Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.36/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}

2C_36/2017         

2C_37/2017

Urteil vom 30. Januar 2017

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Zünd, Stadelmann,
Gerichtsschreiber Kocher.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Herr lic. iur. Urs Farronato, Steuer- und Rechtsberatung,
Beschwerdeführerin,

gegen

Steueramt des Kantons Solothurn,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
2C_36/2017
Staats- und Gemeindesteuer des Kantons Solothurn, Veranlagungsperiode 2014,

2C_37/2017
direkte Bundessteuer, Veranlagungsperiode 2014,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonalen Steuergerichts Solothurn vom 5.
Dezember 2016.
Sachverhalt:
A.
A.________ hat seit dem 11. Mai 2014 steuerrechtlichen Wohnsitz im Kanton
Solothurn (Gemeinde U.________). Vom 1. April 2014 bis zum 30. Juni 2014 war
sie Mitarbeiterin der B.________GmbH in V.________/ZG, woraus ihr ein
Nettoeinkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit von Fr. 41'236.-- erwuchs
(Lohnausweis vom 31. März 2015). Ein ärztliches Zeugnis vom 16. Oktober 2014
attestiert ihr, sie sei "seit dem 19. Mai 2014 bis auf weiteres zu 100 %
arbeitsunfähig".
B.
Trotz Mahnung und Ordnungsbusse seitens des Steueramtes des Kantons Solothurn
(KStA/SO) kam die Steuerpflichtige ihrer Pflicht, die Steuererklärung 2014
einzureichen, nicht nach. In der Folge schritt das KStA/SO zur Veranlagung nach
pflichtgemässem Ermessen. In den Veranlagungsverfügungen vom 30. Mai 2016
gelangte sie zu einem steuerbaren Einkommen von Fr. 132'700.-- zum Steuersatz
von Fr. 207'139.-- und einem steuerbaren und satzbestimmenden Vermögen von Fr.
40'000.-- (Staats- und Gemeindesteuer des Kantons Solothurn) bzw. zu einem
steuerbaren Einkommen von Fr. 133'200.-- zum Steuersatz von Fr. 207'900.--
(direkte Bundessteuer).
Mit Schreiben vom 27. Juni 2016 gab die Steuerpflichtige dem KStA/SO bekannt,
die Veranlagung entspreche in keiner Weise den Tatsachen, weshalb sie
Einsprache erhebe. Von Juli 2014 bis Januar 2015 sei sie erwerbsunfähig gewesen
und durch die Familie unterstützt worden. Ab Juli 2014 sei kein Einkommen
angefallen, auch kein Krankentaggeld. Zur Begründung verwies sie auf den
Lohnausweis vom 31. März 2015 und das Arztzeugnis vom 16. Oktober 2014. Sie
habe sich, wie vom zuständigen Veranlagungsbeamten telefonisch empfohlen, um
eine neue Steuererklärung bemüht und werde diese nachreichen.
Das KStA/SO erläuterte der Steuerpflichtigen mit Schreiben vom 30. Juni 2016
die Anforderungen an eine Einsprache gegen eine Veranlagung nach
pflichtgemässem Ermessen. Es erklärte, die bis dahin eingereichte Eingabe
genüge den gesetzlichen Anforderungen nicht, sie könne aber bis zum Ablauf der
Einsprachefrist verbessert werden. Nachdem die Steuererklärung und
weiterführende Beweismittel bis dahin ausgeblieben waren, trat das KStA/SO auf
die Einsprache nicht ein (Verfügung vom 11. Juli 2016).

C.
Am 10. August 2016 erhob die Steuerpflichtige beim Steuergericht des Kantons
Solothurn Rekurs und Beschwerde, wobei sie der Eingabe die Steuererklärung
2014, ebenfalls datierend vom 10. August 2016, beilegte. Diese zeigte ein
steuerbares und satzbestimmendes Einkommen von Fr. 31'136.-- (Staats- und
Gemeindesteuer des Kantons Solothurn) bzw. Fr. 31'936.-- (direkte
Bundessteuer). Mit Urteil SGSTA.2016.74 / BST.2016.70 vom 5. Dezember 2016 wies
das Steuerrekursgericht die Rechtsmittel ab. Es erkannte, Auslegung und
Anwendung des Bundesrechts durch das KStA/SO seien nicht zu beanstanden. Die im
Rekurs- und Beschwerdeverfahren vorgebrachte Steuererklärung könne nicht mehr
berücksichtigt werden.
D.
Dagegen erhebt die Steuerpflichtige beim Bundesgericht mit Eingabe vom 13.
Januar 2017 "Beschwerde". Sie beantragt, der angefochtene Entscheid sei
aufzuheben und sie sei entsprechend der nachträglich eingereichten
Steuererklärung 2014 zu veranlagen.
Der Abteilungspräsident als Instruktionsrichter (Art. 32 Abs. 1 BGG [SR
173.110]) hat von Instruktionsmassnahmen abgesehen.

Erwägungen:

I. Prozessuales

1.

1.1. Die Beschwerde betrifft einerseits die Staats- und Gemeindesteuer des
Kantons Solothurn, anderseits die direkte Bundessteuer, jeweils 2014. Aus
diesem Grund sind praxisgemäss zwei Dossiers zu eröffnen. Die aufgeworfene
Rechtsfrage nach den Anforderungen an eine Einsprache, die gegen eine
Veranlagung nach pflichtgemässem Ermessen gerichtet wird, ist in beiden Fällen
gleichermassen zu beantworten. Es rechtfertigt sich, die Verfahren zu
vereinigen und die Beschwerde in einem einzigen Urteil zu erledigen (vgl. Art.
71 BGG [SR 173.110] i. V. m. Art. 24 BZP [SR 273]; BGE 142 II 293 E. 1.2 S.
296).

1.2. Die Sachurteilsvoraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten liegen vor (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1
lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1, Art. 90, Art. 100 Abs. 1 BGG in Verbindung
mit Art. 146 Abs. 2 DBG [SR 642.11] bzw. Art. 73 Abs. 2 StHG [SR 642.14]). Auf
die Beschwerde ist einzutreten.

1.3. Vor Bundesgericht kann der Streitgegenstand gegenüber dem vorinstanzlichen
Verfahren weder geändert noch erweitert werden (Art. 99 Abs. 2 BGG). Ficht die
beschwerdeführende Partei einen Nichteintretensentscheid oder einen
Rechtsmittelentscheid an, der einen solchen bestätigt, haben ihre
Rechtsbegehren und deren Begründung sich zwingend auf die vorinstanzlichen
Erwägungen zu beziehen, die zum Nichteintreten bzw. zur Bestätigung des
Nichteintretens geführt haben (Art. 42 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht prüft in
einem solchen Fall nur, ob die betreffende Instanz mit Recht auf das
Rechtsmittel nicht eingetreten ist. Ist dies zu bejahen, entscheidet es
reformatorisch und bestätigt es den Nichteintretensentscheid. Andernfalls
urteilt es kassatorisch, weist es die Sache an die Vorinstanz zurück und sieht
es von einer Beurteilung in der Sache selbst ab (Urteil 2C_1141/2016 vom 14.
Dezember 2016 E. 2.1).

1.4. Das Bundesgericht prüft das Bundesrecht von Amtes wegen (Art. 106 Abs. 1
BGG; BGE 142 I 155 E. 4.4.5 S. 157) und mit uneingeschränkter (voller)
Kognition (Art. 95 lit. a BGG; BGE 141 V 234 E. 2 S. 236).

1.5. Die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten (einschliesslich der
Grundrechte) und von rein kantonalem Recht prüft das Bundesgericht dagegen nur,
falls eine solche Rüge in der Beschwerde überhaupt vorgebracht und ausreichend
begründet worden ist (qualifizierte Rüge- und Begründungsobliegenheit gemäss
Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 I 99 E. 1.7.2 S. 106).

1.6. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 142 I 155 E. 4.4.3
S.156). Es kann die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nur berichtigen
oder ergänzen, soweit sie offensichtlich unrichtig - das heisst willkürlich -
sind oder auf einer anderen Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen
(Art. 105 Abs. 2 BGG; 142 V 2 E. 2 S. 5). Auf Kritik an den tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz, die den Anforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG
(vorne E. 2.4) nicht genügt, geht das Bundesgericht nicht ein (Art. 97 Abs. 1
BGG; BGE 141 V 439 E. 1.2 S. 442).

II. Direkte Bundessteuer

2.

2.1. Streitig und zu prüfen kann vor Bundesgericht einzig sein, ob die
Vorinstanz bundesrechtskonform erwogen hat, das KStA/SO sei zu Recht auf die
Eingabe der Steuerpflichtigen vom 27. Juni 2016 nicht eingetreten (vorne E.
1.3).

2.2.

2.2.1. Gemäss Art. 132 Abs. 3 DBG kann die steuerpflichtige Person eine
Veranlagungsverfügung, die aufgrund pflichtgemässen Ermessens ergangen ist,
einzig mit der Begründung anfechten, die Veranlagung sei offensichtlich
unrichtig (Satz 1). Die Einsprache ist, abweichend vom Grundsatz (Art. 132 Abs.
1 DBG), in einem solchen Fall zu begründen und muss allfällige Beweismittel
nennen (Satz 2). Der Unrichtigkeitsnachweis ist dabei  umfassend zu erbringen.
Die Einsprache soll derart gehalten sein, dass die Veranlagungsbehörde mit
Blick auf die Begründung und die Beweismittel ohne Weiteres erkennen kann, ob
die Ermessensveranlagung "offensichtlich unrichtig" ausgefallen sei. Beim
Begründungserfordernis handelt es sich um eine Sachurteilsvoraussetzung (zum
Ganzen Urteil 2C_372/2016 / 2C_374/2016 vom 7. Juni 2016 E. 2.2.2, in: ASA 85
S. 78, StR 71/2016 S. 877).

2.2.2. Die dreissigtägige Einsprachefrist ist als gesetzliche oder
peremptorische und mithin Verwirkungsfrist ausgestaltet. In  zeitlicher
 Hinsicht reicht es daher nicht aus, wenn die steuerpflichtige Person innert
der Einsprachefrist lediglich dartut, in einem späteren Zeitpunkt materiell
Stellung nehmen zu wollen. Die Sachurteilsvoraussetzungen sind innerhalb der
Frist zu erfüllen, ansonsten das materielle oder prozessuale Recht insgesamt
untergeht (Urteil 2C_372/2016 / 2C_374/2016 vom 7. Juni 2016 E. 3.3).

2.2.3. In  inhaltlicher Hinsicht verlangt das Bundesrecht, dass die
steuerpflichtige Person innerhalb der gesetzlichen Einsprachefrist den  Antrag
 stellt, die von Gesetzes wegen erforderliche  Begründung abgibt und die 
Beweismittel nennt. Die Begründung ergibt sich in aller Regel aus der
nachzureichenden Steuererklärung. Die Pflicht zur Einreichung der
Steuererklärung besteht im Veranlagungsverfahren (Art. 124 Abs. 2 DBG),
grundsätzlich aber auch im Verfahren der Einsprache gegen eine Veranlagung nach
pflichtgemässem Ermessen (BGE 131 II 548 E. 2.3 S. 551; Urteile 2C_504/2010 vom
22. November 2011 E. 2.2, in: StR 67/2012 S. 143; 2C_203/2011 vom 22. Juni 2011
E. 3.1, in: StR 66/2011 S. 700). Denn verfahrensrechtlich soll nicht besser
dastehen, wer den Mitwirkungspflichten im Veranlagungsverfahren nicht
nachgekommen ist (in diesem Sinne auch Botschaft vom 25. Mai 1983 zu den
Bundesgesetzen über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und
Gemeinden sowie über die direkte Bundessteuer, BBl 1983 III 1 ff., insb. S. 210
zu Art. 135 E-DBG). Ein Vorbehalt ist indes am Platz, wo die
Verhältnismässigkeit es gebietet, also insbesondere, wenn das Nachholen
fehlender Elemente oder das Ausfüllen der Steuererklärung unzumutbar ist
(MARTIN ZWEIFEL/HUGO CASANOVA, Schweizerisches Steuerverfahrensrecht, 2008, §
20 N. 26).

2.2.4. Sachurteilsvoraussetzung im Sinne von Art. 132 Abs. 3 Satz 1 DBG ist
allerdings nur die Einsprachebegründung (Urteil 2C_509/2015 / 2C_510/2015 vom
2. Februar 2016 E. 6.1, in: ASA 84 S. 666, RDAF 2016 II 168, StR 71/2016 S.
455; 2C_579/2008 vom 29. April 2009 E. 2.2, in: StE 2009 B 95.1 Nr. 4), nicht
die eingereichte Steuererklärung (PETER LOCHER, Kommentar zum DBG, III. Teil,
2015, N. 33 und 43 f. zu Art. 133 DBG). Die Einsprachebegründung kann folglich
auch auf andere Weise als durch Vorlage der Steuererklärung erbracht werden
(FELIX RICHNER/WALTER FREI/STEFAN KAUFMANN/HANS ULRICH MEUTER, Handkommentar
zum DBG, 3. Aufl. 2016, N. 58 zu Art. 132 DBG; MARTIN ZWEIFEL/SILVIA HUNZIKER,
in: Martin Zweifel/Michael Beusch [Hrsg.], Komm. DBG, 3. Aufl. 2017, N. 35a zu
Art. 132 DBG).

2.3.

2.3.1. Die Steuerpflichtige hat innerhalb der Einsprachefrist das sehr
allgemein gehaltene Schreiben vom 27. Juni 2016, den Lohnausweis vom 31. März
2015 und das Arztzeugnis vom 16. Oktober 2014 zu den Akten gegeben. Auch in der
Summe vermag dies die vollständig ausgefüllte Steuererklärung 2014 nicht zu
ersetzen, worauf die Vorinstanz mit Recht hinweist. Im Verfahren der gemischten
Veranlagung stellen die Veranlagungsbehörde und die steuerpflichtige Person die
"für eine vollständige und richtige Besteuerung massgebenden tatsächlichen und
rechtlichen Verhältnisse" zusammen fest (Art. 123 Abs. 1 DBG). Entsprechend ist
die Steuererklärung - oder das sie ersetzende gleichwertige Schriftstück -
wahrheitsgemäss und vollständig auszufüllen (Art. 124 Abs. 2 DBG). Begnügt die
steuerpflichtige Person sich mit dem Einreichen eines Lohnausweises, ohne ihren
Antrag weitergehend zu begründen, so hat sie dadurch bestenfalls einen Teil der
ihr obliegenden Mitwirkungspflicht wahrgenommen. Dies gilt umso mehr im
Einspracheverfahren nach Art. 132 Abs. 3 DBG. Denn es fehlt nach wie vor eine
die Steuererklärung gleichwertig ersetzende Darstellung, die Auskunft über
sämtliche Einkünfte (und Abzüge) geben und gleichzeitig als Erklärung für die
Richtigkeit und Vollständigkeit der gemachten Angaben herangezogen werden kann
(Art. 124 Abs. 2 DBG; Urteil 2A.164/2004 vom 23. April 2004 E. 3).

2.3.2. Inhaltlich trägt die Steuerpflichtige vor, sie befinde sich (oder habe
sich befunden) in einer arbeitsrechtlichen Streitigkeit mit dem Arbeitgeber,
für den sie von April bis Juni 2014 tätig gewesen sei. Unmittelbar nach Eingang
der Verfügungen vom 30. Mai 2016 habe sie sich mit dem KStA/SO in Verbindung
gesetzt und die Situation dargelegt. Der zuständige Veranlagungsbeamte habe ihr
angeraten, Einsprache zu erheben und ein Duplikat der - offenbar verloren
gegangenen - Steuererklärung 2014 anzufordern. Das anschliessende Vorgehen der
Veranlagungsbehörde habe sie, die Steuerpflichtige, aber "daran gehindert, ihre
Rechte wahrzunehmen. Ausserdem meinen wir, dass eine Behörde an ihre eigenen
telefonischen Auskünfte gehalten ist". Zudem habe das KStA/SO über hinreichende
Angaben verfügt, um eine sachgemässe Veranlagung vorzunehmen.

2.3.3. Dies überzeugt nicht: Selbst wenn Unstimmigkeiten mit dem früheren
Arbeitgeber bestanden haben sollten, hätte dies die Steuerpflichtige nicht
davon abhalten können, eine Steuererklärung einzureichen und gegebenenfalls den
Vorbehalt der noch nicht beendeten arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung
anzubringen. Sie hätte dies schon im Veranlagungsverfahren tun können, umso
mehr im Einspracheverfahren, zumal sie im Schreiben vom 30. Juni 2016 vom KStA/
SO ausdrücklich auf das Erfordernis hingewiesen worden war, Begründung und
Beweismittel bis zum Fristablauf vorzubringen. Soweit die Steuerpflichtige mit
diesen Vorbringen geltend machen will, die Mitwirkungspflicht sei
unverhältnismässig (vorne E. 2.2.3), dringt sie damit nicht durch. Ebenso wenig
besteht ein Anhaltspunkt für eine individuelle Zusicherung, auf welche die
Steuerpflichtige sich beruft und die es ihr erlaubt haben soll, die
Steuererklärung auch später noch fristwahrend einzureichen (BGE 141 I 161 E.
3.1 S. 164 und insb. Urteil 2C_997/2016 vom 10. November 2016 E. 3.3.2, in: ASA
85 S. 388).

2.3.4. Der Unrichtigkeitsnachweis war bei Ablauf der Einsprachefrist mithin
weder formell (durch Nachholen der Mitwirkungspflicht, sei es durch eine
ordentlich ausgefüllte Steuererklärung, sei es durch gleichwertige Unterlagen)
noch materiell (durch Aufzeigen der Unzulänglichkeiten der
Veranlagungsverfügung) erbracht. Die Vorinstanz hat bundesrechtskonform
erwogen, das KStA/SO habe auf die Einsprache nicht eintreten müssen.

2.4.

2.4.1. Gemäss Art. 140 Abs. 3 DBG können mit der Beschwerde gegen den
Einspracheentscheid "alle Mängel des angefochtenen Entscheides und des
vorangegangen Verfahrens gerügt werden". Im bundessteuerlichen Bereich stellt
die Beschwerde sich daher als ordentliches, suspensives, vollkommenes,
devolutives, selbständiges und reformatorisches Rechtsmittel mit Novenrecht dar
(RICHNER/FREI/ KAUFMANN/MEUTER, a. a. O., N. 1 zu Art. 140 DBG; LOCHER, III, N.
2 ff. zu Art. 140 DBG). Spiegelbildlich verfügt die Steuerrekurskommission über
volle (uneingeschränkte) Kognition (ZWEIFEL/CASANOVA, a. a. O., § 20 N. 5). Die
Beschwerdeinstanz wendet das materielle und das formelle Recht von Amtes wegen
an, wobei zumindest im erstinstanzlichen kantonalen Verfahren aufgrund der
unbeschränkten Zulässigkeit von neuen tatsächlichen Behauptungen und neuen
Beweismitteln sowohl echte als auch unechte Noven zu hören sind (PATRICK M.
MÜLLER, Aspekte der Verwaltungsrechtspflege, 2006, S. 331 und 374).

2.4.2. Die Vorinstanz erachtet es als verspätet, dass die Steuerpflichtige die
Steuererklärung erst im Rekurs- bzw. Beschwerdeverfahren vorbringt. Auch dies
ist nicht zu beanstanden. Streitgegenstand im Einspracheverfahren war, wie
ausgeführt, einzig die Frage, ob auf die Einsprache einzutreten sei. Das KStA/
SO hat dies bundesrechtskonform verneint. Der Streitgegenstand kann im Verlaufe
eines Rechtsmittelverfahrens nur eingeschränkt  (minus), nicht aber
ausgeweitet  (plus) oder geändert  (aliud) werden (vorne E. 1.3; Urteil 2C_1068
/2016 / 2C_1069/2016 vom 12. Dezember 2016 E. 2.3). Die erst im Rekurs- und
Beschwerdeverfahren vorgebrachte Steuererklärung stellt zwar ein echtes Novum
dar, und ebenso unstreitig sind Noven im Verfahren nach Art. 140 DBG
grundsätzlich zu hören. Das Novenrecht kann aber nur im Rahmen des
Streitgegenstands von Bedeutung sein. Dieser beschränkte sich hier auf die
Frage, ob das KStA/SO mit Recht auf die Einsprache nicht eingetreten war. Das
Steuerrekursgericht untersuchte demgemäss zu Recht einzig, ob die
Eintretensvoraussetzungen im Einspracheverfahren gegeben waren. Dies war zu
verneinen, woran auch die zusammen mit der Beschwerde eingereichte
Steuererklärung nichts (mehr) ändert.

2.4.3. Anders verhielte es sich, wenn das KStA/SO die Einsprache, den
Lohnausweis und das Arztzeugnis als genügend erachtet hätte und auf die
Einsprache eingetreten wäre, um die Steuerfaktoren neu festzulegen. Diesfalls
wäre die Steuererklärung durchaus behelflich, würde sie sich doch als echtes
Novum darstellen, das den im Einspracheverfahren herrschenden Streitgegenstand
in einem anderen Licht erscheinen lässt. Daran fehlt es im vorliegenden Fall
aber, fehlt doch ein hinreichender Zusammenhang zwischen Steuererklärung und
Nichteintretensentscheid.

2.5. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie abzuweisen
ist.

III. Staats- und Gemeindesteuer des Kantons Solothurn

3.
Die Rechtslage gemäss Art. 48 Abs. 2 StHG entspricht in allen Teilen jener nach
Art. 132 Abs. 3 DBG. In der Folge stimmt § 149 Abs. 4 des Gesetzes (des Kantons
Solothurn) vom 1. Dezember 1985 über die Staats- und Gemeindesteuern (StG/SO;
BGS 614.11) mit Art. 48 Abs. 2 StHG überein, sodass auf das zur direkten
Bundessteuer Gesagte verwiesen werden kann. Die Beschwerde ist auch unter dem
Gesichtspunkt des harmonisierten kantonalen Rechts abzuweisen.

IV. Kosten und Entschädigung

4.
Nach dem Unterliegerprinzip (Art. 65 i. V. m. Art. 66 Abs. 1 BGG) sind die
Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens der Steuerpflichtigen aufzuerlegen.
Dem Kanton Solothurn, der in seinem amtlichen Wirkungskreis obsiegt, steht
keine Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verfahren 2C_36/2017 (Staats- und Gemeindesteuer des Kantons Solothurn,
Veranlagungsperiode 2014) und 2C_37/2017 (direkte Bundessteuer,
Veranlagungsperiode 2014) werden vereinigt.

2.
Die Beschwerde im Verfahren 2C_37/2017 wird abgewiesen.

3.
Die Beschwerde im Verfahren 2C_36/2017 wird abgewiesen.

4.
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 2'000.-- werden der
Beschwerdeführerin auferlegt.

5.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonalen Steuergericht
Solothurn und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. Januar 2017

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Kocher

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