Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.340/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
2C_340/2017  
 
 
Urteil vom 15. Juni 2018  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Bundesrichter Haag, 
Gerichtsschreiberin Genner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.A.________, 
2. B.A.________, 
Beschwerdeführer, 
beide vertreten durch 
Rechtsanwältin Melanie Schneider-Koch, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Zürich, 
Berninastrasse 45, 8090 Zürich, 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, Neumühlequai 10, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Aufenthaltsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4.
Abteilung, vom 20. Februar 2017 (VB.2016.00766). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Eheleute A.A.________ (geb. 1967) und B.A.________ (geb. 1964), türkische
Staatsangehörige, leben seit 1977 bzw. 1988 in der Schweiz und verfügen über
die Niederlassungsbewilligung. Am 28. November 1999 wurde in Zürich die Tochter
C.A.________ geboren, welche am 5. Januar 2000 ebenfalls die
Niederlassungsbewilligung erhielt. C.A.________ lebte bei ihren Eltern und
besuchte die Primarschule bis zur 5. Klasse. Am 22. August 2011 verliess sie
die Schweiz, um bei ihrer Grossmutter väterlicherseits in der Türkei zu leben
und dort die Schule zu besuchen. Am 30. Mai 2012 stellte das Migrationsamt des
Kantons Zürich fest, dass die Niederlassungsbewilligung von C.A.________
erloschen sei. Diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft. 
C.A.________s Grossmutter D.A.________ verstarb am 27. März 2015. Kurz davor
war sie mit ihrer Enkelin zu ihrer Tochter E.________ (der Schwester von
B.A.________ und Tante von C.A.________) gezogen. Seither lebt C.A.________ bei
ihrer Tante und deren Familie in Istanbul. 
 
B.  
Nachdem ein am 9. November 2015 gestelltes Gesuch um Einreisebewilligung für
C.A.________ am 13. November 2015 als gegenstandslos abgeschrieben worden war,
stellten A.A.________ und B.A.________ am 10. März 2016 erneut ein Gesuch um
Einreisebewilligung für ihre Tochter C.A.________. Das Migrationsamt wies das
Gesuch am 18. Mai 2016 ab. Die kantonalen Rechtsmittel blieben erfolglos
(Entscheid der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich vom 4. November 2016,
Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 20. Februar 2017). 
 
C.  
A.A.________ und B.A.________ erheben am 29. März 2017 Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiäre Verfassungsbeschwerde mit
den Anträgen, das angefochtene Urteil aufzuheben und C.A.________ die
Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei ihren Eltern zu erteilen. Eventuell sei
die Angelegenheit zur ergänzenden Sachverhaltsabklärung und zur neuen
Beurteilung an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht
wird beantragt, C.A.________ sei persönlich anzuhören und die neu aufgelegten
Dokumente seien zu den Akten zu nehmen. 
Das Verwaltungsgericht, die Sicherheitsdirektion und das Staatssekretariat für
Migration verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerdeführer berufen sich auf Art. 43 Abs. 1 AuG (SR 142.20)
i.V.m. Art. 47 Abs. 4 AuG. Der Anspruch kommt in Betracht, weshalb die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig ist (Art. 82 lit.
a, Art. 83 lit. c Ziff. 2 e contrario, Art. 90 BGG). Für die hilfsweise
erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde bleibt kein Raum (Art. 113 BGG). Als
Eltern, welche der nachzuziehenden Tochter das Aufenthaltsrecht vermitteln
sollen, sind die Beschwerdeführer zur Erhebung des Rechtsmittels legitimiert (
Art. 89 Abs. 1 BGG). Auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen (Frist gemäss 
Art. 100 Abs. 1 BGG, Form gemäss Art. 42 BGG) sind erfüllt. Auf die Beschwerde
ist einzutreten.  
 
1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine
Rechtsverletzung nach Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (
Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von
Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs.
2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III
115 E. 2 S. 116). Die beschwerdeführende Partei kann die Feststellung des
Sachverhalts unter den gleichen Voraussetzungen beanstanden, wenn die Behebung
des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs.
1 BGG). Eine entsprechende Rüge ist substanziiert vorzubringen (BGE 137 II 353
E. 5.1 S. 356; 136 II 304 E. 2.5 S. 314).  
 
1.3. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als
erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Das
Vorbringen von Tatsachen, die sich erst nach dem angefochtenen Entscheid
ereignet haben oder entstanden sind, ist vor Bundesgericht - was die materielle
Behandlung der Beschwerde betrifft - unzulässig (BGE 143 V 19 E. 1.2; 140 V 543
E. 3.2.2.2 S. 548; 139 III 120 E. 3.1.2 S. 123).  
Die Beschwerdeführer reichen ein in türkischer Sprache abgefasstes Dokument,
datiert am 27. März 2017, ein mit der Ankündigung, es werde eine Übersetzung
nachgereicht. Am 10. April 2017 reichten die Beschwerdeführer eine am 3. April
2017 datierte deutsche Übersetzung dieses Dokuments ein. Das vorgelegte
Dokument trägt das Datum vom 27. März 2017; es ist nach dem angefochtenen
Urteil vom 20. Februar 2017 entstanden. Als echtes Novum ist dieses Dokument
unbeachtlich, weshalb nicht geprüft werden muss, ob die Übersetzung rechtzeitig
eingereicht worden ist (Ablauf der Beschwerdefrist am 29. März 2017). 
 
2.  
 
2.1. Ausländische Ehegatten und ledige Kinder unter 18 Jahren von Personen mit
Niederlassungsbewilligung haben Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen zusammenwohnen (Art. 43 Abs. 1 AuG
).  
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist für die Frage, ob die
Altersgrenze von 18 Jahren nach Art. 42 Abs. 1 bzw. Art. 43 Abs. 1 AuG
eingehalten worden sei, das Alter des Kindes bei der Gesuchseinreichung
massgeblich (BGE 136 II 497 E. 3.4 S. 502). Bei der Einreichung des Gesuchs vom
10. März 2016 war C.A.________ 16 Jahre alt, weshalb der Anspruch grundsätzlich
gegeben ist. 
 
2.2. Der Anspruch auf Familiennachzug muss innerhalb von fünf Jahren geltend
gemacht werden; Kinder über zwölf Jahre müssen innerhalb von zwölf Monaten
nachgezogen werden (Art. 47 Abs. 1 AuG). Die Fristen beginnen bei
Familienangehörigen von Ausländerinnen und Ausländern mit der Erteilung der
Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung oder der Entstehung des
Familienverhältnisses (Art. 47 Abs. 3 lit. b AuG). Ist das betreffende Ereignis
vor Inkrafttreten des AuG am 1. Januar 2008 erfolgt, beginnt
(übergangsrechtlich) die Frist mit diesem Datum zu laufen (Art. 126 Abs. 3 AuG
).  
 
2.3. Ein nachträglicher Familiennachzug wird nur bewilligt, wenn wichtige
familiäre Gründe geltend gemacht werden. Kinder über 14 Jahre werden zum
Familiennachzug angehört, sofern dies erforderlich ist (Art. 47 Abs. 4 AuG).
Wichtige Gründe im Sinn dieser Bestimmung liegen vor, wenn das Kindeswohl nur
durch einen Nachzug in die Schweiz gewahrt werden kann (vgl. Art. 75 der
Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit
[VZAE; SR 142.201]; BGE 137 I 284 E. 2.3.1 S. 291). Die Bewilligung des
Nachzugs nach Ablauf der Fristen hat nach dem Willen des Gesetzgebers die
Ausnahme zu bleiben. Ein wichtiger familiärer Grund liegt gemäss der
Rechtsprechung vor, wenn die weiterhin notwendige Betreuung der Kinder im
Herkunftsland beispielsweise wegen des Todes oder der Krankheit der betreuenden
Person nicht mehr gewährleistet ist und keine sinnvolle Alternative besteht
(Urteile 2C_363/2016 vom 25. August 2016 E. 2.5; 2C_147/2015 vom 22. März 2016
E. 2.4.3; 2C_303/2014 vom 20. Februar 2015 E. 6.1; 2C_205/2011 vom 3. Oktober
2011 E. 4.2 mit Hinweis). Praxisgemäss liegt in der Regel kein wichtiger
familiärer Grund vor, wenn im Heimatland alternative Betreuungsmöglichkeiten
gefunden werden können, die dem Kindeswohl besser entsprechen, weil dadurch
vermieden wird, dass das Kind aus seiner bisherigen Umgebung und dem ihm
vertrauten Beziehungsnetz gerissen wird (vgl. Urteile 2C_132/2016 vom 7. Juli
2016 E. 2.3; 2C_147/2015 vom 22. März 2016 E. 2.4). An den Nachweis der
fehlenden Betreuungsmöglichkeit im Heimatland stellt die Rechtsprechung umso
höhere Anforderungen, je älter das nachzuziehende Kind ist und je grösser die
Integrationsschwierigkeiten erscheinen, die ihm hier drohen (vgl. BGE 137 I 284
E. 2.2 S. 289). Eine alternative Betreuung muss vorab insbesondere dann
ernsthaft in Betracht gezogen und sorgfältig geprüft werden, wenn das Kind
bereits älter ist, sich seine Integration schwieriger gestalten dürfte und die
zum in der Schweiz lebenden Elternteil aufgenommene Beziehung (noch) nicht
allzu eng erscheint (Urteil 2C_363/2016 vom 25. August 2016 E. 2.4). Es bedarf
einer Gesamtsicht unter Berücksichtigung aller relevanten Elemente. Dabei ist
auch dem Sinn und Zweck der Fristenregelung Rechnung zu tragen, wonach die
Integration der Kinder bzw. Jugendlichen möglichst frühzeitig erfolgen soll
(Urteil 2C_73/2016 vom 26. September 2016 E. 2.2.2). Trotz seines
Ausnahmecharakters ist Art. 47 Abs. 4 AuG so zu handhaben, dass der Anspruch
auf Schutz des Familienlebens nach Art. 8 EMRK nicht verletzt wird (Urteile
2C_146/2017 vom 25. Januar 2018 E. 2.3; 2C_303/2014 vom 20. Februar 2015 E.
6.1; 2C_97/2013 vom 26. August 2013 E. 2.3).  
 
3.  
 
3.1. Es kann offen bleiben, wann der Beginn der fünfjährigen Frist (vgl. E.
2.2) im vorliegenden Fall anzunehmen ist (ob mit der Vorinstanz am 1. Januar
2008 oder nach Erlöschen der Niederlassungsbewilligung am 30. Mai 2012). Mit
der Einreichung des Gesuchs am 10. März 2016 ist die Frist nach Art. 47 Abs. 1
AuG ohnehin nicht eingehalten, weil diese für C.A.________, welche am 28.
November 2011 das zwölfte Altersjahr vollendet hat, am 27. November 2012
abgelaufen ist. Die Beschwerdeführer anerkennen dies implizit, so dass
lediglich streitig ist, ob wichtige familiäre Gründe im Sinn von Art. 47 Abs. 4
AuG bestehen.  
 
3.2. Die Vorinstanz verneinte das Vorliegen wichtiger familiärer Gründe im
Wesentlichen mit der Begründung, es bestehe auch nach dem Tod der Grossmutter
eine alternative Betreuungsmöglichkeit für C.A.________. Zwar hätten mehrere
Verwandte (wobei diese im angefochtenen Urteil nicht genannt werden) angegeben,
die Betreuung für C.A.________ nicht übernehmen zu wollen. Dies treffe
insbesondere auf E.________ zu, die Tante, welche C.A.________ seit dem Tod der
Grossmutter betreue. Indessen habe C.A.________ - so die Vorinstanz - entgegen
den Behauptungen der Beschwerdeführer und auch entgegen den Feststellungen der
Sicherheitsdirektion gar nicht bei ihrer Grossmutter gelebt, denn deren
Wohnsitz habe sich nicht in Istanbul, sondern in der Nähe der 500 km entfernt
liegenden Stadt V.________ befunden. C.A.________ habe nachweislich die Schule
bzw. das Gymnasium in Istanbul besucht; ein Pendeln zwischen V.________ und
Istanbul sei ausgeschlossen. Es sei daher kein anderer Schluss möglich - so die
Vorinstanz - als dass C.A.________ während ihres offiziellen Aufenthalts bei
der Grossmutter in V.________ zumindest unter der Woche in Istanbul gelebt habe
und die Betreuung bereits damals durch jemand anderen sichergestellt worden
sei. Die Beschwerdeführer hätten die tatsächlichen Betreuungsverhältnisse bis
zum Tod der Grossmutter nicht offengelegt bzw. gar zu verschleiern versucht.
Aufgrund der Akten erscheine klar, dass C.A.________ (zumindest) während der
Woche jahrelang von einer anderen Person betreut worden sein müsse. Somit
bestünden alternative Betreuungsmöglichkeiten, was den nachträglichen
Familiennachzug gemäss Art. 47 Abs. 4 AuG ausschliesse.  
 
3.2.1. Die Beschwerdeführer rügen diese Darstellung als zweifellos unrichtig.
Weder C.A.________ noch ihre Grossmutter hätten jemals in V.________ gelebt.
Dies sei lediglich der Herkunftsort, vergleichbar mit dem Heimatort nach
schweizerischem Recht. In fast allen offiziellen Dokumenten werde der
Herkunftsort angegeben, nicht der Wohnsitz. Die Wohnadresse von C.A.________
und ihrer Grossmutter gehe einzig aus der vom Gemeindevorsteher unterzeichneten
"Meldung der wohnhaften Personen" vom 12. März 2012 (Akten Migrationsamt S.
25-27) hervor. Die vor dem Umzug zu E.________ gültige Adresse laute U.________
(Stadtteil) in Istanbul.  
 
3.2.2. Die Vorinstanz beruft sich u.a. auf das gleiche Dokument wie die
Beschwerdeführer, die "Meldung der wohnhaften Personen" vom 12. März 2012
(Akten Migrationsamt S. 25-27). Wie die Beschwerdeführer richtig anmerken,
handelt es sich bei den Rubriken "Stadt", "Bezirk", "Dorf" etc. ausdrücklich um
"Angaben des Zivilstandsregisters". Dabei muss es sich nicht zwingend um den
tatsächlichen Wohnsitz handeln. Im Originaldokument (Akten Migrationsamt S. 27)
ist die von den Beschwerdeführern erwähnte Wohnadresse in Istanbul samt
Telefonnummer angegeben. Dieser Block wurde nicht übersetzt, aber die
entsprechenden Rubriken "Bezik/Stadr", "Gemeinde", "Strasse", "Hausname und
-nummer" und "Telefonnummer" figurieren in der Übersetzung (Akten Migrationsamt
S. 25). Es ist naheliegend, dass es sich dabei um die Adresse der Personen
handelt, deren Zivilstandsangaben das Dokument wiedergibt. Das gleiche Prinzip
ist aus dem Todesschein von D.A.________ vom 27. März 2015 (Akten Migrationsamt
S. 119-121) erkennbar, in dem nebst "V.________ Bozkurt" (gefolgt von Angaben
über den Zivilstand, den Beruf etc.) die ständige Wohnadresse der Verstorbenen
angegeben ist. Entgegen dem angefochtenen Urteil ist somit nicht erstellt, dass
C.A.________s Grossmutter nicht in Istanbul gelebt und C.A.________ nicht
betreut hat. Die Vorinstanz hat ihre Vermutung, wonach die tatsächlichen
Wohnverhältnisse anders waren als von den Beteiligten angegeben, nicht
verifiziert. Es trifft ferner nicht zu, dass das Migrationsamt in der Verfügung
vom 30. Mai 2016 davon ausging, C.A.________ und ihre Grossmutter hätten in
V.________ Wohnsitz gehabt. In E. 4 vierter Abschnitt der Verfügung (Akten
Migrationsamt S. 126) wird klar gesagt, C.A.________ habe bei ihrer Grossmutter
in Istanbul Wohnsitz genommen und die Tante lebe "ebenfalls" in Istanbul. Die
Sicherheitsdirektion legte ihrem Entscheid den gleichen Sachverhalt zugrunde
(Rekursentscheid vom 4. November 2016 E. 8.4.1 mit zahlreichen Verweisen auf
das Dossier von C.A.________). Die Annahme der Vorinstanz, D.A.________ habe
während der fraglichen Zeit nicht in Instanbul, sondern in V.________ gelebt,
findet in den Akten keine Stütze. Das Gleiche gilt für die Vermutung der
Vorinstanz, es müsse jemand anders als die Grossmutter die Betreuung von
C.A.________ wahrgenommen haben, zumal die Vorinstanz nicht angibt, um wen es
sich handeln könnte. Schwer nachvollziehbar ist schliesslich, warum die
Beschwerdeführer, C.A.________ und D.A.________ gegenüber den Behörden
jahrelang einen falschen Wohnort angegeben haben sollen.  
 
3.2.3. Nach dem Gesagten erweist sich die Annahme der Vorinstanz, C.A.________
sei während ihres Aufenthalts in der Türkei bis zum Umzug in den Haushalt ihrer
Tante E.________ nicht durch ihre Grossmutter, sondern hauptsächlich
("zumindest während der Woche") durch eine andere Person betreut worden, als
unhaltbar im Sinn von Art. 97 Abs. 1 BGG. Gestützt auf die Akten und die
plausiblen Vorbringen der Beschwerdeführer muss angenommen werden, dass der
tatsächliche Wohnort von D.A.________ sich in Istanbul befand und C.A.________
bis zu deren Erkrankung im Januar 2015 von ihr betreut wurde.  
 
3.3. Es stellt sich die Frage, ob alternative Betreuungsmöglichkeiten vorhanden
waren. Bei der Einreichung des Gesuchs vom 10. März 2016 war C.A.________ 16,
im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils 17 Jahre alt. Die Vorinstanz hat
zutreffend erwogen, dass Jugendliche dieses Alters eine gewisse Selbständigkeit
erreicht haben und es in C.A.________s Fall nicht mehr lange dauern werde, bis
sie eigene Wege geht. Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass
erzieherischer Beistand auch in diesem Alter - wenngleich in anderer Gestalt
als bei Halbwüchsigen - notwendig ist.  
 
3.3.1. Nach dem Tod ihrer Grossmutter am 27. März 2015 konnte C.A.________
zunächst bei ihrer Tante E.________ und deren Familie bleiben. Es ist jedoch
aktenkundig und wird auch von der Vorinstanz nicht bestritten, dass E.________
gegenüber den Beschwerdeführern deutlich angezeigt hat, die Betreuung für
C.A.________ nicht mehr übernehmen zu wollen (vgl. Schreiben des
Rechtsvertreters von E.________ vom 8. Juni 2016, Akten Migrationsamt S.
153-156). Dem angefochtenen Urteil kann jedoch nicht entnommen werden, wie sich
die Verhältnisse bei der Familie dieser Tante gestalteten und aus welchen
Gründen die Unterbringung dort nicht weitergeführt werden konnte.  
 
3.3.2. Im angefochtenen Urteil wird erwähnt, ausser C.A.________s Tante
E.________ hätten es auch andere Verwandte abgelehnt, C.A.________ bei sich
aufzunehmen. Gemäss den Vorbringen der Beschwerdeführer im Verfahren vor der
Vorinstanz haben insgesamt drei Ehepaare und drei Einzelpersonen schriftlich
bestätigt, die Verantwortung für C.A.________ nicht übernehmen zu wollen. Weil
die Vorinstanz davon ausging, dass ohnehin eine alternative
Betreuungsmöglichkeit bestand (vgl. E. 3.2), unterliess sie es, die
entsprechenden, von den Beschwerdeführern ins Recht gelegten Bestätigungen der
Verwandten zu überprüfen oder die angebotenen offiziellen Übersetzungen
einzufordern. Der Beweiswert solcher Bestätigungen ist naheliegenderweise
gering, weshalb sich eine Überprüfung der entsprechenden Vorbringen aufdrängt.
 
 
3.3.3. C.A.________s ältere Schwester F.A.________ (geb. 1995), welche die
Schweizer Staatsbürgerschaft besitzt, übersiedelte von Istanbul nach Zürich,
wie aus der Meldebestätigung des Stadtzürcher Bevölkerungsamts vom 19. August
2016 hervorgeht. Die Sicherheitsdirektion war in ihrem Entscheid vom 4.
November 2016 noch davon ausgegangen, dass C.A.________ mit Hilfe finanzieller
Unterstützung durch die sorgeberechtigten Eltern bei dieser Schwester in
Istanbul unterkommen könnte. Diese (von der Sicherheitsdirektion als gangbare
Variante gewertete, aber nicht näher geprüfte) Betreuungsmöglichkeit war somit
weggefallen.  
 
3.3.4. Näherer Überprüfung bedarf die Frage, ob C.A.________ bei ihrer älteren
Schwester G.A.________ (geb. 1991) Wohnsitz hätte nehmen können bzw. nehmen
kann. Zwar lebte G.A.________ im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils 300 km von
Istanbul entfernt. Das Argument der Beschwerdeführer, wonach ein Umzug dorthin
wegen des Schulbesuchs ausser Betracht fiel, verfängt nicht, weil der
Schulbesuch in Istanbul auch bei einem Umzug in die Schweiz nicht hätte
fortgeführt werden können.  
 
3.4. Aus den vorstehenden Erwägungen erhellt, dass der rechtserhebliche
Sachverhalt mangelhaft abgeklärt worden ist. Die im Raum stehenden
Betreuungsmöglichkeiten (vgl. E. 3.3.1, 3.3.2 und 3.3.4) müssen näher geprüft
werden. Die Vorinstanz hat abzuklären, ob einer oder mehrere der in Frage
kommenden Verwandten, einschliesslich der Schwester G.A.________, die Betreuung
von C.A.________ hätte übernehmen können bzw. übernehmen kann. In diesem Rahmen
ist auch zu eruieren, von wann bis wann, an welchem Ort und bei wem sich
C.A.________ in der Türkei aufgehalten hat bzw. aufhält.  
Sodann ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass - anders als beim Normalfall
des nachträglichen Kindernachzugs - beide Eltern in der Schweiz wohnhaft sind
und die nachzuziehende Tochter die ersten knapp zwölf Jahre ihres Lebens in der
Schweiz verbracht hat. In diesem Zusammenhang ist von Interesse, aufgrund
welcher Überlegungen die Eltern sich damals von C.A.________ getrennt haben, um
sie fortan bei ihrer Grossmutter in der Türkei aufwachsen zu lassen. Es ist mit
anderen Worten nicht nur von Belang, wie sich die Betreuungssituation in der
Türkei darstellt, sondern auch, ob sich die Verhältnisse der Eltern dahingehend
geändert haben, dass sich ein Nachzug auch aus dieser Warte als notwendig
erweist. 
Schliesslich ist bei einer Gesamtwürdigung zu berücksichtigen, dass
C.A.________s Integrationschancen in der Schweiz bedeutend höher sind als beim
"gewöhnlichen" Kindernachzug: Im Normalfall hat das nachzuziehende Kind sein
ganzes Leben im Herkunftsland verbracht und besitzt weder Kenntnisse einer in
der Schweiz gesprochenen Sprache, noch ist es mit den hier herrschenden Sitten
und Gebräuchen vertraut. C.A.________ hingegen ist in der Schweiz geboren und
hat die ersten knapp zwölf Jahre ihres Lebens hier verbracht. Sie hat ihre
Deutschkenntnisse in der Türkei aufzufrischen versucht und eine Prüfung
abgelegt, wie die Vorinstanz verbindlich festgestellt hat. Sie kennt zweifellos
die herrschenden Sitten und Gebräuche in der Schweiz, wo ihre Eltern leben
sowie ihre ältere Schwester F.A.________, welche die schweizerische
Staatsbürgerschaft besitzt. Bei dieser Sachlage ist die Integration - entgegen
den Erwägungen der Vorinstanz - gerade nicht "mit erheblichen Schwierigkeiten
verbunden, besonders hinsichtlich der Sprache und sodann der Schule bzw. des
Berufslebens." 
 
4.  
 
4.1. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde im Eventualantrag als
begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache ist zur
weiteren Abklärung des Sachverhalts im Sinn der Erwägungen - wobei
selbstverständlich der Beweislastverteilung und dem Umstand, dass die
Beschwerdeführer Aufenthaltsrechte geltend machen, Rechnung zu tragen ist - und
zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.  
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich die Behandlung der formellen Rügen. 
 
4.2. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind keine Kosten zu erheben (Art. 66
Abs. 1 und 4 BGG). Der Kanton Zürich hat die obsiegenden Beschwerdeführer für
das Verfahren vor dem Bundesgericht angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2
BGG).  
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich vom 20. Februar 2017 wird aufgehoben. Die Sache wird zur
weiteren Abklärung des Sachverhalts im Sinn der Erwägungen und zu neuer
Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten auferlegt. 
 
3.  
Der Kanton Zürich hat die Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem
Bundesgericht mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration
schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 15. Juni 2018 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Genner 

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