Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.349/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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2C_349/2017            

 
 
 
Urteil vom 31. August 2017  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Bundesrichter Haag, 
Gerichtsschreiber Fellmann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Martin Schwegler, 
 
gegen  
 
Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau. 
 
Gegenstand 
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung 
und Wegweisung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 2.
Kammer, vom 3. März 2017. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die kosovarische Staatsangehörige A.________ (geb. 1992) verfügte über eine bis
31. Oktober 2016 gültige Aufenthaltsbewilligung. Mit Verfügung vom 29.
September 2016 lehnte das Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau
(MIKA) eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung ab und wies A.________
unter Ansetzung einer Ausreisefrist von 30 Tagen nach Rechtskraft der Verfügung
aus der Schweiz weg. Die Verfügung wurde der damaligen Rechtsvertreterin am 30.
September 2016 als A-Post-Plus-Sendung zugestellt. 
 
B.  
 
B.a. Gegen die Verfügung vom 29. September 2016 erhob A.________ mit Eingabe
ihrer damaligen Rechtsvertreterin vom 3. November 2016 Einsprache beim MIKA. Am
4. November 2016 ging bei der damaligen Rechtsvertreterin von A.________ ein
Schreiben des MIKA vom 3. November 2016 ein. Darin machte das MIKA den Hinweis,
dass die Verfügung vom 29. September 2016 betreffend Nichtverlängerung der
Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung am 31. Oktober 2016 in Rechtskraft
erwachsen sei.  
In der Folge forderte das MIKA die damalige Rechtsvertreterin von A.________
mit Schreiben vom 7. November 2016 auf, sich bis zum 18. November 2016 zur
Wahrung der Einsprachefrist zu äussern, da beabsichtigt werde, wegen
Nichteinhalten der Rechtsmittelfrist auf die Einsprache nicht einzutreten. 
 
B.b. Der heutige Rechtsvertreter von A.________ liess dem MIKA am 14. November
2016 telefonisch durch seine Rechtspraktikantin mitteilen, dass er am 9.
November 2016 von A.________ mandatiert worden sei und um Auskunft zum
Verfahren sowie um Zustellung der Akten ersuche. Das MIKA erteilte der
Rechtspraktikantin zunächst telefonisch Auskunft. Gleichentags setzte es die
damalige Rechtsvertreterin über die Mandatierung des heutigen Rechtsvertreters
durch A.________ in Kenntnis und ersuchte um Stellungnahme zur Frage, durch wen
A.________ im Einspracheverfahren vertreten werde und an wen Zustellungen
inskünftig erfolgen sollen.  
Nach Rücksprache mit der damaligen Rechtsvertreterin teilte der heutige
Rechtsvertreter dem MIKA durch seine Rechtspraktikantin per E-Mail vom 14.
November 2016 mit, es liege an Ersterer, bis zum 18. November 2016 zur Frage
Stellung zu nehmen, weshalb die Einsprache verspätet eingereicht worden sei.
Inzwischen werde um Aktenzustellung ersucht "um die allenfalls
wiederhergestellte Rechtsmittelfrist wahren zu können." Weiter bat die
Rechtspraktikantin der Beschwerdeführerin "[b]ezüglich letzterem [...] eine
reelle Chance zu gewähren, ihre Rechte wahrzunehmen." Das MIKA liess die Akten
dem heutigen Rechtsvertreter am 15. November 2016 aufforderungsgemäss
zukommen. 
 
B.c. Mit Eingabe vom 15. November 2016 ihrer damaligen Rechtsvertreterin
äusserte sich A.________ zur verpassten Einsprachefrist und ersuchte um deren
Wiederherstellung. Der heutige Rechtsvertreter reichte mit Eingabe vom 18.
November 2016 eine ergänzende Stellungnahme zu den bisherigen Eingaben der
früheren Rechtsvertreterin, insbesondere zu jener vom 15. November 2016 ein und
ersuchte im Rahmen der Begründung um Wiederherstellung der Einsprachefrist.  
 
B.d. Mit Entscheid vom 1. Dezember 2016 trat das MIKA auf die Einsprache und
die Gesuche um Wiederherstellung nicht ein. Eine dagegen gerichtete Beschwerde
wies das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 3. März 2017 ab,
soweit es darauf eintrat.  
 
C.   
Mit Eingabe vom 3. April 2017 gelangt A.________ an das Bundesgericht. Sie
beantragt die Aufhebung des Urteils vom 3. März 2017 und die Rückweisung der
Sache an die kantonalen Behörden. Eventualiter ersucht sie um Wiederherstellung
der Frist zur Einsprache gegen die Verfügung des MIKA vom 29. September 2016. 
Das Bundesgericht hat die Akten des kantonalen Verfahrens beigezogen.
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt. 
Mit Verfügung vom 4. April 2017 hat der Abteilungspräsident der Beschwerde
antragsgemäss die aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren
Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier
Kognition (BGE 141 II 113 E. 1 S. 116). 
 
1.1. In der Sache liegt dem Verfahren die weitere Berechtigung der
Beschwerdeführerin zum Aufenthalt in der Schweiz zugrunde. Die Angelegenheit
ist öffentlich-rechtlicher Natur (Art. 82 lit. a BGG). Auf dem Gebiet des
Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
unzulässig gegen Entscheide betreffend Bewilligungen, auf die weder das
Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt (Art. 83 lit. c Ziff.
2 BGG). Soweit ein materieller Entscheid dieser Einschränkung unterliegen
würde, gilt dies auch für einen Entscheid in derselben Sache, der lediglich
prozessuale Fragen zum Gegenstand hat (vgl. BGE 137 I 371 E. 1.1 S. 373; Urteil
2C_139/ 2016 vom 14. Juni 2016 E. 1.2). Für das Eintreten auf die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten reicht es aus, wenn die betroffene
Person in vertretbarer Weise dartut, dass potentiell ein Bewilligungsanspruch
besteht. Ob das tatsächlich der Fall ist, bildet alsdann Gegenstand der
materiellen Beurteilung (vgl. BGE 139 I 330 E. 1.1 S. 332; 136 II 177 E. 1.1 S.
179). Die Beschwerdeführerin schildert in ihrer Eingabe verschiedene
körperliche und psychische Misshandlungen durch den von ihr mittlerweile
getrennt lebenden Ehemann und dessen Familie. Gestützt darauf macht sie in
vertretbarer Weise einen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung
gemäss Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG (SR 142.20) geltend (vgl. Urteile 2C_376/2010
vom 18. August 2010 E. 2.2.2; 2C_216/2009 vom 20. August 2009 E. 1.4). Die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist zulässig.  
 
1.2. Mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 3. März 2017 angefochten ist
ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid eines oberen Gerichts (Art. 86
Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 90 BGG). Auf die form- und fristgerecht
eingereichte Beschwerde der bereits am vorinstanzlichen Verfahren beteiligten
und in schutzwürdigen Interessen aktuell betroffenen Beschwerdeführerin ist
einzutreten (Art. 42 Abs. 2, Art. 89 Abs. 1 und Art. 100 Abs. 1 BGG).  
 
2.  
 
2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann
namentlich die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95
lit. a und lit. b BGG). Die Anwendung kantonalen Rechts prüft das Bundesgericht
unter Vorbehalt von Art. 95 lit. c-e BGG nur unter dem Gesichtswinkel der
Bundes- und Völkerrechtskonformität. Das Bundesgericht wendet das Recht von
Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der
allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG), grundsätzlich
nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern allfällige weitere rechtliche
Mängel nicht offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280 f. mit Hinweis).
An die Begründung einer Rüge der Verletzung von Grundrechten sowie von
kantonalem und interkantonalem Recht bestehen erhöhte Anforderungen
(qualifizierte Rügepflicht gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 139 I 229 E.
2.2 S. 232; 139 II 404 E. 3 S. 415).  
 
2.2. In tatsächlicher Hinsicht stützt sich das Bundesgericht auf die
Feststellungen der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Berichtigung oder
Ergänzung der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen ist von Amtes wegen (
Art. 105 Abs. 2 BGG) oder auf Rüge hin (Art. 97 Abs. 1 BGG) möglich. Von den
tatsächlichen Grundlagen des vorinstanzlichen Urteils weicht das Bundesgericht
allerdings nur ab, wenn sie offensichtlich unrichtig sind oder sie auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und die Behebung des Mangels
für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs.
2 BGG; vgl. BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 17 f.).  
 
3.   
Die Beschwerdeführerin erhebt Rügen formeller Natur, die es vorweg zu
beurteilen gilt. 
 
3.1. Unter Berufung auf Art. 29 Abs. 2 BV macht die Beschwerdeführerin eine
Verletzung ihres Rechts auf Beweis geltend. Namentlich habe es die Vorinstanz
unterlassen, auf verschiedene mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
eingereichte Unterlagen einzugehen. Weiter habe die Vorinstanz auf die
Befragung einer Zeugin verzichtet, obwohl diese "zum Themenbereich Gesuch um
Wiederherstellung der Einsprachefrist" hätte angehört werden müssen.  
 
3.1.1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör räumt der Betroffenen das Recht ein,
erhebliche Beweise beizubringen, mit solchen Beweisanträgen gehört zu werden
und an der Erhebung wesentlicher Beweise mitzuwirken. Diesem Mitwirkungsrecht
entspricht die Pflicht der Behörden, die Argumente und Verfahrensanträge der
Parteien entgegenzunehmen und zu prüfen, sowie die ihr rechtzeitig und
formrichtig angebotenen Beweismittel abzunehmen (BGE 138 V 125 E. 2.1 S. 127
mit Hinweisen; Urteil 2C_807/2015 vom 18. Oktober 2016 E. 2.3.1). Keine
Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt vor, wenn ein Gericht auf die Abnahme
beantragter Beweismittel verzichtet, weil es auf Grund der bereits abgenommenen
Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in vorweggenommener
Beweiswürdigung annehmen kann, dass seine Überzeugung durch weitere
Beweiserhebungen nicht geändert würde (BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236 f.; 134 I
140 E. 5.3 S. 148; 131 I 153 E. 3 S. 157, Urteil 2C_807/2015 vom 18. Oktober
2016 E. 2.3.1). Der Anspruch auf Berücksichtigung von Beweisanträgen erfasst
nur Umstände, die für den Verfahrensausgang auch tatsächlich erheblich sein
können (vgl. BGE 139 II 489 E. 3.3 S. 496 f.; 138 V 125 E. 2.1 S. 127; 137 II
266 E. 3.2 S. 270; Urteil 2C_807/2015 vom 18. Oktober 2016 E. 2.3.4).  
 
3.1.2. Die Beschwerdeführerin führt nicht substanziiert aus, auf welche
Unterlagen sich ihre Rüge bezieht. Zudem erläutert sie im bundesgerichtlichen
Verfahren nicht, in welcher Hinsicht die vor der Vorinstanz beantragte
Zeugenbefragung näher Aufschluss über die Umstände des Gesuchs um
Wiederherstellung der Einsprachefrist geben könnte. Inwieweit die von ihr
beantragten Beweise zu ihren Gunsten einen konkreten Einfluss auf den Ausgang
des vorinstanzlichen Verfahrens gehabt hätten, wird nicht dargetan. Vor dem
Hintergrund, dass das Recht auf Beweis nur entscheiderhebliche Umstände
umfasst, ist dies allerdings unerlässlich. In diesem Umfang genügt die
Beschwerde den gesteigerten Anforderungen an eine Rüge der Verletzung von
Grundrechten nicht (Art. 106 Abs. 2 BGG, E. 2.1 hiervor). Auf die
entsprechenden Vorbringen ist nicht weiter einzugehen.  
 
3.2. Eine weitere Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29
Abs. 2 BV) erblickt die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Begründung
des angefochtenen Entscheids. Die Begründung sei zu kurz ausgefallen und
erlaube es ihr nicht, sich mit den Überlegungen der Vorinstanz
auseinanderzusetzen. Namentlich macht die Beschwerdeführerin geltend, dass sich
die Vorinstanz nur ungenügend mit dem Umstand befasse, dass die E-Mail der
Rechtspraktikantin vom 14. November 2016 ein Gesuch um Fristwiederherstellung
darstellen könnte.  
 
3.2.1. Als Teilgehalt fliesst aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör die
Pflicht der Behörde, die Vorbringen der Beteiligten tatsächlich zu hören, zu
prüfen und bei der Entscheidfindung zu berücksichtigen. Ausserdem hat die
Behörde ihren Entscheid zu begründen, wobei sie wenigstens kurz die
wesentlichen Überlegungen nennen muss, von denen sie sich hat leiten lassen
(BGE 142 I 135 E. 2.1 S. 145; BGE 136 I 229 E. 5.2 S. 236). Die Behörde muss
sich nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und jedes
einzelne Vorbringen ausdrücklich behandeln. Vielmehr kann sie sich auf die für
den Entscheid zentralen Punkte beschränken, soweit die Begründung so abgefasst
ist, dass sich die Betroffene über dessen Tragweite Rechenschaft geben und ihn
in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann (vgl. BGE
142 I 135 E. 2.1 S. 145; 136 I 229 E. 5.2 S. 236).  
 
3.2.2. Es mag zutreffen, dass sich das Verwaltungsgericht bei der
Auseinandersetzung mit den Vorbringen der Beschwerdeführerin kurz gefasst hat.
Gleichwohl geht aus der Begründung des angefochtenen Urteils hinreichend klar
hervor, auf welche Entscheidgründe die Vorinstanz abgestellt hat. Insbesondere
legt die Vorinstanz dar, aufgrund welcher Umstände sie auf einen Wegfall des
Säumnisgrundes am 4. November 2016 schliesst und wieso die E-Mail vom 14.
November 2016 nicht als Wiederherstellungsgesuch zu qualifizieren ist. Weiter
verdeutlicht die Vorinstanz, warum weder das Schreiben vom 7. November 2016
noch die telefonischen Auskünfte vom 14. November 2016 eine Vertrauensgrundlage
im Hinblick auf die Frist zur Einreichung des Gesuchs um Wiederherstellung der
Einsprachefrist bilden können. Daraus ergibt sich auch genügend deutlich,
inwieweit die Vorinstanz die Vorbringen der Beschwerdeführerin verwirft. Eine
Verletzung der Begründungspflicht liegt nicht vor.  
 
4.  
 
4.1. In materieller Hinsicht macht die Beschwerdeführerin geltend, dass die
E-Mail ihres heutigen Rechtsvertreters vom 14. November 2016 als Gesuch um
Fristwiederherstellung zu qualifizieren gewesen sei. Zudem rügt sie eine
Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben durch das MIKA. Die
Rechtspraktikantin ihres heutigen Rechtsvertreter habe das MIKA anlässlich des
Telefongesprächs vom 14. November 2016 nicht über den Brief vom 3. November
2016 informiert. Für den Zeitpunkt des Wegfalls des Säumnisgrundes habe es
nachträglich aber gleichwohl auf diesen abgestellt.  
 
4.2. Die Kantone erlassen nach Art. 124 Abs. 2 AuG die notwendigen Bestimmungen
zum Vollzug des Ausländergesetzes. Das Verfahren vor den kantonalen Behörden,
die mit dem Vollzug des Ausländergesetzes betraut sind (Art. 98 Abs. 3 AuG),
richtet sich demnach grundsätzlich nach kantonalem Recht (vgl. BGE 135 II 94 E.
5.5 S. 101 f.; MATTHIAS KRADOLFER, in: Martina Caroni/Thomas Gächter/Daniela
Thurnherr (Hrsg.), Stämpflis Handkommentar AuG, 2010, N. 7 f. zu Art. 124 AuG;
ANDREAS ZÜND/LADINA ARQUINT HILL, in: Peter Uebersax/Beat Rudin/Thomas Hugi Yar
/Thomas Geiser [Hrsg.], Ausländerrecht, 2. Aufl. 2009, Rz. 8.104 ff.). Das
Einführungsgesetz des Kantons Aargau vom 25. November 2008 zum Ausländergesetz
(EGAR, SAR 122.600) enthält keine Bestimmungen über die Wiederherstellung von
Fristen. In Bezug auf allgemeine Verfahrensvorschriften erklärt § 2 Abs. 1 EGAR
das Gesetz des Kantons Aargau vom 4. Dezember 2007 über die
Verwaltungsrechtspflege (Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRPG; SAR 271.200) für
anwendbar. Dieses verweist in § 28 Abs. 1 für die Berechnung von Fristen, deren
Unterbruch und die Wiederherstellung gegen die Folgen der Säumnis seinerseits
auf die Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008
(Zivilprozessordnung, ZPO; SR 272). Nach Art. 148 Abs. 1 ZPO kann das Gericht
auf Gesuch einer säumigen Partei eine Nachfrist gewähren, wenn die Partei
glaubhaft macht, dass sie kein oder nur ein leichtes Verschulden trifft. Das
Gesuch ist innert zehn Tagen seit Wegfall des Säumnisgrundes einzureichen (Art.
148 Abs. 2 ZPO). Die Bestimmungen der Zivilprozessordnung stellen im
vorliegenden Zusammenhang subsidiäres kantonales Recht dar. Dessen richtige
Anwendung kann das Bundesgericht nicht als solche prüfen, sondern nur im
Hinblick auf den in Art. 95 BGG genannten Katalog von Rechtsnormen. Dazu zählt
auch das Willkürverbot (vgl. Art. 95 lit. a BGG i.V.m. Art. 9 BV; E. 2.1
hiervor). Willkür in der Rechtsanwendung liegt vor, wenn der angefochtene
Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in
klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz
krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft
(vgl. BGE 142 II 369 E. 4.3 S. 380 f. mit Hinweisen).  
 
4.2.1. Die Vorinstanz erwog, dass das MIKA die Beschwerdeführerin und deren
damalige Rechtsvertreterin mit Schreiben vom 3. November 2016 informiert hat,
dass die Verfügung vom 29. September 2016 betreffend Nichtverlängerung der
Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung am 31. Oktober 2016 in Rechtskraft
erwachsen sei und die Beschwerdeführerin die Schweiz bis spätestens 30.
November 2016 zu verlassen habe. Von keiner Seite bestritten wird, dass dieses
Schreiben der damaligen Rechtsvertreterin am 4. November 2016 zugestellt wurde.
Entsprechend konnte die Vorinstanz willkürfrei darauf abstellen, dass die
damalige Rechtsvertreterin von der Verspätung ihrer Eingabe gleichentags
Kenntnis erhielt. Das gilt umso mehr, als die damalige Rechtsvertreterin in
ihrer Eingabe vom 15. November 2016 ausdrücklich darauf hinwies, dass ihr der
Irrtum im Zusammenhang mit der Fristberechnung aufgrund des Schreibens des MIKA
vom 3. November 2016 mit Eingang am 4. November 2016 aufgefallen sei.
Entsprechend ist die Vorinstanz zu Recht davon ausgegangen, dass die 10-tägige
Frist zur Einreichung des Wiederherstellungsgesuchs am 5. November 2016 zu
laufen begann und am 14. November 2016 endete (§ 2 Abs. 1 EGAR i.V.m. § 28 Abs.
1 VRPG und Art. 142 Abs. 1 sowie Art. 148 Abs. 2 ZPO).  
 
4.2.2. Weiter ist unter dem Blickwinkel des Willkürverbots (Art. 9 BV) nicht zu
beanstanden, dass die Vorinstanz die E-Mail der Rechtspraktikantin des heutigen
Rechtsvertreters vom 14. November 2016 nicht als Gesuch um
Fristwiederherstellung qualifizierte. Weder enthielt die E-Mail einen formellen
Antrag auf Fristwiederherstellung noch nahm sie inhaltlich Bezug auf die für
eine Wiederherstellung der Frist notwendigen Voraussetzungen (vgl. § 2 Abs. 1
EGAR i.V.m. § 28 Abs. 1 VRPG und Art. 148 Abs. 2 ZPO, E. 4.2 hiervor). Entgegen
der Auffassung der Beschwerdeführerin legt die gewählte Formulierung in der
E-Mail zudem in der Tat nahe, dass es die damalige Rechtsvertreterin war, die
für die Einreichung des Gesuchs um Fristwiederherstellung verantwortlich
zeichnen sollte. Schliesslich bleibt zu beachten, dass auch der heutige
Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin nicht davon auszugehen schien, dass die
E-Mail seiner Rechtspraktikantin als Fristwiederherstellungsgesuch zu behandeln
war. Jedenfalls nahm er in seiner Eingabe vom 18. November 2016 keinen Bezug
auf die Mitteilung seiner Rechtspraktikantin an das MIKA. Genau das wäre aber
zu erwarten gewesen, wenn er die erwähnte E-Mail vom 14. November 2016 als
fristwahrende Eingabe im Rahmen der laufenden Wiederherstellungsfrist
betrachtet hätte, wie er das im bundesgerichtlichen Verfahren nun geltend
macht. Die Vorinstanz durfte nach dem Dargelegten willkürfrei davon ausgehen,
dass bis zum Ablauf der Frist nach § 2 Abs. 1 EGAR i.V.m. § 28 Abs. 1 VRPG und 
Art. 148 Abs. 2 ZPO am 14. November 2016 kein Gesuch um Fristwiederherstellung
gestellt wurde.  
 
4.3. Zu prüfen bleibt, ob sich die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit den
Kontakten ihres heutigen Rechtsvertreters bzw. dessen Rechtspraktikantin mit
dem MIKA auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen kann.  
 
4.3.1. Gemäss Art. 9 BV hat jede Person Anspruch darauf, von den staatlichen
Organen nach Treu und Glauben behandelt zu werden. Nach diesem Grundsatz kann
eine (selbst unrichtige) Auskunft, die eine Behörde dem Bürger erteilt, unter
gewissen Umständen Rechtswirkungen entfalten (vgl. BGE 138 I 49 E. 8.3.2 S. 53
f.; 137 II 182 E. 3.6.2 S. 193, je mit Hinweisen). So kann sich eine
Prozesspartei etwa auf eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung berufen, falls
sie die Unrichtigkeit nicht erkannte und auch bei gebührender Aufmerksamkeit
nicht hätte erkennen können (vgl. BGE 134 I 199 E. 1.3.1 S. 202 f.; 117 Ia 421
E. 2a S. 422; Urteil 1C_380/2016 vom 8. März 2017 E. 2.1). Nur grobe Fehler
einer Partei oder ihres Vertreters sollen dazu führen, eine falsche
Rechtsmittelbelehrung aufzuwiegen. Ein solcher Fehler wird in der
Rechtsprechung allerdings bejaht und Rechtsuchende geniessen entsprechend
keinen Vertrauensschutz, wenn der Mangel für sie bzw. ihren Rechtsvertreter
allein schon durch Konsultierung der massgeblichen Gesetzesbestimmungen
ersichtlich ist. Dagegen wird nicht verlangt, dass neben den Gesetzestexten
auch noch die einschlägige Rechtsprechung oder Literatur nachgeschlagen wird
(vgl. BGE 134 I 199 E. 1.3.1 S. 202 f.; 117 Ia 421 E. 2a S. 422; Urteil 1C_380/
2016 vom 8. März 2017 E. 2.1). Die dargelegten Grundsätze sind sinngemäss auch
zur Beurteilung des vorliegenden Falls heranzuziehen.  
 
4.3.2. Die Vorinstanz erwog, dass das Schreiben des MIKA vom 7. November 2016
und dessen telefonischen Auskünfte vom 14. November 2016 bereits aus
inhaltlicher Sicht nicht als Vertrauensgrundlage taugen. Die Beschwerdeführerin
geht derweil vom Gegenteil aus. Wie es sich damit im Einzelnen verhält, kann
letztlich dahin gestellt bleiben: Aus den massgeblichen Verfahrensbestimmungen
ergibt sich ohne Weiteres, dass es sich bei der Wiederherstellungsfrist gemäss
§ 2 Abs. 1 EGAR i.V.m. § 28 Abs. 1 VRPG und Art. 148 Abs. 2 ZPO um eine
gesetzliche Frist handelt. Diese ist nicht erstreckbar (§ 2 Abs. 1 EGAR i.V.m.
§ 28 Abs. 3 VRPG) und kann auch nicht vom MIKA angesetzt werden, sondern
beginnt ohne Weiteres mit dem Eintritt des fristauslösenden Ereignisses zu
laufen (Wegfall des Säumnisgrundes). Damit konnte der heutige Rechtsvertreter
der Beschwerdeführerin von vornherein nicht davon ausgehen, dass es sich bei
der vom MIKA mit Schreiben vom 7. November 2016 angesetzten und allenfalls per
Telefon erwähnten Frist für die Einreichung einer Stellungnahme zum Grund der
Verspätung gleichzeitig um die Wiederherstellungsfrist nach § 2 Abs. 1 EGAR
i.V.m. § 28 Abs. 1 VRPG und Art. 148 Abs. 2 ZPO handelte. Aufgrund der
unmissverständlichen gesetzlichen Bestimmungen musste es dem Rechtsvertreter
klar sein, dass der späteste Zeitpunkt für die Einreichung eines
Fristwiederherstellungsgesuchs nicht vom MIKA bestimmt werden kann. Es wäre
seine Sache gewesen zu klären, ob und wann das fristauslösende Ereignis im
Sinne von § 2 Abs. 1 EGAR i.V.m. § 28 Abs. 1 VRPG und Art. 148 Abs. 2 ZPO
eingetreten ist. Nach seiner Mandatierung am 9. November 2016 hätte er sich
darüber ohne Weiteres bei der damaligen Rechtsvertreterin erkundigen können und
müssen. Auf eine schutzwürdige Vertrauensstellung im Rahmen ihres Anspruchs auf
Behandlung nach Treu und Glauben (Art. 9 BV) kann sich die Beschwerdeführerin
demnach nicht berufen.  
 
5.   
Aus den dargelegten Gründen sind die Rügen der Beschwerdeführerin unbegründet.
Ihrem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils und Rückweisung an die
kantonalen Behörden ist ebenso wenig stattzugeben wie dem Begehren um
Wiederherstellung der Einsprachefrist. Bei diesem Prozessausgang wird die
Beschwerdeführern kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen
sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 3 BGG). 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Aargau, 2. Kammer, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich
mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 31. August 2017 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Fellmann 

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