Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.427/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
2C_427/2017  
 
 
Urteil vom 28. Juni 2018  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Gerichtsschreiberin Genner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Simon Lichtensteiger, 
 
gegen  
 
Veterinäramt des Kantons Thurgau, Spannerstrasse 22, 8510 Frauenfeld, 
Departement für Inneres und Volkswirtschaft des Kantons Thurgau,
Verwaltungsgebäude, Promenadenstrasse 8, 8510 Frauenfeld. 
 
Gegenstand 
Widerhandlung gegen Vorschriften der Tierseuchengesetzgebung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
15. März 2017 (VG.2016.164/E). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 15. Oktober 2015 nahm das Veterinäramt des Kantons Thurgau eine amtliche
Kontrolle der Pferdehaltung auf dem Betrieb von A.________ vor. Dabei stellte
es fest, dass für die beiden Pferde B.________ (geb. am 16. Februar 1990) und
C.________ (geb. am 10. April 1997) keine Equidenpässe vorhanden waren. 
 
B.  
Mit Verfügung vom 18. April 2016 stellte das Veterinäramt fest, "dass die
beiden Pferde B.________ und C.________ im Eigentum von A.________ keinen
Equidenpass haben" (Ziff. 1), und forderte A.________ auf, bis zum 31. Mai 2016
dafür zu sorgen, dass a) ein berechtigter Tierarzt die beiden genannten Pferde
"chippe" und deren Chipnummern in der Datenbank Agate den Tieren zuordne, und
b) von einer passausgebenden Stelle für die beiden genannten Pferde offizielle
Equidenpässe bestellt würden (Ziff. 2). Die dagegen erhobenen kantonalen
Rechtsmittel blieben erfolglos (Entscheid des Departements für Inneres und
Volkswirtschaft des Kantons Thurgau vom 9. November 2016; Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 15. März 2017). 
 
C.  
A.________ erhebt am 8. Mai 2017 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben. 
Das Verwaltungsgericht, das Departement für Inneres und Volkswirtschaft sowie
das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) schliessen auf Abweisung der
Beschwerde. A.________ hat am 24. Oktober 2017 repliziert. 
Das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde ist mit
Nichteintretensentscheid vom 23. Juni 2017 erledigt worden. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der angefochtene Entscheid betrifft eine Verwaltungsverfügung im Bereich der
Tierseuchengesetzgebung. Dagegen ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d, Art. 90 BGG).
Der Beschwerdeführer ist als Adressat des angefochtenen Entscheids, an dessen
Aufhebung oder Änderung er ein schutzwürdiges Interesse hat, zur Erhebung der
Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die form- und fristgerecht
erhobene Beschwerde (Art. 42, Art. 100 Abs. 1 BGG) ist einzutreten. 
 
2.  
Der Beschwerdeführer wendet sich - wie schon vor der Vorinstanz - nicht gegen
die Pflicht, für seine Pferde einen Equidenpass zu beantragen. Er macht
hingegen geltend, er sei gemäss Art. 315g Abs. 1 der Tierseuchenverordnung vom
27. Juni 1995 (TSV; SR 916.401) nicht verpflichtet, seine Pferde "chippen" zu
lassen. 
 
2.1. Jedes Tier der Rinder-, Schaf-, Ziegen- und Schweinegattung muss
gekennzeichnet und registriert sein (Art. 14 Abs. 1 des Tierseuchengesetzes vom
1. Juli 1966 [TSG; SR 916.40]). Gestützt auf Art. 16 TSG, wonach der Bundesrat
den Geltungsbereich der Vorschriften der Art. 14-15b TSG unter bestimmten
Voraussetzungen auf Tiere anderer Gattungen ausdehnen kann, wurde mit Wirkung
ab 1. Januar 2011 im 2. Titel 1. Kapitel Abschnitt 1a mit dem Titel
"Kennzeichnung und Registrierung von Equiden" in die Tierseuchenverordnung
eingefügt (Änderung vom 12. Mai 2010 [AS 2010 2525]). Gemäss Art. 6 lit. y TSV
sind Equiden domestizierte Tiere der Pferdegattung (Pferd, Esel, Maultier,
Maulesel). Die hier interessierenden Bestimmungen, welche am 1. Januar 2011 in
Kraft getreten sind, lauten (bzw. lauteten) folgendermassen: Der Eigentümer
eines Equiden muss diesen spätestens bis zum 30. November von dessen
Geburtsjahr mit einem Mikrochip kennzeichnen lassen (Art. 15a Abs. 1 erster
Halbsatz TSV; Ausnahmen von diesem Grundsatz sind hier nicht einschlägig). Der
Eigentümer eines Equiden muss für diesen bis spätestens zum 31. Dezember von
dessen Geburtsjahr einen Equidenpass ausstellen lassen (Art. 15c Abs. 1 erster
Satz TSV). Der Equide muss vor der Passausstellung gemäss Art. 15b TSV
identifiziert sowie gemäss Art. 15a TSV mit einem Mikrochip gekennzeichnet sein
(Art. 15c Abs. 2 TSV in der Fassung vom 12. Mai 2010 [AS 2010 2525], in Kraft
bis 31. Dezember 2014). Der Equidenpass muss u.a. folgende Angabe enthalten:
die Mikrochipnummer (Art. 15d Abs. 1 lit. e TSV).  
 
2.2. Zur Änderung vom 12. Mai 2010 wurden folgende Übergangsbestimmungen
erlassen: Equiden, die vor dem 11. Januar 2011 geboren wurden, müssen nicht mit
einem Mikrochip gekennzeichnet werden (Art. 315g Abs. 1 TSV). Für Equiden, die
vor dem 1. Januar 2011 geboren sind und die noch keinen Equidenpass haben, muss
der Eigentümer bis zum 31. Dezember 2012 einen Equidenpass ausstellen lassen (
Art. 315g Abs. 2 TSV).  
 
2.3. Seit dem 1. Januar 2015 lautet Art. 15c Abs. 2 TSV folgendermassen: Das
Tier muss vor der Ausstellung des Grundpasses (Art. 15d bis Abs. 1 TSV) mit
einem Mikrochip nach Art. 15a TSV gekennzeichnet sein (Art. 15c Abs. 2 TSV in
der Fassung vom 20. Juni 2014 [AS 2014 2243]). Diese Fassung ist für den
vorliegenden Fall massgeblich. Die Bezugnahme auf die ab 1. Januar 2015 gültige
Fassung von Art. 15d bis Abs. 1 TSV ändert nichts daran, dass bereits ab dem 1.
Januar 2011 Equidenpässe grundsätzlich nur ausgestellt wurden, wenn das Tier
zuvor mit einem Mikrochip versehen worden war. Dies zeigt sich auch in Art. 15d
Abs. 1 lit. e TSV, wonach die Mikrochipnummer im Equidenpass angegeben werden
muss; auch diese Regel galt bereits seit 1. Januar 2011. Neu war ab dem Jahr
2015, dass durch die Aufhebung von Art. 15b TSV und Art. 15d Abs. 1 lit. c TSV
(AS 2014 2243) die Identifizierung des Equiden durch ein verbales und ein
grafisches Signalement (vgl. Art. 15b Abs. 2 TSV in der Fassung vom 12. Mai
2010 [AS 2010 2525], in Kraft bis 31. Dezember 2014) entfallen ist.  
 
3.  
 
3.1. Seit dem 1. Januar 2011 (Inkrafttreten der Änderung vom 12. Mai 2010) sind
die Eigentümer von Equiden gemäss Art. 15a Abs. 1 TSV grundsätzlich
verpflichtet, diese mit einem Mikrochip zu versehen. In Verbindung mit Art.
315g TSV ergibt sich, dass diese Regel jedenfalls in Bezug auf alle ab dem 1.
Januar 2011 geborenen Equiden anwendbar ist. Für die vor diesem Datum geborenen
Equiden galt, dass sie nicht mit einem Mikrochip versehen werden mussten;
jedoch musste für jene unter ihnen, die noch keinen Equidenpass hatten,
innerhalb von zwei Jahren ein solcher ausgestellt werden (Art. 315g Abs. 2 TSV
).  
 
3.2. Die Pferde des Beschwerdeführers wurden 1990 und 1997 geboren. Somit
mussten sie gemäss Art. 315g Abs. 1 TSV im Zeitpunkt des Inkrafttretens der
Verordnungsnovelle am 1. Januar 2011 nicht mit einem Mikrochip versehen werden.
Hingegen war der Beschwerdeführer verpflichtet, für sie innerhalb von zwei
Jahren Equidenpässe ausstellen zu lassen. Er hat diese Frist ungenutzt
verstreichen lassen und beruft sich nun auf Art. 315g Abs. 1 TSV.  
 
3.3. Aus Art. 15c Abs. 1 und 2 TSV geht hervor, dass grundsätzlich für einen
Equiden, der nicht "gechippt" ist, kein Equidenpass ausgestellt wird (vgl. E.
2.3). Die Verknüpfung von Mikrochip und Equidenpass muss gleichermassen für die
Übergangsregelung gelten; dies ergibt sich zudem aus der systematischen
Stellung der beiden Absätze von Art. 315g TSV. Aufgrund dieser Verknüpfung muss
die Übergangsregelung als Ganzes gelesen werden. Übergangsbestimmungen dienen
dazu, den von einer Rechtsänderung betroffenen Personen Erleichterungen zu
verschaffen, damit sie sich an die neue Rechtslage anpassen können. Demgemäss
konnten die Eigentümer jener Equiden, die vor dem 1. Januar 2011 geboren
waren,  während der Frist von der Übergangsregelung profitieren: Sie mussten
diese Tiere nicht "chippen" lassen und hatten zwei Jahre Zeit, für sie einen
Equidenpass ausstellen zu lassen, sofern ein solcher noch nicht vorhanden war.
Daraus erhellt ohne weiteres, dass während dieser Frist das Erfordernis des
Mikrochips für die vor dem 1. Januar 2011 geborenen Tiere entfiel. Nach Ablauf
der Übergangsfrist am 31. Dezember 2012 ist diese Privilegierung dahingefallen
mit der Folge, dass nunmehr für alle Rechtsunterworfenen die ordentlichen
Bestimmungen - hier in erster Linie Art. 15c Abs. 2 TSV i.V.m. Art. 15d bis
Abs. 1 TSV - gelten. Wollte man anders entscheiden und einzig auf den Wortlaut
von Art. 315g Abs. 1 TSV abstellen, würden Eigentümer dafür "belohnt", dass sie
- wie der Beschwerdeführer - die Frist zur Ausstellung des Equidenpasses
ungenutzt haben verstreichen lassen. Dies wäre mit dem Zweck der Kennzeichnung
und Registrierung, welche der Lebensmittelsicherheit und der Tiergesundheit
dient, nicht vereinbar. Das EDI hat überzeugend dargelegt, dass im Kontext der
Tierseuchengesetzgebung mit Blick auf den globalisierten Handel und den
Klimawandel eine eindeutige Identifikation der Equiden unerlässlich ist. Sodann
weisen das EDI und die Vorinstanz darauf hin, dass eine eindeutige
Identifikation seit dem 1. Januar 2015 ausschliesslich durch den Mikrochip
gewährleistet ist, weil das verbale und das grafische Signalement nicht mehr im
Equidenpass erscheint (vgl. E. 2.3 am Ende). Es leuchtet ein, dass seit diesem
Zeitpunkt erst recht nicht mehr auf den Mikrochip verzichtet werden kann. Die
Auslegung ergibt somit eindeutig, dass Art. 315g Abs. 1 TSV nicht isoliert
betrachtet werden darf. Wenngleich es der Verordnungsgeber (auch im Rahmen der
Änderungen, welche am 1. Januar 2015 in Kraft getreten sind) unterlassen hat,
diese Bestimmung aufzuheben, kann sich der Beschwerdeführer nicht mehr darauf
berufen, seit die Übergangsfrist nach Art. 315g Abs. 2 TSV am 31. Dezember 2012
abgelaufen ist.  
 
3.4. Die Einwände des Beschwerdeführers überzeugen nicht. Entgegen seiner
Auffassung geht es nicht um die Rechtsfolge des Verstreichenlassens der Frist
im Sinn von Art. 315g Abs. 2 TSV, sondern um den Sinn und Zweck von Art. 315g
TSV als Ganzes. Der Hinweis des Beschwerdeführers, wonach ein Mikrochip in
missbräuchlicher Absicht ausgewechselt werden könne, vermag das Zweckargument
der weltweit eindeutigen Identifizerung nicht zu entkräften. Dies umso weniger,
als der Beschwerdeführer selbst einräumt, dass der Mikrochip grundsätzlich
fälschungs- und manipulationssicher ist. Ungeachtet dessen können
Missbrauchsgefahren grundsätzlich nicht als Rechtfertigung dafür dienen, eine
gesetzliche Regelung zu unterlaufen. Auch aus der Tatsache, dass er am 9.
November 2010 bei beiden Pferden das verbale und das grafische Signalement
durch einen autorisierten Tierarzt hatte erheben lassen und die Tiere per 4.
Dezember 2012 bei der Tierdatenbank angemeldet hatte, kann der Beschwerdeführer
nichts zu seinen Gunsten ableiten, da er die Equidenpässe nicht innerhalb der
Übergangsfrist nach Art. 315g Abs. 2 TSV hat ausstellen lassen. Die aus diesem
Versäumnis entstandenen Rechtsnachteile hat er zu tragen.  
 
3.5. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Vorinstanz die Verfügung des
Veterinäramts zu Recht bestätigt hat. Die Vorinstanz hat dem Beschwerdeführer
eine Frist von drei Monaten ab Rechtskraft des vorliegenden Urteils gesetzt, um
seine Pferde B.________ (geb. am 16. Februar 1990) und C.________ (geb. am 10.
April 1997) mit einem Mikrochip versehen und für sie einen Equidenpass
ausstellen zu lassen.  
 
4.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die
Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es ist keine Parteientschädigung
geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Thurgau und dem Eidgenössischen Departement des Innern schriftlich
mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 28. Juni 2018 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Genner 

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