne von Art. 8 Abs. 2 lit. d WG zu Recht verneint.  
 
3.2. Das Verwaltungsgericht gelangte aber zum Schluss, dass beim
Beschwerdeführer der Hinderungsgrund einer Selbst- oder Drittgefährdung gemäss 
Art. 8 Abs. 2 lit. c WG vorliegt.  
 
3.2.1. Die genannte Bestimmung ist im Lichte von Art. 1 Abs. 1 WG auszulegen.
Demnach hat das Waffengesetz entsprechend Art. 107 Abs. 1 BV zum Zweck, die
missbräuchliche Verwendung von Waffen zu bekämpfen (vgl. Urteile 2C_158/2011
vom 29. September 2011 E. 3.1; 2C_469/2010 vom 11. Oktober 2010 E. 3.6).
Personen, die Waffen besitzen wollen, müssen mit Blick auf die erhöhten
Gefahren, die von diesen Gegenständen ausgehen, besonders zuverlässig sein
(vgl. Urteile 2C_1271/2012 vom 6. Mai 2013 E. 3.2; 2C_158/2011 vom 29.
September 2011 E. 3.5; 2C_125/2009 vom 4. August 2009 E. 3.4). Das ist
namentlich nicht der Fall bei Personen, die an einer psychischen oder geistigen
Erkrankung leiden, alkoholabhängig sind oder suizidale Tendenzen aufweisen
(vgl. Urteile 2C_1163/2014 vom 18. Mai 2015 E. 3.3; 2C_469/2010 vom 11. Oktober
2010 E. 3.6). Ob Anlass zur Annahme einer Selbst- oder Drittgefährdung im Sinne
von Art. 8 Abs. 2 lit. c WG besteht, ist entscheidend nach dem Verhalten der
betroffenen Person insgesamt und unter Würdigung aller relevanter Umstände zu
beurteilen (vgl. Urteile 2C_1163/2014 vom 18. Mai 2015 E. 3.3; 2C_469/2010 vom
11. Oktober 2010 E. 3.6; 2A.546/2004 vom 4. Februar 2005 E. 3.1). Dabei hat die
zuständige Behörde wie bei der Beschlagnahme und Einziehung gemäss Art. 31 Abs.
1 lit. b und Abs. 3 WG eine Prognose zum Risiko einer missbräuchlichen
Verwendung der Waffe zu treffen (vgl. Urteile 2C_1163/2014 vom 18. Mai 2015 E.
3.3; 2C_469/2010 vom 11. Oktober 2010 E. 3.6; 2A.546/2004 vom 4. Februar 2005
E. 3.2.2). Weil die Verweigerung eines Waffenerwerbsscheins gestützt auf Art. 8
Abs. 2 WG präventiven Charakter hat, sind an die von der ersuchenden Person
ausgehenden Gefahren keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Gestützt auf
konkrete Gegebenheiten muss jedoch eine sachlich begründbare, überwiegende
Wahrscheinlichkeit für eine Selbst- oder Drittgefährdung unter Verwendung einer
Waffe vorliegen (vgl. MICHAEL BOPP, in: Nicolas Facincani/Reto Sutter [Hrsg.],
Kommentar Waffengesetz, 2017, N. 16 zu Art. 8 WG; Urteil 2C_93/2007 vom 3.
September 2007 E. 5.2). Die mit dem Entscheid über den Waffenerwerbsschein
betraute Stelle ist dabei nicht an die Einschätzung von
Strafverfolgungsbehörden gebunden. Namentlich darf ein strengerer Massstab
angelegt werden, wenn es im Rahmen eines verwaltungsrechtlichen Verfahrens
darum geht zu beurteilen, ob eine massgebliche Gefahr für eine missbräuchliche
Verwendung der Waffe besteht (vgl. Urteile 2C_469/2010 vom 11. Oktober 2010 E.
3.6; 2C_93/2007 vom 3. September 2007 E. 5.2). Daher kann im Rahmen von Art. 8
Abs. 2 lit. c WG auch auf einschlägige Erkenntnisse aus einem noch nicht
rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren abgestellt werden; gestützt auf
die erwähnte Bestimmung ist die Verweigerung eines Waffenerwerbsscheins auch
bei einer hängigen Strafuntersuchung zulässig.  
 
3.2.2. Bei den Tatbestandselementen zum Hinderungsgrund der Selbst- oder
Drittgefährdung gemäss Art. 8 Abs. 2 lit. c WG handelt es sich um unbestimmte
(Bundes-) Rechtsbegriffe. Deren Anwendung prüft das Bundesgericht frei (Art. 95
lit. a BGG). Aufgrund des Grundsatzes der Einheit des Verfahrens gilt dies
gestützt auf Art. 111 Abs. 3 BGG auch für die letzte kantonale Instanz (BGE 137
I 296 E. 4.1 S. 298 f.; Urteil 1C_412/2016 vom 1. Dezember 2016 E. 2.2).
Grundsätzlich ist es Aufgabe der Gerichte, unbestimmte Rechtsbegriffe im
Einzelfall auszulegen und zu konkretisieren. Ergibt jedoch die
Gesetzesauslegung, dass der Gesetzgeber der Entscheidbehörde mit der offenen
Normierung einen zu respektierenden Beurteilungsspielraum einräumen wollte,
darf und muss das Gericht seine Kognition entsprechend einschränken, jedenfalls
soweit die für den Entscheid erforderlichen Abklärungen sorgfältig durchgeführt
und die wesentlichen Gesichtspunkte geprüft wurden. Dies befreit das Gericht
allerdings nicht davon, die konkrete Rechtsanwendung auf ihre Vereinbarkeit mit
Bundesrecht hin zu prüfen (vgl. BGE 135 II 384 E. 2.2.2 S. 389 f.; Urteil
2C_769/2015 vom 25. Mai 2016 E. 2.2). Entsprechende Zurückhaltung im
dargelegten Sinne auferlegt sich das Bundesgericht auch bei der Überprüfung von
Entscheiden, die im Zusammenhang mit Hinderungsgründen nach Art. 8 Abs. 2 lit.
c WG stehen (vgl. Urteile 2C_1163/2014 vom 18. Mai 2015 E. 3.4, 2C_469/2010 vom
11. Oktober 2010 E. 3.5; 2C_93/2007 vom 3. September 2007 E. 5.2).  
 
4.  
 
4.1. Die Vorinstanz ist gestützt auf folgende Sachverhaltselemente von einem
Hinderungsgrund gemäss Art. 8 Abs. 2 lit. c WG ausgegangen: Gegen den
Beschwerdeführer sei eine Strafuntersuchung wegen illegaler Rodung und
Zweckentfremdung von Waldboden geführt worden. Von diesen Vorwürfen sei er
indes freigesprochen worden, wobei der Freispruch noch nicht in Rechtskraft
erwachsen sei. Wegen weiteren in der Verfügung vom 31. Juli 2015 erwähnten
Beschuldigungen ("Widerhandlung gegen das Waffengesetz, Erschleichen einer
Waffentragbewilligung, Umbau einer Pistole zu einer Serienfeuerwaffe und
Weitere, Versicherungsbetrug; Drohung; Gewaltschutzverfahren; Aggressives
Verhalten gegenüber Behörden") sei bis anhin keine rechtskräftige
strafrechtliche Verurteilung erfolgt oder die Strafuntersuchung sei teilweise
eingestellt worden. Nach dem Verwaltungsgericht "scheint ein Teil dieser
Delikte im Verfahren vor Obergericht beurteilt zu werden". Weiter sei der
Beschwerdeführer im Rahmen eines Fernsehbeitrags der Sendung "Kassensturz" vom
26. April 2016 mit Vorwürfen zu seinem Geschäftsgebaren bei der
Fahrzeugvermietung konfrontiert worden. Dabei habe er eine Sturmmaske angezogen
sowie einem Mitarbeiter der Sendung "Kassensturz" mit Gewalt den Mietvertrag
für einen Lieferwagen entreissen und diesen "im Namen des Volkes" verhaften
wollen. Anschliessend habe der Beschwerdeführer die Polizei gerufen, die ihn
anschliessend aber selber verhaftet habe. In einem späteren, am 29. April 2016
veröffentlichten Interview mit der Aargauer Zeitung habe der Beschwerdeführer
die Darstellung der Sendung "Kassensturz" bestritten. Sodann habe der
Beschwerdeführer umfangreiches militärisches Material in seinem Büro gelagert
(Tarnbekleidung, Kevlarhelm, Funksprechgarnitur mit Headset, GSM-gestützte
Wildbeobachtungskamera). Der entsprechende Schrank sei mit zahlreichen
Durchhalteparolen in Kriegsrhetorik beklebt gewesen (z.B. "Unsere Ehre heisst
Treue bis in den Tod").  
 
4.2. Im Zusammenhang mit diesen Feststellungen rügt der Beschwerdeführer in
verschiedener Hinsicht eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs. Er macht
unter anderem geltend, dass das Verwaltungsgericht auf einen Zeitungsbericht
der Aargauer Zeitung abgestellt habe, wovon er keine Kenntnis haben konnte und
dessen Inhalt er bestreite. Sodann rügt der Beschwerdeführer, dass in den Akten
nicht ersichtlich sei, worauf sich die Darstellung stütze, dass er in einem
Büroschrank umfangreiches militärisches Material lagere, der mit Kriegsrhetorik
und Durchhalteparolen versehen sei. Weiter beanstandet er, dass die Behauptung,
wonach vor dem Obergericht des Kantons Zürich ein strafrechtliches Verfahren
gegen ihn geführt werde, dem im Zusammenhang mit seinem Gesuch um Erteilung
eines Waffenerwerbsscheins eine Bedeutung zukomme, in den Akten keine Grundlage
finde.  
 
4.3. Nach Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien Anspruch auf rechtliches Gehör.
Dieses dient einerseits der Sachaufklärung, andererseits stellt es ein
persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheides dar,
der in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift (vgl. BGE 142 I 86 E. 2.2 S.
89; 135 I 187 E. 2.2 S. 190; Urteil 2C_702/2016 vom 30. Januar 2017 E. 3.3.2).
Zum Anspruch auf rechtliches Gehör zählt das Recht auf Akteneinsicht sowie das
Recht, sich zu rechtserheblichen Sachverhaltsvorbringen zu äussern, auf die zu
ihrem Nachteil abgestellt wird (vgl. BGE 139 II 489 E. 3.3 S. 496; 126 I 7 E.
2b S. 10). Die Ausübung des Einsichtsrechts erfordert ein Ersuchen um
Akteneinsicht, bedingt aber eine entsprechende Information über die bestehende
Aktenlage (vgl. BGE 132 V 387 E. 6.2 S. 391; Urteile 2C_46/2015 vom 9. Juli
2015 E. 9.3; 2A.275/2006 vom 9. Januar 2007 E. 3.1). Als Gegenstück zum
Akteneinsichts- und Beweisführungsrecht der Parteien ergibt sich eine
allgemeine Aktenführungspflicht der Behörden. Sie haben alles in den Akten
festzuhalten, was zur Sache gehört und entscheidwesentlich sein kann (vgl. BGE
142 I 86 E. 2.2 S. 89 f.; 130 II 473 E. 4.1 S. 477; 124 V 372 E. 3b S. 375 f.).
 
 
4.3.1. Das Interview mit der Aargauer Zeitung, das der Beschwerdeführer gemäss
dem Verwaltungsgericht geführt hat, findet sich in den vorinstanzlichen Akten
nicht. Es wurde von der Vorinstanz zu Ungunsten des Beschwerdeführers
berücksichtigt, indem sie es nicht zur Entkräftung der gegen ihn im Raum
stehenden Vorwürfe heranzog. Entscheiderheblich auf Medienberichte abzustellen,
ohne diese in für die Beteiligten transparente Weise in die Beweiswürdigung mit
einzubeziehen und zu den Akten zu nehmen, ist indes mit der aus Art. 29 Abs. 2
BV abgeleiteten Aktenführungspflicht unvereinbar. Aufgrund der gegebenen
Umstände ist weiter davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in der Tat
keine Gelegenheit hatte, sich im Lichte des hängigen Verfahrens betreffend
Waffenerwerbsschein zum Interview zu äussern, obschon ihm dies im Rahmen seines
Anspruchs auf rechtliches Gehör ebenfalls zugestanden hätte.  
 
4.3.2. Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus beanstandet, dass in den
Akten keine konkreten Informationen über ein hängiges Strafverfahren und dessen
Bedeutung für einen Waffenerwerb oder Sprüche mit Kampfrhetorik an seinem
Büroschrank enthalten seien, ist sein Einwand ebenfalls begründet. In den
Unterlagen des kantonalen Verfahrens finden sich diesbezüglich nur Rubrum und
Dispositiv eines Urteils des Bezirksgerichts Bülach vom 23. April 2015.
Letzteres weist verschiedene geschwärzte Passagen auf und gibt über diverse
Verfahrenseinstellungen und Freisprüche (z.B. wegen Drohung, Übertretung des
Waffengesetzes) Auskunft, nicht aber über Verurteilungen oder hängige
Strafverfahren. In Bezug auf das Strafverfahren vor dem Obergericht stützt sich
die Vorinstanz offenbar auf Erwägungen im Rekursentscheid des Statthalteramts
vom 1. Juli 2016. In diesem wird wiederum massgeblich auf die in den Akten
nicht enthaltene Sendung "Kassensturz" und Schilderungen der Staatsanwaltschaft
Winterthur/Unterland abgestellt. Zu den Schilderungen der Staatsanwaltschaft
sind in den kantonalen Akten aber weder Amtsberichte, noch Schriftverkehr oder
Aktennotizen vorhanden, sodass weder deren genauer Inhalt ermittelt werden
kann, noch die Umstände ihrer Kundgabe an das Statthalteramt. Auch insoweit
liegt eine Verletzung der Aktenführungspflicht vor, die den Beschwerdeführer
daran hindert, sich im Rahmen seines verfassungsmässigen Anspruchs auf
rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) zu Sachverhaltselementen wirksam zu
äussern, die die Vorinstanzen für rechtserheblich halten.  
 
4.3.3. Daneben ist weiter zu beachten, dass das angefochtene Urteil den
Anforderungen von Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG nicht in sämtlichen Punkten
genügt. Nach der genannten Bestimmung müssen Entscheide, die der Beschwerde an
das Bundesgericht unterliegen, die massgebenden Gründe tatsächlicher und
rechtlicher Art enthalten. Aus dem Entscheid muss klar hervorgehen, welchen
Sachverhalt die Vorinstanz als rechtserheblich erachtet und ihrem Entscheid
zugrunde gelegt und welche rechtlichen Überlegungen sie angestellt hat (BGE 141
IV 244 E. 1.2.1 S. 245 f.; 135 II 145 E. 8.2 S. 153). Einen Entscheid, der den
Anforderungen nach Art. 112 Abs. 1 BGG nicht genügt, kann das Bundesgericht an
die kantonale Behörde zur Verbesserung zurückweisen oder aufheben (Art. 112
Abs. 3 BGG). Im Hinblick auf die Voraussetzungen für die Erteilung eines
Waffenerwerbsscheins nimmt das Verwaltungsgericht zwar zu Recht Bezug auf das
gegen den Beschwerdeführer hängige Strafverfahren (vgl. E. 3.2.1 hiervor).
Soweit es sich aber nur dahingehend äussert, dass "ein Teil dieser [in E. 4.1
hiervor genannten] Delikte im Verfahren vor Obergericht" beurteilt zu werden
"scheint", ergibt sich aus den vorinstanzlichen Erwägungen nicht, welche
strafrechtlichen Vorwürfe im Urteilszeitpunkt gegen den Beschwerdeführer
tatsächlich noch im Raum standen. Ebensowenig gibt das angefochtene Urteil
näher Aufschluss über Erkenntnisse aus diesem hängigen Strafverfahren, die im
Zusammenhang mit dem Hinderungsgrund nach Art. 8 Abs. 2 lit. c WG
verwaltungsrechtlich von Bedeutung sind. In diesem Umfang gehen die
massgeblichen Entscheidgründe tatsächlicher Art aus dem angefochtenen Urteil
nicht hervor.  
 
4.3.4. Festzuhalten bleibt, dass Erkenntnisse aus einem hängigen Strafverfahren
wegen Drohung und Widerhandlung gegen das Waffengesetz, aufgrund von
aggressivem Verhalten gegenüber Behörden oder einem Gewaltschutzverfahren (vgl.
E. 4.1 hiervor) im Rahmen von Art. 8 Abs. 2 lit. c WG durchaus die Verweigerung
eines Waffenerwerbsscheins rechtfertigen können (vgl. E. 3.2.1 hiervor).
Unabdingbar für eine Rechtskontrolle durch das Bundesgericht ist allerdings,
dass die entsprechenden Sachumstände dem angefochtenen Entscheid klar entnommen
werden können.  
 
5.  
Nach dem Dargelegten ist die Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art.
29 Abs. 2 BV) begründet. Zudem genügt das angefochtene Urteil den Anforderungen
nach Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG in entscheidwesentlichen Punkten nicht. Es ist
bereits aus diesen Gründen aufzuheben, sodass es sich erübrigt, auf die übrigen
Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen. Die Angelegenheit ist zur neuen
Beurteilung unter Wahrung des rechtlichen Gehörs des Beschwerdeführers an die
Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 107 Abs. 2 BGG; BGE 137 I 195 E. 2 S. 197 ff.;
Urteil 1C_457/2015 vom 3. Mai 2016 E. 2.7 [nicht publ. in: BGE 142 I 86]). Bei
diesem Verfahrensausgang sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4
BGG). Der anwaltlich nicht vertretene Beschwerdeführer hat keinen Anspruch auf
Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 BGG, BGE 129 II 297 E. 5 S. 304; Urteil
2C_704/2016 vom 6. Januar 2017 E. 3.6). Damit wird das Gesuch des
Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege im bundesgerichtlichen
Verfahren gegenstandslos. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen, und das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich, 3. Abteilung, vom 5. April 2017 (VB.2016.00466) wird
aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an das Verwaltungsgericht
zurückgewiesen. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Statthalteramt Bezirk Bülach
und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 3. Abteilung, schriftlich
mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 19. Februar 2018 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Fellmann 

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